|
Grundpreisangabe
- Preisangaben
- Preisanpassungsklauseln
- Preisanfechtung
- Preissuchmaschinen
- Preiswerbung
- Umsatzsteuer/Mehrwertsteuer
- Versandkosten
LG Koblenz v. 18.03.2009: Zur Einrede der unzulässigen Rechtsausübung bei zu billigerer Ersteigerung eines wertvollen Porsche
Das Landgericht Koblenz (Urteil vom 18.03.2009 - 10 O 250/08) hat entschieden:
Stellt ein Anbieter bei eBay eine Porsche versehentlich zum Preis von 5 € bei einem Wert von mehreren zehntausend € ein, bemerkt aber dann seinen - unbeachtlichen - Irrtum und beendet die Auktion mit dem von eBay dafür vorgesehenen Verfahren nach 8 Minuten vorzeitig, dann kommt zwar ein Kaufvertrag zum höchsten Gebot von 1.100,00 € wirksam zustande, jedoch ist der Verkäufer nicht wegen Nichterfüllung des Kaufvertrages zu Schadensersatz verpflichtet, weil er dem Käufer in diesem Fall die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung entgegen halten kann.
Zum Sachverhalt: Die Parteien stritten über die Wirksamkeit eines auf der Handelsplattform von eBay, einem Internet-Auktionshaus, geschlossenen Kaufvertrages. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Beklagte stellte am 12.08.2008 unter seinem eBay Mitgliedsnamen „…“ auf der vorgenannten Handelsplattform das streitgegenständliche Fahrzeug, einen Porsche 911/997 Carrera 2S Coupe mit Zubehör, ein. Das Fahrzeug mit Erstzulassung vom 16.04.2007 wies zu diesem Zeitpunkt eine Laufleistung von 5 800 km auf. Das Mindestgebot wurde auf 1,00 Euro festgesetzt.
Um 17:07:53 bot der Kläger unter seinem eBay Mitgliedsnamen „…“ für das Fahrzeug einen Betrag von 5,0 Euro.
Um 17:08:54 beendete der Beklagte durch Ausfüllen und Absenden des von eBay zur Verfügung gestellten Formulars „für das vorzeitige Beenden von Angeboten seine Auktion ohne Angabe von Gründen vorzeitig. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt mit seinem Gebot von 5,50 Euro Höchstbietender. Sein Maximal gebot lag bei 1,100 Euro. Durch die Beendigung der Auktion wurden die zu diesem Zeitpunkt abgegebenen Gebote des Klägers sowie die anderer Bieter gestrichen. Die Auktion lief für einen Zeitraum von 8 Minuten.
In § 10 Nr. 1 der eBay AGB wird unter anderem ausgeführt:
„[…] Bei Ablauf der Auktion oder bei vorzeitiger Beendigung des Angebots durch den Anbieter kommt zwischen dem Anbieter und Höchstbietenden ein Vertrag über den Erwerb des Artikels zustande, es sei denn, der Anbieter war gesetzlich dazu berechtigt das Angebot zurückzunehmen und die vorliegenden Gebote zu streichen. […]“
Mit elektronischer Post vom 12.08.08 forderte der Kläger den Beklagten unter Fristsetzung von zwei Wochen auf, ihm mitzuteilen wann und wo er das streitgegenständliche Kfz abholen könne. Die Überweisung des Gebotsbetrages von 5,0 Euro auf ein vom Beklagten zu benennenden Kontos bot der Kläger ausdrücklich an. Der Beklagte reagierte auf dieses Schreiben nicht.
Mit Schreiben vom 15.09.2008 erklärte der Beklagte schriftlich, dass ein Kaufvertrag nicht zustande gekommen sei. Vorsorglich erklärte er die Anfechtung eines möglicherweise zustande gekommenen Kaufvertrages.
Der Kläger vertritt die Auffassung, durch die Einstellung des Porsche 911/997 Carrera 2S Coupe auf der Auktions-Website von eBay habe der Beklagte ein Angebot zum Erwerb des Kfz abgegeben, das der Kläger als Höchstbietender angenommen habe. Die vorzeitige Beendigung führe nicht zu einem wirksamen Widerruf dieses Angebots. Das Fahrzeug habe einen Marktwert von mindestens 75 005,50 € gehabt.
Der Kläger beantragt:
den Beklagten zu verurteilen an den Kläger 75 000,– Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. November 2008, sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1 880,20 Euro an ihn zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Rechtsauffassung vertreten, dass ein wirksamer Kaufvertrag zwischen den Parteien nicht zu Stande gekommen sei. So habe der Kläger auch keine Nachricht von eBay erhalten, dass er die Auktion gewonnen habe. Auch sei eine Schutzbedürftigkeit des Klägers im vorliegenden Fall aufgrund der unverzüglichen Beendigung der Auktion nach lediglich 8 Minuten nicht gegeben.
Die Klage blieb erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Beklagte ist dem Kläger aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zum Schadensersatz und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten verpflichtet.
Zwar ist vorliegend zwischen den Parteien ein wirksamer Kaufvertrag zu Stande gekommen. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers wegen Nichterfüllung des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrages (§§ 280 I, 281 I, II BGB) ist zwar entstanden, der Durchsetzbarkeit steht jedoch § 242 BGB entgegen.
Die Parteien haben einen wirksamen Kaufvertrag gem. § 433 I BGB geschlossen.
Der Beklagte hat des Fahrzeuges zwecks Durchführung einer Online-Auktion auf der Website von eBay und Freischaltung der Angebotsseite eingestellt. Darin liegt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die ausdrückliche Erklärung, er nehme bereits zu diesem Zeitpunkt das höchste wirksam abgegebene Kaufangebot an ( BGHZ 149, 129 [133 ff.].
Diese Willenserklärung hat der Beklagte nicht wirksam gem. § 130 I S. 2 BGB widerrufen. Zwar hat der Beklagte die Internetauktion unter Verwendung des „Formular für das vorzeitige Beenden von Angeboten“ vorzeitig beendet und die bis zu diesem Zeitpunkt abgegebenen Angebote gestrichen. Die vorzeitige Beendigung und Streichung aller Angebote führt indes nicht zu einem wirksamen Widerruf seines abgegebenen Angebotes. Dies ergibt sich bereits aus der über § 10 Nr. 1 S. 1 AGB zwischen den Parteien vereinbarten Verbindlichkeit dieses Verkaufsangebotes, mit der die Unwiderruflichkeit des Vertragsangebotes begründet werden soll. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay sind zwischen den Parteien durch die Teilnahme an der Auktion verbindlich anerkannt worden.
Die Regelung in § 10 Nr. 1 S. 1 AGB ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Schutzes des Bieters notwendig, da dieser sonst der Willkür des Anbieters ausgesetzt wäre. Die in der vorgenannten Bestimmung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgezeigte Möglichkeit, ein Angebot schon vor dem festgelegten Vertragsende zurückzuziehen bzw. ein vorliegendes Angebot eines Käufers zu streichen ist lediglich als ein Hinweis auf die vom Gesetzgeber in §§ 119 ff. BGB vorgesehenen Anfechtungsmöglichkeiten zu werten.
Ein vertraglicher Anspruch des Klägers gegen den Beklagten aus Kaufvertrag i.V.m. § 433 I BGB auf Übergabe und Übereignung des PKW Marke Porsche ist demnach vorliegend entstanden. Diese Pflicht aus dem Kaufvertrag hat der Beklagte nicht erfüllt und ist demgegenüber dem Kläger grundsätzlich zum Schadensersatz verpflichtet (§§ 280, 281 Abs. I und II BGB).
Entgegen der Rechtsansicht des Beklagten ist der Kaufvertrag auch nicht durch die vom Beklagten gem. § 143 I BGB erklärte Anfechtung von Anfang an nichtig, § 142 I BGB. Der Beklagte hat nicht hinreichend vorgetragen, dass und inwieweit er bei der Einstellung des Kfz einem nach §§ 119 ff. BGB relevanten Irrtum unterlegen war. Zudem verkennt der Beklagte, dass er auch im Falle einer wirksamen Anfechtung dem Kläger gem. § 122 BGB zum Schadensersatz verpflichtet wäre.
Da der Beklagte vorliegend die Übergabe des Fahrzeuges an den Kläger verweigert hat, war eine Fristsetzung des Klägers an den Beklagten zur Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag gem. § 281 II BGB entbehrlich.
Der Durchsetzbarkeit des Schadensersatzanspruchs steht vorliegend jedoch der Einwand des aus § 242 BGB abgeleiteten Instituts des Rechtsmissbrauchs entgegen.
Nach § 242 BGB ist der Schuldner verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Hiernach hat unter anderem der Vertragspartner auf die berechtigten Interessen des anderen Teils Rücksicht zu nehmen. Dieses Gebot gilt dabei nicht nur für den Schuldner, sondern auch für den Gläubiger. Bei der gesetzlichen Vorschrift des § 242 BGB handelt es sich jedoch nicht um eine allgemeine Billigkeitsnorm, die es dem Richter gestattet, sich über gesetzliche Wertungen hinwegzusetzen, um zu einem von ihm als gerecht empfundenes Ergebnis zu gelangen. Vielmehr ist die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden (vgl. Art. 20 III, 97 GG). Außerdem wäre bei einer Billigkeitsnorm eine Rechtssicherheit nicht mehr gewährleistet, weil eine richterliche Entscheidung nicht mehr voraussehbar wäre.
Rechtsprechung und Schrifttum haben sich daher ständig darum bemüht, die bei der Anwendung des § 242 BGB auftretenden Einzelprobleme zu ordnen und zu bestimmten Fallgruppen zusammen zu fassen, um bei der Handhabung der Generalklausel eine gewisse Rechtssicherheit zu erreichen (Brox/Walter, Allgem.-Schuldrecht, 31. Aufl. § 7 Rdn. 1 ff).
Die Ausübung eines Rechts ist dann unzulässig, wenn das ihm zugrunde liegende Interesse im Einzelfall aus besonderen Gründen nicht schutzwürdig erscheint(Einwand der unzulässigen Rechtsausübung). Eine solche Aberkennung der Schutzwürdigkeit ist das Ergebnis einer umfassenden Wertung des Interesses (MüKo-Roth § 242 Rdnr. 393). Nicht schon jedes Ungleichgewicht, nicht schon jede übermäßige wirtschaftliche Benachteiligung der Gegenseite macht eine Rechtsausübung unzulässig, sondern es muss sich um Ausnahmefälle einer grob unbilligen, mit der Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden Benachteiligung handeln ( BGH WM 1967, 988, 989).
So liegt der Fall hier.
Nach einer solchen Abwägung ist vorliegend das Interesse des Klägers auf Schadensersatz nicht schutzwürdig.
Zwar obliegt das Risiko einer fehlerhaften Einstellung eines Verkaufsangebotes auf einer Auktionsseite grundsätzlich dem Verkäufer. Auch ist unbestritten, dass die Besonderheit von Internetauktionen die Unwiderruflichkeit der Vertragsangebote erfordert um zu vermeiden, dass der Bieter der Willkür des Verkäufers ausgesetzt ist. Des Weiteren hat der Verkäufer im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften die Möglichkeit der Anfechtung und ist dadurch auch bei der Teilnahme an Internetauktionen grundsätzlich hinreichend geschützt.
Eine Verurteilung zum Ersatz von Schadensersatz würde jedoch im vorliegenden Fall zu einer mit der Gerechtigkeit nicht vereinbarenden Benachteiligung des Beklagten führen.
Der Beklagte unterlag bei Einstellung des Angebots einem (vorliegend für §§ 119 ff. BGB unbeachtlichen) Fehler. Diesen Fehler versuchte der Beklagte unverzüglich zu korrigieren. Er füllte noch vor Abgabe eines Gebots auf das eingestellte Kfz das „Formular für die frühzeitige Beendigung von Angeboten“ aus und sendete es an eBay. Die Auktion wurde daraufhin beendet. Dieser Vorgang dauerte ca. 8 Minuten. Der Kläger hatte in der Zwischenzeit bereits auf das Fahrzeug geboten.
Eine ebay Auktion dauert regelmäßig bis zu einer Woche. In dieser Zeit werden, insbesondere auf hochwertige Alltagsgegenstände, wie das vorliegende Kfz eine Vielzahl von Angebote abgegeben.
In den 8 Minuten zwischen Einstellung des Artikels und Beendigung der Auktion wurden auf den vom Beklagten eingestellten Artikel bereits zwei Gebote abgegeben. Das höhere Gebot von 5,50 Euro war zu diesem Zeitpunkt das des Klägers. Dass der Kläger nicht davon ausgehen konnte, dass sein Angebot von 5,50 Euro, das Höchstgebot für einen 1 Jahr alten Porsche 911/997 Carrera 2S mit einer Laufleistung von ca. 5000 km sein würde, ist offensichtlich. Der Kläger geht selbst von einem Marktwert für das Fahrzeug von mindestens 75 005,50 € aus.
Auch erscheint es dem Gericht offensichtlich, dass der Kläger nicht davon ausging das streitgegenständliche Kfz durch sein Höchstgebot von 1 100 € nach Ablauf der Auktion zu erwerben.
Die Nachfrage nach gebrauchten Kfz im Internet ist groß; neuwertige, dem vorliegenden Modell entsprechende Fahrzeuge des Herstellers Porsche erreichen regelmäßig Verkaufspreise von weit über 50 000 Euro. Das Höchstgebot des Klägers von 1 100 Euro auf den vom Beklagten eingestellten Artikel, der einen Neuwert von mehr als 105 000 Euro aufwies und nach eigener Schätzung des Klägers zum Zeitpunkt des Auktion mindestens 75 000 Euro betrug, war augenscheinlich und für den Kläger ersichtlich nicht ausreichend um diesen Artikel nach Ende der Auktion mit Höchstgebot zu erwerben.
Zwar kann die Diskrepanz zwischen erreichtem Preis und dem Wert eines Artikels in einem von Angebot und Nachfrage regierten Markt grundsätzlich nicht dazu führen, dass die Durchsetzung eines „Schnäppchens“ als rechtsmissbräuchlich angesehen wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Verkäufer Artikel zur Versteigerung anbieten, für die es regelmäßig keinen Markt gibt. Dann kann die Nichterzielung des realen Wertes für einen Artikel nicht zum Nachteil des Bieters als rechtsmissbräuchlich ausgelegt werden (vgl. bei Veräußerung eines Rübenroders, OLG Köln, 08.12.2006). Sie liegt dann im Risikobereich des Verkäufers.
Im vorliegenden Fall besteht jedoch ein Markt für das vom Beklagten eingestellte Kfz. Nach Überzeugung des Gerichts ist es ausgeschlossen, dass vorliegend keine weiteren ernsthaften Gebote für das KFZ abgegeben worden wären. Der Kläger konnte nicht damit rechnen, dass er das Kfz für 1 100 Euro geschweige denn für 5,50 Euro ersteigern würde, hätte der Beklagte die Auktion bis zum Ende durchgeführt.
Ein „Schnäppchen“ für ein solches Kfz ist auch noch bei einem Preis von mehreren 10 000 Euro anzunehmen.
Der Kläger würde bei Anerkennung einer Schadensersatzpflicht dafür belohnt, dass der Beklagte in Annahme der Zulässigkeit und der Gebotenheit einer unmittelbaren Behebung des von ihm fehlerhaft oder unvollständig verfassten Angebotsschnellstmöglich und noch vor Abgabe etwaiger Gebote versuchte, die Auktion abzubrechen.
Hätte der Beklagte trotz des von ihm erkannten Fehlers die Auktion nicht beendet, wäre nach Überzeugung des Gerichts einen Preis erzielt worden, der ein Vielfaches des Höchstgebots des Klägers ergeben hätte.
Der Kläger ist vorliegend auch nicht der Willkür des Beklagten ausgesetzt gewesen.
Der Beklagte hat versucht unmittelbar nach Einstellung des Artikels und vor Abgabe jeglichen Gebotes die Auktion zu beenden. Die Tatsache, dass das Ausfüllen des Formulars und die Übersendung an das Auktionshaus, sowie die Bearbeitung durch die eBay insgesamt 8 Minuten in Anspruch nahm führen nicht dazu, dass dem Kläger hier willkürlich die Möglichkeit entzogen wurde, einen Porsche Carrera für 5,50 Euro zu erwerben. Diese Chance bestand von vornherein nicht.
Im Rahmen dieser Abwägung ist die Schadensersatzklage des Klägers als rechtsmissbräuchlich i.S.v. § 242 BGB anzusehen, mit der Folge, dass der Kläger den ihm zustehenden Schadensersatzanspruch nicht durchsetzen kann. ..."
|