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Landgericht München I Urteil vom 14.10.2009 - 21 O 22196/08 - Nintendo DS-Spielekarten sind technische Kopierschutzmittel im Sinne des Urheberrechts
 

 

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LG München v. 14.10.2009: Bei den DS-Karten von Nintendo handelt es sich um Spielekarten mit einem technischen Kopierschutz. Der Vertrieb von ähnlich gestalteten Adaperkarten, mit denen der technischen Kopierschutz umgangen werden kann, ist ein Verstoß gegen § 95a UrhG und unzulässig.

Das Landgericht München I (Urteil vom 14.10.2009 - 21 O 22196/08) hat entschieden:
Bei den DS-Karten von Nintendo handelt es sich um Spielekarten mit einem technischen Kopierschutz. Der Vertrieb von ähnlich gestalteten Adaperkarten, mit denen der technischen Kopierschutz umgangen werden kann, ist ein Verstoß gegen § 95a UrhG und unzulässig.




Zum Sachverhalt: Die Klägerin ist Hersteller der Spielekonsole Nintendo DS und stellt für dieses Gerät Karten für diverse Konsolenspiele her. Die Beklagte vertrieb Adapterkarten, die den originalen Nintendo-DS-Karten ähnlich sahen und mit denen für eine Reihe von Spielen der Kopierschutz der Originalkarten umgangen werden konnte, in ihrem Onlineshop.

Die Klägerin verlangte Unterlasssung, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht.

Die Klage hatte zunächst in einem Teilurteil Erfolg.


Entscheidungsgründe:

Der zulässigen Klage war im Umfang der durch das Teilurteil tenorierten Ansprüche stattzugeben, da diese den Klägerinnen aus Urheberrecht und Wettbewerbsrecht zustehen und eine Aussetzung nach § 149 Abs. 1 ZPO nicht erforderlich ist.

Im Einzelnen gilt folgendes:


I.

Die Klageanträge, denen stattgegeben wurde, genügen dem prozessualen Bestimmtheitsgebot und sind daher nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig.

Bei der von den Beklagten angegriffenen Formulierung „zu gewerblichen Zwecken“ handelt es sich um einen sowohl im Urheberrecht (vgl. etwa § 95a Abs. 3 UrhG) als auch im Wettbewerbsrecht gängigen konkreten Rechtsbegriff, der zur Abgrenzung vom reinen Privatgebrauch dient und hinreichend bestimmt ist. Auch die Formulierung „geeignet sind, im Internet verfügbare Kopien von Nintendo DS Spielen der Klägerinnen auf einer Nintendo DS Konsole abzuspielen“ beschreibt lediglich in verallgemeinerter, aber hinreichend bestimmter Form das, was mit den streitgegenständlichen Adaptern erreicht wird. Sofern sich die Beklagten gegen die „insbesondere“ – Formulierung in den Klageanträgen wenden, handelt es sich bei den danach wiedergegebenen konkreten Verletzungsformen lediglich um Beispiele zur Verdeutlichung, mit denen der Kernbereich des Unterlassungsgebots konkretisiert werden soll und die zulässig ist (vgl. etwa Harte/Henning/Brüning, UWG, 2. Auflage, Rdn. 87 vor § 12).


II.

Die durch die Klageerweiterung erfolgte Inanspruchnahme der Beklagten zu 2) und 3) ist auch nicht rechtsmissbräuchlich. Von einer die Klage- und Prozessführungsbefugnis ausschließenden Mehrfachverfolgung kann nach der Rechtssprechung des BGH nur ausgegangen werden, wenn ein und derselbe Anspruchsgegner von mehreren Anspruchsstellern in Anspruch genommen wird (vgl. BGH WRP 2000, 1269 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung). Hiervon zu unterscheiden ist die hier vorliegende Klage gegen mehrere Anspruchsgegner, die den Klägerinnen gegenüber aufgrund eines identischen Sachverhalts verantwortlich sind und bei denen die Gläubiger gerade die vom BGH als zulässige Verhaltensweise dargelegte Möglichkeit nutzen, ihre Ansprüche beim selben Gericht gegen mehrere Streitgenossen gemeinsam geltend machen.


III.

Ansprüche der Klägerin zu 1):

1. Der Klägerin zu 1) steht der unter Nr. I.1.a geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagten gemäß § 1004, 823 Abs. 2 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 95a Abs. 3 Nr. 3 UrhG zu.

a) Bei § 95a UrhG handelt es sich um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB (BGH GRUR 2008, 996 – Clone-CD).

b) Jedenfalls bei der zwischen den Parteien unstreitigen speziellen Formatierung der Nintendo DS Karten handelt es sich um wirksame technische Maßnahmen zum Schutz eines nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Werks.

Der Schutz dieser technischen Maßnahmen ist kein Selbstzweck, sondern dient dem Schutz der mit Hilfe dieser Maßnahmen geschützten Werke und Leistungen der Rechtsinhaber. Er soll den Inhabern von Urheberrechten und Leistungsschutzrechten zugute kommen, die solche Maßnahmen zum Schutz ihrer urheberrechtlich geschützten Werke und Leistungen einsetzen (BGH a.a.O. – Clone-CD). Dabei ist der Begriff der „technischen Maßnahmen“ im weitesten Sinne zu verstehen. Erfasst sind damit sämtliche technischen Maßnahmen, die im normalen Betrieb dazu bestimmt sind, Nutzungsmöglichkeiten einzuschränken. Dabei kann es sich ebenso um eine Hard – wie auch um eine Software-Lösung handeln (vgl. Schricker/Götting, Urheberrecht, 3. Auflage, § 95a, Rdn. 16 und 17 mit weiteren Nachweisen).

Unstreitig passen in die Nintendo DS Spielekonsole nur die speziellen Nintendo DS Karten, die ausschließlich auf speziellen, nur für die Nintendo DS passenden Speichermedien angeboten werden. Diese speziell formatierten und mit spezieller Elektronik versehenen Nintendo DS Karten sind auf dem Markt nicht erhältlich und kein anderes Gerät als die Nintendo DS kann sie abspielen. Es existieren auch keine Geräte auf dem Endkundenmarkt die ein Auslesen und/oder Beschreiben dieser speziellen Speichermedien ermöglichen.

Bereits hieraus ergibt sich, dass die auf den Nintendo DS Karten enthaltenen urheberrechtsschutzfähigen Computerprogramme durch spezielle technische Schutzmaßnahmen im Sinne von § 95a Abs. 2 UrhG geschützt wurden.

c) Die hier streitgegenständlichen Adapter wurden auch hauptsächlich entworfen und hergestellt, um die Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen der Klägerin zu 1) zu ermöglichen:

aa.) Dass die Beklagte zu 1) Adapter vertreibt, die die Umgehung der wirksamen technischen Schutzvorrichtung der Klägerinnen ermöglicht, hat die im Termin vom 5.8.2009 durchgeführte Inaugenscheinnahme ergeben, bei dem die Hochfahrfunktion eines von der Beklagten gelieferten Adapters im Zusammenwirken mit einer Nintendo DS Konsole dargelegt wurde.

Hierbei konnte sich die Kammer davon überzeugen, dass die Spielekonsole nur dann zum Spielen gestartet werden kann, wenn entweder eine Original DS-Karte eingelegt wird (ansonsten erscheint der Hinweis „there ist no DS-Card inserted“) oder aber wenn eine von der Beklagten gelieferte Adapterkarte eingesetzt und in diese dann eine Speicherkarte eingelegt wird, auf der eine Raubkopie eines originalen Nintendo DS Spieles gespeichert wurde.

Mit Hilfe des von der Beklagten gelieferten Adapters kann daher die technische Schutzvorrichtung der Klägerinnen dahingehend umgangen werden, dass auch ein Spiel gespielt werden kann, dass sich nicht auf einer originalen, nur von der Klägerinnen vertriebenen und nicht wiederbeschreibbaren Nintendo DS Karte befindet.

Durch welche konkreten technischen Vorgänge dies erfolgt, ob durch die Überprüfung der Nintendo Logo-Datei, die sich nach Vortrag der Klägerinnen auf den Adaptern der Beklagten zu 1) befindet, oder aber allein aufgrund der speziellen Ausgestaltung und Formatierung der nicht im Handel erhältlichen und auch nicht von Dritten auslesbaren Nintendo DS Karten, kann letztlich dahingestellt bleiben. Fest steht, dass die von den Klägerinnen auf welche technische Weise auch immer geschaffene Schutzvorrichtung durch von der Beklagten zu 1) vertriebene Adapter umgangen wird.

Dass die Adapterkarte, mittels derer die Nintendo DS Konsole im Termin vom 5.8.2009 hochgefahren wurde, tatsächlich von der Beklagten stammt, hat die Einvernahme des Zeugen … ergeben. Dieser hat angegeben, seine Sekretärin, … habe sämtliche damals von der Beklagten zu 1) angebotenen Karten an ihre Heimatadresse bestellt, jeweils am nächsten Werktag nach Eintreffen ins Büro mitgenommen und ihm auf den Schreibtisch gelegt. Sämtlich Karten seien dann in den Asservatenraum der Kanzlei gebracht und später an die Staatsanwaltschaft Dortmund geschickt worden; zuvor sei noch eine Kennzeichnung mittels Aufkleber erfolgt. Er könne die Schachtel, die im Termin vorgelegt wurde, identifizieren. Diese sei von der Staatsanwaltschaft an ihn zurückgeschickt und wieder in der Asservatenkammer der Kanzlei verwahrt worden.

bb) Dass die Adapter hauptsächlich entworfen, hergestellt und angepasst worden sind, um die Umgehung dieser wirksamen, technischen Maßnahmen zu ermöglichen oder zu erleichtern, ergibt sich bereits aus der Werbung der Hersteller, der Berichterstattung in der Fachpresse und nicht zuletzt aus der Außendarstellung der Beklagten zu 1) selbst:

Die Adapter werden sowohl von den Herstellern als auch von der Beklagten zu 1) offensiv mit der Möglichkeit des Abspielens aller möglichen Spiele beworben (vgl. die Anlagen K 1 bis K 13. Damit sind ganz offensichtlich vor allem illegale Raubkopien gemeint.

Die weiteren theoretisch denkbaren legalen Verwendungsmöglichkeiten der Adapter, wie die Nutzung als Terminkalender, das Abspielen eigener Musik etc. wird hingegen entweder gar nicht beworben oder aber lediglich zusätzlich erwähnt (vgl. z.B. die Anlage K2). Dass solche denkbaren legalen Anwendung tatsächlich von den Käufern vorrangig oder auch nur in relevanten Umfange in Betracht gezogen werden, erscheint aufgrund der Lebenserfahrung als höchst unwahrscheinlich. Bereits das eigentümliche Design der Original-Konsole steht dem entgegen. Kein versierter Nutzer wird in Zeiten des durchdesignten I-Pods auf die Konsole der Klägerin zu 1) zum Abspielen von Musik zurückgreifen. Ferner dürften Nutzer, die selbst Musik produzieren, über ausreichend anderweitige Gerätschaften zum abspielen derselben verfügen. Der Verwendung als Terminkalender stehen bereits die sehr begrenzten Eingabemöglichkeiten entgegen.

Bei objektiver Betrachtung geht es im vorliegenden Fall nicht um ein zu rechtfertigendes Verbot von Allzweckgeräten, nur weil mit ihnen auch Umgehungshandlungen vorgenommen werden können, sondern die Klägerinnen wenden sich zu Recht gegen die mit der vorstehend beschriebenen Zweckbestimmung hergestellten und vertriebenen Adapter.

2. Aufgrund der Offensichtlichkeit der Eignung und Bestimmungen der angebotenen Adapter zur Umgehung der Kopierschutzmaßnahmen der Klägerin zu 1) ist davon auszugehen, dass die Beklagten zu 2) und 3) die als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) schon deshalb haften, weil sie sowohl tatsächlich als auch rechtlich die Möglichkeit haben, die Zuwiderhandlungen abzustellen (vgl. BGH GRUR 1986, 248 – Sporthosen) v. Die Beklagten zu 1) bis 3) haften daher gesamtschuldnerisch auf Auskunft und Schadensersatz gemäß § 97 Abs. 2 UrhG.

3. Die Klägerin zu 1) hat aus § 98 Abs. 1 UrhG auch einen Anspruch darauf, dass die Beklagten die sich in ihrem Besitz befindlichen streitgegenständlichen Adapter vernichten und hierüber der Klägerin gegenüber entsprechenden Nachweis erbringen.

4. Ob der Klägerin zu 1) auch der gemäß Art. 9 Abs. 1a GMV auch der mit Klageantrag Nummer 1.b geltend gemachte markenrechtliche Unterlassungsanspruch zusteht, hängt davon ab, ob auf den streitgegenständlichen Adaptern das Zeichen der Gemeinschaftsmarken der Klägerin zu 1) so gespeichert ist, dass es nach Einlegen des Adapters in die Spielekonsole auf dem Bildschirm angezeigt und zu dem Racetrack – Logo zusammen gesetzt wird.

Zwar hat die Inaugenscheinnahme der Hochfahrfunktion der Spielekonsole mit einem der streitgegenständlichen Adapter ergeben, dass das Racetrack – Logo nur dann erzeugt wird, wenn der streitgegenständliche Adapter in die Spielekonsole eingelegt wird. Ob hieraus allerdings zwangsläufig gefolgert werden kann, dass das Zeichen der Klägerin zu 1) auf den Adaptern der Beklagten zu 1) gespeichert ist, kann die Kammer nicht aus eigener Sachkunde beurteilen. Hierzu wird daher ein Sachverständigengutachten zu erholen sein.


IV.

Ansprüche der Klägerin zu 2):

Die der Klägerin zu 2) zugesprochenen Unterlassungs-, Auskünfte- und Schadensersatzansprüche ergeben sich aus den §§ 3, 4 Nr. 11, 8 und 9 UWG.

Die streitgegenständlichen Adapter werden ohne den nach §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 der zweiten GPSGV (Verordnung über die Sicherheit von Spielzeug) zwingend erforderlichen Herstellernachweis und teilweise ganz ohne CE-Kennzeichnung vertrieben. Bei § 3 der zweiten GPSGV handelt es sich um ein Schutzgesetz im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG (vgl. Harte/Henning/von Jagow, UWG, 2. Auflage, § 4 Nr. 11, Rdn. 88).

Die Vorschriften der GPSGV regeln im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten ihrer Anbieter. Sie haben daher zumindest eine sekundäre marktbezogene Schutzfunktion. Ein Verstoß gegen diese Vorschriften ist daher unlauter im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG (vgl. hierzu auch BGH GRUR 2008, 922 – 923 – In-vitro-Diagnostiker, bei der das Fehlen einer CE-Kennzeichnung auf Medizinprodukten als wettbewerbswidrig im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG angesehen wurde).


V.

Eine Aussetzung des Verfahrens bis zum Abschluss des bei der Staatsanwaltschaft Dortmund eingeleiteten Strafverfahrens nach § 149 ZPO war nicht erforderlich.

Von der Verwirklichung des § 95a Abs. 3 Nr. 3 UrhG durch den Vertrieb der streitgegenständlichen Adapter konnte sich die Kammer selbst überzeugen, ohne dass hierfür erforderlich war, genau zu wissen, auf welche konkrete technische Art und Weise die Schutzvorrichtung der Klägerin zu 1) umgangen wird. Ob gleichzeitig ein markenrechtlicher Verstoß vorliegt, wird durch das einzuholende Sachverständigengutachten zu überprüfen sein; insoweit bietet das Strafverfahren auch keine besseren Erkenntnisquellen. Da die Kammer das Bestreiten der Beklagten mit Nichtwissen, dass sich die Nintendo-Logo-Datei und ein Teil des Boot-Codes der Klägerin auf den streitgegenständlichen Adapter befinde, als zulässig erachtet hat, weil die Beklagte zu 1) nicht Herstellerin sondern lediglich Vertreiberin der Adapter ist, besteht auch nicht die Gefahr, dass sich die Beklagten im Zivilprozess wegen § 138 Nr. 1 ZPO selbst belasten müssen.


VI.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 ZPO. Die Höhe der Sicherheitsleistung orientiert sich dabei in Bezug auf die stattgebenden Unterlassungs-, Auskunfts- und Vernichtungsansprüche an dem Sicherungsinteresse hinsichtlich etwaiger Vollstreckungsschäden i.S.v. § 717 Abs. 2 ZPO.







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