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Landgericht Mannheim Beschluss vom 12.10.2010 - 24 Qs 2/10 - Zur Verwertbarkeit von E-Mails nach Überwachung von E-Mail-Accounts über einen "Gastzugang" des Providers
 

 

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Datenschutz - E-Mails - Durchsuchung - ISP


LG Mannheim v. 12.10.2010: Zur Verwertbarkeit von E-Mails nach Überwachung von E-Mail-Accounts über einen "Gastzugang" des Providers


Das Landgericht Mannheim (Beschluss vom 12.10.2010 - 24 Qs 2/10) hat entschieden:
Die Sicherstellung und Beschlagnahme von auf dem Mailserver des Providers gespeicherten E-Mails sind grundsätzlich am Grundrecht auf Gewährleistung des Fernmeldegeheimnisses aus Art. 10 Abs. 1 GG zu messen. Für Eingriffe müssen deshalb die Voraussetzungen der §§ 94 ff StPO gegeben sein. Ermöglicht aber ein Provider den Ermittlungsbehörden den Zugriff auf den E-Mail-Verkehr durch einen "Gastzugang", so liegt kein Grundrechtsverstoß der Behörden vor, und es besteht kein Verwertungsverbot für derartige Zufallsfunde.




Gründe:

I.

Die Staatsanwaltschaft Mannheim führt gegen den Beschwerdeführer ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue zum Nachteil der ... und deren namentlich benannter Kunden durch zweckwidrige Verwendung von CpD-Konten mit einem Gefährdungsschaden von ca. 97 Mio. € sowie Untreue zum Nachteil von .... Wegen der Einzelheiten des zugrunde liegenden Sachverhalts wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die ausführliche Sachverhaltsdarstellung im Durchsuchungsbeschluss vom 26.02.2010 EA IV, As. 1738-1750 verwiesen.

Mit Beschluss vom 26.02.2010 (vgl. EA IV, As. 1738-1750) ordnete das Amtsgericht Mannheim – Az.: 41 Gs 215 E/10 – gemäß § 103 StPO die Durchsuchung der Geschäftsräume der Firma ... GmbH ... sowie die Beschlagnahme sämtlicher E-Mails und sonstigen elektronischen Aufzeichnungen im Zusammenhang mit den unter II des Durchsuchungsbeschlusses im einzelnen dargestellten Straftaten ab 01.08.2008 bis einschließlich Dezember 2009 des folgenden E-Mail-Accounts ...@...net an. Mit Schreiben vom 03.03.2010 übermittelte KOK P der Firma ... den Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss vom 26.02.2010 und bat um Übersendung der dort genannten Beweismittel (vgl. EA IV, As. 1805). Als Reaktion hierauf, übermittelte der Zeuge B mit E-Mail vom 10.03.2010 einen Gastzugang für RT-52 (vgl. EA IV, As. 1916) mit dem Hinweis, der Gastzugang sei bis 19.03.2010 gültig. Eine zeitliche oder inhaltliche Beschränkung des Gastzugangs erfolgte darüber hinaus nicht. Aus diesem freiwillig und ohne inhaltliche Begrenzung gewährten Gastzugang resultieren E-Mails ab dem 08.02.2010 betreffend den Vorgang einer Flugreise (EA IV, As. 1925, 1962-1968), E-Mail-Verkehr mit dem Geschädigten ... nach Dezember 2009 (EA IV, As. 1924, 1962-1963) sowie E-Mails betreffend einer vom Durchsuchungsbeschluss nicht erfassten Straftat zum Nachteil der Zeugen Ba und Br (EA IV, As. 1918-1923, 1926-1961). Von allen vorgenannten Vorgängen wurden Ausdrucke erstellt und zu den Ermittlungsakten genommen. Die Firma ... als Durchsuchungsbetroffene erhob hiergegen soweit ersichtlich keine Einwände. Unter dem 17.05.2010 (EA V, As. 2123) erkundigte sich der Verteidiger des Beschwerdeführers nach der Rechtsgrundlage für die Sicherstellung der E-Mails den Zeitraum 08.02.2010 bis 10.03.2010 betreffend. Als Reaktion hierauf beantragte die Staatsanwaltschaft Mannheim am 08.07.2010 den E-Mail-Verkehr mit den Zeugen Br und Ba (EA IV, As. 1918-1923, 1926-1961) zu beschlagnahmen, weil es sich insoweit um einen Zufallsfund bezüglich einer weiteren einschlägigen Straftat handele. Unter dem 19.07.2010 erließ das Amtsgericht Mannheim – Az.: 41 Gs 883/10 – den beantragten Beschlagnahmebeschluss. Ebenfalls unter dem 19.07.2010 beantragte die Verteidigung, den Antrag der Staatsanwaltschaft vom 08.07.2010, den E-Mail-Verkehr mit den Zeugen Br und Ba zu beschlagnahmen, zurückzuweisen und festzustellen, dass die Auswertung der E-Mail-Accounts von Herrn ... bei der ... GmbH mittels der Gewährung eines "Gastzugangs" sowie die Sicherstellung und die Beschlagnahme des E-Mail-Verkehrs mit den oben genannten Zeugen sowie des E-Mail-Verkehrs zum Vorgang einer Flugreise und des E-Mail-Verkehrs mit dem Zeugen ... rechtswidrig gewesen sind. Über die Feststellungsanträge hat das Amtsgericht Mannheim noch nicht entschieden. Mit Fax vom 30.07.2010 legte die Verteidigerin des Beschwerdeführers Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Mannheim vom 19.07.2010 ein. Sie rügt, dass es für den bei der ... eingerichteten Gastzugang keine ausreichende Rechtsgrundlage gebe; jedenfalls fehle es am erforderlichen richterlichen Beschluss. Es handele sich desweiteren nicht um Zufallsfunde. Auch verletzte der Beschluss den Anspruch des Beschuldigten auf rechtliches Gehör. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 28.07.2010 verwiesen. Unter dem 04.08.2010 beschloss das Amtsgericht der Beschwerde nicht abzuhelfen und legte die Sache zur Entscheidung dem Landgericht Mannheim vor. Die Staatsanwaltschaft Mannheim verweist hinsichtlich der Beschwerde auf ihre Stellungnahme vom 08.07.2010, mit der sie den Erlass des angegriffenen Beschlagnahmebeschlusses beantragte. Sie ist der Auffassung, dass es sich bei der Entdeckung der Straftaten zum Nachteil der Zeugen Br und Ba um Zufallsfunde handele.


II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Sicherstellung und Beschlagnahme von auf dem Mailserver des Providers gespeicherten E-Mails sind grundsätzlich am Grundrecht auf Gewährleistung des Fernmeldegeheimnisses aus Art. 10 Abs. 1 GG zu messen (vgl. BVerfG NJW 2009, 2431). Für Eingriffe müssen deshalb die Voraussetzungen der §§ 94 ff StPO gegeben sein. Im vorliegenden Fall war der E-Mail-Verkehr mit den Zeugen Br und Ba nicht vom Durchsuchungsbeschluss erfasst.

Ein Eingriff in dieses Grundrecht durch staatliche Behörden ist im Hinblick auf die streitgegenständlichen E-Mails dennoch nicht gegeben. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Firma ... die Daten die Zeugen Br und Ba betreffend, freiwillig herausgegeben hat. Bei der Firma ... GmbH handelt es sich um einen Dritten. Dieser Dritte hat freiwillig und ohne inhaltliche Beschränkung den Gastzugang den Ermittlungsbehörden zur Verfügung gestellt. Zur Bereitstellung eines Gastzugangs bis 19.03.2010 war die ... GmbH weder durch den Beschluss vom 26.02.2010 noch das Schreiben vom 03.03.2010 aufgefordert worden. Insbesondere in letzterem war nur um die Übersendung genau bezeichneter Beweismittel ersucht worden. Die Firma ... gewährte statt dessen freiwillig überobligatorischen Zugriff – vom 01.01.2010 bis 19.03.2010 – auf bei ihr vorhandene Daten des Beschwerdeführers. Ob sie hierzu gegenüber dem Beschwerdeführer im Innenverhältnis zivilrechtlich berechtigt war und/oder gegen Datenschutzgrundsätze verstieß, ist für die vorliegende Entscheidung ohne Bedeutung. Gegen die Inverwahrnahme der streitgegenständlichen E-Mails haben die Verantwortlichen der ... GmbH keine Einwände erhoben. Sie habe sie somit freiwillig herausgegeben i. S. v. § 94 StPO. Sie sind auch als Beweismittel von Bedeutung, da sie Hinweise auf weitere Straftaten des Beschwerdeführers enthalten.

Die Frage, ob in Fortführung der o. g. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nach Widerspruch des Beschwerdeführers eine richterliche Bestätigung der Sicherstellung/Beschlagnahme erforderlich ist, muss die Kammer nicht entscheiden. Denn selbst wenn eine solche erforderlich wäre, ist sie zu Recht durch das Amtsgericht Mannheim mit Beschluss vom 19.07.2010 erfolgt. Das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers wurde hierbei gewahrt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.









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