Webshoprecht.de



A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

OLG Brandenburg Urteil vom 18.08.2009 - 6 U 103/0 - Zur Unzulässigkeit der Glücksspielwerbung ohne Hinweise auf Altersbegrenzung und Suchtgefahr
 

 

Home  |   Gesetze  |   Verkehrslexikon  |   Datenschutz  |   Impressum  |      

 





 

Gewinnspiele - Gewinnzusage - Glücksspiele - Onlinelotto - Preisangaben - Sportwetten - Werbung - Wettbewerb


OLG Brandenburg v. 18.08.2009: Werbung für das Lottospiel "6 aus 49" ist wettbewerbsrechtlich unzulässig, wenn sie über die reine Information betreffend die Höhe des möglichen Gewinnes hinausgeht, insbesondere, wenn eine unverhältnismäßige Proportionalität zwischen der Darstellung der Jackpot-Zahlen „12 Mio. Euro“ und dem Warnhinweis nach § 5 Abs. 2 Satz 3 gegeben ist und das Verbot der Teilnahme für Minderjährige und die vom Glücksspiel ausgehende Suchtgefahr und Hilfsmöglichkeiten daneben untergehen.

Das OLG Brandenburg (Urteil vom 18.08.2009 - 6 U 103/0) hat entschieden:
Werbung für das Lottospiel "6 aus 49" ist wettbewerbsrechtlich unzulässig, wenn sie über die reine Information betreffend die Höhe des möglichen Gewinnes hinausgeht, insbesondere, wenn eine unverhältnismäßige Proportionalität zwischen der Darstellung der Jackpot-Zahlen „12 Mio. Euro“ und dem Warnhinweis nach § 5 Abs. 2 Satz 3 gegeben ist und das Verbot der Teilnahme für Minderjährige und die vom Glücksspiel ausgehende Suchtgefahr und Hilfsmöglichkeiten daneben untergehen.




Gründe:

I.

Die Verfügungsklägerin ist ein in den Niederlanden ansässiges Unternehmen. Sie bietet per Internet die Beteiligung an sogenannten LottoTeamWinfonds an. Diese als bürgerlich -rechtliche Gesellschaften betriebenen Fonds beteiligen sich an Gewinnspielen, Lottoausspielungen, so auch an dem Spiel „ 6 aus 49“. Die Verfügungsklägerin ist Mitgesellschafterin dieser Winfonds und veräußert ihre Gesellschaftsanteile an interessierte Kunden zu einem Zeitpunkt, in dem die Gewinnspiele bereits gezeichnet sind bzw. laufen, die Auslosung selbst aber noch nicht stattgefunden hat. Interessenten werden von der Verfügungsklägerin per Internet unter der Website … auch durch Callcenter geworben. Die Fonds erzielen Erträge zum einen durch Beschaffung von Bezug- und Berechtigungsscheinen sowie von verschiedenen Inhaberpapieren und zum anderen durch die Teilnahme an Ausspielungen, Lotterien, Wetten und Glückspielangeboten aller Art.

Die Verfügungsbeklagte veranstaltet im Land Brandenburg die Lotterie „Lotto 6 aus 49“ und andere Glückspiele. Diese Spiele stellt sie im Internet unter der Website www.lotto-brandenburg.de vor. Die Verfügungsbeklagte unterhält gegenwärtig im Lande 714 Lottoannahmestellen. Die Verfügungsbeklagte beauftragt diese Annahmestellen mit dem Vertrieb von Lottoprodukten im Rahmen von Geschäftsbesorgungsverträgen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfügungsverfahrens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht Potsdam hat mit dem am 13.11.2008 verkündeten Urteil dem Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung teilweise stattgegeben. Es hat der Verfügungsbeklagten verschiedene Werbemaßnahmen ihrer Lottoannahmestellen (Werbung mit Jackpot und in der Vergangenheit erzielten Gewinnen) untersagt.

Ferner hat das Landgericht Potsdam der Verfügungsbeklagten die Werbung im Internet für die Lotterie 6 aus 49 in der Weise untersagt, wie dies am 25.08.2008 auf der Website www.lotto-brandenburg.de geschehen ist.

Den weitergehenden Verfügungsantrag, gerichtet auf Untersagung des Bewerbens, Vertreibens und Vermittelns der Teilnahme an Lotteriespielen in öffentlich zugänglichen Ladenlokalen ohne Abtrennung von einem Süßwarenangebot hat das Landgericht zurückgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Verfügungsklägerin sei aktiv legitimiert. Sie habe hinreichend glaubhaft gemacht, dass sie auf dem Glücksspielsektor in Deutschland tätig und damit Mitbewerberin der Verfügungsbeklagten sei. Der Unterlassungsanspruch, soweit ihm entsprochen worden sei, rechtfertige sich nach § 8 Abs. 1, Abs. 2, § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 5 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Glückspielstaatsvertrag (kurz: GlüStV). Wegen blickfangmäßiger Hervorhebung des möglichen Höchstgewinnes durch Aufsteller im öffentlichen Verkehrsraum sei die beanstandete Werbung als unzulässig zu bezeichnen. Die in § 5 des GlüStV ausgeführten Werbebeschränkungen seien Marktverhaltensregeln im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG. Danach sei jede unangemessene und unsachliche Werbung verboten. Die hier vorliegende, einseitig die Vorteile der Teilnahme am Glücksspiel, insbesondere die Möglichkeit besonders hoher Gewinne herausstellende Werbung, stehe im Widerspruch zu diesen Vorgaben. Das Plakat der Aufstellerwerbung sei insgesamt unausgewogen. Auch die Werbung mit dem in der jeweiligen Annahmestelle erzielten Gewinn sei unlauter. Jedenfalls ein Teil der angesprochenen Verbraucher lasse sich von dem Gewinnerfolg anderer Spieler zur eigenen Spielteilnahme motivieren. Die Mitteilung des in der Vergangenheit in einer bestimmten Annahmestelle erreichten Spielgewinnes sei ohne Informationswert für die spätere Glücksspielteilnahme. Hierdurch solle bei Interessenten eine unterschwellige Erwartungshaltung bedient werden.

Das Landgericht hat auch den Internetauftritt der Verfügungsbeklagten für rechtswidrig erachtet. Dieser beinhalte Werbung im Sinne von § 5 Abs. 3 GlüStV.

Der Verfügungsantrag betreffend die Werbung für Glücksspiele im räumlichen Zusammenhang mit Süßwarenangeboten sei zurückzuweisen. Insofern sei ein Verfügungsanspruch nicht gegeben. Ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens sehe sich das Gericht außerstande zu beurteilen, ob die unmittelbare räumliche Nähe von Angeboten für den Kauf von Süßigkeiten und für die Teilnahme an Glücksspielen geeignet sei, die Spielsucht zu fördern.

Gegen dieses ihr am 19.11.2008 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Verfügungsbeklagten, welche zugleich mit der Berufungsbegründung am 11.12.2008 bei Gericht eingegangen ist. Mit der Berufung begehrt die Verfügungsbeklagte die Aufhebung der einstweiligen Verfügung.

Auch die Verfügungsklägerin hat gegen das ihr am 20.11.2008 zugestellte Urteil Berufung eingelegt mit dem am 17.12.2008 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz; zugleich hat sie die Berufung begründet.

Die Verfügungsbeklagte erachtet die Verfügungsklägerin nach wie vor nicht als Wettbewerberin im Sinne der Vorschriften des UWG. Sie meint ferner, es fehle an einem Verfügungsanspruch; Verstöße gegen Bestimmungen des GlüStV lägen nicht vor. Es sei insbesondere grundsätzlich nicht vorgesehen, dass die Hinweise auf die Gefahren des Glücksspiels in der werbenden Darstellung überwiegen müssten. Vielmehr sei es geboten aber auch ausreichend, dass die Aufklärung des Verbrauchers parallel zur Werbung erfolge. Jackpotwerbung sei nicht unzulässig, insbesondere dann nicht, wenn hier eine bloße Gewinnzahl ohne fordernden Begleittext dargestellt werde. Unzulässige Werbung für Glücksspiel sei auf ihrer Website nicht zu sehen. Zudem gehe von dieser Werbung für die Verbraucher keine Gefahr aus, weil online kein Glücksspiel betrieben werden könne.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,
in Abänderung des angefochtenen Urteils den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung insgesamt zurückzuweisen.
Die Verfügungsklägerin beantragt,
die Berufung der Verfügungsbeklagten zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Die Verfügungsklägerin meint, für die Annahme ihrer Aktivlegitimation sei es unerheblich, ob sie als legale gewerbliche Spielvermittlerin in Deutschland anzusehen sei. Ausschlaggebend sei, ob die inkriminierte Werbung der Verfügungsbeklagten die Eignung habe, ihren, der Verfügungsklägerin Geschäftserfolg nachteilig zu beeinflussen.

Der Verfügungsanspruch sei gegeben, da die Verfügungsbeklagte Werbung mit Aufforderungscharakter betreibe, mithin eine Verführung des Verbrauchers zum Glücksspiel vorliege. Auf dem Glückspielsektor habe der Gesetzgeber die zulässige Werbung beschränkt auf eine „Information und Aufklärung über die Möglichkeit zum Glücksspiel“. Die sich auf den Plakaten der Aufstellerwerbung zeigende Disproportionalität zwischen den Jackpotzahlen und den Warnhinweisen nach § 5 Abs. 2 Satz 3 GlüStV sowie die Aufmerksamkeit erregende Positionierung dieser Werbeaussage im öffentlichen Verkehrsraum vor einer Annahmestelle ermuntere zum Spiel nicht entschlossene Personen gezielt zur Teilnahme am Glücksspiel.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Verfügungsklägerin den zurückgewiesenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung betreffend Werbung für den Vertrieb von Glücksspielen ohne Abtrennung von einem Süßwarenangebot in den Annahmestellen der Verfügungsbeklagten weiter.

Die Verfügungsklägerin meint, der Interessent für die Waren des täglichen Lebens werde durch die räumliche Nähe von Spielangeboten und Süßwarenprodukten gezielt in die Sphäre der Glücksspielwerbung und dessen Vertrieb gebracht. Das sei insbesondere für Minderjährige unzulässig. Dieses Verhalten fördere den Zutritt Jugendlicher in den Bereich des staatlichen Glücksspielangebotes. Gleiches gelte für andere von Spielsucht bedrohte Verbraucher. Die Verfügungsklägerin legt vor die Auszüge einer Studie mit dem Titel „Glücksspielverhalten und problematisches Spielen in Deutschland 2007, Ergebnis einer Repräsentativbefragung, Ergebnisbericht Juli 2008“ (Verfasser: BZgA).

Die Verfügungsklägerin beantragt,
unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Verfügungsbeklagte zu verurteilen,

unter Androhung (im einzelnen bezeichneter) Ordnungsmittel es zu unterlassen, bei geschäftlichen Handlungen im Bereich des Glücksspielwesens die Teilnahme an der Lotterie in öffentlich zugänglichen Ladenlokalen zu bewerben und/oder zu vertreiben und/oder zu vermitteln und/oder diese Handlungen durch Dritte vornehmen zu lassen, wenn dies im Zusammenhang mit bzw. ohne Abtrennung von einem Süßwarenangebot erfolgt, wie am 21.08.2008 geschehen und beispielhaft durch ein Lichtbild wiedergegeben.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,
die Berufung der Verfügungsklägerin zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Urteil, soweit der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen worden ist.

Sie meint, die Verfügungsklägerin handle rechtsmissbräuchlich. Dieser gehe es nicht darum, den eigenen Wettbewerb zu fördern, sondern ausschließlich die Verfügungsbeklagte im Wettbewerb zu behindern und eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Liberalisierung des Glücksspielmarktes in Deutschland herbeizuführen.


II.

Die Berufungen der Parteien sind zulässig, insbesondere form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden.

Während die Berufung der Verfügungsbeklagten teilweise Erfolg hat, war das Rechtsmittel der Verfügungsklägerin wegen Unbegründetheit zurückzuweisen.

A. Berufung der Verfügungsbeklagten

Die Berufung der Verfügungsbeklagten ist begründet, soweit sie sich gegen das Verbot ihrer Internetwerbung (Tenor zu Ziffer 3 des angefochtenen Urteils) wendet.

Im Übrigen ist die Berufung unbegründet, da der Verfügungsantrag der Verfügungsklägerin, soweit ihm das Landgericht entsprochen hat, sowohl zulässig als auch begründet ist.

1. Die Verfügungsklägerin ist im vorliegenden Verfahren antragsbefugt.

Eine missbräuchliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruches (§ 8 Abs. 4 UWG) liegt nicht vor, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. Insbesondere deutet die Ermittlung von Wettbewerbsverstößen durch den Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin im vorliegenden Fall nicht auf Rechtsmissbrauch hin. Zur Begründung im Einzelnen wird auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil (dort Seite 23) verwiesen.

Es lässt sich auch nicht feststellen, dass die Verfügungsklägerin überwiegend sachfremde, nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt und allein aus diesem Grunde das Verfügungsverfahren betreibt. Die Verfügungsbeklagte hat keinerlei konkrete Anhaltspunkte für ihre Behauptung vorgetragen, die Verfügungsklägerin handle ausschließlich in der Absicht, sie im Wettbewerb zu behindern, ja sogar zu schädigen. Der Umstand, dass die Verfügungsklägerin eine Liberalisierung des Glücksspielmarktes in Deutschland erstrebt, wie sich tatsächlich ihren Schriftsätzen entnehmen lässt, führt nicht zur Annahme rechtsmissbräuchlicher Absichten. Das etwaige Ziel der Verfügungsklägerin, das staatliche Glücksspielmonopol in Deutschland zu beseitigen, ist, so lange dies mit gesetzlich zulässigen Mitteln geschieht, nicht zu beanstanden. Ein solches Bestreben der Verfügungsklägerin führt beim Vorgehen gegen einzelne Wettbewerbsverstöße nicht pauschal zur Annahme von rechtsmissbräuchlichem Verhalten.

Der Umstand, dass die Verfügungsklägerin mehrere Verfahren wegen fast vergleichbarer Verstöße gegen Landeslottogesellschaften bzw. deren Annahmestellen in Deutschland betreibt, ist ebenfalls nicht geeignet, die Ausnahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Verfügungsklägerin zu begründen. Da diese im vorliegenden Falle die Verfügungsbeklagte selbst als Lotterieveranstalterin als die für die Werbung ihrer Annahmestellen verantwortliche Einrichtung (§ 8 Abs. 2 UWG) in Anspruch nimmt, ist dieses Verhalten prozessual unbedenklich, es kann als prozessökonomisch bezeichnet werden (so auch Kammergericht, Urteil vom 30.03.2009, Aktenzeichen: 24 U 145/08 ).

2. Der Verfügungsklägerin stehen gegen die Verfügungsbeklagte hinsichtlich der Aufstellerwerbung im öffentlichen Verkehrsraum mit der Herausstellung des möglichen Höchstgewinnbetrages (Jackpot) sowie hinsichtlich der Werbung mit der Bezifferung des erzielten Gewinnes in der einzelnen Annahmestelle Unterlassungsansprüche nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 5 GlüStV zu.

a) Die Verfügungsklägerin ist als Mitbewerberin der Verfügungsbeklagten berechtigt, Unterlassungsansprüche nach UWG geltend zu machen (§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG).

Als Mitbewerber sind Unternehmen anzusehen, die gleiche oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Abnehmerkreises abzusetzen versuchen, so dass die beanstandete Wettbewerbshandlung das andere Unternehmen in seinem Absatz behindern oder stören kann (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG). Der Begriff des Wettbewerbs ist dabei weit auszulegen, so dass es nicht erforderlich ist, dass die Gewerbetreibenden sich auf gleichen Marktstufen gegenüberstehen (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl., § 2 Rn 106). Auf eine bereits konkret eingetretene Beeinträchtigung kommt es dabei nicht an; bereits die Vorbereitung künftigen Wettbewerbes genügt (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., Rn 109).

Unerheblich ist ferner, ob die geschäftliche Tätigkeit der Verfügungsklägerin mangels behördlicher Genehmigung möglicherweise rechtswidrig ist, wie die Verfügungsbeklagte meint. Sowohl die Veranstalter von Glücksspielen und deren Annahmestellen als auch gewerbliche Spielevermittler bedürfen in Deutschland für die Veranstaltung und Vermittlung der Erlaubnis (§ 3 des Gesetzes über öffentliche Lotterien, Ausspielungen und Sportwetten im Land Brandenburg zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland, kurz: LottGBbg). Die Verfügungsklägerin verfügt über keinerlei Erlaubnis. Dem kommt im vorliegenden Rechtsstreit jedoch keine Bedeutung zu. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kommt es grundsätzlich alleine auf das tatsächliche Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses an ( BGH, GRUR 2005, 516). Das Recht des unlauteren Wettbewerbes diene nämlich dem Schutz von Interessen der Allgemeinheit, so der Bundesgerichtshof. Es wäre deshalb schon zweckwidrig, Verfahren über Ansprüche wegen unlauterer Wettbewerbshandlung mit der Prüfung zu belasten, ob der jeweilige Kläger bei seiner eigenen Wettbewerbstätigkeit gesetzwidrig oder wettbewerbsrechtlich unlauter handle. Anderes gelte nur dann, wenn aus der Art des Gesetzesverstoßes oder der wettbewerbsrechtlichen Unlauterkeit folge, dass auch die Geltendmachung der auf die Stellung als Wettbewerber gestützten Ansprüche sittenwidrig oder rechtsmissbräuchlich wäre.

Davon ist hier nicht auszugehen.

Maßgeblich ist im vorliegenden Falle daher, ob die Parteien sich auf demselben sachlich, räumlich und zeitlich relevanten Markt betätigen, mithin, ob aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise die angebotenen Waren oder Dienstleistungen austauschbar sind. Dabei reicht es aus, dass die angebotenen Sortimente sich zum Teil überschneiden, eine vollständige Homogenität der angebotenen Waren und Dienstleistungen ist nicht erforderlich.

Nach diesen Voraussetzungen ist ein Wettbewerbsverhältnis der Parteien zu bejahen.

Der angesprochene verständige Verbraucher wird von der Austauschbarkeit der angebotenen Produkte ausgehen. Er meint, es handele sich um verwandte Arten des Glücksspieles.

Zwar führt die Verfügungsklägerin selbst keine Lottospiele durch und bietet auch nicht, wie die Verfügungsbeklagte, die Beteiligung an eigener Lottoausspielung an. Die Verfügungsklägerin verschafft jedoch genau wie die Verfügungsbeklagte den geworbenen Kunden die Möglichkeit der Teilnahme an Lottoausspielungen mit der Chance auf Erzielung von Gewinn. Darauf kommt es dem interessierten Lottospieler maßgeblich an. Die zu diesem Zwecke verwendete rechtliche Konstruktion der Abwicklung der Beteiligung bzw. die Ausgestaltung der Teilnahme an der Ausspielung ist nachrangig. Genau so wenig interessiert es den Kunden, ob er als direkter Spieler auftritt, indem er in den Lottoannahmestellen der Verfügungsbeklagten Spielscheine erwirbt, oder aber ob er sich an der Ausspielung lediglich indirekt beteiligt, indem er Gesellschaftsanteile an der Verfügungsklägerin, welche als Mitgesellschafterin der Winfonds direkt am jeweiligen Lottospiel beteiligt ist, erwirbt.

Dies mag nicht auf jeden Kunden zutreffen. Ausreichend ist, dass ein Teil der Kunden sich durch die von der Verfügungsklägerin angebotene Spielbeteiligung mit Gewinnchance in gleicher Weise angesprochen fühlt wie durch das Spielangebot der Verfügungsbeklagten.

Nach den als Anlagen zu den Akten gereichten Beschreibungen des Geschäftskonzeptes der Verfügungsklägerin sowie ihren Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung beteiligt sich die Klägerin als Gesellschafterin auf Zeit an Gesellschaften bürgerlichen Rechts, die an Gewinnspielen, auch an Lottoausspielungen wie z.B. 6 aus 49, teilnehmen. Für die Gesellschafter besteht das Recht, einzelne Geschäftsanteile an Kunden während des laufenden Spiels zu veräußern. Nach Auseinandersetzung der Gesellschaft wird der erzielte Gewinn über einen Treuhänder an die Gesellschafter, also die Spielteilnehmer, verteilt.

Im Endeffekt nehmen die von der Verfügungsklägerin geworbenen Kunden an einem Gewinnspiel teil mit der Aussicht, entweder Gewinn zu erzielen oder ihr eingesetztes Geld zu verlieren. Dieses Angebot unterbreitet auch die Verfügungsbeklagte ihren Kunden, so dass von der geforderten Austauschbarkeit der Produkte auszugehen ist.

Da die Verfügungsklägerin ihre Leistung über das Internet vertreibt, ist sie auch auf dem Markt im Land Brandenburg tätig. Dass die Verfügungsklägerin nicht selbst Inhaberin der Internetdomäne „L…“ ist, ist für die Frage der Wettbewerbereigenschaft unerheblich. Ausreichend ist, dass die Verfügungsklägerin am Vertrieb von Glückspielprodukten an den Endverbraucher beteiligt ist, auch wenn sie sich hierzu eines Dienstleisters bedienen muss.

Soweit die Verfügungsbeklagte in diesem Zusammenhang meint, das Unterlassungsbegehren der Verfügungsklägerin sei treuwidrig, da diese sich selbst wettbewerbswidrig verhalte, indem sie durch ihr Angebot im Internet gegen Vorschriften des GlüStV (§ 5 Abs. 3) verstoße, greife dies nicht. Der Einwand der Prozessgegners, der Anspruchsteller handele in vergleichbarer Weise wettbewerbswidrig, ist dann unbeachtlich, wenn durch den Wettbewerbsverstoß nicht lediglich Interessen des einzelnen Mitbewerbers, sondern auch der Allgemeinheit berührt werden ( Kammergericht, GRUR 2002, 93; OLG Oldenburg, GRUR-RR 2009, 67). Bei den von der Verfügungsklägerin angemahnten, zu beachtenden Einschränkungen des Wettbewerbes im Bereich des Glücksspieles (§ 5 GlüStV) geht es um Bekämpfung der Spielsucht und um Aspekte der Volksgesundheit und des Schutzes Spielsüchtiger vor Ausbeutung.

b) Die von der Verfügungsklägerin beanstandete Werbung der Verfügungsbeklagten (Aufstellerwerbung) verstößt gegen § 5 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GlüStV. Sie ist daher als unlauter im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG anzusehen.

Besagte Aufstellerwerbung tätigt die Verfügungsbeklagte zwar nicht selbst, sie muss sich das Verhalten der Lottoannahmestelle jedoch über § 8 Abs. 2 UWG zurechnen lassen.

§ 5 GlüStV stellt eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG dar. Diese Verhaltensregel dient dem Schutz der Spieler und Spielinteressenten vor der Glücksspielsucht.

Danach hat sich Werbung für öffentliches Glücksspiel zur Vermeidung eines Aufforderungscharakters bei Wahrung des Ziels legale Glücksspielmöglichkeiten anzubieten, auf eine Information und Aufklärung über die Möglichkeit zum Glücksspiel zu beschränken. Insbesondere darf die Werbung nicht im Widerspruch zu den Zielen des § 1 GlüStV stehen, insbesondere nicht gezielt zur Teilnahme am Glücksspiel auffordern, anreizen oder ermuntern. Dadurch sollen das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht verhindert und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung geschaffen werden, ferner das Glücksspielangebot begrenzt und der natürliche Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen gelenkt werden.

Die Ausgestaltung der Werbeaufsteller überschreitet den nach § 5 Abs. 1 GlüStV zulässigen Inhalt der Werbung. Zwar ist es nicht unzulässig, den möglichen Höchstgewinn der nächsten Lottoausspielung (Jackpot) zahlenmäßig zu benennen. Da die Höhe des Jackpots von Spiel zu Spiel variiert, der mögliche Höchstgewinn für den Verbraucher jedoch eine wesentliche Information darstellt, ist Jackpotwerbung nicht zu beanstanden.

Wenn dies jedoch über die reine Information betreffend die Höhe des möglichen Gewinnes hinausgeht, insbesondere, wenn wie hier eine unverhältnismäßige Proportionalität zwischen der Darstellung der Jackpot-Zahlen „12 Mio. Euro“ und dem Warnhinweis nach § 5 Abs. 2 Satz 3 gegeben ist und das Verbot der Teilnahme für Minderjährige und die vom Glücksspiel ausgehende Suchtgefahr und Hilfsmöglichkeiten daneben untergehen, ist dies als rechtswidrig zu bezeichnen.

Hinzu kommt die Aufmerksamkeit erregende Positionierung der Werbung auf dem Gehweg, also im öffentlichen Verkehrsraum vor der Annahmestelle. Davon geht ein Aufforderungscharakter bzw. ein Anreiz jedenfalls auf Personen aus, die zum Spiel noch nicht fest entschlossen sind. Mit anderen Worten, es wird der Spieltrieb geweckt. Das ist der Unterschied zur schlichten Information über die Höhe des Jackpots, woran die Verbraucher bereits aus der Berichterstattung in den Medien seit langem gewöhnt sind.

c) Auch die von der Verfügungsklägerin beanstandete Werbung unter Herausstellung erzielten Gewinns ist unzulässig (§ 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 5 GlüStV).

Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist eine Werbung unter Benennung des letzten Gewinnerfolges eines Spielers in der jeweiligen Lottoannahmestelle als unsachlich und damit als unzulässig zu bezeichnen. Die Meldung eines solchen Gewinnerfolges hat keinerlei Einfluss auf das Ergebnis der künftigen Glücksspielteilnahme und beinhaltet demnach keine relevante Information für den potentiellen Spieler. Sie ermuntert vielmehr allein zur Teilnahme am Spiel und fördert in gewisser Weise die Spielsucht in dem - aus Sicht des Kunden - diesem nahegebracht wird, hier sei vor kurzem gewonnen worden, vielleicht sei auch ihm das Glück beim nächsten Spiel hold. Eine solche Anreizwirkung ist unzulässig.

3. Die Berufung der Verfügungsbeklagten hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Untersagung ihrer im Internet geschalteten Anzeige unter www.lotto-brandenburg.de wendet (Tenor zu Ziffer 3 des angefochtenen Urteiles).

Nach § 5 Abs. 3 GlüStV ist Werbung für öffentliches Glücksspiel im Internet verboten.

Was unter Werbung im Einzelnen zu verstehen ist, definiert der Glücksspielstaatsvertrag nicht. Im Wettbewerbsrecht fällt unter den Begriff der Werbung jede Äußerung bei der Ausübung eines Handelns, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufes mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen zu fördern (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl., § 6 Rn 27).

Ausgehend von § 5 Abs. 1 GlüStV, wonach sich Werbung für öffentliches Glücksspiel auf eine Information und Aufklärung über die Möglichkeit zum Glücksspiel zu beschränken hat, folgt, dass es für die Definition der Werbung nach dem GlüStV nicht erforderlich ist, dass dieser Information und Aufklärung ein gewisser Anreizcharakter zur Förderung des Absatzes innewohnt. Nach dem klaren Wortlaut von Abs. 3 ist auch Werbung im Sinne von Abs. 1 des § 5 im Internet verboten.

Soweit die Verfügungsbeklagte zutreffend vorträgt, dass es sich bei der website sozusagen um ihre Homepage handelt und, soweit man überhaupt von Werbung sprechen könne, um eine sachlich und informativ gehaltene handele, also eine sachliche Botschaft ohne gezielten Anreiz zum Mitspielen, ist dies unerheblich. Das im § 5 Abs. 3 GlüStV enthaltene Verbot ist eindeutig.

Die Verfügungsklägerin kann dennoch nicht mit Erfolg die Untersagung der Internetwerbung gegenüber der Verfügungsbeklagten geltend machen.

Die angegriffene Website beinhaltet ein offline-Angebot, eine Spielteilnahme online ist nicht möglich. Im Verhältnis zur Verfügungsklägerin kommt dieser Werbung der Verfügungsbeklagten keinerlei geschäftliche Relevanz zu (§ 3 Abs. 1 UWG).

Die Verletzung einer Marktverhaltensregelung iSv § 4 Nr. 11 begründet nicht notwendig eine spürbare Beeinträchtigung der Interessen der von der Norm geschützten Marktteilnehmer. Das hängt vielmehr von den konkreten Auswirkungen des Rechtsverstoßes ab (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 3 Rn 147). Es kommt zunächst darauf an, welche Interessen die verletzte Norm schützen will. Grundsätzlich dient eine Norm dem Interesse des Mitbewerbers dann, wenn sie die Freiheit der wettbewerblichen Entfaltung schützen will (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 4 Rn 11. 35c, 11.58a). Das umfassende Werbeverbot im § 5 Abs. 3 für Glücksspiele im Internet hat seinen Grund darin, dass Werbung in diesem Medium durch seine Reichweite im besonderen Maße zum Gefährdungspotential von Glücksspielen beiträgt. Grundsätzlich soll hier der Verbraucher geschützt werden, nicht etwa der Mitbewerber.

Wenn weiter, wie im vorliegenden Falle, die Werbung sachlich und informativ ohne Anreizcharakter gehalten ist, also von ihr nicht eine spürbare Beeinflussung der Teilnahmeentscheidung des Kunden zu erwarten ist und darüber hinaus ein unmittelbarer Übergang zum Spiel online nicht möglich ist, ist eine Beeinträchtigung der Interessen der Verfügungsklägerin als Mitbewerberin allein durch die Schaltung dieser website nicht feststellbar.

Allein die Schaltung der website schafft nicht die Möglichkeit, dass die Verfügungsbeklagte sich Spielaufträge sichert, die bei Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften möglicherweise der Verfügungsklägerin zugekommen wären.


D. Berufung der Verfügungsklägerin

Das Rechtsmittel der Verfügungsklägerin bleibt ohne Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht Potsdam den Unterlassungsantrag der Verfügungsklägerin zurückgewiesen, der darauf zielte es zu untersagen, in offen zugänglichen Ladenlokalen die Teilnahme an der Lotterie zu bewerben, zu vertreiben oder zu vermitteln, wenn dies im Zusammenhang mit einem Süßwarenangebot erfolgt.

Soweit die Verfügungsklägerin hier geltend macht, es sei der Schutzbereich des § 5 Abs. 2 GlüStV als Marktverhaltensregel im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG tangiert, kann ihr nicht gefolgt werden. Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Glücksspielstaatsvertrag ist Werbung unzulässig, die sich an Minderjährige und vergleichbar gefährdete Zielgruppen richtet. Aus der reinen Platzierung der Teilnahmescheine für Glücksspiele in unmittelbarer Nähe und ohne Trennung vom Süßwarenangebot, lässt sich eine solche zielgerichtete Werbung nicht ableiten.

Soweit die Verfügungsklägerin vorträgt, das Angebot von Süßwaren in räumlicher Nähe zur Werbung von Glücksspielen fördere die Spielsucht, hat das Landgericht Potsdam zu Recht entschieden, dass ohne entsprechendes Sachverständigengutachten zu der Frage, ob ein kausaler Zusammenhang zwischen Verkauf von Süßigkeiten und Entwicklung von Spielsucht besteht, der Verfügungsklägerin nicht zu folgen ist.

Soweit die Verfügungsklägerin fordert, dass insgesamt eine räumliche Trennung des Glücksspielangebotes von anderen Waren wie Lebensmitteln und Süßwaren erfolgen solle, fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Weder im GlüStV noch im LottGBbg sind derartige Vorschriften enthalten. § 4 LottGBbg bestimmt lediglich, dass der Betrieb einer Annahmestelle in unmittelbarer Nähe zu Einrichtungen, die ihrer Art nach oder tatsächlich vorwiegend von Kindern und Jugendlichen besucht werden oder in der alkoholische Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle ausgeschenkt werden, unzulässig ist. Auch der Betrieb einer Annahmestelle als Vergnügungsstätte oder in unmittelbarer Nähe zu Vergnügungsstätten oder Anlagen für sportliche Zwecke ist mit den Zielen des § 1 Abs. 1 LottGBbg (Verhinderung von Glücksspielsucht und Wettsucht, wirksame Suchtbekämpfung) in der Regel nicht zu vereinbaren.

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO und darauf, dass das Maß des Obsiegens und Unterliegens gleichermaßen auf die Verfügungsklägerin und die Verfügungsbeklagte verteilt ist.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 6, Nr. 10, 711, 713 ZPO.







Datenschutz Impressum