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LG Düsseldorf v. 24.03.2006: Zur vertragstypologischen Einordnung eines Internet-System-Vertrages
Das Landgericht Düsseldorf (Urteil vom 24.03.2006 - 22 S 309/05) hat entschieden:
Ein zwischen Unternehmen abgeschlossener Internet-System-Vertrag über das Fertigen eines Webdesigns für einen Internetauftritt und das Hosten dieses Auftritts ist ein typengemischter Vertrag mit Elementen aus Dienst-, Werk- und Mietvertrag. Weder eine Teilerbringung von Leistungen durch den Auftraggeber noch eine teilweise Fehlerhaftigkeit noch das Nichterreichen von ersten Plätzen in Suchmaschinen berechtigen den Auftraggeber zur fristlosen Kündigung des Vertrages.
Gründe:
I.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Entscheidungserheblicher ergänzender Sachvortrag ist in der Berufungsinstanz nicht erfolgt.
II.
Die Berufung der Klägerin, mit der diese ihr erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiterverfolgt und insoweit die Abänderung des angefochtenen Urteils begehrt, ist zulässig. Sie ist fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist auch i.S.d. § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO formell ordnungsgemäß begründet worden. Die Klägerin rügt, das amtsgerichtliche Urteil beruhe auf einer fehlerhaften Tatsachenfeststellung. Die Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen xxx und xxx habe nicht ergeben, es sei zugesichert worden, dass in den Suchmaschinen ein erster Platz erreicht werde. Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts sei fehlerhaft. Die Berufungsbegründung enthält die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine neue Feststellung gebieten könnten, § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 ZPO.
III.
Die Berufung hat in der Sache Erfolg. Der Klägerin steht der streitgegenständliche Zahlungsanspruch aus §§ 535 Abs. 1, 611 Abs. 1, 631 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Internet-System-Vertrag vom 11.10.2002 gegen die Beklagte zu 2) zu. Die Beklagte zu 1) haftet akzessorisch gemäß § 128 HGB. Der vertragliche Vergütungsanspruch ist auch fällig in Höhe von € 974,40 seit dem 01.03.2004 und in Höhe von weiteren € 974,40 seit dem 01.03.2005. Gemäß § 1 Abs. 1 AGB ist die Zahlung des jährlichen Entgelts im Voraus festgelegt. Diese Klausel hält einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand (vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 02.12.2005 - 22 S 115/05). Der Vertrag ist nicht durch eine Kündigung mit dem Schreiben vom 06.11.2003 beendet worden.
IV.
Der zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2) geschlossene Vertrag ist ein sog. Webhosting- und Webdesignvertrag, mithin ein typengemischten Vertrag mit Elementen aus Dienst-, Werk- und Mietvertrag (vgl. Spindler, Recht der Internetprovider, S. 399, 537). Die von den Beklagten vorgetragenen Gründe rechtfertigen weder jeder für sich noch in einer Gesamtschau eine fristlose Kündigung, zu der die Beklagte zu 2) grundsätzlich nach § 2 Abs. 1 AGB berechtigt wäre. Sie ist vorliegend nicht wirksam erfolgt, weil es der Beklagten zu 2) zumutbar war, am Vertrag festzuhalten.
1. Ein Grund für eine fristlose Kündigung ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass der Internetauftritt nicht von der Klägerin alleine erstellt wurde, sondern das Firmenprofil von der Beklagten zu 2) selbst erstellt und geschrieben worden war. Die Beklagte zu 2) traf nach Nr. 2 der Leistungsbeschreibung eine Mitwirkungspflicht dahingehend, alle Daten, Bilder und Texte bereitzustellen. Dass diese Leistungsbeschreibung Vertragsinhalt geworden war, haben die Beklagten nicht bestritten. Inwieweit die Klägerin die Gestaltung und Programmierung der Internetpräsenz selbst - wie gemäß Nr. 3 der Leistungsbeschreibung geschuldet - nicht erbracht haben sollte, haben die Beklagten nicht substantiiert vorgetragen. Sie haben nicht dargelegt, inwieweit das von ihnen behauptete Erstellen und Gestalten der Internetpräsenz über ihre vertragliche Mitwirkungspflicht hinausgegangen sei.
2. Des Weiteren folgt kein Grund für eine fristlose Kündigung aus den von den Beklagten vorgetragenen Fehlern im Internetauftritt. Laut ihrem Vortrag soll die Internetpräsenz bei Veröffentlichung fehlerbehaftet gewesen sein. Es habe sich um inhaltliche Fehler und um Rechtschreibfehler gehandelt. Eine Umsetzung der Änderungswünsche sei verzögert und nur unter erneuter Bemängelung erfolgt. Als auch nach weiteren Hinweisen Fehler vorgelegen hätten, habe man aus wichtigem Grund gekündigt. Sie haben nicht vorgetragen, welche Fehler noch vorhanden waren, als die Beklagte zu 2) den Vertrag mit Schreiben vom 06.11.2003 gekündigt hatte. Sie haben nicht den klägerseitigen Vortrag bestritten, dass die Internetpräsentationen, die die Klägerin erstellt hatte, im Internet abrufbar seien. Auf der Grundlage der von den Beklagten mit Schriftsatz vom 18.05.2005 vorgetragenen Fehler folgt nicht die Unzumutbarkeit, an dem Vertrag festzuhalten. Es kann nicht festgestellt werden, dass es sich um gravierende Fehler gehandelt hatte. Insoweit fehlt jeglicher nachvollziehbarer Vortrag der Beklagten. Was "schwerwiegend und nachhaltig" heißen soll, wird nicht erläutert. Gerade bei dem Erstellen einer Internetpräsentation ist eine Absprache zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer notwendig, so dass es zwangsläufig zu einer Interaktion bezüglich der Einzelheiten des Auftritts kommt. Soweit in der Internetpräsentation Rechtschreibfehler gerügt wurden, handelt es sich zwar um vermeidbare Fehler auf Seiten der Klägerin, die jedoch nicht so gravierend sind, dass es der Beklagten zu 2) nicht mehr zumutbar gewesen war, an dem Vertrag festzuhalten. Dies gilt insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass der Internetauftritt der Beklagten zu 2) im Internet abrufbar ist und sie nicht vorgetragen hat, dass er gegenwärtig noch fehlerbehaftet sei. Entgegen der Ansicht der Beklagten ergibt sich aus den Ausführungen in dem Urteil Amtsgericht Frankfurt(Oder) vom 14.07.2000 - 2.2 C 307/00 (NJW-RR 2001, 277) kein Argument, das für ein Recht zu einer fristlosen Kündigung im vorliegenden Verfahren streitet. Die zugrundeliegenden Sachverhalte sind nicht vergleichbar. Im zitierten Verfahren stand das Kündigungsrecht bei einem Mobilfunktelefonvertrag in Frage. Zwischen diesem und dem streitgegenständliche Vertrag lassen sich keine Parallelen ziehen.
3. Der Beklagte zu 2) stand auch kein Recht zu einer fristlosen Kündigung zu, weil sie nicht auf den ersten Plätzen bei den Internetsuchmaschinen zu finden war. Eine dahingehende Zusicherung von der Klägerin steht aufgrund der erstinstanzlichen Beweisaufnahme nicht fest. Die Klägerin rügt erfolgreich mit ihrer Berufung, dass die erstinstanzliche Beweiswürdigung fehlerhaft gewesen sei. Die durch den Zeugen N... gegebenen Auskünfte über Platzierungen in den Suchmaschinen lassen im Wege der Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB aus der Sicht eines objektiven Beobachters nicht den Schluss zu, dass eine Zusicherung abgegeben worden war. Aus den Aussagen der Zeugen N... und C... folgt entgegen dem amtsgerichtliche Urteil nicht der Beweis, dass es zugesichert worden sei, dass die Beklagte zu 2) auf den ersten Stellen der Suchmaschinen zu finden sein werde. Der Zeuge xxx hat bekundet, dass er den Kunden lediglich von den Erfahrungswerten berichtet habe, eine Platzierung unter den ersten Zehn sei bei vielen Kunden erreicht, manche seien besser, andere schlechter platziert. Die subjektiven Erwartungen der Beklagten, die Anmeldung bei den Suchmaschinen werde zu einer Eintragung auf den ersten Plätzen führen, ist unbeachtlich; es ist auf den objektiven Empfängerhorizont abzustellen. Die Aussage des Zeugen xxx ist in Bezug auf die Frage der Zusicherung ist nicht ergiebig. Er konnte lediglich bekunden, dass in dem zu dem Vertragsschluss führenden Gespräch über die Platzierung bei den Suchmaschinen und dahingehende Tricks gesprochen worden und ihm nach Abschluss des Gesprächs berichtet worden war, dass diese Tricks auch bei der Beklagten zu 2) angewendet werden sollten. Dass eine Zusicherung erteilt worden sei, die Beklagte zu 2) werde auf den ersten Plätzen zu finden sein, hat er nicht bekundet. Insbesondere kann auch nicht aus dem Umstand, dass der Zeuge O. zu Kundenbesuchen die Abfrageergebnisse bei den Suchmaschinen präsentierte, eine entsprechende Zusicherung geschlossen werden. Zum einen lagen diese Kundenbesuche zeitlich nach dem Vertragsschluss und zum anderen zeigt dies nur, dass den Platzierungen Wichtigkeit zugemessen wurde. Daraus ergibt sich jedoch noch keine Zusicherung.
Zudem hätte auch bei einer Zusicherung bezüglich der Präsenz in den Suchmaschinen kein Recht zu einer fristlosen Kündigung bestand. Es ist den Beklagten zwar zuzugeben, dass die Präsenz auf den vorderen Plätzen ein entscheidendes Kriterium für sie für den Vertragsabschluss war. Jedoch erschöpft sich der streitgegenständliche Vertrag nicht in der Präsenz in den Suchmaschinen. Ebenfalls sind geschuldet das Erstellen der Internetpräsenz und das Bereitstellen der Website. Daraus ergibt sich, dass die Platzierung in den Suchmaschinen zwar zu einer Minderung - nach einer etwaigen Abnahme nach § 641 BGB - oder, für den Fall, dass die Platzierung in den Suchmaschinen Geschäftsgrundlage des Vertrages geworden ist, zu einer Anpassung des Vertrages gemäß §§ 313 Abs. 1, 2 und 3 BGB berechtigen mag, nicht jedoch zu einer fristlosen Kündigung.
4. Eine Umdeutung der fristlosen in eine ordentliche Kündigung nach § 140 BGB scheidet vorliegend aus, denn letztere ist ausgeschlossen. Für den hier vorliegenden Vertragstyp mag grundsätzlich das Institut der ordentlichen Kündigung offen stehen, eine solche ist jedoch wirksam über § 2 Abs. 2 AGB i.V.m. der Vereinbarung einer Vertragslaufzeit von 3 Jahren ausgeschlossen. Eine Laufzeit von 3 Jahren stellt gegenüber einem Kaufmann keine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 und 2 BGB dar. Die Beklagte zu 2) ist als OHG Formkauffrau. Formularmäßige Laufzeitregeln sind im Geschäftsverkehr unter Kaufleuten im Rahmen des Angemessenen zulässig (Palandt-Heinrichs, 63. A., BGB, § 309 Rn. 89). Die Interessen in dem Vertrag sind nicht einseitig ausschließlich zugunsten der Klägerin gewahrt. Eine Laufzeit von drei Jahren ist für einen durchschnittlichen Unternehmer ein überschaubarer Zeitraum und eine Entscheidung, ob er sich für den entsprechenden Zeitraum binden will, kann ihm zugemutet werden. Die Klägerin hat ein anerkennenswertes Interesse daran, dass sich ihr Investitionen in das Erstellen der Internetpräsenz und das Bereitstellen der Domain über das monatliche Entgelt amortisiert.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO.
Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlass i.S.v. § 543 Abs.2 ZPO.
Der Streitwert für die Berufung wird auf € 1.948,80 festgesetzt.
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