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BGH Beschluss vom 16.11.1995 - I ZR 229/93 - Zum Wegfall der Wiederholungsgefahr bei Zugang einer strafbewehrten Unterlassungserklärung des Schuldners, die sich als Ausdruck eines ernsthaften Unterlassungswillens darstellt

BGH v. 16.11.1995: Zum Wegfall der Wiederholungsgefahr bei Zugang einer strafbewehrten Unterlassungserklärung des Schuldners, die sich als Ausdruck eines ernsthaften Unterlassungswillens darstellt - Wegfall der Wiederholungsgefahr II -


Der BGH (Beschluss vom 16.11.195 - I ZR 229/93) hat entschieden:

  a)  Zur Auslegung einer Unterwerfungserklärung, die sich zwecks Ausräumung der durch die Verletzungshandlung begründeten Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht nur auf die konkrete Verletzungsform, sondern auf alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen beziehen muss.


  b?  Bei dem Verbot der Preisgegenüberstellung nach § 6 e UWG - aufgehoben durch Art. 1 Nr. 1 UWGÄndG vom 25.7.1994 (BGBl. I S. 1738) - handelt es sich um eine Verkaufsmodalität im Sinne der Keck-Rechtsprechung des EuGH (EuGH GRUR 1994, 296 ff. - Keck und Mithouard).




Siehe auch
Strafbewehrte Unterlassungserklärung zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr
und
Vertragsstrafe im Zusammenhang mit Unterlassungsansprüchen und Abmahnungsverfahren
sowie
Preiswerbung - Werbung mit Verkaufspreisen - Preisdumping - Mondpreise - Referenzpreise - Dumpingpreise


Gründe:


I.

Der Kläger ist ein Gewerbeverband, der satzungsgemäß Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht verfolgt. Die Beklagte betreibt einen Möbelhandel.

Die Beklagte warb in der H. Zeitung vom 10. Januar 1992 mit einer großformatigen Anzeige für verschiedene Artikel aus ihrem Sortiment. Die Anzeige ist - durch Schriftgröße und Fettdruck deutlich hervorgehoben - mit "REDUZIERT" und darunter "60 %" überschrieben. Links neben der Prozentangabe steht in kleinerem Druck "Sie sparen teilweise bis zu". Bei sämtlichen Preisangaben findet sich in kleinerem Druck ein - nur teilweise lesbarer - durchgestrichener Preis.

Der Kläger hat die Werbeangabe "REDUZIERT 60 %" als irreführend beanstandet. Er hat ferner in der Gegenüberstellung von Alt- und Neupreisen einen Verstoß gegen § 6 e Abs. 1 UWG gesehen.

Die Beklagte hat wegen des Vorwurfs der Irreführung am 22. Mai 1992 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, durch die sie sich verpflichtet hat, es künftig zu unterlassen,

   zu Wettbewerbszwecken in der Art und Gestaltung wie aus der Anzeige der Beklagten in der H. ZEITUNG vom 10.1.1992, S. ..., ersichtlich, anzukündigen:

   "Reduziert
Diese Einzelstücke stark preisreduziert.
Sie sparen teilweise bis zu 60 %".



Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch. Er hat die Unterwerfungserklärung als unzureichend angesehen. In ihr komme nicht hinreichend zum Ausdruck, dass der Werbetext "REDUZIERT 60 %" deshalb irreführend sei, weil die kleiner gedruckte Einschränkung "bis zu" nicht am Blickfang teilnehme und übersehen werde. Er hat ferner die Werbung mit durchgestrichenen höheren Altpreisen beanstandet.

Der Kläger hat beantragt,

   die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für Möbel

  a)  mit der blickfangmäßigen Ankündigung einer Preisherabsetzung, beispielsweise der Angabe "REDUZIERT 60 %" blickfangmäßig zu werben, sofern nur das Höchstmaß der Preisherabsetzung diesen Betrag erreicht,

  b)  für einzelne aus dem gesamten Angebot hervorgehobene Möbel mit der Nennung eines durchgestrichenen höheren und eines tatsächlich geforderten niedrigeren Preises zu werben, wenn dies geschieht wie in der H. ZEITUNG vom 10. Januar 1992, S. ... .





Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat sich hinsichtlich des Irreführungsvorwurfs darauf berufen, dass die Wiederholungsgefahr durch ihre Unterwerfungserklärung ausgeräumt sei. Im übrigen hat sie eine Irreführung für ausgeschlossen gehalten, weil die Leser die Angabe "REDUZIERT 60 %" zusammen mit dem weiteren Hinweis "Sie sparen teilweise bis zu" lesen und deshalb nicht annähmen, dass die Preise allgemein um 60 % herabgesetzt seien. Sie hat weiter einen Verstoß gegen § 6 e UWG a.F. in Abrede gestellt.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben.

Die Beklagte hat gegen das Berufungsurteil Revision eingelegt. Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 25. Juli 1994 (BGBl. I S. 1738) hat der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, weil er die Voraussetzungen für die Klagebefugnis nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG n.F. nicht mehr erfülle, und beantragt, die Verfahrenskosten der Beklagten aufzuerlegen. Zuvor hatte der Kläger den Rechtsstreit bereits hinsichtlich des Klageantrags zu b) in der Hauptsache für erledigt erklärt, da die Bestimmung des § 6 e UWG durch das UWGÄndG vom 25. Juli 1994 mit Wirkung vom 1. August 1994 aufgehoben worden ist. Die Beklagte hat den Erledigungserklärungen zugestimmt und beantragt, dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.




II.

Die Kosten des Rechtsstreits waren den Parteien je zur Hälfte aufzuerlegen, da dies unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes der Billigkeit entspricht (§ 91 a ZPO). Der Kläger wäre ohne die erledigenden Ereignisse voraussichtlich mit dem Klageantrag zu a), die Beklagte mit dem Antrag zu b) unterlegen.

1. Die Revision der Beklagten hätte Erfolg gehabt, soweit sie sich gegen die Verurteilung gemäß dem Unterlassungsantrag zu a) richtet. Dabei kann dahinstehen, ob - wie die Revision meint - bereits der Klageantrag deshalb nicht hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist, weil die Verwendung des Begriffs der "blickfangmäßigen Ankündigung" nicht geeignet ist, das Charakteristische des begehrten Verbots und dessen Grenzen hinreichend deutlich zu kennzeichnen. Weiter kann auf sich beruhen, ob der von der Revision angegriffenen Annahme des Berufungsgerichts beigetreten werden kann, die Anzeige erwecke den irreführenden Eindruck, die Beklagte habe für sämtliche beworbenen Waren die Preise um 60 % reduziert.

Selbst wenn von einer irreführenden Werbung im Sinne des § 3 UWG ausgegangen wird, weil - wie vom Berufungsgericht festgestellt - die kleiner gedruckten Worte "bis zu" nicht an der blickfangmäßigen Ankündigung "REDUZIERT 60 %" teilnehmen, ist entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Ansicht jedenfalls die durch den Wettbewerbsverstoß begründete tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr aufgrund der von der Beklagten abgegebenen Unterlassungserklärung entfallen. Nach ständiger Rechtsprechung kann die Wiederholungsgefahr durch eine strafbewehrte Unterwerfungserklärung - das heißt durch eine uneingeschränkte, bedingungslose und unwiderrufliche Unterwerfungserklärung unter Übernahme einer angemessenen Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung - ausgeräumt werden, weil regelmäßig nur dann an der Ernstlichkeit kein Zweifel besteht (zuletzt BGH, Urt. v. 10.2.1994 - I ZR 16/92, GRUR 1994, 443, 445 = WRP 1994, 504, 505 - Versicherungsvermittlung im öffentlichen Dienst; Urt. v. 24.2.1994 - I ZR 59/92, GRUR 1994, 516, 517 = WRP 1994, 506, 508 - Auskunft über Notdienste). Der Annahme des Berufungsgerichts, die abgegebene Erklärung reiche schon inhaltlich nicht aus, die Wiederholungsgefahr auszuräumen, weil sie sich lediglich auf die konkrete Anzeige beziehe und die zum Zwecke eines effektiven Rechtsschutzes erforderliche Verallgemeinerung auch auf Verstöße durch vergleichbare Anzeigen nicht berücksichtige, vermag der Senat nicht beizutreten.




Die Unterwerfungserklärung muss nach Inhalt und Umfang - ebenso wie der Antrag und die Urteilsformel - dem Unterlassungsanspruch entsprechen. Vorliegend erstreckt sich der Unterlassungsanspruch des Klägers nicht nur auf ein Verhalten der konkret beanstandeten Art, sondern er kann auch auf gewisse Verallgemeinerungen erweitert werden. Denn nach der Rechtsprechung des Senats beschränkt sich die durch eine Verletzungshandlung begründete Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht allein auf die genau identische Verletzungsform, sondern umfasst auch alle im Kern gleichartigen Verletzungsformen (vgl. BGH, Urt. v. 16.2.1989 - I ZR 76/87, GRUR 1989, 445, 446 = WRP 1989, 491 - Professorenbezeichnung in der Arztwerbung I; Urt. v. 25.4.1991 - I ZR 134/90, GRUR 1991, 772, 774 - Anzeigenrubrik I; Urt. v. 1.4.1993 - I ZR 85/91, GRUR 1993, 579, 581 - Römer GmbH). Vorliegend liegt das Charakteristische der konkreten Verletzungsform darin, dass - für die Prüfung in der Revisionsinstanz unterstellt - die einschränkenden Worte "bis zu" nicht am Blickfang "REDUZIERT 60 %" teilnehmen, so dass der irreführende Eindruck entsteht, sämtliche beworbenen Waren seien um 60 % herabgesetzt. Es ist zweifelhaft, ob mit der im Antrag und in der Urteilsformel vorgenommenen Verallgemeinerung im Kern das umschrieben wird, was für die beanstandete Anzeige charakteristisch ist und ihre Wettbewerbswidrigkeit begründet. Dagegen deckt die von der Beklagten abgegebene Unterwerfungserklärung, die - wie jede andere Willenserklärung auch - der Auslegung nach den allgemeinen Regeln zugänglich ist, den vorstehend herausgestellten Anspruchsgegenstand in der erweiterten Form hinreichend ab. Zwar sind an den Fortfall der Wiederholungsgefahr durch Abgabe einer Unterwerfungserklärung strenge Anforderungen zu stellen. Bestehen am Inhalt der Unterwerfungserklärung auch nur geringe Zweifel, dann reicht sie grundsätzlich nicht aus, die Besorgnis eines künftigen Wettbewerbsverstoßes auszuräumen (vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 9.11.1995 - I ZR 212/93 - Wegfall der Wiederholungsgefahr I, zur Veröffentlichung vorgesehen). Solche Zweifel bestehen hier nicht. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts wäre es der Beklagten im Streitfall aufgrund der von ihr abgegebenen Unterlassungserklärung versagt, von der beanstandeten Anzeige abzurücken, deren charakteristische Merkmale aber beizubehalten. Denn die Unterlassungserklärung der Beklagten bezieht sich nicht nur auf die konkrete Verletzungsform, sondern sie enthält aufgrund der Formulierung "in der Art und Gestaltung wie aus der Anzeige der Beklagten ... ersichtlich" eine deutliche Verallgemeinerung. Sie ist daher dahin auszulegen, dass sie sich auch auf kerngleiche Verletzungshandlungen bezieht.

2. Hinsichtlich des Unterlassungsantrags zu b) wäre die Beklagte unterlegen. Denn die Klage war insoweit bis zum Wegfall der Vorschrift des § 6 e UWG zum 1. August 1994 begründet. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht die tatbestandlichen Voraussetzungen des bis dahin geltenden § 6 e Abs. 1 UWG zu Recht bejaht. Es trifft zwar zu, dass bei der streitgegenständlichen Preisgegenüberstellung die Altpreise aufgrund der Durchstreichung teilweise unleserlich geworden sind. Die jeweils ersten Ziffern der vier- und fünfstelligen Preise bleiben jedoch erkennbar. Da diese für die Preisherabsetzung in erster Linie aufschlußreich sind, ist das Berufungsgericht zutreffend von einer nach altem Recht unzulässigen Preisgegenüberstellung ausgegangen.



Der Anwendbarkeit des § 6 e UWG für die Zeit vor dem 1. August 1994 steht auch die Entscheidung des EuGH vom 18. Mai 1993 - Rs C-126/91 - (WRP 1993, 615 - Yves Rocher) nicht entgegen. Es kann dahinstehen, ob die Nichtanwendung dieser auf Art. 30 EGV gestützten Entscheidung auf - wie hier - reine Inlandssachverhalte zu einer nach Art. 3 Abs. 1 GG unzulässigen Inländerdiskriminierung führen würde (vgl. Vorlagebeschluss des LG Düsseldorf NJW 1994, 752). Denn der EuGH hat nach Erlass der Yves Rocher-Entscheidung seine Rechtsprechung zu Art. 30 EGV durch sein Urteil vom 24. November 1993 in den verbundenen Rechtssachen C-267/91 und C268/91 (GRUR 1994, 296 ff. - Keck und Mithouard) geändert und nunmehr entschieden, dass Regelungen der Mitgliedstaaten über "Verkaufsmodalitäten" grundsätzlich nicht unter Art. 30 EGV fallen, sofern sie für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren. Die Begründung dieser Entscheidung spricht dafür, dass es sich bei dem Verbot der Preisgegenüberstellung nach § 6 e UWG um eine Verkaufsmodalität in diesem Sinne handelt (ebenso OLG Düsseldorf NJW 1994, 741, 742; vgl. auch Begründung zum Regierungsentwurf zum UWG-Änderungsgesetz, WRP 1994, 369, 374 f.). Von der Unanwendbarkeit dieser Bestimmung kann daher im Rahmen der hier zu treffenden Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO nicht ausgegangen werden.

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