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OLG München Urteil vom 08.10.2009 - 23 U 1818/09 - Zur Gewährleistung des Verkäufers von E-Mail-Adressen
Adresshandel
- Double-Opt-In-Verfahren
- Einwilligungserklärung
- E-Mail allgemein
- E-Mail-Werbung
- E-Mail-Werbung
- Garantieversprechen
- Gewährleistung
- Newsletter
- Werbung allgemein
OLG München v. 08.10.2009: Findet sich in dem Vertrag über den Verkauf von E-Mail-Adressen keine Vereinbarung einer Mindestkonversionsrate und auch keine ausdrückliche Vereinbarung, dass alle Adressen über eine Einwilligung der Betroffenen nach dem sog. Double-Opt-In-Verfahren abgedeckt seien, und haben die Parteien hinsichtlich Doubletten und Fakeadressen keine Vereinbarung getroffen, dann bestehen für den Käufer keine Gewährleistungsansprüche, wenn er lediglich behaupten kann, dass die mit den Adressen durchgeführt Werbekampagne im Wesen "ohne Resonanz" und nur zu "einem geringen Prozentsatz" erfolgreich geblieben sei.
Das OLG München (Urteil vom 08.10.2009 - 23 U 1818/09) hat entschieden:
Findet sich in dem Vertrag über den Verkauf von E-Mail-Adressen keine Vereinbarung einer Mindestkonversionsrate und auch keine ausdrückliche Vereinbarung, dass alle Adressen über eine Einwilligung der Betroffenen nach dem sog. Double-Opt-In-Verfahren abgedeckt seien, und haben die Parteien hinsichtlich Doubletten und Fakeadressen keine Vereinbarung getroffen, dann bestehen für den Käufer keine Gewährleistungsansprüche, wenn er lediglich behaupten kann, dass die mit den Adressen durchgeführt Werbekampagne im Wesen "ohne Resonanz" und nur zu "einem geringen Prozentsatz" erfolgreich geblieben sei.
Gründe:
I.
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin die Bezahlung von etwa 180.000 E-Mail-Adressen gemäß dem zwischen den Parteien im November 2007 geschlossenen Vertrag (Anl. K1).
Auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wird Bezug genommen.
Im Berufungsverfahren begehrt die Beklagte, die in dieser Instanz auch den Rücktritt erklärt hat, Klageabweisung, hilfsweise die Verurteilung nur zur Zahlung Zug-um-Zug gegen Übergabe beweiskräftig dokumentierter Einwilligungen.
Die Beklagte trägt unter anderem vor, die auch von ihr erstinstanzlich vertretene Einstufung des Vertrags als Kaufvertrag sei rechtsirrig. Vielmehr liege ein Werkvertrag vor. Die Adressen seien mangelhaft, da sie nicht im Double-Opt-In-Verfahren generiert worden seien, eine zu geringe Konversionsrate gehabt hätten und zum Teil erfunden seien.
Zur Ergänzung des Parteivortrags in zweiter Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Ein sittenwidrig überhöhter Preis für jede einzelne Adresse ist weiterhin nicht ersichtlich. Hierauf ist die Beklagte auch in zweiter Instanz nicht zurückgekommen.
Auf die nunmehr behaupteten drei Mängel kann sich die Beklagte nicht stützen:
Eine ausdrückliche Festlegung der Konversionsrate im Vertrag ist zwischen den Parteien nicht erfolgt. Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren behauptet, dass eine solche von 1 bis 5 % üblich sei und dass diese im vorliegenden Fall weniger als 0,2 % betragen habe, so ist dies von der Klägerin substantiiert und unter Antritt vom Gegenbeweis bestritten worden. Es handelt sich bei der Behauptung der Beklagten um ein neues Verteidigungsvorbringen, welches die Beklagte aus Nachlässigkeit in erster Instanz nicht geltend gemacht hat, § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO. In erster Instanz nämlich hat sie nur allgemein ausgeführt, dass die Aktion „ohne Resonanz“ gewesen sei, was eine Vielzahl von Gründen gehabt haben mag. Dennoch hatte die Klägerin bereits vorsorglich (vgl. Blatt 3 der Anspruchsbegründung im Verfahren 14 HKO 13848/08) bestritten, dass eine Mindestumwandlungsquote Vertragsinhalt geworden sei. Das Erstgericht hatte keinerlei Anlass, die Beklagte insoweit zu näherem Vortrag aufzufordern, zumal da auch vorprozessual (vgl. Anlage K9: „ganz geringer Prozentsatz“) nur völlig unkonkret vorgetragen worden war und im Übrigen die Beklagte auf weitere Behauptungen, die sie vorprozessual aufgestellt hatte, im Prozess nicht zurückgekommen ist, wie etwa die, sie habe einen Teil der Daten überhaupt nicht erhalten.
Eine ausdrückliche Vereinbarung des Double-Opt-In-Verfahrens findet sich in der Vertragsurkunde K1 ebenfalls nicht. Der zweitinstanzliche Vortrag der Beklagten, dies sei Mindeststandard und damit auch ohne Vereinbarung Vertragsgegenstand, ist von der Klägerin bestritten worden. Auch insoweit kommt eine Zulassung in zweiter Instanz § 531 Abs. 2 ZPO nicht in Betracht. In erster Instanz hat die Beklagte nämlich nur vorgebracht, dass von der Klägerin „ dem Kunden die Einwilligung abgerungen worden“ in einer Weise sei, die gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen habe. Im Übrigen ist es ausweislich des Tatbestands (Blatt 3 des Ersturteils) unstreitig, dass der Beklagten „vor Beginn“ die „genaue Gestaltung“ des Internetglückspiels bekannt war. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus den zwischen den Parteien gewechselten E-Mails (vgl. K11, K13 und K14). Die Beklagte hat erstinstanzlich diesen E-Mail-Verkehr nicht bestritten. Vielmehr hat sie nur die Vertretungsmacht des Zeugen H. geleugnet (Blatt 2 des Schriftsatzes vom 02.12.2008 = Bl. 40 d. A.), was sie aber in zweiter Instanz nicht wiederholt, sondern den Zeugen nunmehr als ihren Verhandlungsführer, zu laden über die Beklagte, bezeichnet (vgl. Blatt 8/9 der Berufungsbegründung = Bl. 69/70 des Gerichtsakts).
Für Doubletten und Fakes haben die Parteien ausweislich K1 und den beiden Anlagen K2 die Regelung getroffen, dass diese binnen acht Tagen zurückgesendet werden können, andernfalls aber zu bezahlen sind.
Bei diesem Befund ist es im Ergebnis ohne Bedeutung, ob auf die Rechtsbeziehungen der Parteien Werk- oder Kaufvertragsrecht anzuwenden ist, was im Übrigen auch das von der Beklagten zitierte Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteil vom 30.07.2009 23 U 186/03 Tz. 15) offen gelassen hat. Der Senat hält zwar nach erneuter Prüfung daran fest, dass Kaufvertragsrecht und § 377 HGB gelten, da es sehr wohl um die Übergabe beweglicher Sachen gegangen ist (vgl. BGH Urteil vom 18.10.1989 VIII ZR 325/88 Abschnitt II.1.a.cc; Urt. v. 14.07.1993 VIII ZR 147/92 Abschnitt II. 2. b.). Auch bei der Anwendung von Werkvertragsrecht hätte die Beklagte gemäß § 640 Abs. 2 BGB ihre Rechte aus § 634 Nr. 1 bis 3 BGB verloren, da ihr die „genaue Gestaltung“ des Gewinnspiels „vor Beginn“ bekannt gewesen ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten differenziert § 640 Abs. 2 BGB nicht zwischen Sach- und Rechtsmängeln. Eine vertragswidrige Einholung der Einwilligung würde im Übrigen nicht dazu führen, dass die Kunden in Bezug auf die Adressen Rechte geltend machen könnten. Dieser Fall ist nicht vergleichbar mit einer Werbemaßnahme, die gegen das Urheberrecht Dritter verstößt.
Mangels Vereinbarung der von der Beklagten in zweiter Instanz verlangten Dokumentation über ein Double-Opt-In-Verfahren oder Ähnliches konnte die Beklagte auch wirksam keinen Rücktritt erklären.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus Verzug.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 543 Abs. 2 ZPO. Bei der gegebenen Tatsachenlage liegen ungeklärte und entscheidungserhebliche Rechtsfragen von allgemeiner Bedeutung nicht vor.