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OLG Hamburg v. 20.02.2007: Zur Störerhaftung des Betreibers einer Suchmaschine für persönlichkeits-rechtsverletzende Texte von Suchergebnissen
Das OLG Hamburg (Urteil vom 20.02.2007 - 7 U 126/06) hat entschieden:
- Zur Störerhaftung des Betreibers einer Suchmaschine für persönlichkeits-rechtsverletzende Texte von Suchergebnissen.
- Lässt der Text eines Suchergebnisses mehrere Deutungen zu, die nicht insgesamt rechtsverletzend sind, besteht kein Unterlassungsanspruch.
Gründe:
1. Mit der Berufung begehrt die Antragsgegnerin die Aufhebung einer einstweiligen Verfügung, mit der ihr die erneute Verbreitung von 4 Passagen über die von ihr betriebene Internetsuchmaschine „google“ verboten wurde.
Der Antragsteller ist Geschäftsführer der Komplementärin der Firma „Die … KG“. Bei Eingabe des Vor- und Nachnamens des Antragstellers in die unter der Internetseite www.google.de aufrufbare Suchmaschine führte diese unter anderem die vier Passagen auf, die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind. Auf Aufforderung des Antragstellers löschte die Antragsgegnerin diese Eintragungen, weigerte sich allerdings, eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben.
Zum Sachverhalt im Einzelnen wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.
Mit der Berufungsbegründung wendet sich die Antragsgegnerin gegen das Textverständnis des Landgerichts. Sie trägt ferner vor, dass eine Kontrolle von Suchmaschinenergebnissen, wie sie das Landgericht fordere, nur sehr beschränkt möglich, jedenfalls aber nicht zumutbar sei, und stellt hierzu den Aufbau und die Funktionsweise der Suchmaschine dar. Im Einzelnen ist hierzu auf die Berufungsbegründung vom 11.12.2006 zu verweisen.
Die Antragsgegnerin meint weiter, es liege schon kein Verfügungsgrund vor, da der Antragsteller ausweislich der im Berufungsverfahren vorgelegten Anlage AS 52 bereits im Juli 2005 Kenntnis von Suchergebnissen gehabt habe, in denen sein Name mit dem Begriff „Immobilienbetrug“ in Verbindung gebracht worden sei.
2. Die form- und fristgerecht eingelegte und daher zulässige Berufung der Antragsgegnerin ist begründet.
Hierbei kann dahinstehen, ob ein gesetzlicher Grund für den Erlass einer einstweiligen Verfügung vorlag.
Die Antragsgegnerin haftet nämlich weder als Äußernde oder Verbreiterin noch unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung auf Unterlassung gem. §§ 823 Abs.1, 1004 Abs.1 analog BGB i. V. m. Artt. 1 Abs.1, 2 Abs.1 GG, da die angegriffenen Passagen den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzen.
Die vier beanstandeten Suchergebnisse nach Eingabe des Namens des Antragstellers in die Suchworteingabemaske auf www.google.de enthalten jeweils in der Überschrift die Begriffe „Immobilienbetrug“, „Betrug“, „Machenschaften“, „Nigeria Betrug“, ohne dass diese Begriffe in einen konkreten Zusammenhang mit dem Namen des Antragstellers gebracht werden. Unter den jeweiligen Überschriften befinden sich als „Thema“ die Begriffe „Die … + Andreas K… + Immobilien“. Ein unmittelbarer logischer Zusammenhang zwischen diesem „Thema“ und der Überschrift wird damit nicht hergestellt, insbesondere enthalten die Eintragungen keine Aussage dahingehend, dass der Kläger Täter oder Teilnehmer des in der Überschrift genannten Deliktes sei.
Ein solches den Antragsteller belastendes Verständnis liegt schon deshalb fern, weil es sich um eine Suchmaschine handelt, deren Eintragungen - für den Nutzer offenkundig - nicht auf der intellektuellen Leistung von Menschen beruhen, sondern die das Ergebnis eines automatisierten Vorgangs sind. Auch wenn dem durchschnittlichen Nutzer nicht die von der Antragsgegnerin aufgezeigten technischen Vorgänge im Detail bekannt sind, weiß er doch, dass eine Suchmaschine, die weite Teile des Internets mit milliardenfachen Websites erfasst, die gefundene Seite ohne menschliche Einwirkung nach darin vorkommenden Begriffen erfasst, registriert und bei Aufruf darin vorhandener Begriffe ihre Internetadresse zusammen mit einzelnen Textteilen anzeigt. Mit dem Suchergebnis verbindet sich für den Nutzer jedenfalls dann keine inhaltliche Aussage, wenn darin, wie bei den hier in Frage stehenden Ergebnissen, nicht ganze Sätze der gefundenen Seite, sondern lediglich einzelne Worte als „Schnipsel“ (Snippets“) aufgeführt werden.
Der Nutzer kann daher den vier hier vorliegenden Eintragungen entnehmen, dass die Fundstellen in der Überschrift den beanstandeten abwertenden Begriff enthalten und dass im weiteren Text der Name des Antragstellers und der Begriff „Die Dienstleister“ auftaucht, ohne dass sich daraus ergibt, in welcher Beziehung der Antragsteller bzw. die genannte Gesellschaft zu dem in der Überschrift genannten Begriff stehen. Es bleibt also für den Nutzer offen, ob der Antragsteller als Täter, Opfer oder etwa Ermittler eines Betruges bezeichnet wird oder ob er beispielsweise als Journalist oder Autor darüber veröffentlicht hat. Die Fundstelle hat in diesem Sinne einen wertneutralen Inhalt, eine Aussage über den Antragsteller wird mit ihr nicht verbreitet.
Dem steht nicht der Einwand entgegen, dass zumindest eine von mehreren Deutungsmöglichkeiten zu der den Antragsteller belastenden Aussage führe, er sei Täter oder Teilnehmer eines derartigen Deliktes gewesen. Auch eine derartige Deutungsmöglichkeit führt nämlich nicht dazu, dass dem Antragsteller ein Unterlassungsanspruch zusteht.
Dies ergibt sich aus der gebotenen Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Antragstellers einerseits und der Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit, die durch eine Suchmaschine in entscheidendem Maß gefördert wird. Ohne den Einsatz von Suchmaschinen wäre nämlich eine sinnvolle Nutzung der Informationsfülle im World Wide Web nicht möglich (vgl. auch BGH NJW 2003, 3406ff „Paperboy“). Angesichts der ungeheuren Anzahl der zu erfassenden Websites kommt für die Erfassung, Übernahme und Darstellung nur ein automatisiertes Verfahren in Betracht.
Im Unterschied zu Fällen der individuellen Äußerung einer Meinung durch eine Person ist es einer Suchmaschine nicht ohne weiteres möglich, sich künftig eindeutig „auszudrücken“. Hierzu würde es nämlich eines menschlichen Eingriffs in ihr System und gegebenenfalls einer individuellen Überwachung und Korrektur bedürfen, welche dem Wesen einer Suchmaschine fremd ist und angesichts der Fülle der zu verarbeitenden Daten einen außergewöhnlichen Aufwand erfordern würde. Selbst wenn das Herausfiltern einzelner Begriffe in technischem Wege möglich wäre, wie der Antragsteller vorträgt, kann die Umformulierung eines mehrdeutigen Textes in einen eindeutigen (nicht verletzenden) Text nicht maschinell erfolgen. Hierzu bedarf es vielmehr einer intellektuellen menschlichen Leistung. Die vom Bundesverfassungsgericht für den Fall mehrdeutiger Äußerungen aufgestellten Ausnahmegrundsätze in Bezug auf Unterlassungsansprüche (Beschluss vom 25.10.2005, AfP 2005, 544) sind deshalb in Bezug auf Internetsuchmaschinen nicht heranzuziehen. Vielmehr verbleibt es in Fällen mehrdeutiger Äußerungen hier bei dem Vorrang des Rechtes auf freien Meinungs- und Informationsaustausch, der durch den Einsatz der Suchmaschinen als Verzeichnis der im Netz stehenden Beiträge gewährleistet wird.
Selbst wenn man daher dem Landgericht darin folgen sollte, dass nicht jedem Nutzer der Suchmaschine bekannt ist, dass die gefundenen „Snippets“ allein das Ergebnis einer mechanischen Suche darstellen, die nicht zwingend in einem Sinnzusammenhang stehen, und selbst wenn man bezüglich des insoweit unwissenden Nutzers annehmen würde, dass dieser den hier gefundenen Suchergebnissen zumindest auch den vom Antragsteller angenommenen Sinn entnehmen könnte, würde diese Mehrdeutigkeit weder zur Rechtswidrigkeit der angegriffenen Passagen, noch zu einem Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin als Verbreiterin oder Störerin führen.
Dabei kann offen bleiben, ob im Falle einer eindeutig herabsetzenden Äußerung im Text der Suchmaschinenfundstelle deren Beseitigung zumutbar wäre und ob dann eine weitergehende Überwachungspflicht für die Zukunft bestände, da die in diesem Verfügungsverfahren beanstandeten Suchergebnisse keinen eindeutig den Antragsteller herabsetzenden Inhalt haben.
Da somit dem Antragsteller kein Unterlassungsanspruch zusteht, war der Berufung stattzugeben und die einstweilige Verfügung des Landgerichts aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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