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Nutzungsentgelt
- Textform
- Versandkosten
- Wertersatz
- Wettbewerbsverstöße
- Widerrufsrecht
- Widerrufsbelehrung
- Widerrufsfrist
- Widerrufsausschluss
OLG Hamm v. 12.03.2009: Zur Wettbewerbswidrigkeit unzutreffender Voraus-Belehrungen über den Fristbeginn des Widerrufsrechts und die Verpflichtung zum Wertersatz sowie zur lückenhaften Angabe von Auslandsversandkosten
Das OLG Hamm (Urteil vom 12.03.2009 - 4 U 225/08) hat entschieden:
- Wird die Widerrufsbelehrung vor Vertragsabschluss auf der Homepage des Anbieters mit der Formulierung „die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung" erteilt, so ist dies unzulässig, weil nach § 355 Abs. 2 BGB immer erst „frühestens“ die Belehrung in Textform die Widerrufsfrist für den Kunden auslösen kann. Die beanstandete Klausel ist daher von vornherein falsch. Diese im Internet erscheinende Belehrung zielt erst auf die spätere in Textform zu erteilende Belehrung nach § 312c Abs. 2 BGB ab und hat folglich keine rechtlichen Auswirkungen.
- Nur wenn die Belehrung über den Wertersatz spätestens bei Vertragsabschluss in Textform vorliegt, ist sie wirksam. Wird auf der Internetseite nur eine entsprechende Voraus-Belehrung gem. § 312c Abs. 1 BGB erteilt, wird eine Verpflichtung zum Wertersatz nicht begründet.
- Ist ein Versandhändler bereit in alle Länder zu liefern, genügt er seiner Pflicht zur Angabe der Auslandsversandkosten nicht, wenn er diese lediglich für einige Länder angibt. Wer in alle Welt liefert, muss auch für sämtliche Länder die Versandkosten angeben.
Zum Sachverhalt: Die Parteien handeln mit Garten- und Terrassenartikeln, die sie auch über die Handelsplattform F. vertreiben.
Am 30. August 2008 bot die Antragsgegnerin über F. einen Faltpavillon an. Dabei verwandte sie eine Widerrufsbelehrung, die dem Muster zu § 14 BGB-InfoV in der bis zum 31. März 2008 gültigen Fassung entsprach. Die Antragsgegnerin, die einen weltweiten Versand anbot, teilte die Versandkosten lediglich für Deutschland und 13 europäische Länder mit.
Der Antragsteller mahnte die Antragsgegnerin ab und beanstandete, dass in der Widerrufsbelehrung nicht darüber informiert wurde, dass die Frist zum Widerruf nicht vor Erhalt der Belehrung in Textform und nicht vor Erhalt der Ware beginne und dass eine Wertersatzpflicht für eine Verschlechterung der Sache durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme nicht bestehe, wenn nicht bis zum Abschluss des Vertrages die Belehrung über die Wertersatzverpflichtung in Textform erfolge. Außerdem hat der Antragsteller die Angaben zu den Versandkosten beanstandet.
Das Landgericht hat das Verfügungsbegehren des Antragstellers durch Urteil vom 28. Oktober 2008 entsprechend dem Antrag der Antragsgegnerin als unbegründet zurückgewiesen.
Zwar verstoße die Widerrufsbelehrung gegen gesetzliche Vorschriften, die auch dazu bestimmt seien, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Die von der Antragsgegnerin erteilte Belehrung entspreche aber dem Muster der Belehrung zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der bis zum 31. März 2008 gültigen Fassung, dessen weitere Benutzung bis zum 30. September 2008 vom Gesetzgeber zugelassen worden sei. Daraus könne man nur schlussfolgern, dass der Gesetzgeber davon ausgehe, dass die in dem alten Muster enthaltenen Ungenauigkeiten in der Belehrung nicht geeignet seien, den Wettbewerb erheblich zu beeinträchtigen. Dem stehe auch nicht entgegen, dass sich die Übergangsvorschrift nur auf Widerrufsbelehrungen in Textform beziehe.
Zudem fehle die erforderliche Wiederholungsgefahr. Die Antragsgegnerin habe sich an das gesetzliche Muster gehalten und glaubhaft angekündigt, ab dem 1. Oktober 2008 das neue gesetzliche Muster verwenden zu wollen.
Das Landgericht hat auch im Hinblick auf die Versandkosten Gesetzesverstöße bejaht. Es hat einen Verfügungsanspruch des Antragstellers aber abgelehnt, weil von einem Bagatellverstoß auszugehen sei.
Gegen dieses Urteil hat der Antragsteller form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der er seine ursprünglichen Anträge weiterverfolgt.
Das Rechtsmittel hatte Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Die Berufung des Antragstellers ist begründet. Das Landgericht hat das Verbotsbegehren zu Unrecht für unbegründet erachtet.
Das Verbotsbegehren ist zulässig. Es fehlt nicht mehr die hinreichende Bestimmtheit der Unterlassungsanträge gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, nachdem der Antragsteller im Senatstermin auf Hinweis des Senates gem. § 139 Abs. 1 ZPO sein ursprüngliches Verbotsbegehren korrigiert und ihm die Fassung gegeben hat, wie es der Senat ausgeurteilt hat. Dadurch ist hinreichend deutlich geworden, dass der Antragsteller ein Verbot der konkreten Verkaufsbedingungen begehrt, wie sie dem beanstandeten Verkaufsangebot vom 30. August 2008 zugrunde liegen.
Der Verfügungsgrund folgt aus § 12 Abs. 2 UWG. Die dort geregelte Dringlichkeitsvermutung ist vorliegend nicht widerlegt. Denn das beanstandete Angebot datiert vom 30. August 2008. Am 30. September 2008 ist der Verfügungsantrag bei Gericht eingegangen, also innerhalb eines Monats. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist diese Dringlichkeitsvermutung erst dann widerlegt, wenn der Antragsteller länger als einen Monat damit zuwartet, gerichtlichen Schutz nachzusuchen.
Das Vorgehen des Antragstellers ist auch nicht rechtsmissbräuchlich nach § 8 Abs. 4 UWG, wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat. Der diesbezügliche Vortrag der Antragsgegnerin ist nicht ausreichend substantiiert. In ihrer Berufungserwiderung kommt die Antragsgegnerin auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt auch nicht mehr zurück.
Das Verbotsbegehren ist auch in der Sache begründet.
Der erste Antrag betrifft die richtige Belehrung über den Beginn der Widerrufsfrist. Insoweit hat schon das Landgericht zu Recht einen Verstoß bejaht.
Es geht im vorliegenden Fall um die vom Senat schon mehrfach beanstandete Formulierung „die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“.
Es handelt sich bei dieser beanstandeten Klausel um die Belehrung nach § 312c Abs. 1 BGB. Nach dieser Vorschrift hat der Unternehmer den Verbraucher rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärungen in einer dem eingesetzten Fernkommunikationsmittel entsprechenden Weise klar und verständlich die geforderte Informationen zur Verfügung zu stellen. Bei dieser Belehrung handelt es sich um eine Vorabbelehrung, die der Unternehmer dem Verbraucher zukommen lassen muss, bevor dieser rechtsgeschäftliche Erklärungen abgibt. Regelmäßig wird diese Belehrung bereits bei den Angeboten im Internet erteilt. Sie kann aber noch keinen Fristbeginn auslösen und schon gar nicht, wie in der Klausel gesagt wird frühestens. Denn nach § 355 Abs. 2 BGB kann immer erst „frühestens“ die Belehrung in Textform die Widerrufsfrist für den Kunden auslösen. Die beanstandete Klausel ist daher von vornherein falsch. Diese im Internet erscheinende Belehrung zielt erst auf die spätere in Textform zu erteilende Belehrung nach § 312c Abs. 2 BGB ab und hat folglich keine rechtlichen Auswirkungen.
Die Antragsgegnerin kann sich nicht mit Erfolg auf die Musterbelehrung nach der BGB-InfoV berufen, und zwar weder auf die alte noch auf die neue. Die alte Belehrung war auf § 14 Abs. 1 BGB-InfoV gestützt. Diese Norm regelte nur die Belehrung in Textform. Bei der Belehrung in Textform gab die Anlage das Belehrungsmuster vor. Wie bereits ausgeführt geht es im vorliegenden Fall aber nicht um die Belehrung in Textform, sondern allein um die Vorausbelehrung nach § 312c Abs. 1 BGB.
Gleiches gilt für die neue Musterbelehrung. Sie empfiehlt die Musterbelehrung ebenfalls nur für die Belehrung in Textform.
Die Antragsgegnerin übersieht bei ihrer Argumentation, dass es hier nicht isoliert um den Wortlaut der Belehrung als solchen geht, sondern nur darum, dass der beanstandeten Belehrung nach § 312c Abs. 1 BGB eine Wirkung beigemessen wird, die dieser Belehrung von vornherein nicht zukommt, die sie von vornherein auch nicht haben kann. Die Wirkung, über die belehrt wird, nämlich „Fristbeginn mit dieser Belehrung“ kann der Belehrung nach § 312c Abs. 1 BGB von vornherein nicht zukommen. Infolgedessen gehen die Ausführungen der Antragsgegnerin zum Verhältnis von alter zu neuer Widerrufsbelehrung am Kern der Sache vorbei. Wie dargelegt ist für den Kunden bedeutsam im Hinblick auf die Auslösung von Widerrufsfristen nur die Belehrung in Textform. Um diese Belehrung geht es aber wie dargelegt im vorliegenden Fall nicht. Hier geht es nur um die Belehrung des Kunden darüber, welche Auswirkungen es hat, wenn er demnächst in Textform über sein Widerrufsrecht belehrt wird. Dies macht die beanstandete Klausel der Antragsgegnerin nicht deutlich, wenn es dort heißt, dass die Widerrufsfrist mit Erhalt dieser Belehrung beginnt, was der Kunde nur auf die Vorausbelehrung beziehen kann, die er bei dem Internetangebot sieht, die aber eben keine Belehrung in Textform darstellt.
Zu Unrecht verneint die Antragsgegnerin auch die Wiederholungsgefahr. Denn zu beanstanden ist hier die Belehrung nach § 312c Abs. 1 BGB. Insoweit besteht grundsätzlich die Vermutung, dass die Antragsgegnerin diese Belehrung in ihrer falschen Form auch wiederholt. Der Antragsgegnerin kommt, wie ausgeführt, die neue Musterbelehrung also nicht zugute. Denn auch diese neue Musterbelehrung behandelt wiederum nur die Belehrung in Textform. Es geht also gerade nicht um die Ungenauigkeit, die der alten Widerrufsbelehrung vorgeworfen wurde, sondern darum, dass die Antragsgegnerin ihrer Vorabinformation nach § 312c Abs. 1 BGB eine Wirkung beigemessen hat, die auch die alte Musterbelehrung ihr nie beigemessen hat. Deshalb geht auch der vom Landgericht vorgenommene Erst-recht-Schluss fehl (vgl. zur Ungenauigkeit der alten Widerrufsbelehrung Palandt 64. Aufl. § 14 BGB-InfoV Rz. 5).
Es liegt auch kein Bagatellverstoß i.S.d. § 3 UWG vor. Denn die richtige Belehrung über die Widerrufsfrist betrifft elementare Verbraucherschutzrechte.
Der zweite Verfügungsantrag betrifft die Wertersatzpflicht des Käufers, wenn er die Kaufsache bestimmungsgemäß gebraucht. Die Antragsgegnerin verteidigt die von ihr verwandte Klausel auch hier mit der alten Widerrufsbelehrung, in der das so steht. Dabei übersieht die Antragsgegnerin aber, dass diese Musterbelehrung davon ausgeht, dass diese Belehrung dem Verbraucher spätestens bei Vertragsschluss in Textform vorliegt. Nur dann greift nach § 357 Abs. 3 BGB die Wertersatzpflicht. Andernfalls braucht nicht belehrt zu werden. Denn dann greift die allgemeine gesetzliche Regelung ein, wonach für die Ingebrauchnahme eben kein Wertersatz geschuldet wird, § 346 Abs. 2 Ziff. 3 BGB. Die Belehrung der Antragsgegnerin stellt aber wiederum keine Belehrung in Textform dar, sondern die Vorausbelehrung nach § 312c Abs. 1 BGB. Diese Belehrung reicht mithin nicht aus, um die Wertersatzpflicht des Käufers bei bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme der Kaufsache zu begründen.
Auch hier sind wiederum elementare Verbraucherschutzrechte betroffen, so dass kein Bagatellverstoß i.S.d. § 3 UWG vorliegt.
Das dritte Verbot betrifft den Auslandsversand, und zwar weltweit, wie ihn die Antragsgegnerin angeboten hat. Die Versandkosten werden aber nur für einige Länder angegeben. Das reicht nach der ständigen Rechtsprechung des Senates nicht aus, um die Voraussetzungen der Preisangabenverordnung zu erfüllen (zuletzt Urteil vom 10. Februar 2009 – 4 U 185/08 ). Für die Klagebefugnis des Antragstellers reicht es insoweit aus, dass sich die Angebote der Parteien überschneiden. Es ist nicht erforderlich, dass der Antragsteller auch in alle die Länder seine Waren versendet, bei denen die Antragsgegnerin die Versandkosten nicht angegeben hat. Nach der Preisangabenverordnung müssen aber eben die Versandkosten für alle Länder angegeben werden, in die Waren versandt werden. Eine solche Angabe kann auch recht knapp erfolgen, wenn Regeln für ganze Ländergruppen aufgestellt werden. Fehlen dürfen solche Angaben aber nicht (Senatsurteil a.a.O.). ..."
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