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Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Urteil vom 17.6.2009 - 7 K 1307/09 - Zur Unzulässigkeit von Glücksspielangeboten per SMS Gewinnspiele - Gewinnzusage - Glücksspiel - Onlinelotto - SMS - Sportwetten - Werbung - Wettbewerb


VG Frankfurt am Main v. 17.6.2009: Eine beabsichtigte Vertriebsform von Lotto per SMS ist weder mit dem Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag – GlüStV) vom 30.01.2007 bis 31.07.2007 (HessGVBl. I S. 841) noch mit dem Hessischen Glücksspielgesetz vom 12.12.2007 (HessGlüG - HessGVBl. I S. 835) zu vereinbaren, da die Einhaltung der Jugendschutzanforderungen des § 4 Abs. 3 GlüStV nicht sichergestellt ist.

Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main (Urteil vom 17.6.2009 - 7 K 1307/09) hat entschieden:
Eine beabsichtigte Vertriebsform von Lotto per SMS ist weder mit dem Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag – GlüStV) vom 30.01.2007 bis 31.07.2007 (HessGVBl. I S. 841) noch mit dem Hessischen Glücksspielgesetz vom 12.12.2007 (HessGlüG - HessGVBl. I S. 835) zu vereinbaren, da die Einhaltung der Jugendschutzanforderungen des § 4 Abs. 3 GlüStV nicht sichergestellt ist.




Tatbestand:

Die Klägerin beantragte mit am 07.12.2007 beim Hessischen Ministerium des Innern und für Sport eingegangenem Schreiben vom 04.12.2007, ihr eine Erlaubnis zur gewerblichen Spielvermittlung von Lotterien im Lande […] zu erteilen. Als Vertriebsarten waren insgesamt vier Varianten genannt:
  1. Lotto per SMS-Karte im Wege des Direktmarketing als Werbekarte für Firmen etc. (ausschließlich für den geschäftlichen Verkehr) ausschließlich an über 18-jährige Personen.

  2. Lotto per SMS-Karte im Wege des Direktmarketing an über 18-jährige Personen.

  3. Lotto per SMS-Spielteilnahme an Automaten (Zigarettenautomaten) ausschließlich im analogen Weg (Zigaretten) über Altersverifikation Bankkarte an über 18-jährige Personen.

  4. Lotto per SMS-e-voucher über Annahmestellen (Kioske, Tankstellen) mit Spielteilnahme ausschließlich nach entsprechender Altersprüfung durch Vorlage des Personalausweises.
Zur Variante Nr. 1 führte die Klägerin an, dass die Lotto per SMS-Karte ausschließlich als Werbeträger für Firmen verwandt werde. Der Käufer werde bei der Bestellung entsprechender Karten eine Selbstverpflichtung unterzeichnen, wonach er die Abgabe von Karten ausschließlich an über 18-jährige Personen vornehmen werde. Daher sei dem Schutz Minderjähriger genügt. Zudem enthalte die Karte einen Hinweis, dass eine Teilnahme Minderjähriger ausgeschlossen bzw. verboten und dass durch eine Teilnahme an Lotto eine Suchtgefahr gegeben sei. Vorkehrungen zur Suchtbekämpfung und zur Wahrung jugendschutzrechtlicher Belange würden getroffen. Ein Vertrieb der Karte über das Internet erfolge seitens der Klägerin nicht. Das konkrete Glücksspielangebot sei auch nicht neu, da es seit ca. vier Jahren auf dem deutschen Markt angeboten werde.

Zur Variante Nr. 2 führte die Klägerin an, dass eine Freischaltung erst erfolge, wenn die Zahlung für die Karte erfolgt sei und eine Altersüberprüfung durch anerkannte und übliche Identifikationsverfahren erfolge.

Zur Variante Nr. 3 führte die Klägerin an, dass der Vertrieb über Zigarettenautomaten erfolge und hierbei die übliche Altersverifikation stattfinde.

Zur Variante Nr. 4 führte die Klägerin an, dass bei dem Vertrieb über Annahmestellen eine Altersüberprüfung erfolge.

Im weiteren Verwaltungsverfahren erhob der Beklagte u.a. Bedenken, ob die Einhaltung der Jugendschutzanforderungen des § 4 Abs. 3 GlüStV eingehalten sei. Die Lotto per SMS-Karte könne auch an Jugendliche weitergegeben werden. Bei Lotto per SMS sei nicht sichergestellt, wie das Alter des Absenders vor der konkreten Spielteilnahme kontrolliert werden könne. Hinsichtlich des Vertriebs über Zigarettenautomaten bestünden Zweifel, ob das Altersverifikationsverfahren tatsächlich geeignet sei, Minderjährige von der Spielteilnahme auszuschließen. Soweit geplant sei, den Vertrieb der Lotto per SMS-Karten über Kioske und Tankstellen durchzuführen, fehle es an einer Genehmigungsfähigkeit, da es sich hierbei um nicht zulässige örtliche Verkaufsstellen handele. Ferner seien die Angaben der Klägerin zur Einhaltung von Werbebeschränkungen nicht ausreichend.

Diesen Bedenken ist die Klägerin substantiiert entgegen getreten.

Mit Bescheid vom 23.06.2008, dem Bevollmächtigten der Klägerin am 30.06.2008 zugestellt, lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin ab und setzte eine Gebühr in Höhe von 1.000,00 Euro für das Verwaltungsverfahren fest. Die beabsichtigte Vertriebsform über Zigarettenautomaten und Annahmestellen verstoße gegen § 14 Abs. 3 HessGlüG. Nach dieser Vorschrift seien örtliche Verkaufsstellen gewerblicher Spielvermittler untersagt. Hinsichtlich der beabsichtigten Vertriebswege über eine Werbekarte (Nr. 1) und direkt versandte Karten (Nr. 2) scheide eine Erlaubniserteilung aus, da die Einhaltung der Jugendschutzanforderungen des § 4 Abs. 3 GlüStV nicht sichergestellt sei. Bei der Vertriebsart Nr. 1 sei trotz der vorgesehenen Abgabe der Karte nur an Volljährige nicht sichergestellt, dass Minderjährige von der Teilnahme am Spiel ausgeschlossen sind. Auch bei dem Vertriebsweg Nr. 2 sei nicht sichergestellt, dass trotz Altersidentifikationsverfahren durch einen Erwachsenen die Spielteilnahme Minderjähriger ermöglicht werde. Aufgrund des Geschäftsmodells, eine SMS über ein Telefon zu verschicken, erfolge keine persönliche Alterskontrolle bei der Spielteilnahme selbst. Im Übrigen bestünden Zweifel an der Zuverlässigkeit der Klägerin. Die Klägerin habe ihren eigenen Angaben zufolge seit 2004 „Lotto per SMS“ vertrieben. Dies habe sie jedoch ohne die erforderliche Genehmigung und somit unerlaubt getan. Schließlich scheitere eine Erlaubniserteilung an dem Umstand, dass der Vertrag mit dem Treuhänder nicht vollständig vorgelegt worden sei.

Die Klägerin hat am 24.07.2008 vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden Klage erhoben. Mit Beschluss vom 14.05.2009 wurde der Rechtsstreit vom Verwaltungsgericht Wiesbaden an das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main als das örtlich zuständige Gericht verwiesen.

Zur Begründung trägt die Klägerin vor, dass dem Beklagten der Vertrieb von „Lotto per SMS“ seit Jahren bekannt sei. Im Übrigen lägen die Erteilungsvoraussetzungen vor. Der zu Nr. 3 und Nr. 4 geschilderte Vertriebsweg sei mit § 14 Abs. 3 HessGlüG vereinbar. Die Ablehnung dieser Vertriebswege verstoße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung. Der staatlichen Lotterie würden Annahmestellen zuerkannt, den gewerblichen Spielvermittlern hingegen nicht. Im Übrigen sei ein Automat keine Verkaufsstelle i.S. der genannten Vorschrift. Jugendschutzrechtlichen Belangen werde hinreichend Rechnung getragen. Die Klägerin sei schließlich auch zuverlässig und die Unterlagen zum Treuhandvertrag seien vollständig vorgelegt worden.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 26.06.2008 aufzuheben und der Klägerin die Erlaubnis zur gewerblichen Spielvermittlung der Lotterie „6 aus 49“ zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verteidigt die Verfügung. Die Klägerin habe sich als unzuverlässig erwiesen, da sie unerlaubt ab 2004 Glücksspiele vertrieben habe. Die Tätigkeit als gewerbliche Spielvermittlerin habe sie erst am 21.08.2007 beim RP angezeigt. Die Klägerin habe vor dem 01.01.2007 nicht mit einer lotterierechtlichen Genehmigung gewerblich Spiele vermittelt. Der Vertrieb über Zigarettenautomaten und Annahmestellen sei durch § 14 Abs. 3 HessGlüG untersagt. Jugendschutzrechtlichen Belangen und Anforderungen der Suchtprävention werde nicht genügend Rechnung getragen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte (1 Hefter) Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Ablehnungsbescheid des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 26.06.2008 ist rechtmäßig und verletzt daher die Rechte der Klägerin nicht.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis zur gewerblichen Vermittlung der Lotterie 6 aus 49 nicht zu. Die von ihr beabsichtigte Vertriebsform von Lotto per SMS ist weder mit dem Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag – GlüStV) vom 30.01.2007 bis 31.07.2007 (HessGVBl. I S. 841) noch mit dem Hessischen Glücksspielgesetz vom 12.12.2007 (HessGlüG - HessGVBl. I S. 835) zu vereinbaren.

Das erkennende Gericht teilt die von dem Beklagten vertretene Ansicht, dass hinsichtlich der von der Klägerin beabsichtigten Vertriebswege über eine Werbekarte (Nr. 1) und über direkt versandte Karten (Nr. 2) eine Erlaubniserteilung ausscheidet, da die Einhaltung der Jugendschutzanforderungen des § 4 Abs. 3 GlüStV nicht sichergestellt ist. Nach dieser Vorschrift dürfen das Veranstalten und das Vermitteln von öffentlichen Glücksspielen den Erfordernissen des Jugendschutzes nicht zuwiderlaufen (S. 1). Nach Satz 2 dieser Vorschrift ist die Teilnahme von Minderjährigen an öffentlichen Glücksspielen nicht zulässig. Und nach Satz 3 haben die Veranstalter und Vermittler öffentlicher Glücksspiele sicherzustellen, dass Minderjährige von der Teilnahme ausgeschlossen sind. Diesen zwingenden und keine Ausnahme zulassenden gesetzlichen Voraussetzungen wird das Vertriebskonzept der Klägerin, soweit es die Spielvarianten Nr. 1 und 2 betrifft, nicht gerecht. Bei der Vertriebsart Nr. 1 ist nämlich trotz der vorgesehenen Abgabe der Karte nur an Volljährige nicht in dem erforderlichen Maße sichergestellt, dass Minderjährige generell von der Teilnahme am Spiel ausgeschlossen sind. Denn es ist ohne Weiteres die Annahme des Beklagten nachvollziehbar, dass die von Volljährigen rechtmäßig erworbenen Karten ohne besondere Schwierigkeiten in die Hände von Minderjährigen gelangen können und diesen sodann die Möglichkeit eröffnet wird, an einem Glücksspiel unbefugt teilzunehmen, ohne dass eine vorherige Altersverifikation des Spielteilnehmers erfolgt. Auch bei dem Vertriebsweg Nr. 2 ist nicht sichergestellt, dass trotz Altersidentifikationsverfahren durch einen Erwachsenen die Spielteilnahme ermöglicht wird. Aufgrund des Geschäftsmodells, eine SMS über ein Telefon zu verschicken, erfolgt keine persönliche Alterskontrolle bei der Spielteilnahme selbst, so dass den gesetzlichen Vorgaben des § 4 Abs. 3 GlüStV nicht Rechnung getragen wird.

Zutreffend ist das beklagte Land zudem davon ausgegangen, dass die von der Klägerin beabsichtigte Vertriebsform über Zigarettenautomaten (Nr. 3) und Annahmestellen (Nr. 4) gegen § 14 Abs. 3 HessGlüG verstößt. Nach dieser Vorschrift sind örtliche Verkaufsstellen gewerblicher Spielvermittler untersagt. Diese landesrechtliche Regelung (vgl. zu vergleichbaren Regelungen einzelner Bundesländer Schmitt in: Dietlein/Hecker/Ruttig [Hrsg.], Glücksspielrecht, Verlag C.H. Beck, München 2008, § 19 GlüStVRdnr. 33 f.) geht auf die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 28.03.2006 (1 BvR 1054/01, NJW 2006, 1261 Rdnr. 139) zurück, wonach die Nutzung von SMS den Zugang zu Angeboten von Sportwetten mittels Mobiltelefon jederzeit und von jedem Ort aus eröffne und diese Wetten spielbar mache, was mit dem Ziel der Bekämpfung von Wettsucht und der Begrenzung der Wettleidenschaft schwerlich zu vereinbaren sei (vgl. auch die Begründung des Entwurfs des Hessischen Glücksspielgesetzes, HessLT-Drucksache 16/7656, S. 18). Zweifelsohne handelt es sich bei den von der Klägerin beabsichtigten Vertriebsformen über Zigarettenautomaten und über Annahmestellen um einen von Gesetzes wegen untersagten Vertrieb über örtliche Verkaufsstellen i.S. des § 14 Abs. 3 HessGlüG.

Auch aus höherrangigem Recht steht der Klägerin ein Anspruch auf die von ihr begehrte Genehmigung nicht zu. Das Bundesverfassungsgericht hat die einzelnen Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages und die darauf beruhenden landesrechtlichen Vorschriften für in vollem Umfang mit der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar erklärt (BVerfG, Beschluss vom 14.10.2008 – 1 BvR 928/08, NVwZ 2008, 1338; Beschluss vom 17.12.2008 – 1 BvR 3409/08). Gemeinschaftsrechtliche Bezüge bietet der vorliegende Sachverhalt nicht.

Die Festsetzung der Verwaltungsgebühr ist von der Klägerin weder dem Grunde noch der Höhe nach substantiiert angegriffen worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V. mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung ist zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).







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