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Landgericht Berlin Urteil vom 28.10.2008 - 16 O 263/08 - Zur rechtsmissbräuchlichen Einleitung einer Vielzahl von Wettbewerbsverfahren mit hoher Kostenlast bei niedrigem Eigenumsatz
 

 

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Abmahnung - Abmahnkosten - Rechtsmissbrauch - Wettbewerbsverstöße

LG Berlin v. 28.10.2008: Die Einleitung von 19 Wettbewerbsverfahren, davon 18 Anträge auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung, die dem Antragsteller eine Kostenlast von über 13.000,00 € verursachen, ist dann rechtsmissbräuchlich, wenn er als eBay-Händler im gleichen Zeitraum lediglich einen Umsatz von 1.000,00 € erzielt hat.

Das Landgericht Berlin (Urteil vom 28.10.2008 - 16 O 263/08) hat entschieden:
Die Einleitung von 19 Wettbewerbsverfahren, davon 18 Anträge auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung, die dem Antragsteller eine Kostenlast von über 13.000,00 € verursachen, ist dann rechtsmissbräuchlich, wenn er als eBay-Händler im gleichen Zeitraum lediglich einen Umsatz von 1.000,00 € erzielt hat.
Aus den Entscheidungsgründen:

"Auf den nach §§ 935, 924 ZPO zulässigen Widerspruch hin war die einstweilige Verfügung vom 1. Juli 2008 aufzuheben, weil sich der Antrag auf ihren Erlass als unzulässig erwiesen hat und damit zurückzuweisen ist. Nach dem wechselseitigen Vorbringen im Widerspruchsverfahren ist von einer missbräuchlichen Rechtsverfolgung i.S.v. § 8 Abs. 4 UWG auszugehen.

Ein Missbrauch liegt vor, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs in der Verfolgung sachfremder Ziele liegt ( BGH GRUR 2006, 244, Rn 16 - MEGA SALE), so etwa im Interesse, Gebühren zu erzielen oder den Gegner durch möglichst hohe Prozesskosten zu belasten oder ihn generell zu schädigen. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die Rechtsverfolgung ohne jedwede wettbewerbsrechtlichen Interessen betrieben wird. Ein Fehlen oder vollständiges Zurücktreten legitimer wettbewerbsrechtlicher Absichten hinter den vom Gesetzgeber missbilligten Zielen ist nicht erforderlich. Ein Überwiegen sachfremder Ziele genügt.

Das Vorliegen eines Missbrauchs ist im Einzelfall unter Berücksichtigung und Abwägung der gesamten Umstände festzustellen. Maßgebend sind die Motive und Zwecke der Geltendmachung des Anspruchs, die in der Regel nur aus den äußeren Umständen erschlossen werden können. Dazu können die Art und Schwere des Wettbewerbsverstoßes und das Verhalten des Schuldners zählen. Vor allem ist aber auf das Verhalten des Gläubigers bei der Verfolgung des konkreten und anderer Verstöße abzustellen ( BGHZ 144, 165, 170 - Missbräuchliche Mehrfachverfolgung -; KG, Beschluss vom 8. Juli 2008 - 5 W 34/08).

Die Antragsgegnerin hat in hinreichendem Umfang Anhaltspunkte vorgetragen, die die Annahme rechfertigen, die Antragstellerin bediene sich des Mittels der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen vorrangig dazu, ihre Mitbewerber zu beeinträchtigen und ihnen finanzielle Nachteile zuzufügen.

Dafür spricht das Verhältnis zwischen dem im Jahr 2008 durch Verkäufe über ebay erzielten Umsatz und dem Umfang der Abmahn- und Prozesstätigkeit. Nach dem unstreitigen und durch die Anlage zum Schriftsatz vom 8. August 2008 belegten Vorbringen der Antragsgegnerin betrug dieser Umsatz im Juli 2008 140,00 €, im Juni 2008 413,90 € und im Mai 2008 375,00 €. Im Januar und Februar fanden keine Transaktionen statt. Im Einklang damit steht die Anzahl der in den letzten 6 Monaten seit dem 31. Juli 2008, d.h. ab Januar 2008 erhaltenen Bewertungen, die lediglich 19 Beurteilungen umfasst. Gleichzeitig leitete die Antragstellerin im selben Zeitraum beim Landgericht Berlin 19 Verfahren ein, davon 18 Verfügungsverfahren. Nimmt man die hier allein für die Anordnung der Eilmaßnahme bei einem Wert von 14 000,- € ausgelösten Kosten als Maßstab, errechnet sich nur für die anwaltliche Vertretung eine Kostenlast von 13 604,40 € ohne MwSt. (1,3 Geschäftsgebühr = 735,80 € × 18 zzgl. Auslagenpauschale 20,- € × 18). Hinzu kommen die Gerichtskosten in Höhe einer 1,5 Gebühr, bei 18 Verfahren also 6 534,- €. Das Missverhältnis zwischen den Prozesskosten und den von der Antragstellerin durch ihre Handelstätigkeit im Internet erzielten Umsätzen, die nicht mit dem ihr verbleibenden Gewinn gleichzusetzen sind, liegt auf der Hand. Selbst wenn man nur den von der Antragsgegnerin vorgeschlagenen Wert von 3 000,- € zu Grunde legt, errechnen sich Gesamtkosten in Höhe von 4 806,90 €. Dieser finanziellen Belastung steht kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse der Antragstellerin an der Rechtsverfolgung gegenüber. Die beanstandeten Klauseln und Bestimmungen kommen erst dann zum Tragen, wenn der Interessent seine Erwerbsentscheidung bereits getroffen hat. Der Nachteil für die Konkurrenz liegt allein darin, dass ein falsch informierter Verbraucher sich möglicherweise an den Erstvertrag gebunden fühlt und allein aus diesem Grund für die Mitbewerber als Kunde ausfällt. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich diese Gefahr zulasten der Antragstellerin in einem konkreten Fall realisiert, erscheint so gering, dass sie praktisch zu vernachlässigen ist. Ebenso wenig kann die Kammer ein ausgeprägtes wettbewerbspolitisches Interesse der Antragstellerin erkennen. Dagegen spricht bereits die Beschränkung auf die Verfolgung unproblematisch erscheinender Sachverhalte. Die Vorteile, die sich für sie aus ihrem Vorgehen konkret ergeben, sind daher so gering, dass kein wirtschaftlich denkender Mensch das dafür aufgezeigte Kostenrisiko auf sich nehmen würde.

Die Antragstellerin kann dieser Überlegung nicht entgegen halten, sie verfolge auf der Grundlage der gesicherten Rechtsprechung nur offensichtliche Rechtsverletzungen und minimiere auf diese Art ihr Kostenrisiko. Mit dieser Argumentation verkennt sie das ihr verbleibende Insolvenzrisiko; denn erweist sich die Gegenseite später als zahlungsunfähig, so hat sie nicht nur ihre eigenen Rechtsanwaltskosten, sondern als Kostenschuldnerin zusätzlich auch die Gerichtskosten zu tragen.

Ihr Einwand, ihre Geschäftstätigkeit im Internet könne nicht nur anhand ihres bei ebay erzielten Umsatzes bemessen werden, trifft zwar im Ansatz zu. Es fehlt aber an der Darlegung von Tatsachen, in welchem Umfang sie über andere Internetplattformen oder Internetseiten Einnahmen erzielt. Der am 23. September 2008 von der Seite ….de gefertigte Ausdruck dokumentiert keine einzige bis dahin getätigte Transaktion. Ebenso wenig legt die Antragstellerin den Umfang und die Struktur ihrer Handelstätigkeit mit Fahrradzubehör offen; denn da sich der beanstandete Rechtsverstoß im Verhältnis der Parteien zueinander nur im Bereich des Fahrradzubehörs auswirken kann - die Antragsgegnerin handelt nicht mit Fahrrädern -, kommt es auch nur auf die Geschäftstätigkeit in diesem Bereich an ( KG, Beschluss vom 7. Oktober 2008 - 24 U 60/08 - ). Schon aus diesem Grund erweist sich die in der mündlichen Verhandlung aufgestellte pauschale Behauptung der Antragstellerin, ihr Jahresumsatz betrage 100 000,- €, als unzureichend.

Der Antragstellerin ist es daher nicht gelungen, die gegen ihre zu vermutende Antragsbefugnis aufgekommenen Verdachtsmomente ihrerseits durch substantiierten und glaubhaft gemachten Vortrag zum Umfang ihrer Geschäftstätigkeit zu widerlegen. ..."




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