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AGB - Bonuspunkte - Flugtickets - Geschenkgutscheine - Preisangaben - Reisen - Ticketverkauf - Wettbewerb - Widerrufsausschluss - Widerrufsbelehrung - Widerrufsrecht LG Berlin v. 07.07.2004: Zum fehlenden Widerrufsrecht bei Reiseverträgen, zur groben Fahrlässigkeit eines Reisevermittlers und zur Nichtanwendung des Reisevertragsrechts bei bloßer ReisevermittlungDas Landgericht Berlin (Urteil vom 07.07.2004 - 33 O 130/03) hat entschieden:
Tatbestand: Die Klägerin wollte ihrem Sohn und zwei anderen Personen eine Reise nach Australien schenken. Am 8. Juni 2002 buchte entweder die Klägerin oder ihr Sohn über die Internetseite der Beklagten drei Hin- und Rückflüge zum Flughafen Melbourne International. Dieser liegt in Florida (USA). Die Beklagte bestätigte dies mit der E-Mail, die sie als Anlage B 6 zur Klageerwiderung vorlegt. Zugleich buchte die Klägerin oder ihr Sohn über die Internetseite der Beklagten für den fraglichen Zeitraum einen Mietwagen. Später kam es zum Abschluss einer Reiserücktrittsversicherung. In der Folgezeit beschaffte die Beklagte für die drei Personen und eine weitere Person, die sich später entschloss, mitzureisen, den Flug aber direkt bei Fluggesellschaft buchte, Visa für Australien. Am 24. November 2002 traten die erwähnten Personen die Reise an. Als sie in Florida ankamen, bemerkten sie den Irrtum. Von dort aus organisierten sie ihre Weiterreise nach Australien. Die Rückreise erfolgte von Australien über Florida nach Deutschland. Nach Zustellung der Klage traten die vier erwähnten Personen ihre Ansprüche gegen die Beklagte "aus der Flugbuchung ab Frankfurt/Main am 24.11.2002 nach Melbourne einschließlich aller daraus resultierenden Schadensersatzansprüche" an die Klägerin ab (Anlage K 27 zum Schriftsatz des Klägervertreters vom 21. April 2004, Bl. 76 d. A.). Die Klägerin behauptet, auf der Buchungsmaske der Beklagten habe sich hinter der Angabe "Melbourne (Int.)" nicht die Angabe befunden, dass dieser Flughafen in Florida (USA) liegt. Außerdem behauptet sie, sie habe die Buchung durchgeführt, während sie mit einem Mitarbeiter der Beklagten telefoniert habe. In der Folgezeit habe sie gegenüber verschiedenen Mitarbeitern der Beklagten erwähnt, dass die Reise nach Australien gehen solle. Sie meint, es liege ein Reisevertrag im Sinne von §§ 651 a ff. BGB vor. Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin verschiedene Schadenspositionen geltend. Diesbezüglich wird auf die Klageschrift (Seiten 7 ff.) verwiesen. Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 8.354,05 Euro sowie 7.553,31 US-Dollar zzgl. jeweils 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz hierauf seit 15. Januar 2003 zu zahlen.Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.Sie behauptet, die Angabe des Ziellandes habe sich bei der Buchung hinter der Bezeichnung des Zielflughafens auf der Buchungsmaske befunden. Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen. Entscheidungsgründe: Die Klage ist in dem aus dem Tenor zu entnehmenden Umfang begründet, im Übrigen ist sie unbegründet. Der Klägerin steht wegen folgender Positionen ein Anspruch gegen die Beklagte zu:
Zu den einzelnen geltend gemachten Positionen: Hinsichtlich der Flugtickets steht der Klägerin jedenfalls § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB n. F. zu Seite. Die Pflichtverletzung der Beklagten liegt darin, dass sie an die Klägerin bzw. ihren Sohn keine in der Sache den Anforderungen des § 312 c Abs. 2 BGB n. F. genügende Buchungsbestätigung geschickt hat, deshalb kommt es auf den streitigen Inhalt der Buchungsmaske und ein mögliches Fehlverhalten der Mitarbeiter der Beklagten, die mit der Klägerin telefonierten, nicht an. Der Beklagten ist zwar insofern Recht zu geben, dass die Regelungen über Fernabsatzverträge über §§ 312 b ff. BGB wegen § 312 Abs. 3 Nr. 6 BGB unmittelbar nicht anwendbar sind. Der von der Beklagten hierfür vorgetragene Grund, dass nämlich Reiseveranstalter und auch Reisevermittler nicht darauf verwiesen werden können, einem zweiwöchigen Widerrufsrecht ausgesetzt zu sein, trifft zu. Die Anforderungen an die Buchungsbestätigung a.a.O. hat die Beklagte aber einzuhalten, denn der Zweck dieser Vorschrift (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 312 c Rdnr. 6: "Sie sollen den Verbraucher in die Lage versetzen, sich über den Inhalt des Vertrages zu vergewissern und darüber zu entscheiden, ob er von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen will oder nicht.") bleibt, was den ersten Teil anbelangt, bestehen. Bei jedem über das Internet zustande gekommenen Vertrag besteht ein besonderes Interesse für den Verbraucher, den Inhalt des zustande gekommenen Geschäfts nachgewiesen zu bekommen. Dies folgt daraus, dass bei Buchungen und sonstigen Rechtsgeschäften über das Internet leicht durch Fehlbedienung fehlerhafte, nicht gewollte Erklärungen abgegeben werden. Es entspricht den beiderseitigen Interessen, wenn der Empfänger der Erklärung eine Bestätigung an den Verbraucher sendet, damit dieser überprüfen kann, ob er irrtümlich eine falsche Erklärung abgegeben hat. Der Empfänger ist durch § 121 Abs. 1 Satz 1 und die daraus resultierende Verpflichtung, unverzüglich anzufechten, und § 122 Abs. 1 – Schadensersatzpflicht – geschützt. Die von der Beklagten als Anlage B 6 zur Klageerwiderung vorgelegte Buchungsbestätigung genügt den Anforderungen nicht. Maßgeblich ist der sich aus § 1 Abs. 1 Nr. 3 BGB-InfoV in der Sache ergebende Maßstab, auch wenn diese – wie bereits im Hinblick auf §§ 312 b ff. BGB ausgeführt – nicht unmittelbar anwendbar ist. Die Beklagte hat ein wesentliches Merkmal der Dienstleistung im Sinne der oben angegebenen Vorschrift aus der BGB-InfoV nicht ausreichend beschrieben. Erforderlich ist eine detaillierte Beschreibung (Palandt-Heinrichs, a.a.O. § 1 BGB InfoV, Rdnr. 3). Hierzu gehört die Angabe des Ziellandes einer zu buchenden Flugreise jedenfalls bei mehreren Flugzielen im übrigen gleichen Namens. Die Angabe des Namens des jeweiligen Flughafens in Kurzbezeichnung ist hierfür nicht ausreichend. Das Erfordernis einer Buchungsbestätigung in voranstehend beschriebener Weise entfällt nicht deshalb, weil der Klägerin oder ihrem Sohn zuvor bereits in Textform im Sinne von § 126 b BGB die entsprechenden Informationen erteilt hätte, sofern man der Behauptung folgt, die Angabe des Ziellandes habe sich auf der Buchungsmaske befunden. Anders als von der Beklagten im Schriftsatz vom 9. Juni 2004 auf Seite 4 angeführt, genügt eine Homepage nur dann, wenn es tatsächlich zu einem Download kommt, andernfalls nicht (Palandt-Heinrichs a.a.O. § 312 c Rdnr. 7). Dass es zu einem Download gekommen ist, ist nicht ersichtlich. Der Beklagten ist grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, so dass es auf die Haftungsbeschränkung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten nicht ankommt. Generell liegt grobe Fahrlässigkeit vor, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird, schon einfachste, ganz naheliegenden Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten müsste. Dabei sind subjektive Umstände aufseiten des Haftenden zu berücksichtigen (a.a.O., § 277 Rdnr. 5). Vorliegend ist grobe Fahrlässigkeit anzunehmen. Dass akute Verwechslungsgefahr besteht, wenn hinter verschiedenen Zielorten gleichen Namens nicht angegeben wird, in welchem Land die Zielorte liegen, ist naheliegend im Sinne der voranstehenden Definition. Dies gilt umso mehr, als es der Beklagten klar sein musste, dass Laien die Tatsache, dass es neben der Stadt Melbourne in Australien noch eine Stadt gleichen Namens in Florida/USA gibt, nicht ohne weiteres bekannt sein dürfte. Außerdem musste der Beklagten klar sein, dass Verwechslungsgefahr ganz besonders insofern bestand, als die Abkürzung "Int." für "International" darauf hindeuten kann, dass es sich bei diesem Flughafen um den größten von mehreren Flughäfen am gleichen Ort handelt. Schließlich spricht für die Annahme grober Fahrlässigkeit, dass es der Beklagten klar sein musste, dass wegen des Umstandes, dass die beiden fraglichen Orte auf verschiedenen Kontinenten liegen, die Verwechslung besonders gravierende Folgen haben würde. Die Klägerin hat nur Anspruch auf Ersatz des Schadens für die bei der Buchung angegebenen Personen. Bei dem streitgegenständlichen Vertrag handelt es sich um einen sogenannten Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Generell sind an die Einbeziehung von Dritten in den vertraglichen Schutz strenge Anforderungen zu stellen. Der Dritte muss bestimmungsgemäß mit der Leistung in Berührung kommen und den Gefahren von Schutzpflichtverletzungen ebenso ausgesetzt sein wie der Gläubiger selbst. Drittschutz besteht u. a. dann, wenn der Gläubiger an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages ein besonderes Interesse hat und der Vertrag dahin ausgelegt werden kann, dass der Vertrauensschutz in Anerkennung dieses Interesses auf den Dritten ausgedehnt werden soll. Der Schuldner haftet nur, wenn die Drittbezogenheit der Leistung und die Gläubigernähe des Dritten für ihn erkennbar sind (a.a.O. § 328 Rdnr. 16 ff.). Vorliegend galt insbesondere Letzteres für die Beklagten nur im Hinblick auf die drei bei Buchung angegebenen Personen. Eine Haftung für die vierte, später hinzugekommene Person kommt trotz der von der Beklagten auf Kulanzbasis erbrachten Leistungen insbesondere bei der Beschaffung der Visa für Australien nicht in Betracht. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die geltend gemachten Schadenspositionen im Zusammenhang mit § 651 f Abs. 2 BGB (vertaner Urlaub). Voraussetzung hierfür ist das Zustandekommen eines Reisevertrags im Sinne von § 651 a BGB oder eines Vertrags, auf den die Vorschriften der §§ 651 a ff. BGB analog anwendbar sind; dabei muss von einem Reiseveranstalter eine Gesamtheit von Reiseleistungen angeboten werden. Die Beklagte ist nicht Reiseveranstalterin im Sinne von § 651 a BGB. Generell gilt, dass ein Reiseveranstalter eine Anzahl von Einzelleistungen auswählt, sie aufeinander abstimmt, verbindet und sie nach einem festgelegten Programm zu einheitlichen Preisen anbietet. Dabei sind das Auftreten nach außen und die Beurteilung aus der Sicht des Durchschnittskunden maßgebend (Palandt-Sprau, a.a.O., Einf. vor § 651 a Rdnr. 1). Als Abgrenzungskriterien zum Reisevermittlungsvertrag kommen in Betracht, ob der Anbieter denjenigen offen legt, der die eigentliche Leistung erbringt oder nicht, und ob sich das Angebot an Urlaubs- oder Geschäftsreisende wendet (BGH NJW 1985, 906 f.). Die Beklagte ist als Vermittlerin von Reiseleistungen tätig geworden. Dafür spricht zum einen, dass sie die Fluggesellschaften offen legt, die die fraglichen Flüge durchführen. Dies gehört erkennbar zum Geschäftskonzept der Beklagten. Den Reisenden soll die Möglichkeit gegeben werden, zwischen verschiedenen Anbietern, deren Leistungsprofil (z. B. die verwendeten Flugzeuge) und Preisen auszuwählen. Daneben handelt es sich um Angebote, die sich nicht an Urlaubsreisende wenden, sondern an jede Art von Reisenden. Die Beklagte hat auch keine Gesamtheit von Reiseleistungen angeboten. Generell ist das der Fall (Palandt-Sprau a.a.O. Rdnr. 3), wenn mindestens zwei zu einer Gesamtleistung zusammengefasste Leistungen von nicht nur ganz untergeordneter Bedeutung vorliegen, die der Anbieter in eigener Verantwortung erbringen muss. Vorliegend ist nur eine maßgebliche Leistung in diesem Sinne anzunehmen, nämlich der Flug selbst. Die Buchung des Mietwagens ist keinesfalls der Beklagten zuzurechnen, dies ist der Nr. 4 Abs. 1 ihrer AGB zu entnehmen. Die Buchung einer Reiserücktrittsversicherung ist ebenfalls keine Reiseleistung im Sinne der obigen Definition, zum einen handelt es sich um eine ganz untergeordnete Leistung im obigen Sinn. Zum anderen ist die Beklagte – auch für die Klägerin erkennbar – nicht eine Versicherung, die die fragliche Leistung selbst erbringt. Die Klägerin hat nach gerichtlicher Schätzung gemäß § 287 ZPO gemäß § 280 Abs. 1 BGB Anspruch auf 80 % der geltend gemachten sonstigen Positionen mit Ausnahme derjenigen Positionen, auf deren Geltendmachung sie im schriftlichen Vorverfahren für dieses Verfahren verzichtet hat. Wegen der die grundsätzliche Haftung der Beklagten betreffenden Voraussetzungen ist auf die obigen Ausführungen zu der genannten BGB-Vorschrift zu verweisen. Wegen der Begründung, weshalb auf die ausgeschlossenen Positionen kein Anspruch besteht, wird auf die Verfügung des Gerichts vom 10. Juli 2003 verwiesen. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1 bzw. 291 Satz 1 BGB. Verzug trat erst mit Abtretung der Ansprüche an die Klägerin ein, denn generell gilt, dass Fälligkeit Voraussetzung für Verzug ist, wie auch in § 291 Satz 1 zweiter Halbsatz zum Ausdruck kommt. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht hinsichtlich der Klägerin gemäß § 709 Satz 1 ZPO und hinsichtlich der Beklagten gemäß §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO. |