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OLG Köln Urteil vom 05.06.2009 - 6 U 1/09 - Zur Unzulässigkeit eines Telefonanrufs bei Festnetzkunden, die den Anschluss gekündiget haben
 

 

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OLG Köln v. 05.06.2009: Der Telefonanruf eines Festnetzanbieters bei Kunden, die ihren Festnetzanschluss gekündigt haben, ist unzulässig.


Das OLG Köln (Urteil vom 05.06.2009 - 6 U 1/09) hat entschieden:
Der Telefonanruf eines Festnetzanbieters bei Kunden, die ihren Festnetzanschluss gekündigt haben, ist unzulässig.




Entscheidungsgründe:

A

Wegen des Sachverhaltes wird gern. § 540 Abs.1 S. 1 Ziff. 1 ZPO auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Alle dort namentlich aufgeführten Telefonanschlussinhaber waren ursprünglich Kunden der Beklagten gewesen und hatten später unter Kündigung ihres bisherigen Anschlusses einen Vertrag über einen Telefonanschluss mit der Klägerin geschlossen und diese beauftragt, nicht nur die von ihnen ausgesprochene Kündigung, sondern zum Zwecke der Beibehaltung ihrer Rufnummer auch einen Auftrag zur Anschlussportierung an die Beklagte weiterzuleiten.

Das Landgericht hat bezüglich des Unterlassungsbegehrens dem Hilfsantrag der Klägerin entsprochen und der Beklagten untersagt, Verbraucher an deren Telefonanschlüssen mit dem Ziel anzurufen, den schon eingeleiteten Wechsel des Netzanbieters rückgängig zu machen, wenn sie nicht zuvor in Werbeanrufe der Beklagten eingewilligt hatten.

Im Berufungsverfahren trägt die Beklagte, die die vollständige Abweisung der Klage erstrebt, im Wesentlichen vor, das Verbot erfasse auch Verhaltensweisen, für die keine Begehungsgefahr bestehe, und verfolgt die Klägerin ihren Hauptantrag weiter, wonach Anrufe auch dann eine unzumutbare Belästigung darstellen, wenn zwar der Anschlussinhaber seine Einwilligung erteilt hat, das Gespräch aber - wie im Falle des Anrufes bei der Zeugin ... - von einem Dritten entgegengenommen wird, von dem eine Einwilligung nicht vorliegt.


B

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Dass in der Berufungsschrift die erstinstanzliche Parteirolle vertauscht worden ist, ist unschädlich, weil aus der Bezeichnung der Deutsche Telekom AG - also der Beklagten - als Berufungsführerin eindeutig hervorgeht, dass es sich um ein redaktionelles Versehen handelt und die Berufung von der Beklagten eingelegt worden ist. Die Berufung der Klägerin ist als Anschlussberufung gern. § 524 Abs. 1 - 3 ZPO zulässig. Beide Berufungen haben in der Sache keinen Erfolg.


I.

Berufung der Beklagten

Die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung ist auf §§ 3; 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2; 8 UWG a.F. gestützt. Zwischenzeitlich ist zum 30. 12. 2008 das erste Gesetz zur Änderung des UWG in Kraft getreten. Seitdem setzt § 7 UWG, der nicht mehr als Beispielsfall des § 3 UWG ausgestaltet ist, das Überschreiten einer Bagatellgrenze nicht mehr voraus. Gleichwohl ist die Bagatellgrenze des § 3 UWG a.F. im vorliegenden Verfahren weiter von Bedeutung, weil eine Aufrechterhaltung der Verurteilung voraussetzt, dass der geltend gemachte Anspruch, den die Klägerin aus einem Verhalten der Beklagten vor Inkrafttreten der Gesetzesnovelle herleitet, nach beiden Gesetzesfassungen besteht. Das ist indes der Fall, weswegen die Berufung der Beklagten unbegründet ist.

1) Die auf den Hilfsantrag verurteilte Beklagte erhebt keine Einwände gegen die Darlegungen der Kammer, wonach sie im Rahmen des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG die Beweislast für eine etwaige (auch konkludente) Einwilligung trägt und eine solche im Falle der Kundin S. nicht vorgetragen hat. Die Ausführungen der Kammer treffen auch zweifelsfrei zu: der Vortrag der Beklagten, die Kundin habe ausweislich eines "voicefiles", das nicht vorgelegt worden ist, "ein Produkt der Klägerin (?) bestellt", besagt zur Einwilligung nichts und die Geschäftsverbindung zur Beklagten rechtfertigt den Anruf ebenfalls nicht. Diese war mit Zugang der Kündigung bereits beendet, zudem wäre aus einer bestehenden Geschäftsverbindung ohnehin nicht das Einverständnis herzuleiten, durch Werbeanrufe von dem Entschluss abgehalten zu werden, den Anschlussanbieter zu wechseln. Zutreffend sind auch die Ausführungen der Kammer zur Überwindung der Erheblichkeitsschwelle des § 3 UWG a.F., die die Beklagte ebenfalls nicht angreift. Dem Anruf bei der Zeugin S. mit dem Ziel, diese zu einer Rückgängigmachung der Kündigung zu bewegen, kommt ein nicht unerheblicher Belästigungscharakter zu.

2) Die Berufung rügt demgegenüber, der Urteilstenor beziehe sich mit dem Begriff "allgemeiner Netzzugang" uneingeschränkt auf jegliche Waren und Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit dem allgemeinen Netzzugang stünden. Auf diese Weise würden auch Anrufe bei Verbrauchern erfasst, die - entweder zugleich mit dem Anbieter des Telefonanschlusses, oder auch ohne diesen - den Anbieter des Internetzuganges wechseln wollten. Den Wunsch, auch den Internetanbieter zu wechseln, habe aber weder die Kundin S., noch einer der anderen Kunden gehabt, auf die sich die Klage stütze. Der Einwand ist dahin zu verstehen, dass durch den Tenor Anrufe erfasst seien, für die eine Begehungsgefahr nicht bestehe. Er greift von vornherein nicht in den Fällen, in denen der Kunde Festnetz- und Internetzugang wechseln will. Denn ein solcher Kunde will eben auch den Festnetzanschluss wechseln und für einen Anruf bei ihm besteht daher die durch den Anruf bei der Kundin S. begründete Wiederholungsgefahr.

Ob eine Begehungsgefahr demgegenüber für solche Fälle nicht besteht, in denen der angerufene Verbraucher den Festnetzanschluss bei der Beklagten beibehalten und nur den Anbieter des Internetzugangs (Provider) wechseln will, hat der Senat nicht zu entscheiden, weil das Verbot ausschließlich Anrufe bei solchen Kunden erfasst, die zumindest auch den Anbieter des Zuganges zum Telefonnetz wechseln wollen.

Schon der Wortlaut des Tenors ist hierzu eindeutig: Von dem Verbot erfasst sind danach nur Anrufe bei Verbrauchern, die einen Wechsel des allgemeinen Netzzugangs von der Beklagten zur Klägerin eingeleitet haben. Der "allgemeine Netzzugang" ist bereits nach allgemeinem Sprachgebrauch im Bereich der Medien der Zugang, den ein Nutzer in das Telefonnetz und nicht in das Internet hat. Das gilt insbesondere, wenn gerade Inhaber eines Festnetzanschlusses, nämlich solche Verbraucher betroffen sind, die - wie es ausdrücklich tenoriert ist- an ihrem privaten Telefonanschluss angerufen werden: Der allgemeine Netzzugang eines Festnetzanschlussinhabers ist sein Zugang in das (Fest-)netz, über das Gespräche geführt werden können, und nicht sein Zugang in das Internet. Der Umstand, dass auch der Internetzugang über das Festnetz vermittelt werden kann, macht den "allgemeinen Netzzugang" nicht zu einem solchen nur für Internetverbindungen. Dieses Sprachverständnis wird durch den Umstand bestätigt, dass der Begriff von § 13 Abs. 1 der früheren TKV verwendet worden ist und dort den "allgemeinen Zugang zu festen öffentlichen Telekommunikationsnetzen" beschrieben hat. Die heute maßgebliche Nachfolgebestimmung des § 45 d TKG verwendet zwar den Begriff "Netzzugang" ohne den Zusatz "allgemeiner", gemeint ist damit aber dasselbe (vgl. Scheurle/Schadow, TKG, 2. Aufl. § 45 d Rz 1). Es kommt hinzu, dass der Tenor in dem Klammerzusatz, durch den der Begriff der Einleitung des Wechsels näher definiert wird, auf den "Zugang des Portierungsauftrages" abstellt. Unter einer Portierung versteht man aber die Übertragung der bisherigen Rufnummer im Falle des Wechsels des Telefondiensteanbieters (vgl. Schadow/Scheurle/Paschke a.a.O., § 46 Rz 1 ff) und nicht einen Vorgang, der ausschließlich mit dem Wechsel des Internetproviders im Zusammenhang steht.

Zudem macht die für die Auslegung des Tenors heranzuziehende Begründung des Urteils deutlich, dass Gegenstand des Verbotes ausschließlich Anrufe bei Festnetzkunden sind, die zumindest auch ihren Festnetzanschlussanbieter wechseln wollen. Denn das Landgericht hat ausdrücklich auf den Anruf bei der Kundin S. abgestellt und diese hatte - wie alle anderen angeführten Zeugen auch - den Vertrag mit der Beklagten gerade als Telefondiensteanbieterin gekündigt.

Danach kann die Beklagte auch aus der Entscheidung des OLG Hamburg im Verfahren 5 U 4/07 nichts für sich herleiten. Dass - wie dort entschieden worden ist - ein Anruf, der DSL-Anschlüsse betrifft, nicht ein Verbot von Werbeanrufen für jegliche Waren und Dienstleistungen rechtfertigt, trifft die Fallgestaltung im vorliegenden Verfahren, in dem ein Verbot gerade nur für solche Anrufe ausgesprochen wird, wie sie die Beklagte bereits getätigt hat, nicht.

Entgegen der von der Beklagten in der mündlichen Berufungsverhandlung geäußerten Zweifel erfasst das Verbot eine Konstellation, wie sie dem Anruf bei dem Kunden Faulenbach zugrundegelegen haben soll, nicht: Verfolgt die Beklagte mit dem Anruf das Ziel, den Kunden darauf hinzuweisen, dass die Mindestlaufzeit des mit ihr geschlossenen Telefonanschlussvertrages noch nicht abgelaufen, der Vertrag also noch nicht kündbar sei, so dient der Anruf nicht dem von dem Tenor vorausgesetzten Zweck, einen Wechsel des Anbieters des allgemeinen Netzzuganges rückgängig zu machen.

Ist daher der von dem Landgericht tenorierte Unterlassungsanspruch begründet, so besteht auch der mit dem Urteilstenor zu 2) der Klägerin zuerkannte Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten, gegen dessen Höhe Einwände nicht erhoben worden sind.


II.

Berufung der Klägerin

Die Klägerin verfolgt mit der Anschlussberufung ihren Hauptantrag weiter. Mit diesem sollen der Beklagten auch Anrufe bei solchen damit nicht einverstandenen Verbrauchern untersagt werden, die diese nicht an ihrem eigenen, sondern an irgendeinem sonstigen Telefonanschluss erreichen. Erfasst sein soll also (auch) die Situation, dass der Anschlussinhaber sich zwar mit Werbeanrufen einverstanden erklärt hat, das Gespräch aber an dessen Stelle ein Dritter annimmt, der sich gerade im Hause des Anschlussinhabers aufhält und eine entsprechende Erklärung nicht abgegeben hat. Diesen Antrag hat das Landgericht zu Recht abgewiesen.

1) Das Petitum der Klägerin, der Beklagten untersagen zu lassen,
"Verbraucher an privaten Telefonanschlüssen zu Werbezwecken ... anzurufen oder anrufen zu lassen"
- sofern dieser Verbraucher keine entsprechende Einwilligung erklärt hat -, ist i. S. des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt, wenn der Antrag dahin verstanden wird, dass er nach Abnehmen des Hörers jeden Beginn eines Gesprächs erfasst, welches der Anrufer aus Werbegründen angestrebt hat. Bei diesem Verständnis ist der Antrag unbegründet.

Der Klägerin ist allerdings einzuräumen, dass der Wortlaut des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG das Verständnis ermöglicht, es komme immer auf das Einverständnis dessen an, der tatsächlich angerufen werde. So ist die Bestimmung aber nicht zu verstehen. Werbeanrufe bei Verbrauchern sind zwar grundsätzlich unzulässig, aber ausnahmsweise erlaubt, wenn eine Einwilligung vorliegt. Es darf dann im Umfang der Einwilligung zu Werbezwecken angerufen werden. Der Anrufer, der sich auf ein solches Einverständnis stützen kann, kann aber nicht wissen, ob der Anschlussinhaber, der die Einwilligung erteilt hat, oder ein Dritter (etwa der Ehe- oder Lebenspartner, ein im Haushalt lebendes Kind oder sogar ein Besucher) den Anruf entgegennehmen wird. Wollte man gleichwohl das Einverständnis der jeweils erreichten Person voraussetzen, würde dies bedeuten, dass trotz des Einverständnisses des Anschlussinhabers ein Werbeanruf unter dessen Rufnummer nur dann erfolgen dürfte, wenn - was einen Zufall darstellen kann - dieser selbst auch das Gespräch annimmt. Der Anrufende muss immer damit rechnen, anstelle des Anschlussinhabers eine andere Person zu erreichen, die ihrerseits mit Werbeanrufen nicht einverstanden ist. Falls die Entgegennahme des Gesprächs durch diesen Dritten bereits einen Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG - bei Unanwendbarkeit der Bagatellklausel - darstellen würde, wäre eine rechtmäßige Telefonwerbung nur noch zufällig möglich und praktisch undurchführbar. Ein - de facto - vollständiger Ausschluss telefonischer Werbung entspricht aber weder den Vorstellungen des nationalen Gesetzgebers noch denen des europäischen Richtliniengebers.

2) a) Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat in der Berufungsverhandlung deutlich gemacht, dass er den Anschlussberufungsantrag nicht in dem soeben behandelten Sinn verstanden wissen möchte. Um einen Anruf zu Werbezwecken handele es sich erst dann, wenn dem Gesprächspartner die werblichen Absichten des Anrufes offenbart würden; bei einer einleitenden Frage, ob der Anschlussinhaber selbst am Apparat sei, sei das beispielsweise noch nicht der Fall. Auf dem Boden dieses Verständnisses ist, wie in der Verhandlung erörtert worden ist, der Antrag nicht hinreichend bestimmt. Ob der Anrufer, um nicht den "Anruf zu Werbezwecken" verwirklicht zu haben, das Gespräch nach der Auskunft, den Anschlussinhaber nicht selbst angetroffen zu haben, abrupt zu beenden hat oder noch fragen darf, ob er herbeigeholt werden kann oder voraussichtlich erreichbar ist und ob eine etwaige Frage, worum es eigentlich gehe, ansatzweise beantwortet werden darf: all das ist völlig offen, ohne dass weitere schriftsätzliche Erläuterungen zur Konkretisierung des Antrags herangezogen werden könnten.

b) Der Senat sieht sich auch nicht in der Lage, als "minus" des formulierten abstrakt gefassten Antrags über eine konkrete Verletzungsform zu befinden. Die Klägerin hat das in der Berufungsverhandlung selbst nicht angemahnt. In dem in der Klageschrift an erster Stelle angeführten Fall X/L hatte das Telefonat mit der (späteren) Ehefrau des Anschlussinhabers stattgefunden, die zwar keine Einwilligungserklärung abgegeben hatte, der aber nach der schriftlichen Mitteilung des Anschlussinhabers gegenüber dem Landgericht (vgl. BI. 113) die Verhandlungen über den Anbieterwechsel von ihm vollständig überlassen worden waren und die - anderes geht aus dem Klagevorbringen nicht hervor- das Gespräch mit der Mitarbeiterin der Beklagten bereitwillig als Vertreterin geführt hat. Bei dieser Sachlage hätte die Klägerin - auf die Ausführungen unter a) wird Bezug genommmen - selbst deutlich verbalisieren müssen, wann im Zuge des Gesprächs mit Frau X. nach ihrer Auffassung i. S. ihres Antrags von einem "Anruf zu Werbezwecken" auszugehen war.

C

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision sieht der Senat keinen Anlass, da der Schwerpunkt der Entscheidung nicht in der Beantwortung materiell-rechtlichen Fragen, sondern bei der Zulässigkeit der Antragsfassung liegt."









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