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Verwaltungsgericht Braunschweig Urteil vom 15.07.2008 - 4 A 149/07 - Arbeitsplatzcomputer in Privaträumen ist als Zweitgerät gebührenbefreit
 

 

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VG Braunschweig v. 15.07.2008: Ein gewerblich genutzter internetfähiger Computer unterliegt nicht der Rundfunkgebührenpflicht wenn er in der Privatwohnung des Rundfunkteilnehmers betrieben wird und dieser für die dort vorgehaltenen Rundfunkempfangsgeräte Rundfunkgebühren entrichtet.

Das Verwaltungsgericht Braunschweig (Urteil vom 15.07.2008 - 4 A 149/07) hat entschieden:
Ein gewerblich genutzter internetfähiger Computer unterliegt nicht der Rundfunkgebührenpflicht wenn er in der Privatwohnung des Rundfunkteilnehmers betrieben wird und dieser für die dort vorgehaltenen Rundfunkempfangsgeräte Rundfunkgebühren entrichtet.




Tatbestand:

Der Kläger, Inhaber einer Beratungsfirma, wendet sich gegen seine Heranziehung zu Rundfunkgebühren.

Er ist seit 1997 bei dem Beklagten mit privaten Rundfunkgeräten gemeldet. In seiner Privatwohnung unterhält er ein Büro mit einem internetfähigen Personalcomputer – PC – für seine Firma. Mit Schreiben vom 31. Januar 2007 meldete er den PC als neuartiges Empfangsgerät für die gewerbliche Nutzung bei dem Beklagten an, verwies aber gleichzeitig darauf, dass er sich nicht für gebührenpflichtig hielt. Der Beklagte registrierte den PC und erließ, nachdem keine Zahlungen eingegangen waren, am 01. Juli 2007 einen Gebührenbescheid, mit dem er rückständige Rundfunkgebühren für den Zeitraum Januar bis März 2007 zuzüglich eines Säumniszuschlages in Höhe von insgesamt 21,67 Euro festsetzte. In seinem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger u.a. einen Eingriff in die Handlungs- und Informationsfreiheit geltend.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22. November 2007 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, gemäß § 5 Abs. 3 Rundfunkgebührenstaatsvertrag – RGebStV – seien neuartige Rundfunkgeräte seit dem 01. Januar 2007 anmeldepflichtig. Eine Gebührenpflicht entstehe, wenn auf demselben Grundstück noch keine herkömmlichen Rundfunkgeräte durch den Rundfunkteilnehmer angemeldet worden seien. Es sei unstreitig, dass der Kläger ein Rundfunkgerät bereithalte. Unabhängig von der Nutzung des Rechners bestehe Anmelde- und Gebührenpflicht.

Daraufhin hat der Kläger am 20. Dezember 2007 den Verwaltungsrechtsweg beschritten und vertieft sein vorprozessuales Vorbringen. Ergänzend trägt er vor, er empfange mit seinem Computer keine Rundfunkprogramme, da er ihn zum Arbeiten benötige.

Der Kläger beantragt,
den Gebührenbescheid vom 01. Juli 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2007 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
und erwidert, der Gesetzgeber habe mit der Einführung der Gebührenpflicht eine Ungleichheit zwischen herkömmlichen und neuartigen Rundfunkempfangsgeräten aufgehoben. Es bestehe eine Gebührenpflicht für das neuartige Empfangsgerät, weil der Kläger nur mit diesem Gerät als nicht privater Rundteilnehmer gemeldet sei. Die übrigen Empfangsgeräte seien dem privaten Bereich zuzuordnen.

In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagtenvertreter die Auffassung vertreten, bei § 5 Abs. 3 RGebStV handele es sich um einen Auffangtatbestand, der immer dann eingreife, wenn die Gerätenutzung unter keine der vorstehenden Normen falle. Die private Nutzung von Rundfunkgeräten sei in den §§ 1 und 2 RGebStV geregelt. § 5 RGebStV betreffe insbesondere die Klärung der Gebührenpflicht für gewerblich genutzte Rundfunkempfangsgeräte. Er verwies auf eine Drucksache des Abgeordnetenhauses von Berlin (Drs. 15/3369, S. 36).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.


Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat Erfolg. Der Gebührenbescheid vom 01. Juli 2007 und der Widerspruchsbescheid vom 22. November 2007 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Sie sind ist daher aufzuheben (vgl. § 113 Abs. 1, 5 VwGO).

Die Rundfunkgebührenpflicht für privat und gewerblich genutzte Rundfunkempfangsgeräte – auch von neuartigen Rundfunkempfangsgeräten – bestimmt sich ausschließlich nach §§ 1,2 und 4 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages – RGebStV. Die Gebührenpflicht einschränkende Regelungen für Zweitgeräte und für gebührenbefreite Geräte finden sich in § 5 RGebStV. Da der Kläger für seine privat genutzten Rundfunkgeräte Gebühren entrichtet, ist für seinen Arbeitsplatzcomputer § 5 Abs. 3 RGebStV heranzuziehen. Die Vorschrift lautet:
„Für neuartige Rundfunkempfangsgeräte (insbesondere Rechner, die Rundfunkprogramme ausschließlich über Angebote aus dem Internet wiedergeben können) im nicht ausschließlich privaten Bereich ist keine Rundfunkgebühr zu entrichten, wenn

  1. die Geräte ein und demselben Grundstück oder zusammenhängenden Grundstücken zuzuordnen sind und

  2. andere Rundfunkempfangsgeräte dort zum Empfang bereitgehalten werden. Werden ausschließlich neuartige Rundfunkempfangsgeräte, die ein und demselben Grundstück oder zusammenhängenden Grundstücken zuzuordnen sind, zum Empfang bereitgehalten, ist für die Gesamtheit dieser Geräte eine Rundfunkgebühr zu entrichten.“
Das Gericht lässt ausdrücklich offen, ob der Klage schon deshalb stattzugeben ist,
  1. weil die Definition der „neuartigen bzw. andersartigen Empfangsgeräte“ vom Gesetzgeber selbst zu übernehmen war und nicht der Auslegung durch den Beklagten überlassen werden durfte,

  2. weil der Beklagte sich für befugt hält zu entscheiden, wer der Gebührenpflicht für neuartige Rundfunkempfangsgeräte im gewerblichen Bereich (PC – Gebühr) unterliegt. So ist auf der Homepage der GEZ (vgl. dazu www.gez/.de/door/gebuehren/neg/) nachzulesen, dass im Bereich der Heimarbeit Gewerbetreibende wie der Kläger zu der Gebühr herangezogen werden, Lehrer aber nicht, obgleich Lehrer ebenso wie der Kläger einen wesentlichen Teil ihrer Arbeitsleistung zu Hause ausführen müssen,

  3. weil die Heranziehung des Klägers zu einer Rundfunkgebühr gegen das Grundgesetz (Art. 12 Abs. 1, 2 Abs. 1) verstößt, da der Kläger als Gewerbetreibender anders als eine Privatperson nicht die Wahl hat, ob er ein neuartiges Rundfunkempfangsgerät bereithält oder nicht. Der Kläger ist aus steuerlichen Gründen gezwungen (Umsatzsteueranmeldung, § 18 Abs. 1 UStG), einen internetfähigen Computer vorzuhalten.
Das Gericht braucht diese Fragen nicht zu entscheiden, weil die Klage selbst dann Erfolg hat, wenn es die grundsätzliche Zulässigkeit der PC – Gebühr bejaht. Denn der Arbeitsplatzcomputer ist als Zweitgerät gebührenbefreit, weil der Kläger für die bereits in seiner Wohnung vorgehaltenen privaten Rundfunkempfangsgeräte – unstreitig – Rundfunkgebühren entrichtet. Für die Inanspruchnahme des Klägers sprechen weder der Wortlaut der Vorschrift (1.) noch die Entstehungsgeschichte (2.).

1. Der Beklagte will in den Wortlaut des § 5 Abs. 3 Satz 1 RGebStV „für neuartige Rundfunkempfangsgeräte im nicht ausschließlich privaten Bereich ist keine Rundfunkgebühr zu entrichten, wenn andere Rundfunkempfangsgeräte dort zum Empfang bereitgehalten werden“ zwischen den Wörtern „andere“ und „Rundfunkempfangsgeräte“ die Worte „nicht private“ hineininterpretieren. Durch diese Interpretation ist für den ersten gewerblich genutzten PC die PC – Gebühr zu entrichten, der zweite gewerblich genutzte PC ist als Zweitgerät gebührenbefreit. Somit würde jeder vom Beklagten in Anspruch genommener Gewerbetreibender zumindest für ein Rundfunkempfangsgerät Gebühren entrichten. Diese Interpretation überschreitet die Auslegungsregeln, die ihre Grenze im Wortlaut der Vorschrift haben und begründet – am Gesetzgeber vorbei – einen neuen Gebührentatbestand, der im Gesetz nicht vorgesehen ist.

§ 5 Absatz 3 RGebStV regelt eine Privilegierung von neuartigen Rundfunkempfangsgeräten im gewerblichen Bereich. Satz 1 bestimmt, dass keine Rundfunkgebühren zu entrichten sind, wenn bereits auf dem Grundstück andere Rundfunkgeräte, für die Gebühren zu zahlen sind, bereitgehalten werden. Satz 2 regelt darüber hinaus, dass ein Gewerbetreibender, der auf einem Grundstück ausschließlich neuartige Rundfunkempfangsgeräte bereithält, für diese nur eine Gebühr zu zahlen hat.

Würde im vorliegenden Fall die Gebührenfreiheit für gewerblich genutzte internetfähige PCs erst für den zweiten PC eingreifen, weil für den ersten PC Rundfunkgebühren zu zahlen sind, wie der Beklagte meint, dann hätte Satz 2 hier keinen Regelungsinhalt. Denn nach der Auslegung des Beklagten wäre der zweite PC bereits nach Satz 1 gebührenbefreit. Auch daraus wird deutlich, dass die vom Beklagten gewünschte Auslegung vom Gesetzgeber nicht gewollt ist; angesichts der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung der Gebührenpflicht für neuartige, gewerblich genutzte Rundfunkempfangsgeräte kann der Anspruch des Beklagten nur bestehen, wenn er ausdrücklich im Gesetz geregelt ist.

2. In der Gesetzesbegründung zum 8. Rundfunkgebührenstaatsvertrag (LT – Drs. 15/1485, S. 35) findet sich kein Hinweis dafür, dass eine Rundfunkgebührenfreiheit für einen gewerblich genutzten PC nur dann eintritt, wenn für ein gewerblich genutztes Gerät Rundfunkgebühren gezahlt werde. Dort heißt es:
„Die neuartigen Rundfunkempfangsgeräte sind im nicht ausschließlich privaten Bereich von der Rundfunkgebühr befreit, soweit sie ein und demselben Grundstück oder zusammenhängenden Grundstücken zuzuordnen sind und für die dort bereit gehaltenen (herkömmlichen) Empfangsgeräte bereits Rundfunkgebühren entrichtet werden.“
Dass es sich hierbei um gewerblich genutzte Rundfunkgeräte handeln muss, wird in der Gesetzesbegründung nicht erwähnt. Da es sich um erhebliche Einnahmen handelt, die dem Beklagten bei der von ihm gewünschten Auslegung der Vorschrift zufließen würden, wäre zu erwarten gewesen, dass sich der Gesetzgeber auch entsprechend geäußert hätte, zumal er in der vorgenannten Landtagsdrucksache die Neufassung des § 5 sehr umfassend erläutert hat. Soweit der Beklagte auf eine Drucksache des Abgeordnetenhauses von Berlin abstellen will, übersieht er, dass der Kläger auf der Grundlage von niedersächsischem Landesrecht in Anspruch genommen wird, so dass der Berliner Landtagsdrucksache keinerlei Bedeutung zukommt.

Demzufolge hat die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO Erfolg.









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