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Grundpreisangabe
- Preisangaben
- Preisanpassungsklauseln
- Preisanfechtung
- Preissuchmaschinen
- Preiswerbung
- Umsatzsteuer/Mehrwertsteuer
- Versandkosten
AG Fürth v. 11.08.2009: Setzt der Onlinehändler irrtümlich einen falschen Preis auf seine Internetseite, ist er nicht zur Anfechtung der Preisangabe berechtigt, wenn er den Irrtum bereits Stunden vor dem Eingang der Bestellung bemerkt hat, den Eingang der Bestellung mit dem "falschen" Preis gleichwohl per E-Mail bestätigt und zwei Tage später per Brief eine Anzahlung fordert.
Das Amtsgericht AG Fürth (Urteil vom 11.08.2009 - 360 C 2779/08) hat entschieden:
Setzt der Onlinehändler irrtümlich einen falschen Preis auf seine Internetseite, ist er nicht zur Anfechtung der Preisangabe berechtigt, wenn er den Irrtum bereits Stunden vor dem Eingang der Bestellung bemerkt hat, den Eingang der Bestellung mit dem "falschen" Preis gleichwohl per E-Mail bestätigt und zwei Tage später per Brief eine Anzahlung fordert.
Tatbestand:
Mit der am 02.01.2009 zugestellten Klage wird in der Hauptsache die Lieferung eines Fernsehapparats gegen Zahlung von 199,99 EUR Kaufpreis zuzüglich 19,95 EUR Versandkosten begehrt.
Am 25.09.2007 war in dem Internet-Shop der Beklagten ein LCD-Fernseher der Marke … Bestell-Nr. 435097N zu einem Kaufpreis von 199,99 EUR eingestellt. Diese am Tag zuvor erfolgte Preiseingabe beruhte auf einem Irrtum; gewollt war die Eingabe eines Kaufpreises von 1 999,99 EUR.
Dieser Irrtum wurde der Beklagten in der Mittagszeit des 25.09.2007 bekannt. An diesem Tag bestellte der Kläger online gegen 16.00 Uhr ein Exemplar des Geräts. Gleich im Anschluss daran sandte die Beklagte dem Kläger eine E-Mail, in der der Gesamtbestellwert einschließlich Versandkosten mit 219,94 EUR angegeben war. Mit Schreiben vom 27.09.2007, per Post als Brief versandt, nahm die Beklagte Bezug auf die Bestellung des Klägers und forderte eine Anzahlung von 60,00 EUR. Es wurde zugleich mitgeteilt, dass nach Eingang dieser Anzahlung der Auftrag so schnell wie möglich ausgeführt werde. Eine Deaktivierung des Online-Shops insgesamt hätte die Generierung der E-Mail der Beklagten vom 25.09.2007 und des Schreibens der Beklagten vom 27.09.2007 verhindert.
Am 28.09.2007 leistete der Kläger die Anzahlung, die dem Konto der Beklagten am 01.10.2007 gutgeschrieben wurde.
Mit Schreiben der Beklagten vom 08.10.2007, dem Kläger auch zugegangen (Anlage K 17), teilte die Beklagte mit, der eingegebene Preis von 199,99 EUR beruhe auf einem Irrtum. In Wirklichkeit betrage der Kaufpreis 1 999,99 EUR. Daher sei der Auftrag des Klägers storniert worden. In anderen Fällen erfolgten solche Schreiben an andere Käufer bereits ab dem 27.09.2007.
In der Folgezeit überwies die Beklagte dem Kläger die Anzahlung zurück und lieferte den Fernsehapparat nicht. Sie lieferte auch nicht auf Schreiben des späteren Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 23.09.2008 hin.
Der Kläger trägt vor:
Bereits die E-Mail der Beklagten vom 25.09.2007 sei Annahme. Ein Kaufvertrag sei in jedem Fall spätestens mit dem Leisten der Anzahlung zustande gekommen. Aufgrund Kenntnis der fehlerhaften Preisangabe ab dem Mittag des 25.09.2007 sei die Beklagte bei der auf Bestellung des Klägers hin erfolgten E-Mail und bei Abgabe ihres Schreibens vom 27.09.2007 nicht in einem Irrtum gewesen. Letzteres Schreiben beruhe zudem auf einem Irrtum nicht. Überdies sei die Angelegenheit des Klägers manuell bearbeitet worden. Jedes EDV-System erlaube zudem individuelle jederzeit wirksame Änderungen. Das Schreiben der Beklagten vom 08.10.2007 enthalte keine Anfechtungserklärung und wäre im Übrigen auch als solche verspätet.
Im Übrigen sei ihm in der Zeit vom 05.10.2007 bis 08.10.2007 viermal telefonisch Lieferung zugesagt worden.
Der Kläger beantragt:
- Die Beklagte wird verurteilt dem Kläger einen Flachbildschirm der Firma … mit der Bestellnummer 435097N Zug um Zug gegen Zahlung von 219,94 EUR zu der im Rubrum bezeichneten Adresse zu liefern und ihm daran Eigentum zu verschaffen.
- Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger 229,55 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt Klageabweisung und führt aus:
Die E-Mail der Beklagten vom 25.09.2007, diese lediglich Zugangsbestätigung, und das Schreiben der Beklagten vom 27.09.2007 seien beide automatisch generiert worden und vollständig vom Irrtum bei der Preiseingabe getragen. Nach Entdeckung der falschen Preiseingabe hätte der fragliche Artikel isoliert nicht deaktiviert werden können. Auch eine sofort wirkende Korrektur der Preiseingabe sei nicht möglich gewesen. Auf den Postversand des Schreibens vom 27.09.2007 hätte die Beklagte keinen Einfluss nehmen können. Bei dieser Sachlage sei mit dem Schreiben vom 08.10.2007 wirksam und auch rechtzeitig nach § 119 Abs. 1 BGB angefochten worden. Die behaupteten Anrufe des Klägers werden mit Nichtwissen bestritten.
Zur ergänzenden Darstellung des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die von ihnen übergebenen Unterlagen und die Erklärungen der Parteien im Termin vom 14.07.2009 (Blatt 77, 78 der Akte) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die zulässige Klage ist gemäß §§ 433, 320 Abs. 1, 249 Abs. 1, 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 Satz 2 BGB begründet.
Folgende Erwägungen liegen der Entscheidung zugrunde:
1. Der Kläger verlangt Kaufvertragserfüllung zu Recht.
a. Es kann dahinstehen, ob bereits mit der E-Mail der Beklagten vom 25.09.2007 das kurz zuvor gegen 16.00 Uhr dieses Tages erfolgte Angebot des Klägers angenommen worden ist oder nicht. Die Zitate unter 2. a.) im Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 19.02.2009 finden sich in der dem Gericht vorgelegten einseitigen Anlage K 2 nicht. Das Angebot des Klägers vom 25.09.2007 wurde nun in jedem Fall mit dem Schreiben der Beklagten vom 27.09.2007 angenommen. Selbst wenn dieses Schreiben eine Annahme unter Änderung gemäß § 150 Abs. 2 BGB darstellen würde, wäre der Vertrag spätestens mit der Leistung der Anzahlung durch den Kläger, der Beklagten am 01.10.2007 gutgeschrieben, zustandegekommen.
b. Dieses zum Vertragsschluss führende Schreiben der Beklagten vom 27.09.2007 ist dem Kläger auch zugegangen; andernfalls hätte er nicht am 28.09.2007 die Überweisung der Anzahlung von 60,00 EUR veranlasst. Mit dem Zugang dieses Schreibens der Beklagten vom 27.09.2007 bei dem Kläger ist die Annahmeerklärung der Beklagten auch gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 BGB wirksam geworden. Denn die Beklagte hat diese Erklärung, die als Brief mit der Post versandt wurde, abgegeben, auch wenn diese zuvor automatisch generiert und maschinell unterzeichnet worden ist. Eine empfangsbedürftige, verkörperte Willenserklärung ist mit einer willentlichen Entäußerung derart in Richtung des Empfängers, dass mit ihrem Empfang bei diesem gerechnet werden kann, abgegeben. Die fehlerhafte Preiseingabe von 199,99 EUR war der Beklagten unter Berücksichtigung der Grundsätze der Wissenszurechnung bei arbeitsteilig organisierten juristischen Personen am Mittag des 25.09.2007 bekannt geworden. Mithin wusste die Beklagte schon zwei Tage vor Fertigung und Versand dieses Schreibens und einige Stunden vor Generierung und Absendung ihrer E-Mail vom 25.09.2007, dass die von ihr in Gang gesetzte, bediente und beherrschte Maschine bei Bestellungen eines Kunden vor dem Wirkungszeitpunkt entsprechender Preiskorrektur in der Nacht zum 26.09.2007 und Lieferbarkeit des Produkts E-Mails mit bekanntem Inhalt mit einem Kaufpreis von 199,99 EUR pro Gerät generiert und absendet, wie auch das anschließende Schreiben vom 27.09.2007 mit der Aufforderung, Anzahlung zu leisten. Diesem Prozess musste die Beklagte nicht handlungsunfähig, quasi gefesselt zusehen. Nur Letzteres würde eine Abgabe hindern. Die Beklagte hatte aber nunmehr unstreitig die Möglichkeit, durch die Deaktivierung des Online-Shops insgesamt die Bestellung des Klägers, die Generierung der nachfolgenden eigenen E-Mail vom 25.09.2007 und des Schreibens vom 27.09.2007 zu verhindern. Briefe wie den vom 27.9.2007 kann man überdies aufhalten, bevor diese den eigenen Herrschaftsbereich verlassen. Die Beklagte tat all dies dennoch nicht und gab damit die im Schreiben vom 27.09.2007 liegende Willenserklärung ab. Dass der Inhalt der E-Mail vom 25.09.2007 und des Schreibens vom 27.09.2007 von der Beklagten nicht gewollt war, spielt für die Frage der willentlichen Entäußerung von Erklärungen keine Rolle.
c. Die Erklärung der Beklagten vom 27.09.2007 blieb auch wirksam, da ein Anfechtungsrecht nicht besteht.
Ein Anfechtungsrecht nach § 119 Abs. 1 BGB entsteht (erst) dann, wenn einer der dort genannten Irrtümer zum Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung (noch) vorhanden ist. Zwar ist der Wortlaut von § 119 Abs. 1 BGB sprachlich vielleicht mehrdeutig, doch der maßgebende Zeitpunkt ist immer der der Abgabe der Willenserklärung (Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 3. Auflage, 2008, Rdnr. 20 zu § 119 BGB; Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage, 2006, Vorbemerkung zu § 116 ff BGB, Rdnr. 7). Dies deshalb, weil bis zu dem Zeitpunkt der Abgabe einer Erklärung sich diese noch im Einfluss- und Herrschaftsbereich des Erklärenden befindet.
Nur wenn tatsächlich Gewolltes und nach außen Erklärtes gerade zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung und dies dem Erklärenden gerade unbewusst auseinanderfallen, gewährt das Gesetz bei Irrtümern der in § 119 Abs. 1 BGB genannten Art ein Anfechtungsrecht.
Zwar lag der E-Mail der Beklagten, zuletzt unstreitig, ein am 24.09.2007 erfolgter Fehler bei der Preiseingabe zugrunde. Dieser Eingabefehler war jedoch nicht das letzte menschliche Handeln der Beklagten vor Generierung der E-Mail vom 25.09.2007 kurz nach 16.00 Uhr und vor der Abgabe der in dem Schreiben vom 27.09.2007 verkörperten Erklärung. Denn die Beklagte war unter Berücksichtigung der Grundsätze der Wissenszurechnung in der Mittagszeit des 25.09.2007 wissend geworden. Die Beklagte wusste auch, dass die von ihr beherrschte Maschine bei Eingang von Bestellungen vor dem Wirkungszeitpunkt entsprechender Korrektur des Preises in der Nacht zum 26.09.2007 und bei Lieferbarkeit des Artikels E-Mails unter Nennung eines Kaufpreises von 199,99 EUR generiert, wenn die Maschine vorher nicht gestoppt wird. Gleiches gilt für das anschließend weiterlaufende Programm, das das Schreiben der Beklagten vom 27.09.2007 erstellte. Bei Abgabe ihrer Erklärung war der Beklagten mithin gerade bewusst, dass äußerer Erklärungswillen und innerer Geschäftswille auseinanderfallen. Dies fällt nicht unter § 119 Abs. 1 BGB; einige Fälle von bei Abgabe bewussten Willensmängeln regelt das Gesetz in §§ 116 bis 118 BGB.
Dies ist nichts anderes, als wenn sich jemand bei Verkörperung einer Erklärung verschreibt, dies vor Abgabe der Erklärung allerdings entdeckt und danach den Brief dennoch zur Post gibt Auch das Schreiben vom 27.09.2007 wurde zur Post gegeben. Briefe kann man aufhalten, bevor diese den eigenen Herrschaftsbereich verlassen. Eine Maschine wie einen Computer kann man ausschalten.
Ein Anfechtungsrecht der Beklagten besteht nach alledem nicht. Ein Irrtum bestand bei Abgabe, wie dargelegt, nicht mehr. Nach dem Gesetz ist nur ein solcher relevant.
Dahinstehen kann bei dieser Sachlage, ob mit dem Schreiben vom 08.10.2007 die Anfechtungsfrist nach § 121 BGB gewahrt gewesen wäre.
d. Die Beklagte trug nicht vor, der Kläger hätte bei Abgabe seines Angebots gewusst, dass der Preis von 199,99 EUR auf einem Eingabefehler beruht Fragen von Treu und Glauben können daher dahinstehen.
2. Die vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten nebst Rechtshängigkeitszinsen können nach §§ 249 Abs. 1, 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 S. 2 BGB verlangt werden.
II.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
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