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AG Donaueschingen v. 10.06.2010: Zur Frage einer Persönlichkeitsrechtsverletzung durch ungenehmigte Fotos von Privaträumen
Das Amtsgericht Donaueschingen (Urteil vom 10.06.2010 - 11 C 81/10) hat entschieden:
Werden Fotos von Wohnräumen ohne Einwilligung des Bewohners der Räume zu Werbezwecken ins Internet gestellt, stellt dies keine Persönlichkeitsrechtsverletzung dar, sofern aus den Fotos selbst oder ihrer Einbettung in die umgebende Homepage kein Rückschluss auf die Person des Bewohners gezogen werden kann.
Tatbestand:
Die Klägerin macht mit der Klage unter Berufung auf eine Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts Schadensersatz in Höhe von 2.000 € geltend.
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Anwesens in S. Die Beklagte ist Inhaberin eines Handwerksbetriebes, in dessen Rahmen sie auch Sanitärarbeiten und Badinstallationen durchgeführt. Im ersten Quartal des Jahres 2005 führte die Beklagte im Badezimmer des Anwesens der Klägerin Sanitärarbeiten durch.
Die Beklagte fertigte, während sie das Bad der Klägerin sanierte, Fotografien der Arbeiten und des Badezimmers. Auch, nachdem das Badezimmer fertig gestellt worden war, fotografierte die Beklagte das Bad erneut.
Im Jahr 2009 stellte die Klägerin fest, dass die Beklagte vier dieser Fotografien ins Internet gestellt hatte. Dies geschah dadurch, dass die Beklagte auf ihrer Firmen-Homepage vier Bilder des Badezimmer der Klägerin veröffentlicht hatte. Die Bilder waren nicht mit Namen oder Anschrift der Klägerin versehen. Fährt der Besucher der Homepage mit dem Mauszeiger über eines der vier Bilder des Badezimmer der Klägerin, so öffnet sich über jedem Bild jeweils ein „Pop-up“-Fenster, welches den Dateinamen „bad_[...]_....jpg“ trägt, wobei hier „xx“ hier für die Nummerierung der jeweiligen Bilder von 01-04 steht. Im einzelnen wird wegen der näheren Details dieser vier ins Internet gestellten Bilder des Badezimmer der Klägerin und wegen des Erscheinungsbild des Internetauftritts der Beklagten auf die Anlagen K1-K6, Aktenseiten AS 9-19, verwiesen. Die Beklagte stellte darüber hinaus auch ein Bild des Badezimmers unter der Homepage www.[...].de ins Internet als Referenzobjekt für die von ihr durchgeführten Sanitärarbeiten. Hinsichtlich der Details dieses Bildes und der Einstellung dieses Bildes ins Internet sowie hinsichtlich des Erscheinungsbilds der Website wird auf die Anlage K7 (AS 19) verwiesen.
Die Klägerin beantragt:
Die Beklagte wird dazu verurteilt, an die Klägerin 2.000 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz pro Jahr hieraus seit Rechtshängigkeit.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich der näheren Details des Sach- und Rechtsvortrag der Parteien wird verwiesen auf die Klageschrift vom 23.2.2010, auf den Schriftsatz der Klägerin vom 23.4.2010 und auf die Klageerwiderung vom 10.5.2010 sowie weiter auf das Protokoll des Termins zur mündlichen Verhandlung vom 20.5.2010.
Das Gericht hat in seiner Eingangsverfügung vom 23.4.2010 (AS. 33) sowie im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 20.5.2010 (AS. 95) einen rechtlichen Hinweis erteilt, auf dessen Inhalt verwiesen wird. In diesem Termin wurde die mündliche Verhandlung geschlossen.
Am 8.6.2010 ging ein Schriftsatz der Klägerin per Fax beim Amtsgericht ein.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung eines Schadensersatzes in Form der fiktiven Lizenzgebühr in Höhe von insgesamt 2.000 €. Der Klagevortrag ist nicht schlüssig, da auf seiner Grundlage nicht ersichtlich ist, dass die Tatbestandsvoraussetzungen einer schadensersatzbegründenden Norm erfüllt sind.
1. Die Kl. hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 2.000 € aus § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 253 Abs. 2 BGB. Für einen Schmerzensgeldanspruch aus § 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB fehlt es ebenso wie für einen Schadensersatz aus § 823 Abs. 1 BGB in Form der Lizenzanalogie an einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin in seiner vermögensrechtlichen Ausprägung. Die Beklagte hat das Persönlichkeitsrecht der Klägerin nicht dadurch verletzt, dass sie die streitgegenständlichen Fotografien ins Internet gestellt hat. Der Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts der Klägerin ist nicht dadurch betroffen. Denn sowohl die eigene Homepage der Beklagten, wie sie sich in den als Ausdrucken der Internetpräsenz vorgelegten Anlagen K1-K6 darstellt, als auch die Homepage, auf der Bilder des Badezimmers der Klägerin eingestellt waren, lassen für einen unbefangenen neutralen Beobachter keinerlei Rückschluss von der jeweiligen Fotografie des Badezimmers auf die Person gerade der Klägerin zu. Die Homepage der Beklagten nennt auf der Seite, auf der die Bilder eingestellt waren, weder den Namen, noch die Anschrift der Klägerin. Das einzige für Besucher der Website individualisierende und die Klägerin identifizierende Merkmal, das auf der Homepage der Beklagten auf die Person gerade der Klägerin verweist, ist das Wort „[...]“, das sich als Bestandteil der Dateinamen dann findet, wenn ein Besucher der Homepage mit dem Mauszeiger über eines der vier eingestellten Bilder fährt und dort für eine gewisse Zeit verbleibt. Gleichwohl lässt dies keinen Rückschluss auf die Person der Klägerin zu. Denn zum einen ist es nicht ersichtlich, dass es sich bei diesem Bestandteil des Dateinamen zum einen überhaupt um einen Namen und zum anderen um den Namen gerade der Klägerin handelt. Zum anderen kann ein Besucher der Seite keine Verknüpfung zwischen diesem Wort - falls es denn überhaupt als Name erkannt wird - und der Person der Klägerin herstellen, weil die Website weder den Namen noch die Anschrift noch den genauen Standort des Badezimmer verzeichnet, das auf den Bildern abgebildet ist. Bei dem Wort „[...]“ kann es sich um vieles handeln; es ist nicht zwingend, dass es sich hier erstens um einen Namen und zweitens um den Namen gerade der Klägerin handelt. Für den unbefangenen neutralen Beobachter ist es nicht ersichtlich, dass es sich bei dem abgebildeten Badezimmer um das Badezimmer gerade der Klägerin handelt. Mangels individualisierender Merkmale kann keine Verknüpfung zwischen den Fotografien auf der Homepage und der Person der Klägerin hergestellt werden. Der von der Klägerin auf gerichtlichen Hinweis, dass individualisierende Merkmale bislang nicht vorgetragen sind, vorgelegte Auszug aus dem Telefonbuch ist nicht geeignet, eine derartige Verknüpfung zwischen Fotografien und Person der Klägerin herzustellen. Denn zum einen leuchtet bei Betrachtung der vorgelegten Ausdrucke der Homepage bereits nicht ein, weshalb sich aus der Homepage ergeben soll, dass sich die Eigentümerin des Badezimmers gerade im Kreis S. aufhält. Die Homepage enthält nämlich keinerlei entsprechenden Hinweis oder sonstige Anhaltspunkte, aus denen gerade dies geschlossen werden könnte. Es sind lediglich die Bilder mit dem Dateinamen eingestellt. Aber auch aus den Dateinamen ergibt sich kein Rückschluss auf die Person gerade der Klägerin, weil die Klägerin bereits selbst vorträgt, dass es im Kreis S mehrere Personen mit dem Namen „[...]“ gebe.
Eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts setzt indes voraus, dass die verletzende Handlung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Person steht, auf die sich die Handlung bezieht und die einen Anspruch wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts geltend macht. An einem derartigen unmittelbaren Zusammenhang fehlt es hier. Es ist nach alledem nicht ersichtlich, inwiefern ein unbefangener und objektiver Dritter Beobachter einen Zusammenhang zwischen der Klägerin und den eingestellten Bildern herstellen könnte.
Überdies vermögen die vorgelegten Bilder auch keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin zu begründen, weil es noch keine Verletzung der Privatsphäre einer Person darstellt, wenn ihr Badezimmer auf eine Art und Weise abgebildet wird, wie es hier in den Anlagen K2 bis K6 geschehen ist. Die Abbildungen greifen nicht in die Privat- oder gar die Intimsphäre ein, weil sie keinerlei Rückschluss auf die Persönlichkeitsstruktur der Klägerin zulassen. Es könnte sich bei den Bildern um ein beliebiges Badezimmer handeln; es ergibt sich keinerlei Hinweis darauf, dass es sich gerade um das Badezimmer der Klägerin als individualisierter Person handelt.
2. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 zweite Alternative BGB. Die Voraussetzungen eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs aus Eingriffskondiktion wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts liegen nicht vor. Dass das Persönlichkeitsrecht der Klägerin nicht verletzt worden ist, ergibt sich aus den Darlegungen unter 1. Damit fehlt es an den tatbestandlichen Voraussetzungen des Kondiktionsanspruches.
Letztlich versucht die Klägerin unter Berufung auf den vermögensrechtlichen Gehalt des Persönlichkeitsrechts hier die Tatsache zu monetarisieren, dass die Beklagte Bilder ihres Badezimmers zu Werbezwecken verwendet hat. Eine derartige Monetarisierung ist indes nur möglich auf der dogmatischen Grundlage einer Verletzung eines absoluten Rechts der Klägerin, die hier wie gezeigt nicht in Form einer Persönlichkeitsrechtsverletzung vorliegt. Das Recht der Klägerin auf Wahrung ihrer Privatsphäre ist hier nicht verletzt, weil aus den Bildern nur erkennbar ist, dass irgendein Badezimmer abgebildet ist; nicht erkennbar ist, dass es sich um das Badezimmer gerade der Klägerin handelt. Das Persönlichkeitsrecht ist aber nicht um sich selbst willen geschützt, sondern nur als Ausfluss des Rechts auf Wahrung der persönlichen Integrität und der Privatsphäre, was voraussetzt, dass es untrennbar und für Außenstehende erkennbar für mit seinem Träger verknüpft ist. Dies gilt auch für die in der Rechtsprechung entschiedenen Fälle, in denen unerlaubt Werbung gerade mit der Person etwa eines Prominenten betrieben wurde (vergleiche nur BGH, NJW 2000, 2195 „Marlene Dietrich“ und BGH, NJW 2000, 2201 „Blauer Engel“), soweit der vermögensrechtliche Gehalt des Persönlichkeitsrechts betroffen ist. In diesen Fällen ist entscheidend für den Schadensersatzanspruch die Verknüpfung gerade einer Person mit kommerziellen Interessen. An dieser Verknüpfung aber fehlt es hier. Hier wird ausschließlich ein Badezimmer mit der Werbung der Beklagten verknüpft, nicht aber gerade die Person der Klägerin. Anders wäre der Fall zu beurteilen, hätte die Beklagte unerlaubt mit dem Namen oder einem Bild der Klägerin geworben. Dies geschah hier aber nicht; die Werbung konzentrierte sich ausschließlich auf Tatsachen, nämlich Gestaltung und Einrichtung des Bads, die Außenstehende nicht mit der Person der Klägerin verknüpfen konnten. Deswegen geht der Verweis der Klägerin auf die Entscheidung des Amtsgerichts Rüsselsheim v. 10.10.2001, 3 C 806/01 fehl; dort war der Name des Anwesens in der Werbebroschüre genannt. Die von der Klägerin zitierte Entscheidung des Landgerichts Hamburg v. 22.5.2009, 324 O 791/08 ist mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, weil dort ein virtueller Rundgang durch ein ganzes Haus und nicht lediglich durch ein Badezimmer im Internet präsentiert wurde. Dieser Entscheidung ist nicht zu folgen, weil sie sich nicht hinreichend damit auseinandersetzt, inwiefern eine – hier im Fall fehlende, siehe oben - Verknüpfung zwischen der individuellen Person als Grundrechtsträger und der Werbung stattfindet.
3. Die Klägerin hat gegen die Beklagte außerdem keinen urheberrechtlichen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Form der fiktiven Lizenzgebühr aus § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor. Bei dem Badezimmer der Klägerin handelt es sich nicht um ein urheberrechtlich geschütztes Werk. Es fehlt schon an der notwendigen Schöpfungshöhe im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG, weil es sich bei einem Badezimmer um einen Gegenstand des alltäglichen Lebens handelt. Es ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass es sich bei dem Badezimmer der Klägerin um einen künstlerisch besonders wertvollen oder aus sonstigen Gründen urheberrechtlich schützenswerten Raum handelt. Denn Alltagsbauten, die lediglich bekannte architektonische Formen wiederholen und sich nicht aus der Masse des alltäglichen Bauens, die also rein handwerkliche planerische Routineleistungen darstellen, sind als reine Zweckbauten ohne künstlerischen Anspruch nicht geschützt (vgl. hierzu OLG Karlsruhe, GRUR 1985, 524, 535 und Bullinger, in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Aufl. 2009, § 2 UrhG Rn. 109). Abgesehen davon sind einzelne Zimmer eines Gebäudes nicht selbstständig geschützt (Bullinger, a. a. O.). Einfache Tatbestände des Alltags, die keinen besonderen künstlerischen Wert haben, sind urheberrechtlich nicht geschützt. Maßgeblich ist, ob es sich bei einem Werk um eine individuelle Schöpfung mit einem gewissen künstlerischen Wert handelt. Eine derartige individuelle Schöpfung scheidet aus, wenn ein Werk lediglich vorhandene Ausdrucksformen wiederholt. Das Werk muss subjektiv neu sein.
Alle diese Voraussetzungen sind beim Badezimmer der Klägerin nicht gegeben. Es ist schon nicht dargelegt, dass es sich bei dem Badezimmer überhaupt um ein Werk der Klägerin und nicht etwa der Beklagten handele; aus dem Vortrag der Klägerin lässt sich auch das notwendige Mindestmaß schützenswerter Schöpfungshöhe nicht erkennen.
4. Der im Verhandlungstermin gestellte Antrag der Klägerin auf Gewährung eines Schriftsatznachlasses nach § 283 ZPO musste nicht beschieden werden, weil die Klage unschlüssig war und das Gericht hierauf mehrfach, zuletzt in der streitigen Verhandlung, hingewiesen hatte. Es bedurfte daher keiner Erwiderung auf die Klageerwiderung; eine Klageerwiderung war mangels Schlüssigkeit nicht notwendig, so dass auch keine Replik auf die Klageerwiderung notwendig ist.
Ein Schriftsatzrecht nach § 139 Abs. 5 ZPO hat die Klägerin nicht beantragt, sondern nur ein Erwiderungsrecht nach § 283 ZPO auf die Klageerwiderung. Selbst wenn ihr Antrag als Schriftsatzantrag nach § 139 Abs. 5 ZPO auszulegen wäre, wäre kein Schriftsatznachlass zu gewähren, da das Gericht in seiner Eingangsverfügung seine Bedenken gegen die Schlüssigkeit hinreichend klar dargelegt hat. Die Klägerseite hat bereits auf diesen Hinweis hin vorgetragen, so dass davon auszugehen ist, dass sie nicht weiter in dieser Hinsicht vortragen kann und ihr Vortrag insoweit erschöpft ist, so dass auch kein Schriftsatznachlass nach § 139 Abs. 5 ZPO zu gewähren ist. Der Vertreter der Klägerin hat im Termin auch erklärt, dass an der Klage weiter festgehalten werde; es ist damit auch kein Schriftsatznachlass für eine etwaige Klagerücknahme notwendig.
Demgemäß ist auch die mündliche Verhandlung nicht wiederzueröffnen; die Voraussetzungen hierfür aus § 156 Abs. 1, Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Es ist insbesondere auf Grund der erfolgten Hinweise und der Möglichkeit, im Termin Stellung zur geäußerten Rechtsauffassung des Gerichts zu beziehen, keine Aufklärungs- oder Hinweispflichtverletzung oder eine Gehörsverletzung im Sinne des § 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu verzeichnen. Der neue und aus rechtlicher Sicht unerhebliche Tatsachenvortrag der Klägerin ist gemäß § 296a S. 1 ZPO als verspätet zurückzuweisen. Dass die Klägerin eine andere Rechtsauffassung als das Gericht vertritt in Bezug auf die Verletzung des Persönlichkeitsrechts rechtfertigt weder einen Schriftsatznachlass nach §§ 139 Abs. 5, 283 ZPO noch die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 70 Nr. 11, 711 ZPO.
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