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OLG Karlsruhe Urteil vom 08.10.2009 - 4 U 31/08 - Unzureichende Bezeichnung einer Werbung als "Anzeige" in kostenlosem Magazin
 

 

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OLG Karlsruhe v. 08.10.2009: Das Gebot der Trennung von redaktionellen Beiträgen und Werbung ( § 4 Nr. 3 UWG ) gilt grundsätzlich auch für kostenlose Zeitschriften und Magazine. Das Wort „Anzeige“ reicht unter Umständen nicht aus, den Charakter einer Werbung deutlich zu machen, wenn bestimmte Eigenheiten des Textes in einer Anzeige, die räumliche Anordnung sowie die farbliche und graphische Gestaltung der Anzeige den Merkmalen der redaktionellen Beiträge in dem betreffenden Magazin entsprechen oder ähneln.

Das OLG Karlsruhe (Urteil vom 08.10.2009 - 4 U 31/08) hat entschieden:
  1. Das Gebot der Trennung von redaktionellen Beiträgen und Werbung ( § 4 Nr. 3 UWG ) gilt grundsätzlich auch für kostenlose Zeitschriften und Magazine.

  2. Das Wort „Anzeige“ reicht unter Umständen nicht aus, den Charakter einer Werbung deutlich zu machen, wenn bestimmte Eigenheiten des Textes in einer Anzeige, die räumliche Anordnung sowie die farbliche und graphische Gestaltung der Anzeige den Merkmalen der redaktionellen Beiträge in dem betreffenden Magazin entsprechen oder ähneln.

  3. Bei einem kostenlosen Magazin ist vielfach mit einer nur flüchtigen Lektüre zu rechnen. Für die Frage, ob der Werbecharakter einer Anzeige verschleiert wird, ist daher auf die Wahrnehmung eines flüchtigen Lesers abzustellen, der das Magazin unter Umständen nur durchblättert.




Gründe:

I.

Die Parteien stehen als Zeitschriftenverlage miteinander im Wettbewerb. Die Klägerin gibt das monatlich erscheinende Wirtschaftsmagazin „…“ sowie die Tageszeitungen der mittelbadischen Presse heraus, während die Beklagte Herausgeberin des Wirtschaftsmagazins „…“ ist und seit Mai 2007 ferner – in Kooperation mit der … GmbH – die Publikation „S. O. “ verlegt.

In der im Mai 2007 erstmals erschienenen Ausgabe des Magazins „S. O. “ (vgl. das in der Anlage zur Klageschrift vorgelegte Magazin) wurden – nach Branchen aufgeteilt – ganz überwiegend Werbeanzeigen von Unternehmen aus der Region O. abgedruckt. Der jeweilige branchenbezogene Anzeigenblock wird durch einen redaktionellen Artikel eingeleitet (vgl. die Artikel auf Seite 9 des Magazins „Nichts für dummies“ oder auf Seite 13 „In die Wüste geschickt“). Im Anschluss an diese redaktionellen Artikel finden sich meist ganzseitige Werbeanzeigen, die – soweit sie der redaktionellen Aufmachung des Magazins im Übrigen entsprechen – am unteren Rand neben der Seitenzahl mit dem Hinweis „S. O. – Anzeige“ oder „Anzeige – S. O. “ gekennzeichnet sind (Beispiel auf Seite 15 und 16 des Magazins). Bei diesen Anzeigen handelt es sich jeweils um längere Texte, die in der Form eines Berichts über das werbende Unternehmen berichten. Im Rahmen des Textes ist jeweils an einer Stelle das Logo des betreffenden Unternehmens abgedruckt. Neben diesen – streitgegenständlichen – Werbeanzeigen enthält das Magazin noch andere Anzeigen, die in der optischen, inhaltlichen und graphischen Gestaltung keinerlei Bezug zu den redaktionellen Texten aufweisen (vgl. zum Beispiel die Werbung Seite 37 für ein Freizeitmagazin).

Die Klägerin hat erstinstanzlich von der Beklagten Unterlassung verlangt. Die in dem Magazin „S. O. “ veröffentlichte Unternehmenswerbung sei in weiten Teilen wettbewerbswidrig, weil viele Anzeigen wie redaktionelle Beiträge gestaltet seien und keinen ausreichenden Hinweis auf den werbenden Charakter enthielten.

Das Landgericht hat antragsgemäß wie folgt entschieden:
  1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250 000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs redaktionell aufgemachte Beiträge werbenden Inhalts ohne ausreichende Kennzeichnung mit dem Vermerk „Anzeige“ gegen Entgelt zu veröffentlichen, wie dies in dem Magazin „S. O. “ (Erscheinungsdatum: Mai 2007) auf den Seiten 11, 15, 18/19, 22 bis 24, 28/29, 33 bis 36, 40, 44 bis 47, 51 bis 55, 59 bis 62, 66 bis 70, 75 bis 79, 82 bis 84, 89 bis 92, 96/97, 100, 105 sowie 108 bis 121 geschehen ist.

  2. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250 000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, das Magazin „S. O. “ (Erscheinungsdatum: Mai 2007) in der derzeitigen Fassung weiterzuvertreiben oder über Dritte vertreiben zu lassen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie hält die Werbeanzeigen in dem Magazin „S. O.“ für nicht wettbewerbswidrig. Für die Frage, wie die Werbeanzeigen von einem Leser verstanden werden, habe das Landgericht einen unzutreffenden Maßstab angesetzt. Richtig sei es, auf einen durchschnittlich informierten und verständigen Leser abzustellen, der in jedem Fall erkennen könne, dass es sich bei den von der Klägerin beanstandeten Seiten in dem Magazin um Werbeanzeigen und nicht um redaktionelle Beiträge handle. Da das Magazin kostenlos vertrieben werde, rechne jeder Leser von vorneherein mit einem hohen Werbeanteil. Zu berücksichtigen sei auch, dass sich das Magazin an Unternehmer in der Region O. richte und nicht an Verbraucher. Unternehmer seien mit der Unterscheidung zwischen redaktionellen Beiträgen und Werbung vertraut, so dass für diese eine Täuschung über den Charakter der Werbeanzeigen nicht in Betracht komme. Die Beklagte habe bei den beanstandeten Anzeigen den werblichen Charakter eindeutig klargestellt. Zum einen ergebe sich dies durch den Schriftzug „Anzeige“ jeweils unten auf den betreffenden Seiten. Zum zweiten deute das in die Texte jeweils eingefügte Firmenlogo des betreffenden Unternehmens auf eine Anzeige hin. Schließlich ergebe sich auch aus dem Inhaltsverzeichnis (vgl. Seite 5 des Magazins) für jeden Leser, dass es sich bei den von der Klägerin beanstandeten Seiten um Werbeanzeigen handle.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Offenburg vom 13.02.2008 – 5 O 104/07 KfH – aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung insgesamt kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das Urteil des Landgerichts. Sie hält das Magazin „S. O.“ und die streitgegenständlichen Werbeanzeigen der Beklagten für einen systematischen Versuch, die Grenzen zwischen redaktionellen Beiträgen und Werbung in einem Presseorgan zu missachten.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.


II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Der Klägerin steht der vom Landgericht zuerkannte Unterlassungsanspruch zu. Denn die Beklagte hat in dem Magazin „S. O.“ gegen das Verbot der getarnten Werbung verstoßen.

1. Der Unterlassungsanspruch der Klägerin beruht auf § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG in Verbindung mit §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 3 UWG. Die Parteien sind Mitbewerber bei der Verbreitung von Presseorganen, insbesondere bestimmten regionalen Magazinen, im Bereich von Mittelbaden. Die Beklagte hat mit den beanstandeten Werbeanzeigen in dem Magazin „S. O.“ vom Mai 2007 eine unzulässige geschäftliche Handlung vorgenommen. Daraus ergibt sich gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 UWG ein Unterlassungsanspruch. Die Klägerin ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG aktiv legitimiert.

2. Mit zutreffenden Erwägungen hat das Landgericht einen Verstoß der Beklagten gegen § 4 Nr. 3 UWG (Verschleierung des Werbecharakters von geschäftlichen Handlungen) festgestellt. Der vorliegende Fall entspricht im Wesentlichen dem Sachverhalt, der dem Urteil des Senats vom 10.08.2006 – 4 U 68/06 – und dem Beschluss des Senats vom 11.03.2008 – 4 W 5/08 – zu Grunde lag. Die beiden (nicht veröffentlichten) Entscheidungen des Senats sind den Parteien bekannt.

a) Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn Presseunternehmen bei der Herausgabe von Magazinen Werbung und redaktionellen Text trennen müssen (vgl. BVerfG, NJW 2005, 3201). Es widerspricht nicht dem Grundrechtschutz aus Artikel 5 Abs. 1 GG, dass getarnte Werbung grundsätzlich wettbewerbswidrig ist. Meinungs- und Pressefreiheit können eine Rolle spielen, wenn es um die Frage geht, auf welche Weise die Presse in ihrem redaktionellen Teil über bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte berichten darf (BVerfG a.a.O.). Wenn es – wie vorliegend – unstreitig um Werbeanzeigen geht, spielt ein solcher Grundrechtschutz der Beklagten keine Rolle. In diesem Fall kommt es nur darauf an, ob und inwieweit der werbliche Charakter der Anzeigen als solcher vom Leser wahrgenommen wird.

b) Bei dem Magazin „S. O.“ handelt es sich um ein Magazin, bei dem die Grundsätze der Trennung zwischen redaktionellem Inhalt und Werbung einzuhalten sind. Es geht nicht um eine reine Werbebroschüre, bei welcher für einen Leser von vorneherein klar wäre, dass ihm ausschließlich Werbung dargeboten wird. Aus der Aufmachung, aus dem Inhaltsverzeichnis, aus dem Impressum und aus den tatsächlich vorhandenen redaktionellen Beiträgen ergibt sich, dass die Beklagte bei dem „S. O.“ mit dem Anspruch eines normalen Presseorgans auftritt. Das Magazin erweckt den Eindruck, dass eine von Werbeträgern unabhängige Redaktion vorhanden ist, die den redaktionellen Teil verantwortet.

Für das Gebot der Trennung von redaktionellem Teil und Werbung kommt es nicht darauf an, ob und inwieweit das Magazin kostenlos verteilt wird. Auch für kostenlose Zeitschriften gilt der Grundsatz der Trennung von redaktionellen Beiträgen und Werbung gemäß § 4 Nr. 3 UWG. Es gibt keinen Erfahrungssatz, dass ein durchschnittlicher Leser bei allen Presseerzeugnissen, die kostenlos verteilt werden, erwartet, dass die betreffende Zeitschrift nur Werbung enthält. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass das wettbewerbsrechtliche Gebot der Trennung von redaktionellen Texten und Werbung beispielsweise auch für kostenlose Anzeigenblätter gilt (vgl. BGH, NJW-RR 1998, 831; OLG Hamm, Urteil vom 18.12.2007 – 4 U 140/07 – zitiert nach Juris).

c) Anzeigen in Zeitungen oder Zeitschriften sind in der Regel schon durch Anordnung, Text und graphische Gestaltung eindeutig als solche zu erkennen. Ist dies nicht der Fall, weil die Gestaltung und die Art des Werbetextes einem redaktionellen Text ähnelt, muss der Werbecharakter auf andere Weise dem Leser verdeutlicht werden. Hintergrund der Regelung in § 4 Nr. 3 UWG ist, dass Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer kommerziellen Annäherungen vielfach skeptisch gegenüber stehen. Um solche Barrieren zu überwinden, wird vielfach versucht, Werbung zu tarnen, also den werbenden Charakter eines Textes für den Leser eines Presseorgans zu verheimlichen. Denn Verbraucher und andere Marktteilnehmer messen objektiv neutralen Handlungen – redaktionellen Beiträgen und Texten – typischerweise eine größere Bedeutung und Beachtung bei als entsprechenden, ohne Weiteres als Werbung erkennbaren Angaben des Werbenden selbst (vgl. Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl. 2009, § 4 UWG, Rdnr. 3.2). Durch die strikte Unterscheidung zwischen redaktionellem Text und Werbung gemäß § 4 Nr. 3 UWG soll der Leser des Textes von vornherein die Möglichkeit erhalten, sich auf den kommerziellen Charakter einer Werbeanzeige einzustellen.

d) Mit zutreffenden Erwägungen hat das Landgericht festgestellt, dass die von der Klägerin beanstandeten Anzeigen den Eindruck erwecken, es handle sich um – von den Unternehmen unabhängige – redaktionelle Berichte und nicht um Werbeanzeigen. Von entscheidender Bedeutung ist, dass die beanstandeten Anzeigen – sämtlich – jeweils Berichte über ein Unternehmen aus der Sicht eines Dritten enthalten. Die Werbetexte sind in Inhalt, Gliederung und Formulierung nicht zu unterscheiden von den jeweils vorangestellten redaktionellen Beiträgen, in denen die Redaktion der Beklagten über eine bestimmte Branche im Gebiet der O. berichtet. Soweit die Werbeanzeigen mit Bildern versehen sind, unterscheidet sich auch die Gestaltung und Einfügung solcher Fotos nicht von der entsprechenden Gestaltung der redaktionellen Texte. Die graphische Gestaltung, Schrifttyp und Schriftgröße stimmen bei redaktionellen Beiträgen und Anzeigen überein. Die gleichartige Verwendung bestimmter Farben und farblicher Balken suggeriert zusätzlich die Gleichartigkeit von Werbung und redaktionellen Berichten.

Das Landgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die täuschende Gestaltung der Werbeanzeigen dadurch verstärkt wird, dass es in dem Magazin auch andere (von der Klägerin nicht beanstandete) Werbung gibt, die gänzlich anders gestaltet ist. Es gibt Werbung (vgl. zum Beispiel Seite 37, 41, 50 und 63), die textlich, farblich und graphisch so eindeutig gestaltet ist, dass eine Verwechslung mit redaktionellen Berichten ausgeschlossen ist. Das Vorhandensein solcher „normaler“ Werbung muss für den Leser den Eindruck verstärken, dass es sich bei allen anderen Texten – insbesondere auch bei den von der Klägerin beanstandeten getarnten Anzeigen – um redaktionelle Texte handelt.

e) Die von der Beklagten hervorgehobenen Unterscheidungsmerkmale der Werbeanzeigen sind nicht geeignet, den täuschenden Charakter dieser Anzeigen zu beseitigen. Das Wort „Anzeige“ befindet sich jeweils in kleiner Schrift im unteren Bereich der Werbeanzeigen. Dass sich die verschiedenen Seiten im unteren Bereich („S. O.“ bei redaktionellen Seiten und „S.O.-Anzeige“ bei Werbung) unterscheiden, ist schon wegen der ähnlichen Formulierungen für einen Leser kaum erkennbar. Das jeweilige Firmenlogo in den werbenden Unternehmensberichten hat optisch nur eine untergeordnete Bedeutung. Das Inhaltsverzeichnis des Magazins, in welchem auf Anzeigen hingewiesen wird (Seite 5), ist für den Eindruck der Anzeigen ohne Relevanz, da beim Aufschlagen der beanstandeten Anzeigen in dem Magazin für den Leser ein konkreter Bezug zum Inhaltsverzeichnis fehlt.

Entscheidend ist, dass der täuschende Eindruck der Werbeanzeigen im Magazin der Beklagten durch den Charakter der Texte, die Aufmachung und die graphische und farbliche Gestaltung geprägt wird. Diese Umstände stehen für den Eindruck eines Lesers im Vordergrund. Wenn ein Verlag unter diesen Umständen eine Irreführung der Leser vermeiden will, sind an die Klarstellung des Werbecharakters grundsätzlich hohe Anforderungen zu stellen (vgl. Senat , Urteil vom 10.08.2006 – 4 U 68/06 –, Seite 6, 7; OLG Stuttgart, Urteil vom 28.06.2007 – 2 U 183/06 –, Rdnr. 15, 17, zitiert nach Juris; Köhler, a.a.O., § 4 UWG Rdnr. 3.21). Diesen Anforderungen werden die beanstandeten Anzeigen nicht gerecht. Die – geringen – Hinweise auf das Vorliegen von Werbeanzeigen werden nach Auffassung des Senats im Hinblick auf die deutlich vorherrschenden anderen Umstände kaum wahrgenommen.

f) Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass bei der Beurteilung des Charakters der Werbeanzeigen darauf abzustellen ist, wie ein durchschnittlich informierter und verständiger Verbraucher die Anzeigen wahrnimmt (vgl. beispielsweise BGH, NJW 2002, 2642, 2645).

aa) Abzustellen ist auf den Kreis der Leser, an die sich das Magazin „S. O. “ richtet. Als Leser kommen zum einen Unternehmer in Betracht, die sich für die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Region O. interessieren. Zum zweiten richtet sich das Magazin an die Mitarbeiter in Wirtschaftsunternehmen, die für Einkauf und Beschaffung zuständig sind und nach Bezugsquellen bei bestimmten Produkten und Dienstleistungen suchen. Zum dritten ist allerdings auch an Verbraucher zu denken. Denn ein Teil der beworbenen Produkte und Dienstleistungen ist für Verbraucher von Interesse (vgl. beispielsweise die Anzeigen in dem Magazin, Seite 22, 28, 34, 35, 66 und 96). Aus den von der Beklagten angegebenen Vertriebswegen (vgl. den Flyer, Anlage K 1) ergibt sich, dass das Magazin sowohl zu Unternehmen als auch zu Verbrauchern gelangen kann.

bb) Der werbliche Charakter der beanstandeten Anzeigen wird nach Auffassung des Senats für alle in Betracht kommenden Leser verschleiert. Nicht nur Verbraucher, sondern auch Unternehmer und die Mitarbeiter in den in Betracht kommenden Unternehmen werden vielfach den werbenden Charakter der betreffenden Texte nicht wahrnehmen. Auch bei den angesprochenen Unternehmen kann nicht ohne Weiteres eine größere Erfahrung mit bestimmten Werbepraktiken vorausgesetzt werden. Vor allem ist es in Deutschland bisher nicht üblich, dass in Hochglanzmagazinen, wie dem „S. O.“, die Unterscheidung zwischen redaktionellen Texten und Werbeanzeigen so systematisch beseitigt bzw. unterdrückt wird, wie dies vorliegend erfolgt ist. Das heißt: Auch der Inhaber eines kleinen Unternehmens, der das Magazin der Beklagten noch nicht kennt, rechnet kaum damit, dass er mit einer kaum unterscheidbaren Mischung von redaktionellen Texten und Werbeanzeigen konfrontiert wird.

cc) Es kommt ein wesentlicher Gesichtspunkt hinzu: Abzustellen ist auf die Art und Weise, wie ein solches Magazin üblicherweise gelesen wird. Charakteristisch für ein Magazin, das nach dem Konzept der Beklagten an verschiedenen Stellen kostenlos ausgelegt oder verteilt wird (beispielsweise bei Kommunen, Banken und Werbepartnern) ist eine flüchtige Lektüre. Wer „S. O.“ irgendwo vorfindet, wird das Magazin in erster Linie durchblättern und dann an der einen oder anderen Stelle etwas mehr oder weniger intensiv lesen. Gerade für einen flüchtigen Leser stehen die täuschenden optischen und gestalterischen Elemente der Anzeigen im Vordergrund, so dass die geringen Hinweise auf den werbenden Charakter der Anzeige (siehe oben) kaum wahrgenommen werden können.

Die Figur des „verständigen“ Lesers steht dieser Betrachtung nicht entgegen. Denn auch ein „verständiger“ Leser (Verbraucher oder Unternehmer) liest vieles nur flüchtig. Entscheidend ist die Situation, in welcher der „verständige“ Verbraucher mit der Werbeanzeige konfrontiert wird. Insoweit ist die – zumeist flüchtige – Lektüre einer kostenlosen Zeitschrift oder eines kostenlosen Magazins nicht mit der Lektüre eines schwierigen Vertragstextes zu vergleichen. Wenn – situationsbezogen – mit einer flüchtigen Lektüre zu rechnen ist, sind die Anforderungen an ein lauteres Verhalten gemäß § 4 Nr. 3 UWG daran auszurichten (vgl. Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bornkamm a.a.O., § 5 UWG, Rdnr. 1.48).

3. Die Verschleierung des Werbecharakters ist geeignet, die Interessen von Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen ( § 3 Abs. 1 UWG ). Denn die getarnte Werbung kann den Werbeanzeigen eine deutlich höhere Aufmerksamkeit verschaffen. Hieraus können sich Vorteile für die Beklagte ergeben, da sich Werbekunden von solchen Anzeigen möglicherweise mehr versprechen als von Anzeigen in konkurrierenden Magazinen, die den Werbekunden einen solchen Vorteil nicht bieten.

4. Soweit sich die Werbung der Beklagten – auch – an Verbraucher wendet, kommt eine Anwendung von Nr. 11 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG (vom Unternehmer finanzierter Einsatz redaktioneller Inhalte zu Zwecken der Verkaufsförderung) in Verbindung mit § 3 Abs. 3 UWG in Betracht. Im Anwendungsbereich dieser Vorschrift handelt es sich – im Verhältnis zu § 4 Nr. 3 UWG – um eine speziellere Vorschrift. Ob diese durch die UWG-Novelle 2008 eingeführte Regelung einschlägig ist, kann letztlich dahinstehen. Sollte Nr. 11 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG anwendbar sein, wäre diese Vorschrift teilweise für den vorliegenden Fall die maßgebliche Verbotsnorm, nämlich insoweit, als sich die Werbung an Verbraucher richtet. Inhaltlich würde sich an der Unterlassungsverpflichtung der Beklagten dadurch jedoch nichts ändern.

5. Im Tenor der Entscheidung hat der Senat im Wege der Berichtigung ( § 319 Abs. 1 ZPO ) klargestellt, dass eine eventuelle Ordnungshaft bei Verstößen gegen dieses Urteil an dem Geschäftsführer der Beklagten zu vollziehen ist.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

7. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.

8. Für eine Zulassung der Revision ( § 543 Abs. 1 ZPO ) besteht kein Anlass. Sämtliche für die Entscheidung des Senats maßgeblichen Rechtsfragen sind in der Rechtsprechung geklärt.









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