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GmbH - Sitz und Sitzverlegung

GmbH - Sitz und Sitzverlegung




Gliederung:


- Einleitung
- Allgemeines
-   c/o-Zusatz

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Einleitung:


Bis zum 31-10-2008 hatte § 4a GmbHG folgende Fassung:

   (1) Sitz der Gesellschaft ist der Ort, den der Gesellschaftsvertrag bestimmt.

(2) Als Sitz der Gesellschaft hat der Gesellschaftsvertrag in der Regel den Ort, an dem die Gesellschaft einen Betrieb hat, oder den Ort zu bestimmen, an dem sich die Geschäftsleitung befindet oder de Verwaltung geführt wird.

Ab 01.11.2008 lautet § 4a GmbHG:

   Sitz der Gesellschaft ist der Ort im Inland, den der Gesellschaftsvertrag bestimmt.

Zur Bestimmung der aktuellen Rechtslage nach dem 01.11.2008 und zur Beurteilung der verschiedenen Fallgestaltungen sollte in erster Linie auf Rechtsprechung abgestellt werden, die nach dem Stichtag 01.11.2008 ergangen ist.

Für die Gestaltung der Satzung bietet das Gesetz keinen Spielraum. Die Satzung muss einen Sitzungsort festlegen und dieser muss sich in der Bundesrepublik Deutschland befinden.




Wird in der Satzung für den Sitz der Gesellschaft ein Ort bestimmt, in dem die neu gegründete Gesellschaft eine Postadresse (ggf. verbunden mit Büro-Service-Leistungen wie Postempfang und -weiterleitung, Telefonannahme und -weiterleitung, Call-Center-Dienste usw.) hat, steht ihrer handelsregisterlichen Eintragung beim Vorliegen der sonstigen handels- und gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen nichts entgegen.

Im Bereich des Zivilrechts spielt der satzungsgemäße Sitz (im Gegensetz zu einem davon abweichenden Verwaltungssitz) für die gerichtliche Zuständigkeit eine Rolle - diese richtet sich nach der EU-Verordnung vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Neufassung).

HIerzu hat der BGH (Urteil vom 14.11.2017 - VI ZR 73/17) ausgeführt:

   "Nach Art. 4 Abs. 1 EuGVVO nF/Art. 2 Abs. 1 EuGVVO aF sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit grundsätzlich vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen. Gemäß Art. 63 Abs. 1 EuGVVO nF/Art. 60 Abs. 1 EuGVVO aF haben für die Anwendung der Verordnung Gesellschaften und juristische Personen ihren Wohnsitz an dem Ort, an dem sich ihr satzungsmäßiger Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung befindet.

a) Falls sich aus den Anknüpfungspunkten satzungsmäßiger Sitz, Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung unterschiedliche Gerichtsstände ergeben, bestehen diese alternativ und eröffnen dem Kläger ein Wahlrecht ...

b) ...

"Satzungsmäßiger Sitz" im Sinne von Art. 63 Abs. 1 lit. a EuGVVO nF/Art. 60 Abs. 1 lit. a EuGVVO aF ist der in der Gesellschaftssatzung genannte. ... Geltung und zulässigen Inhalt der Gesellschaftssatzung regelt insoweit das nationale Recht. ...

... Für die Bestimmung des satzungsmäßigen Sitzes ist es unerheblich, ob der Verwaltungssitz der Beklagten nach Meran/Italien verlegt wurde und ob diese Verlegung zulässig war. Es kann daher insbesondere offen bleiben, ob die Verlegung des Verwaltungssitzes in das Ausland und Trennung vom inländischen Satzungssitz seit der durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2026) erfolgten Neufassung des § 4a GmbHG und Streichung des bisherigen Absatzes 2 dieser Vorschrift zulässig ist (bejahend unter Hinweis auf BT-Drs. 16/6140, S. 29/BR-Drs. 354/07, S. 65 etwa Bayer/Schmidt, ZHR 173 [2009], 735; Hermanns, MittBayNot 2016, 297; Scholz/Emmerich, GmbHG 11. Aufl., § 4a Rn. 28 f.; Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG 19. Aufl., § 4a Rn. 15; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG 21. Aufl., § 4a Rn. 11; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG 3. Aufl., § 4a Rn. 13 ff.; MüKo-GmbHG/Mayer, 2. Aufl., § 4a Rn. 9 ff., 68 jeweils mwN auch zu abw. Ansichten; aA etwa Werner, GmbHR 2009, 191, 196).

d) Entgegen der Auffassung der Revision ist es unerheblich, ob die Beklagte in Deutschland unternehmerische Tätigkeit ausübt, Büroräume oder einen in irgendeiner Weise eingerichteten Gewerbebetrieb unterhält. Art. 63 Abs. 1 lit. a EuGVVO nF/Art. 60 Abs. 1 lit. a EuGVVO aF ist nicht einschränkend auszulegen.

aa) Nach Ansicht der Revision erfordert die Eröffnung der Gerichtszuständigkeit am Satzungssitz mit Blick auf die geschützten Interessen der Beklagten jedenfalls ein Mindestmaß an Unternehmenstätigkeit am Satzungssitz, das vom Verordnungsgeber ersichtlich für den Regelfall vorausgesetzt, aber durch den bloßen Unterhalt einer "Briefkastenfirma" nicht erfüllt werde. ...

bb) Es gibt keinen Gesichtspunkt, der für eine derartige einschränkende Auslegung spricht ... .

Überhaupt geht der BGH von der grundsätzlich möglichen Verschiedenheit von Satzungssitz und Verwaltungssitz aus, siehe BGH (Beschluss vom 23.08.2017 - IV ZR 93/17):

   "... a) Maßgebend dafür, wo eine juristische Person ihren Verwaltungssitz hat, ist der Tätigkeitsort der Geschäftsführung und der dazu berufenen Vertretungsorgane, also der Ort, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden (BGH, Urteile vom 21. Juni 2016 - X ZR 41/15, ZIP 2016, 1703 Rn. 15; vom 15. März 2010 - II ZR 27/09, ZIP 2010, 1003 Rn. 16; vom 21. März 1986 - V ZR 10/85, BGHZ 97, 269 unter II, juris Rn. 9; Beschlüsse vom 10. November 2009 - VI ZB 25/09, VersR 2010, 275 Rn. 8; vom 10. März 2009 - VIII ZB 105/07, ZIP 2009, 987 Rn. 11; vom 21. Januar 2009 - Xa ARZ 273/08, juris Rn. 18). Hat die Gesellschaft nur einen organschaftlichen Vertreter und unterhält sie an keinem anderen Ort Geschäftsräume, in denen dieser tätig ist, ist danach für ihren Verwaltungssitz der Aufenthaltsort ihres einzigen organschaftlichen Vertreters maßgebend. ..."

Zur Problematik einer deutschen GmbH mit einer Geschäftsleitung in einem anderen EU-Staaat schreibt Edgaras Schartner - Trennung von Verwaltungs- und Satzungssitz einer GmbH: welche Auswirkung hat es auf die Geschäftsführung? im Juni 2017:

   "Wie unterscheiden sich Satzungs- und Verwaltungssitz? Satzungssitz hat eher eine rein formelle Funktion. Dabei handelt es sich um den aus dem Gründungsstatut einer Gesellschaft ergebenden Sitz nach § 7 GmbHG. Der Satzungssitz bestimmt die Zuständigkeit des Register-, Prozess- und Insolvenzgerichts und muss sich stets im Inland befinden.

Demgegenüber zu unterscheiden ist der Verwaltungssitz. Damit wird der Ort bezeichnet, von dem aus tatsächlich die Geschäftsleitung der Kapitalgesellschaft ausgeübt wird. Seit 2008 kann der Verwaltungssitz auch ins Ausland verlegt werden. Dies ermöglicht über eine deutsche GmbH die unternehmerische Tätigkeit auch in anderen Staaten zu führen bzw. eine deutsche GmbH vom Ausland zu betreiben.

In diesem Zusammenhang müssen die Gesellschafter folgende rechtliche sowie organisatorische Besonderheiten beachten. Die Satzung einer GmbH muss sich ausdrücklich zwischen Satzungs- und Verwaltungssitz differenzieren. Ferner muss bestimmt werden, ob für die Verlegung des Verwaltungs- (also Betriebssitzes) ein Gesellschafterbeschluss erforderlich ist, oder ob die Geschäftsführung darüber autonom entscheiden darf. Die für eine Satzungssitzänderung notwendige notarielle Beurkundung und Handelsregisteranmeldung bleiben für die Verwaltungssitzverlegung entbehrlich, wenn die Satzung der GmbH dies entsprechend vorsieht. Befugnisse der Geschäftsführung könnten ebenfalls durch Geschäftsführeranstellungsverträge geregelt werden.

Verlegt die Gesellschaft den Verwaltungssitz ins Ausland, muss trotzdem an allen Briefen und Unterlagen stets die inländische (also deutsche) Geschäftsanschrift angegeben werden. Gemeint ist die Adresse des Satzungssitzes, die im Handelsregister eingetragen wurde. Entsprechende Räumlichkeiten der Gesellschaft müssen aber dafür nicht zwingend vorhanden sein. Es kann auch (eine) sog. „Briefkasten Firma“ sein, die sich durch die Anschrift eines Beauftragten bedient."

Für ein erfolgversprechendes Agieren einer neu errichteten Kapitalgesellschaft in Deutschland sind jedoch vor allem die steuerrechtlichen Vorschriften und die Beurteilung der Gesellschaft durch die Finanzbehörden von ausschlaggebender Bedeutung.

Wesentlich ist in diesem Zusammenhang das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen den Niederlanden und Deutschland vom 12.04.2012, das nach den nötigen Parlamentsakten beider Staaten ab 01.01.2016 in Kraft getreten ist.

   Hinweis:
Jede Neugründung sollte deshalb von Anfang an unter steuerrechtlicher Begleitung erfolgen. Dabei sollte bei der Beteiligung niederländischer Anteilseigner möglichst von Beginn an darauf geachtet werden, dass für die wirtschaftliche Betätigung niederländischer Unternehmer in Deutschland zentral das Finanzamt Kleve örtlich und sachlich zuständig ist.

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Allgemeines:


Stichwörter zum Thema Gesellschaftsrecht und Onlinehandel

GmbH - Gesellschaft mit beschränkter Haftung

Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) - GmbH light oder Mini-GmbH

Scheinsitz - Scheinwohnsitz - Briefkastenfirma

Edgaras Schartner - Trennung von Verwaltungs- und Satzungssitz einer GmbH: welche Auswirkung hat es auf die Geschäftsführung?

BGH v. 02.06.2008:
Die faktische, gegen § 4 a Abs. 2 GmbHG verstoßende Verlagerung des Sitzes der Gesellschaft führt zu einem nachträglichen dem gleichartigen anfänglichen Nichtigkeitsgrund vergleichbaren Satzungsmangel, der die entsprechende Anwendung des § 144 a Abs. 4, 2. Var. FGG rechtfertigt.

EuGH v. 16.12.2008:
Die Art. 43 EG und 48 EG sind beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts dahin auszulegen, dass sie Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, die es einer nach dem nationalen Recht dieses Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaft verwehren, ihren Sitz in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen und dabei ihre Eigenschaft als Gesellschaft des nationalen Rechts des Mitgliedstaats, nach dessen Recht sie gegründet wurde, zu behalten.

KG Berlin v. 25.07.2011:
Nach § 4a GmbHG ist Sitz der GmbH der Ort im Inland, den der Gesellschaftsvertrag bestimmt. Dabei muss die Sitzwahl nicht mehr zwingend in örtlichem Zusammenhang mit Betrieb, Geschäftsleitung oder Verwaltung der Gesellschaft stehen (Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 4a Rn. 4). Jedoch darf sie nicht missbräuchlich ausgeübt werden. Ein Satzungsänderungsbeschluss, der gegen § 4a GmbHG verstößt, ist folglich analog § 241 Nr. 3 Fall 3 AktG nichtig

OLG Nürnberg v. 13.02.2012:
Die Verlegung des Satzungs- und Verwaltungssitzes einer ausländischen Kapitalgesellschaft (hier: Société à responsabilité limitée luxemburgischen Rechts) nach Deutschland unter identitätswahrendem Formwechsel in eine Kapitalgesellschaft deutschen Rechts (hier: GmbH) ist nach deutschem Sachrecht unzulässig. Dies gilt auch dann, wenn das Sachrecht des Gründungsstaates eine solche Sitzverlegung zuließe.

BGH v. 14.11.2017:
Der Begriff des satzungsmäßigen Sitzes i.S.d. Art. 63 Abs. 1 lit. a EuGVVO nF/ Art. 60 Abs. 1 lit. a EuGVVO aF setzt keine Verwaltungs- oder Geschäftstätigkeit am Ort des Satzungssitzes voraus. Es bedarf keines über den Registertatbestand hinausgehenden realwirtschaftlichen Bezugs (Fortführung von BGH, Urteil vom 12. Juli 2011 - II ZR 28/10 , BGHZ 190, 242 Rn. 19 ff. ).

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c/o-Zusatz:


OLG Naumburg v. 08.05.2009:
Die Pflicht zur Anmeldung der Geschäftsanschrift dient dem Gläubigerschutz. Sie soll sicherstellen, dass die Gläubiger dem Handelsregister eine Anschrift entnehmen können, unter der zuverlässig wirksame Zustellungen an die Gesellschaft erfolgen können. Dies setzt zum einen voraus, dass an dem bezeichneten Ort Zustellungen, insbesondere auch Ersatzzustellungen an die Gesellschaft möglich sind, etwa weil sich dort ihr Geschäftsraum befindet (§§ 170 Abs. 1, 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Ggfls. kann es auch ausreichen, wenn dort ein gesetzlicher Vertreter oder ein Zustellungsbevollmächtigter wohnt (§§ 170 Abs. 1, 171, 178 Nr. 1 oder 3 ZPO). Ferner muß die Anschrift richtig und so gefasst sein, dass sie es zuverlässig ermöglicht, den Zustellungsort aufzufinden. Der Zusatz "c/o" verdunkelt den Zustellungsort nicht, sondern enthält eine zusätzliche Beschreibung, die sein Auffinden erleichtert. Der Zusatz führt lediglich zur weiteren Konkretisierung der Anschrift.



OLG Rostock v. 31.05.2010:
Die Angabe einer c/o Adresse genügt nur dann als inländische Geschäftsanschrift einer GmbH, wenn eine sichere und zuverlässige Zustellung an diese Adresse erfolgen kann. Das ist nicht der Fall bei einer juristischen Person, deren Geschäftsbetrieb im Ankauf, der Sanierung und Abwicklung insolvenzbedrohter GmbH besteht. Zwar kann grundsätzlich auch eine c/o-Anschrift bei einer anderen juristischen Person als inländische Geschäftsanschrift einer GmbH ausreichen, Voraussetzung dafür ist aber, dass unter dieser Anschrift sichere und zuverlässige Zustellungen und Ersatzzustellungen an die Gesellschaft erfolgen können. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn die betreffende GmbH unter der c/o-Anschrift einen Geschäftsraum unterhält oder es sich um die Wohnanschrift eines gesetzlichen Vertreters oder eines Zustellungsbevollmächtigten handelt, nicht aber bei einer juristischen Person, deren Geschäftsbetrieb im Ankauf, der Sanierung und Abwicklung insolvenzbedrohter Gesellschaften besteht.

OLG Hamm v. 20.01.2011:
Erteilt der Geschäftsführer dem Insolvenzverwalter der Gesellschaft eine Zustellungsvollmacht, so kann dessen Kanzleianschrift mit einem c/o-Zusatz als Geschäftsanschrift der Gesellschaft verwendet werden.

OLG Hamm v. 07.05.2015:
Ein c/o-Zusatz in der Geschäftsanschrift einer GmbH ist nicht schlechthin unzulässig (hier: inländische Geschäftsanschrift des gem. § 378 Abs. 2 FamFG für die GmbH handelnden Notars).

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