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LG Bonn v. 23.07.2003: Zur Angemessenheit einer Stornogebühr von 50% bei Rücktritt von einer Reisebuchung
Das Landgericht Bonn (Urteil vom 23.07.2003 - 5 S 76/03) hat entschieden:
Eine Pauschale von 50 % bei Rücktritt 9 Tage vor geplantem Reisebeginn begegnet keinen Bedenken, da eine anderweitige Verwendungsmöglichkeit angesichts der kurzen Frist unwahrscheinlich ist. Bei der Bemessung der Pauschale muss nicht mindernd berücksichtigt werden, ob eine Buchung erst kurz vor dem geplanten Reiseantritt erfolgt, denn dass der Reiseveranstalter ein gewisses Kontingent an Plätzen für last-minute-Angebote bereithält, lässt nicht den Rückschluss zu, dass auch alle diese Plätze vergeben werden.
Tatbestand:
Von der Abfassung eines Tatbestandes wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO unter Verweis auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 19.03.2003 abgesehen.
Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter. Sie ist der Auffassung, dass der Klägerin kein Anspruch auf Rückzahlung von Stornokosten zusteht. Die Klägerin verfolgt mit der Anschlussberufung ihren vom Amtsgericht nur in hälftiger Höhe zugesprochenen Klageantrag auf Rückzahlung der Stornokosten in voller Höhe weiter.
Entscheidungsgründe:
Die vom Amtsgericht zugelassene und auch im übrigen zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg, da ein Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung der Stornokosten nicht besteht.
Zwar ist es der Klägerin grundsätzlich nicht verwehrt, Rückzahlung der Stornogebühren zu verlangen, obwohl sie diese zunächst gezahlt hat, da die bloße Zahlung nicht als deklaratorisches Schuldanerkenntnis zu bewerten ist (vgl. Sprau in: Palandt, BGB, 61. Aufl. 2002, § 781 Rn. 8).
Ein Rückzahlungsanspruch der Klägerin aus §§ 651 e Abs. 3 Satz 1, 651 j Abs. 2 Satz 1 BGB ist jedoch nicht begründet, weil die Beklagte zu Recht Stornogebühren gegenüber der Klägerin geltend gemacht hat. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin handelte es sich bei ihrer Erklärung, die gebuchte Reise in die Dominikanische Republik im Hinblick auf die Anschläge in den USA vom 11.09.2001 nicht antreten zu wollen, um einen Rücktritt vor Reisebeginn i.S.d. § 651 i BGB und nicht um eine Kündigung wegen höherer Gewalt i.S.d. § 651 j BGB.
Dies gilt allerdings nicht etwa deshalb, weil die Klägerin in ihrem vorgerichtlichen Schreiben vom 26.11.2001 zunächst allein die Krankheit eines Reiseteilnehmers als Grund angegeben hat, denn es wäre der Klägerin grundsätzlich nicht verwehrt, ihre Kündigung nachträglich auf höhere Gewalt zu stützen. Wenn ein entsprechender Kündigungsgrund objektiv vorliegt, ist ein Vertrauensschutz des Reiseveranstalters hinsichtlich der Angaben in der Kündigungserklärung nicht geboten. Abgesehen davon stellte die Krankheit der Klägerin unbestritten gerade eine psychische und physische Reaktion auf die Terroranschläge dar.
Eine Kündigung wegen höherer Gewalt war jedoch nicht gerechtfertigt. Zwar handelte es sich bei den Anschlägen vom 11.09.2001 um höhere Gewalt. Als höhere Gewalt anzusehen ist ein von außen kommendes, keinen betrieblichen Zusammengang aufweisendes, auch durch die äußerste, vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis (BGHZ 102, 224; vgl. Führich, Reiserecht, 2. Aufl. 1995 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist bei Terrorakten ohne weiteres gegeben (vgl. Tempel, NJW 1998, 1827, 1828). Eine Kündigung des Reisevertrages nach § 651 j BGB ist jedoch daran geknüpft, dass infolge der höheren Gewalt die konkrete geplante Reise (Aufenthalt vor Ort sowie An- und Abreise) erheblich erschwert, gefährdet oder beeinträchtigt wird (vgl. Kaller, Reiserecht, 1999, Rn. 399; Tempel, NJW 1998, 1827 ff.). Ob erhebliche Auswirkungen auf die Reise zu befürchten sind, ist nach dem Kenntnisstand vor Reiseantritt (vgl. BGHZ 109, 224, 226) aus der Sicht eines normalen Durchschnittsreisenden zu beurteilen. Das Gericht ist bei der Feststellung nicht an die Äußerungen Dritter, z.B. des Auswärtigen Amtes, gebunden (vgl. Tempel, NJW 1998, 1827, 1830). Diese haben allerdings eine gewisse Indizwirkung.
Eine konkrete Beeinträchtigung der geplanten Reise in die Dominikanische Republik war nach diesem Maßstab nach Auffassung der Kammer nicht zu befürchten. Unstreitig war keine Warnung oder negative Empfehlung des Auswärtigen Amtes bezüglich des Reiselandes ausgesprochen worden. Soweit im Zusammenhang mit den Anschlägen vom 11.09.2001 weitere Drohungen mit Terroranschlägen, auch mit Flugzeugen, ausgesprochen worden waren, bezogen diese sich auf US-amerikanische Einrichtungen. Eine Zwischenlandung auf einem US-amerikanischen Flughafen oder eine über das Gebiet der USA führende Flugroute waren unstreitig nicht vorgesehen. Es gibt es keine konkreten Anhaltspunkte, dass gerade die Dominikanische Republik bzw. Flüge dorthin besonders gefährdet waren. Auch wenn zum Zeitpunkt der Kündigung der NATO-Bündnisfall festgestellt worden war, eine objektiv erhöhte Kriegsgefahr für die USA bzw. die gesamte westliche Welt bestand, und das Auswärtige Amt darauf hinwies, dass "weltweit die Gefahr von Terrorakten besteht", so ist nicht vorgetragen oder ersichtlich, dass die von der Klägerin geplante Reise von diesen Gefahren besonders und in erheblicherem Maße als andere Reisen mit Flugzeugen betroffen war.
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Reise bereits knapp zwei Wochen nach den Anschlägen vom 11.09.2001 stattfinden sollte.
Es handelte sich daher um einen vor Reisebeginn jederzeit zulässigen Rücktritt gemäß § 651 i BGB mit der Folge, dass zwar der Anspruch des Reiseveranstalters auf den Reisepreis entfällt (§ 651 i Abs. 2 Satz 1 BGB), jedoch eine Entschädigung nach § 651 i Abs. 2 Satz 2 BGB geschuldet wird. Eine Pauschalierung, wie sie hier von der Beklagten vorgenommen wurde, ist nach § 651 i Abs. 3 BGB grundsätzlich zulässig, so dass entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin keine konkreten Kosten nachgewiesen werden müssen. Eine Pauschalierung setzt voraus, dass die für gewöhnlich ersparten Aufwendungen und der durch anderweitige Verwendung der Reiseleistungen gewöhnlich mögliche Erwerb berücksichtigt werden. Die Beklagte hat der ihr insoweit obliegenden Darlegungs- und Beweislast für die Angemessenheit der Entschädigung genügt. Eine Pauschale von 50 % bei Rücktritt 9 Tage vor geplantem Reisebeginn begegnet nach Auffassung der Kammer keinen Bedenken, da eine anderweitige Verwendungsmöglichkeit angesichts der kurzen Frist unwahrscheinlich ist (vgl. Seiler in: Ermann, BGB, 10. Aufl., § 651 i Rn. 7). Bei der Bemessung der Pauschale muss nicht mindernd berücksichtigt werden, ob eine Buchung - wie hier - erst kurz vor dem geplanten Reiseantritt erfolgt, denn dass der Reiseveranstalter ein gewisses Kontingent an Plätzen für last-minute-Angebote bereithält, lässt nicht den Rückschluss zu, dass auch alle diese Plätze vergeben werden.
Auch ein Schadensersatzanspruch der Klägerin in der geltend gemachten Höhe wegen fehlerhafter Beratung hinsichtlich der Rückerstattung der Stornokosten durch die Reiserücktrittsversicherung ist nicht gegeben. Es kann dahin stehen, ob die Klägerin sorgfaltswidrig fehlerhaft beraten wurde und dies von der Beklagten zu verantworten ist. Jedenfalls wäre der Schaden auch bei inhaltlich zutreffender Beratung entstanden, denn aus dem Vortrag der Klägerin lässt sich entnehmen, dass sie in jedem Fall die Reise nicht angetreten und somit die Stornokosten geschuldet hätte.
Die zulässige Anschlussberufung hat daher in der Sache keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10 in entsprechender Anwendung, 711, 713 ZPO.
Es bestand kein Anlass, die Revision zuzulassen, § 543 Abs. 2 ZPO.
Streitwert der Berufungsinstanz: 997,02 EUR
(Berufung: 498,51 EUR; Anschlussberufung: 498,51 EUR ; §§ 14 I 1, 19 II, I 1 GKG)
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