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Landgericht Dortmund Urteil vom 15.05.2009 - 8 O 400/08 - Zur Unzulässigkeit von AGB-Bestimmungen, wonach ohne Verzug ein Flug storniert werden kann
 

 

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LG Dortmund v. 15.05.2009:  Zur Unzulässigkeit von AGB-Bestimmungen, wonach ohne Verzug ein Flug storniert werden kann


Das Landgericht Dortmund (Urteil vom 15.05.2009 - 8 O 400/08) hat entschieden:
Klauseln in AGB einer Fluggesellschaft, die sie berechtigen, einen gebuchten Flug sofort zu stornieren und die SCHUFA zu informieren, wenn eine Kreditkartenlastschrift oder sonstiger Bankeinzug misslingt, ohne dass der Kunde durch Mahnung in Verzug gesetzt worden ist, sind überraschend und unangemessen und somit unzulässig.




Tatbestand:

Der Kläger rügt die Unwirksamkeit von vier Klauseln der Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten und verlangt insoweit auch die Zahlung einer Abmahnpauschale in Höhe von € 200,00.

Bei den Klauseln geht es um die Folgen einer gescheiterten Zahlung per Kreditkarte oder Bankeinzug bzw. der Nichteinhaltung einer eingeräumten Zahlungsfrist. Die angegriffenen Klauseln berechtigen die Beklagte in den vorgenannten Fällen zur Stornierung der Reservierung und Verweigerung der Beförderung ohne Mahnung, zur Ablehnung weiterer Geschäfte, zur Beauftragung eines Inkassounternehmens und zur Benachrichtigung der SCHUFA.

Außerdem macht der Kläger aus abgetretenem Recht einen Schadensersatzanspruch des Herrn K. in Höhe von € 2 348,87 geltend. Dieser buchte über den Internetauftritt der Beklagten im Februar 2008 für sich und mehrere Begleiter Hinflüge nach Korfu; Flugtermin war Juni 2008. Der Zeuge wählte als Zahlungsart die Bezahlung mit seiner Kreditkarte und gab entsprechende Daten ein. Es wurde sodann eine Buchungsbestätigung angezeigt, die den Zahlungsvorgang als „schwebend“ auswies. Eine zugleich mit dem Zusatz „wichtig“ angekündigte Buchungsbestätigung per Email erhielt der Zeuge jedoch nicht, ebenso wenig wurde der Zahlbetrag seiner Kreditkarte belastet; beides fiel dem Zeugen jedoch vor Reiseantritt nicht auf. Warum die Zahlung nicht durchgeführt wurde, ist ungeklärt; es kommt auch in Betracht, dass die Ursache bei Herrn K. liegt, z.B. weil er sich bei der Eingabe der Kreditkartennummer vertippt haben könnte. Bei Reiseantritt im Juni 2008 stellte sich dann heraus, dass die gebuchten Plätze nicht mehr reserviert waren. Da die Maschine ausgebucht war, musste Herr K. ersatzweise bei einer anderen Fluggesellschaft Plätze für einen Flug am Folgetag buchen. Diese Tickets waren um den hier geltend gemachten Betrag teurer als die ursprünglich bei der Beklagten gebuchten Tickets. Die Kosten der Übernachtung werden nicht geltend gemacht.

Der Kläger beantragt mit der am 16.12.2008 zugestellten Klage,
die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250 000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, nachfolgende oder mit diesen inhaltsgleiche Bestimmungen in Luftbeförderungsverträgen mit Verbrauchern einzubeziehen sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 1. April 1977, zu berufen:

„4.6.2 Wenn einer der in Artikel 4.5.3 lit. (a) bis (f) aufgeführten Fälle eintritt oder Sie eine Ihnen eingeräumte Zahlungsfrist nicht einhalten, haben wir das Recht,

4.6.2 (a) Ihre Reservierungen zu stornieren und Ihre weitere Beförderung zu verweigern, ohne dass dafür eine besondere Fristsetzung, Mahnung oder Benachrichtigung Voraussetzung wäre,

4.6.2 (b) Ihren Online-Nutzerzugang bei uns zu sperren und weitere Buchungen von Ihnen oder für Sie als Fluggast abzulehnen,

4.6.2 (c) ein Inkassounternehmen mit dem Forderungseinzug zu beauftragen,

4.6.2 (d) Ihre Säumnis der SCHUFA anzuzeigen.“

sowie die Beklagte weiter zu verurteilen, an ihn € 200,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie € 2 348,87 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Beklagte hat den Anspruch auf Zahlung von € 2 348,87 unter der Bedingung anerkannt, dass der Kläger insoweit aktivlegitimiert sei, und beantragt,
die Klage im Übrigen abzuweisen.
Sie hält die angegriffenen Klauseln für wirksam. Hinsichtlich des Schadensersatzanspruches bezweifelt sie, dass dem Kläger die hier streitgegenständlichen Reisekosten abgetreten worden seien, weil die vorgelegten Abtretungserklärungen sich auf Ansprüche aus einem am 03.08.2008 geschlossenen Beförderungsvertrag beziehen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässigen Klagen sind in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

I.

Der Kläger hat Unterlassungsansprüche nach § 1 UKlaG nur hinsichtlich der Klauseln 4.6.2 (a) und 4.6.2 (d), da nur diese Klauseln unwirksam sind.

1. Die Klausel 4.6.2 (a) ist unwirksam gemäß § 309 Nr. 4 BGB.

Die Klausel regelt ein Rücktrittsrecht, da die Beklagte berechtigt sein soll, die Reservierung zu stornieren, so dass der der Sitzplatz wieder in den freien Verkauf gegeben wird, und die Beförderung der Person zu verweigern.

Da nach § 309 Nr. 4 BGB ein gesetzliches Erfordernis der Mahnung oder Fristsetzung durch AGB nicht abbedungen werden kann, würde die Klausel hiergegen nur dann nicht verstoßen, wenn ein Erfordernis zur Mahnung/Fristsetzung in den geregelten Fällen schon nach dem Gesetz nicht bestünde. Die Entbehrlichkeit der Fristsetzung als Rücktrittsvoraussetzung regelt § 323 Abs. 2 BGB. Dessen Tatbestände sind aber sämtlich nicht einschlägig:

Alle Fälle der in Bezug genommenen Klausel 4.5.3 und auch der Fall der Nichteinhaltung einer Zahlungsfrist stellen nicht generell eine ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung des Kunden im Sinne von § 323 II Nr. 1 BGB dar.

In den Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten ist die Flugreise auch nicht als Fixgeschäft im Sinne von § 323 II Nr. 2 BGB ausgestaltet, insbesondere wird dem Kunden kein bestimmter Leistungszeitpunkt oder bestimmte Leistungsfrist vorgegeben. Es wird in Klausel 4.5.1 lediglich die gesetzliche Regel (§ 271 Abs. 1 BGB) wiedergegeben, dass die aus dem Vertrag folgende Zahlungspflicht des Kunden sofort fällig ist.

Es sind auch besondere Umstände im Sinne von § 323 II Nr. 3 BGB nicht erkennbar, die es rechtfertigen würden, dass die Beklagte den Kunden nicht zumindest per Email von dem Scheitern des ersten Zahlungsversuchs unterrichtet und ihm eine kurze Nachfrist zur Vornahme eines weiteren Zahlungsversuchs setzt.

2. Die Klausel 4.6.2 (b) ist dagegen nicht unwirksam.

Mit dem „Online-Netzzugang“ sind bei verständiger Würdigung die Funktionalitäten gemeint, die einem Kunden nach Registrierung über einen verschlüsselten Zugang (Benutzername und Passwort) offen stehen. Dass nicht überhaupt der Zugang zum Internetauftritt der Beklagten gemeint ist, ergibt sich bereits daraus, dass die Beklagte den Aufruf dieser allgemein zugänglichen Internetseiten gar nicht individuell für bestimmte Personen sperren lassen könnte. Außerdem bleiben dem Kunden sämtliche anderen Kommunikationswege mit der Beklagten (Brief, Email, Telefon) eröffnet. Die Höhe der Telefongebühren für einen Anruf bei der Service-Nummer der Beklagten ist nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits.

Es stehen Belange des Datenschutzes nicht in Frage, wenn ein solcher vorhandener Zugang gesperrt wird.

Im Übrigen scheidet bereits eine AGB-rechtliche Angemessenheitsüberprüfung aus, da die Klausel nicht von gesetzlichen Bestimmungen abweicht oder diese ergänzt (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB). Denn die Beklagte unterliegt keinem Kontrahierungszwang. Es steht ihr frei, mit wem sie Verträge schließen und wem sie Zugang zu internen Bereichen ihres Internetauftritts gewähren will.

Schließlich kann die Klausel auch nicht als überraschend im Sinne von § 305c BGB angesehen werden. Das auf Standardisierung und möglichst automatisierte Abwicklung angewiesene Geschäft eines „Billigfliegers“ lässt es nicht ungewöhnlich erscheinen, dass die Beklagte eine Einzelfallaufklärung der Ursachen für das Scheitern einer Zahlung ausschließen will.

3. Die Klausel 4.6.2 (c) ist ebenfalls nicht unwirksam.

Es ist auch der Beklagten unbenommen, Forderungen nicht selbst einzuziehen, sondern damit Dritte zu beauftragen.

4. Dagegen ist die Klausel 4.6.2 (d) unwirksam, weil unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

Die Zulässigkeit einer Übermittlung von „weichen“ Negativmerkmalen an die SCHUFA richtet sich nach § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG. Nach zutreffender Auffassung ist danach eine Interessenabwägung erforderlich, die voraussetzt, dass der Datenübermittler „sich im Einzelfall vergewissert hat, dass das Verhalten des Kunden auf Zahlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit beruht“ (OLG Frankfurt a.M.v. 15.11.2004, ZIP 2005, 654). Hiervon weicht die in Rede stehende Klausel ab, indem sie die Beklagte zur Datenübermittlung an die SCHUFA ohne eine solche Vergewisserung und überhaupt ohne jede Interessenabwägung berechtige soll. Dies ist eine so gravierende Abweichung von § 28 BDSG, dass sie mit dem wesentlichen Grundgedanken dieser Vorschrift nicht mehr vereinbar ist.


II.

Da der Kläger mit seinem Unterlassungsbegehren lediglich hinsichtlich zwei von vier angegriffenen Klauseln durchdringen kann, steht ihm auch die geltend gemachte Abmahnpauschale nur zur Hälfte zu.


III.

Den geltend gemachten Zahlungsanspruch aus abgetretenem Recht hat die Beklagte anerkannt.

Zwar ist das Anerkenntnis unter der Bedingung erfolgt, dass der Kläger insoweit aktivlegitimiert sei. Diese Bedingung ist so zu verstehen, dass das Anerkenntnis davon abhängen soll, dass das erkennende Gericht die Abtretung für erwiesen halte.

Eine solche innerprozessuale Bedingung ist aber zulässig.

Zur Überzeugung der Kammer steht auch fest, dass dem Kläger der geltend gemachte Anspruch abgetreten worden ist. Der Kläger hat mit nachgelassenem Schriftsatz eine Erklärung des Herrn K. vorgelegt, wonach die Datumsangabe „03.08.2008“ auf einem Versehen beruhte. Auf die weiteren Mitreisenden kommt es insoweit schon deshalb nicht an, weil die streitgegenständlichen Ausgaben für sämtliche Reisenden unstreitig allein von Herrn K. getätigt worden waren.


IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Dabei sind die auf den Zahlungsanspruch aus abgetretenem Recht entfallenden Kosten nicht etwa dem Kläger nach § 93 ZPO aufzuerlegen gewesen. Die Voraussetzungen von § 93 ZPO sind schon deshalb nicht erfüllt, weil das Anerkenntnis nicht sofort, nämlich spätestens in der Klageerwiderungsfrist (Zöller-Herget, 27. Aufl., § 93 ZPO, Rn. 4) abgegeben worden ist. Dass der Kläger den Nachweis der Abtretung erst später erbracht hat, führt zu keinem anderen Ergebnis (Zöller-Herget, a.a.O., Rn. 6 Stichwort „Unschlüssige Klage“ a.E.).


V.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.








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