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Landgericht Stade Urteil vom 16.06.2011 - 8 O 23/11 - Zur unzulässigen Werbung für kostenlose Venenuntersuchungen
 

 

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Abmahnung - Arzneimittel - Arzneimittelwerbung - Einstweilige Verfügung - Unterlassungsanspruch - Unterlassungserklärung - Wettbewerb


LG Stade v. 16.06.2011: Zur unzulässigen Werbung für kostenlose Venenuntersuchungen


Das Landgericht Stade (Urteil vom 16.06.2011 - 8 O 23/11) hat entschieden:
Nach § 7 Abs. 1 HWG ist es unzulässig, Zuwendungen oder Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, wenn nicht eine der vom Gesetz sodann aufgezählten Ausnahmen vorliegt. Der hier allein in Betracht kommende Ausnahmetatbestand gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 HWG greift nicht ein, weil es sich bei einer kostenlosen fachärztlichen Venenuntersuchung nicht um die Erteilung von Auskünften oder Ratschlägen handelt. Der Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 HWG ist auf solche Fallgestaltungen beschränkt, bei denen im Zusammenhang mit der Erbringung einer Hauptleistung eine Beratung erfolgt. Ein kostenloser Venencheck ist als Teil einer Hauptleistung zu qualifizieren und nicht als deren Ergänzung in Gestalt einer Beratung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 HWG.




Tatbestand:

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben insbesondere die Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs gehört, und nimmt die Beklagte zu 1.), die unter anderem das Venenzentrum ... im ... betreibt, und die Beklagte zu 2.) als deren Chefärztin auf Unterlassung der Bewerbung und Durchführung kostenloser Venenuntersuchungen in Anspruch.

Am 13.08.2010 ist in der C. Zeitung unter der Überschrift "Kostenlose Sprechstunde" von der Beklagten zu 1.) ein Artikel geschaltet worden, in dem es unter anderem heißt:
"... Unter (04751) 908263 berät Chefärztin ... zum Thema Venenleiden und beantwortet Fragen. ... Mit der Telefonsprechstunde erhalten Betroffene und Interessierte die Möglichkeit, erste Ratschläge für das individuelle Venenproblem und den Umgang damit zu bekommen.

Kostenlose Untersuchung

Wer es dann medizinisch genauer wissen will, hat an jedem ersten Sonnabend im Monat die Möglichkeit, sich einer kostenlosen Venenkurzuntersuchung zu unterziehen. ..."
Unter ihrer Webadresse hat die Beklagte zu 1.) "Kostenlose Venenchecks an jedem ersten Samstag im Monat im Ärztehaus" angeboten. Neben dem Angebot war die Beklagte zu 2.) abgebildet.

Der Kläger hat unter dem 09.09.2010 sowohl die kostenlose Telefonsprechstunde als auch die kostenlose Venenuntersuchung als wettbewerbswidrig abgemahnt. Hinsichtlich der kostenlosen Sprechstunde gab die Beklagte zu 1.) eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Die Beklagte zu 2.) verlangt mit der Widerklage Kosten einer Gegenabmahnung erstattet.

Der Kläger macht geltend, aufgrund seiner Mitgliederstruktur habe er "die umfassende Verbandsklagebefugnis für das gesamte Bundesgebiet". Zu seinen Mitgliedern würde unter anderem auch die Ärztekammer Niedersachsen gehören.

Bei dem Versprechen einer "kostenlosen" Untersuchung bzw. eines Checks handele es sich um eine nach § 7 HWG unlautere Wertreklame. Bei der Venenuntersuchung komme die sogenannte Lichtreflektionsrheographie (LRR) zum Einsatz. Es liege zugleich eine berufswidrige Werbung vor.

Die Klägerin beantragt,
wie erkannt.
[Die Beklagten werden verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr kostenlose Venenuntersuchungen zu bewerben und/oder durchzuführen, wenn dies geschieht wie in der C. Zeitung am 13.08.2010 (K 1) und/oder auf der Homepage der Beklagten zu 1.) (K 2).]
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Im Wege der Widerklage beantragt die Beklagte zu 2.),
den Kläger zu verurteilen, ihr 232,05 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 16.10.2010 zu zahlen.
Die Beklagten rügen eine fehlende Prozessführungsbefugnis des Klägers. Es fehle überdies an der Passivlegitimation der Beklagten zu 2.), weil sie weder für den Internetauftritt der Beklagten zu 1.) verantwortlich sei noch den in der C. Zeitung vom 13.08.2010 erschienenen Artikel veranlasst habe. Als Chefärztin des Fachbereiches Gefäßchirurgie im Venenzentrum habe sie weder die tatsächliche noch die rechtliche Möglichkeit, auf die vom Venenzentrum bzw. vom Krankenhaus geschalteten Mitteilungen Einfluss zu nehmen. Bei den Kurzuntersuchungen bzw. Checks werde nur ermittelt, ob die jeweilige zu beurteilende Person in die Risikogruppe von Venenleiden falle. Gegenstand dieser Untersuchungen/Checks sei es nicht, konkrete Diagnosen zu stellen und hieraus entsprechende Therapieempfehlungen zu entwickeln. Es gehe lediglich darum, Risikopotentiale zu ermitteln.

Es liege keine Absatzwerbung für ein bestimmtes Produkt vor. Es fehle an der Werbung "für" ein bestimmtes Verfahren oder ähnliches im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1, Satz 1 Nr. 2 HWG. Vielmehr stelle sich die Werbung als allgemeine Unternehmens- und Imagewerbung dar. Die (vermeintliche) Zugabe könne nicht Teil einer Hauptleistung sein, wenn eine solche Hauptleistung wie hier schon gar nicht angeboten werde. Die abgemahnten Darstellungen würden ganz global darauf abzielen, für die Leistungen der Beklagten zu 1.) zu werben, nicht aber auf eine bestimmte (Haupt-)leistung. Im konkreten Falle bestehe nicht einmal die abstrakte Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung. Wenn sich Teilnehmer an Venenchecks entschließen würden, sich einer individuellen diagnostischen Untersuchung zu unterziehen, hätten sie weder als Kassenpatient noch als Privatpatient irgendetwas erspart, weil der Venencheck eine phlebologische Untersuchung nicht ersetze.

Der Kläger beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Selbst wenn die Klage abgewiesen würde, lägen die besonderen Voraussetzungen einer berechtigten Abmahnung nicht vor, die zu einem Kostenerstattungsanspruch führen könnten.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet, während die Widerklage auf Erstattung der außergerichtlichen Kosten für eine Gegenabmahnung keinen Erfolg hat.

Denn dem Kläger steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Unterlassung der Bewerbung und Durchführung kostenloser Venenchecks gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 7 HWG zu.

Der Kläger ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt. Der Kläger hat durch einen Auszug aus dem Mitgliederverzeichnis dargetan, dass ihm unter anderem die Ärztekammer Niedersachsen angehört. § 7 Abs. 1 HWG ist eine jedenfalls auch wettbewerbsregelnde Norm im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG.

Nach § 7 Abs. 1 HWG ist es unzulässig, Zuwendungen oder Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, wenn nicht eine der vom Gesetz sodann aufgezählten Ausnahmen vorliegt. Der hier allein in Betracht kommende Ausnahmetatbestand gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 HWG greift nicht ein, weil es sich bei der kostenlosen fachärztlichen Venenuntersuchung nicht um die Erteilung von Auskünften oder Ratschlägen handelt. Der Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 HWG ist auf solche Fallgestaltungen beschränkt, bei denen im Zusammenhang mit der Erbringung einer Hauptleistung eine Beratung erfolgt. Der beworbene kostenlose Venencheck ist als Teil einer Hauptleistung zu qualifizieren und nicht als deren Ergänzung in Gestalt einer Beratung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 HWG. Der angebotene kostenlose Venencheck ist Teil einer ärztlichen Leistung, die in der Regel nur gegen Geld zu erhalten ist, mag der erbrachte Teil allein auch nicht abrechenbar sein. Der interessierte Verbraucher erwartet aufgrund des Artikels vom 13.08.2010 und aufgrund des Internetauftritts nicht lediglich Informationen zum Thema Venenleiden. Vielmehr erhalten Betroffene und Interessierte "erste Ratschläge für das individuelle Venenproblem und den Umgang damit". Die Venenkurzuntersuchung reicht darüber hinaus ("Wer es dann medizinisch genauer wissen will"). Der interessierte Verbraucher erwartet demgemäß eine körperliche Befunderhebung zu seinem Venensystem sowie die Mitteilung einer Diagnose und einen ersten Behandlungsvorschlag. Zur kostenpflichtigen Diagnostik gehört die LRR, die bei dem Venencheck zum Einsatz gelangt. Venensprechstunde und kostenloser Venencheck dienen der Gewinnung von neuen Patienten, bei denen eine operative Venentherapie erforderlich ist oder erforderlich werden könnte. Der Venenkurzcheck ist Teil einer fachgerechten Untersuchung und Diagnosestellung. Eine derartige Befundung im Rahmen der Voruntersuchung mit den sich daraus ergebenen ärztlichen Behandlungsmöglichkeiten ist bereits Teil der ärztlichen Behandlung selbst. Eine operative Venentherapie ohne vorheriger Befunderhebung ist bei kunstgerechtem ärztlichen Vorgehen ausgeschlossen. Der kostenlose Venencheck ist mithin Werbegabe. Diese ist nicht privilegiert durch § 7 Abs. 1 Nr. 4 HWG. Die nach der Gebührenordnung der Ärzte kostenpflichtige Befunderhebung, wozu auch die LRR gehört, ist Teil der Hauptleistung und nicht deren Ergänzung. Sie kann nicht Gegenstand einer erlaubten Werbegabe durch Erteilung eines Ratschlages sein.

Dass die Deutsche Venen -Liga sich an besonderen Venentagen dieses Verfahrens bedient, macht aus dem Angebot der Beklagten zu 1.) keine wettbewerbsrechtlich unbedenkliche Imagewerbung. Die Venen-Liga steht nicht im Wettbewerb mit anderen ärztlichen Einrichtungen.

Die Beklagte zu 2.) ist für den Wettbewerbsverstoß gleichfalls verantwortlich. Zwar hat die Beklagte zu 2.) den Artikel in der C. Zeitung nicht verfasst und hat sie auch nicht an der Erstellung des Internetauftritts der Beklagten zu 1.) mitgewirkt. Gleichwohl ist die Beklagte zu 2.) Teilnehmerin der unzulässigen Wettbewerbshandlung. Sie berät in der kostenlosen Telefonstunde und ist neben dem Angebot des kostenlosen Venenchecks abgebildet. Die Bewerbung und Durchführung der Venenkurzuntersuchungen erfolgt mit ihrer Kenntnis und mit ihrem Einverständnis.

Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG kann der Kläger von den Beklagten die Erstattung der Kosten für die Abmahnung vom 09.09.2010 verlangen. Die Höhe der Abmahnkosten ist nicht zu beanstanden. Der mit der Widerklage verfolgte Anspruch auf Erstattung von Kosten für die Gegenabmahnung ist schon deshalb nicht begründet, weil die Abmahnung des Klägers berechtigt gewesen ist.

Die Nebenentscheidungen finden ihre Rechtsgrundlage in §§ 91, 709 Satz 1 ZPO.

Der Streitwert wird auf insgesamt 15.000,00 € festgesetzt.









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