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OLG Rostock Beschluss vom 31.05.2010 - 1 W 6/10 - Geschäftsanschrift einer GmbH
OLG Rostock v. 31.05.2010: c/o-Zusatz in der Geschäftsanschrift einer GmbH
Das OLG Rostock (Beschluss vom 31.05.2010 - 1 W 6/10) hat entschieden:
Die Angabe einer c/o Adresse genügt nur dann als inländische Geschäftsanschrift einer GmbH, wenn eine sichere und zuverlässige Zustellung an diese Adresse erfolgen kann. Das ist nicht der Fall bei einer juristischen Person, deren Geschäftsbetrieb im Ankauf, der Sanierung und Abwicklung insolvenzbedrohter GmbH besteht. Zwar kann grundsätzlich auch eine c/o-Anschrift bei einer anderen juristischen Person als inländische Geschäftsanschrift einer GmbH ausreichen, Voraussetzung dafür ist aber, dass unter dieser Anschrift sichere und zuverlässige Zustellungen und Ersatzzustellungen an die Gesellschaft erfolgen können. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn die betreffende GmbH unter der c/o-Anschrift einen Geschäftsraum unterhält oder es sich um die Wohnanschrift eines gesetzlichen Vertreters oder eines Zustellungsbevollmächtigten handelt, nicht aber bei einer juristischen Person, deren Geschäftsbetrieb im Ankauf, der Sanierung und Abwicklung insolvenzbedrohter Gesellschaften besteht
Siehe auch Die GmbH - Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Impressum - Anbieterkennzeichnung
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführerin ist seit dem 02.07.1998 im Handelsregister der Hansestadt Stralsund unter HRB 0000 eingetragen und befindet sich seit dem 01.07.2006 in Liquidation. Alleingesellschafter und Liquidator ist Bernd W.. Dieser hat am 22.06.2009 seine Geschäftsanteile an der PBE P.-, B.- und E. GmbH an die BEB-B. E. B. L. durch Abtretungsvertrag, UR 337/2009 des Notars B. vom 22.06.2009, abgetreten. Der Verwaltungssitz der BEB Limited befindet sich in England unter der Adresse 000 H. Road, W. G., L. N22 8HH. Die inländische Geschäftsanschrift lautet c/o A. Wirtschaftsdienste GmbH, K.str. 00, 00000 B..
Am 22.06.2009 erfolgte die Anmeldung einer neuen inländischen Geschäftsanschrift der PBE P.-, B.- und E. GmbH, UR 338/09 des Notars Ingo D.W. B., gemeinsam mit der Einreichung einer aktualisierten, notarbescheinigten Gesellschafterliste. Als inländische Geschäftsanschrift der PBE GmbH soll c/o A. Wirtschaftsdienste GmbH, K.straße 00, 00000 B., eingetragen werden, somit die mit der der BEB identische Anschrift. Die Anmeldung wurde vom Amtsgericht Stralsund mit Beschluss vom 24.09.2009 zurückgewiesen. Das Amtsgericht lehnte die Eintragung der c/o-Anschrift ab mit der Begründung, bei einer c/o-Anschrift könnten ordnungsgemäße Zustellungen nicht bewirkt werden. Zudem müsse es sich bei der inländischen Geschäftsanschrift um die Geschäftsräume des Zustelladressaten handeln (vgl. Beschluss des Amtsgerichts Stralsund vom 24.09.2009, Bd. II der Registerakte, Fall 4, Bl. 16 f.).
Gegen diesen Beschluss, der dem Verfahrensbevollmächtigten am 04.12.2009 zugestellt wurde, legte die Beschwerdeführerin am 04.01.2010 Beschwerde ein und verwies zur Begründung auf einen Beschluss des OLG Naumburg vom 08.05.2009 (GmbHR 2009, 832). Demnach verdunkele ein c/o Zusatz den Zustellungsort nicht, sondern führe zu einer weiteren Konkretisierung der Anschrift. Die Pflicht zur Anmeldung einer Geschäftsanschrift diene dazu sicherzustellen, dass die Gläubiger dem Handelsregister eine Anschrift entnehmen können, unter der zuverlässig wirksame Zustellungen erfolgen können. Zudem reiche für das sichere Auffinden des Zustellungsortes die Angabe der Gemeinde, der Straße und der Hausnummer aus.
Mit Beschluss vom 11.01.2010 hat das Amtsgericht Stralsund der Beschwerde vom 04.01.2010 nicht abgeholfen. Die Beschwerde sei zwar zulässig, aber nicht begründet, weil eine inländische Geschäftsanschrift nicht über die c/o-Anschrift einer anderen juristischen Person eingetragen werden könne. Das Amtsgericht verweist auf die seit dem 01.11.2008 auch für bereits eingetragene GmbH bestehende Pflicht, eine inländische Geschäftsanschrift zum Handelsregister anzumelden, um Zustellungsprobleme auszuräumen und jederzeitige Zustellungen an die Gesellschaft zu ermöglichen. An dem angegebenen Ort müssten Zustellungen und Ersatzzustellungen möglich sein, z.B. weil sich dort der Geschäftsraum der Gesellschaft befinde oder ein gesetzlicher Vertreter oder Zustellungsbevollmächtiger am angegebenen Ort wohnte. Eine c/o Anschrift über eine weitere juristische Person sei als eigene Firmenanschrift unzulässig, weil gem. § 182 Abs. 2 Nr. 1 ZPO der Zustelladressat die juristische Person (vertreten durch ihren gesetzlichen Vertreter) selbst sein müsse, an die die Zustellung erfolgen solle. Gerade im vorliegenden Fall, in dem die Zustellung an den Gesellschafter im Ausland nicht ohne weiteres möglich sei, sei für den Fall der Führungslosigkeit der GmbH eine zustellungsfähige Inlandsanschrift von Bedeutung. Die in der c/o-Anschrift benannte juristische Person könne lediglich als zusätzlicher Empfangsberechtigter gem. § 10 Abs. 2 S. 2 GmbHG eingetragen werden.
II.
1. Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig. Sie ist statthaft gem. §§ 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG, 58 Abs. 1, 59 Abs. 1 FamFG und wurde gem. §§ 63 Abs. 1, 64 Abs. 1, 65 Abs. 1 FamFG form- und fristgerecht eingelegt.
2. Die Beschwerde ist unbegründet. Das Registergericht hat die beantragte Handelsregistereintragung zu Recht abgelehnt.
a) Mit dem Antrag vom 22.06.2009 auf Eintragung der inländischen Geschäftsanschrift kommt die Antragstellerin der gesetzlichen Verpflichtung aus § 3 Abs. 1 S. 1 EGGmbHG i.V.m. § 8 Abs. 4 Nr. 1 GmbHG nach. § 3 Abs. 1 S. 1 EGGmbHG i.V.m. § 8 Abs. 4 Nr. 1 GmbHG verpflichten auch Altgesellschaften, d.h. solche Gesellschaften, die bereits vor dem Inkrafttreten des MoMiG (BGBl. I 2008, 2026) am 01.11.2008 gegründet und eingetragen waren, eine inländische Geschäftsanschrift ins Handelsregister eintragen zu lassen. Mit dem Antrag vom 22.06.2009 wird auch die zeitliche Vorgabe des EGGmbHG eingehalten, denn die Anmeldung einer inländischen Geschäftsanschrift hatte mit der ersten, die Gesellschaft betreffenden Registeranmeldung, spätestens aber bis zum 31.10.2009 zu erfolgen, was § 3 Abs. 1 S. 2 EGGmbHG festlegt. Zweck der Eintragung einer inländischen Geschäftsanschrift ist laut Begründung zum Regierungsentwurf des MoMiG die Beseitigung von in der Vergangenheit aufgetretenen Zustellungsproblemen zu Lasten von Gesellschaftsgläubigern. Mit der Regelung wird erreicht, dass auch bei juristischen Personen eine Fixierung einer in einem öffentlichen Register einsehbaren Anschrift erfolgt (Begr. RegE MoMiG vom 25.07.2007, BT-Drucks.16/6140, S. 35). Somit kann jeder Dritte diese Anschrift jederzeit - auch online - einsehen (Begr. RegE MoMiG vom 25.07.2007, BT-Drucks. 16/6140, S. 36). Mit Hilfe der inländischen Geschäftsanschrift soll vor allem im Fall der Führungslosigkeit der Gesellschaft ihr Verstecken oder eine stille "Beerdigung" erschwert werden (Roth, in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 8, Rz. 32).
b) Die angegebene c/o-Anschrift genügt den Anforderungen an eine inländische Geschäftsanschrift nicht. Zwar kann grundsätzlich auch eine c/o-Anschrift bei einer anderen juristischen Person als inländische Geschäftsanschrift einer GmbH ausreichen. Voraussetzung dafür ist aber, dass unter dieser Anschrift sicher zuverlässige Zustellungen und Ersatzzustellungen an die Gesellschaft erfolgen können. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn die betreffende GmbH unter der c/o-Anschrift einen Geschäftsraum unterhält ("ansässig" ist, wie im vom OLG Naumburg zu entscheidenden Fall, GmbHR 2009, 832 (833)) oder es sich um die Wohnanschrift eines gesetzlichen Vertreters oder eines Zustellungsbevollmächtigen handelt. Diese Anforderungen erfüllt die A. Wirtschaftsdienste GmbH im vorliegenden Fall nicht. Zum einen handelt es sich bei der A. Wirtschaftsdienste GmbH, K.straße 00, 00000 B. als inländischer Geschäftsanschrift weder um den Ort des Geschäftslokals gem. §§ 170 Abs. 1, 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, dem des Sitzes der Hauptverwaltung oder des maßgeblichen Betriebs noch um die Wohnanschrift des Geschäftsführers oder die inländische Anschrift eines als Zustellungsbevollmächtigten eingesetzten Vertreters. Zwar ist die c/o-Anschrift mit der inländischen Geschäftsanschrift des im Ausland ansässigen Alleingesellschafters identisch, doch spricht insbesondere der Zweck der A. Wirtschaftsdienste GmbH gegen eine sichere und zuverlässige Zustellung bzw. Ersatzzustellung von Schriftstücken an eine einzelne GmbH. Der Geschäftsbetrieb der A. Wirtschaftsdienste GmbH umfasst den Ankauf, die Sanierung und Abwicklung insolvenzbedrohter GmbH. Hinter der B.er Geschäftsanschrift verbirgt sich somit eine unbekannte Vielzahl von Gesellschaften, die regelmäßig - so das Geschäftsmodell der A. Wirtschaftsdienste GmbH - insolvenzbedroht sind. Gerade bei einer solchen GmbH ist es aber für Gläubiger von Bedeutung, dass Schriftstücke wirksam und zuverlässig zugestellt werden bzw. eine Ersatzzustellung zuverlässig erfolgen kann. Eine zuverlässige Zustellung von Schriftstücken nach den Vorschriften der ZPO ist im konkreten Fall nicht sichergestellt. Dieser Auffassung steht auch nicht der Beschluss des OLG Naumburg entgegen, da dieses für die Verwendung einer c/o-Anschrift ebenfalls die zuverlässig wirksame Zustellung von Schriftstücken verlangt (OLG Naumburg, GmbHR 2009, 832 (833). Eine inländische Geschäftsanschrift - auch in Form einer c/o-Anschrift - ist nur solange frei wählbar als sichergestellt wird, dass Zustellungen im Interesse der Gläubiger zuverlässig erfolgen können (Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 8, Rz. 17). Der vom Gesetzgeber angestrebte Gläubigerschutzzweck kann hier mit dieser Geschäftsanschrift nicht zuverlässig erreicht werden.
III.
Der Senat hat von einer Erhebung der Kosten abgesehen gem. § 81 Abs. 1 S. 2 FamFG. Eine Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten war nicht veranlasst