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AG Berlin-Mitte v. 05.01.2010: Die gesetzliche Regelung des § 357 Abs. 3 BGB ist auch in Anbetracht des Art. 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.05.1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz und der hierzu ergangenen Entscheidung des EuGH vom 03.09.2009 – C – 489/07 als wirksam anzusehen, wobei die in § 357 Abs. 3 BGB enthaltene Ausnahmeregelung im Lichte dieser Entscheidung dahingehend auszulegen ist, dass der Begriff der Prüfung der Ware auch ein Ausprobieren der Ware einschließt. Der Anspruch auf Kaufpreisrückforderung und der Wertersatzanspruch stehen sich aufrechenbar gegenüber.
Das Amtsgericht Berlin-Mitte (Urteil vom 05.01.2010 - 5 C 7/09) hat entschieden:
Die gesetzliche Regelung des § 357 Abs. 3 BGB ist auch in Anbetracht des Art. 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.05.1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz und der hierzu ergangenen Entscheidung des EuGH vom 03.09.2009 – C – 489/07 als wirksam anzusehen, wobei die in § 357 Abs. 3 BGB enthaltene Ausnahmeregelung im Lichte dieser Entscheidung dahingehend auszulegen ist, dass der Begriff der Prüfung der Ware auch ein Ausprobieren der Ware einschließt. Der Anspruch auf Kaufpreisrückforderung und der Wertersatzanspruch stehen sich aufrechenbar gegenüber.
Tatbestand:
Von einer Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der dem Kläger nach dem wirksamen Widerruf des Fernabsatzvertrages gemäß §§ 346 Abs. 1, 312dAbs. 1, 355, 357Abs. 1 BGB grundsätzlich zustehende Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises ist vorliegend in Höhe der mit der Klage noch geltend gemachten restlichen 55,00 Euro durch die seitens der Beklagten zumindest konkludent erklärte Aufrechnung in entsprechender Höhe mit einem Wertersatzanspruch gemäß § 357 Abs. 3 BGB in Verbindung mit § 7 der vertraglich vereinbarten AGB der Beklagten in Verbindung mit § 389 BGB erloschen. Die konkludente Aufrechnungserklärung der beklagten Partei ist darin zu sehen, dass diese spätestens im Prozess auf einen Wertersatzanspruch als Gegenanspruch in entsprechender Höhe und auf die vorgenommene Verrechnung mit einem Teil des zurück zu gewährenden Kaufpreises hingewiesen hatte.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht entsprechend zu dem bereits mit Beschluss vom 19.05.2009 erteilten ausführlichen gerichtlichen Hinweis gemäß § 286 ZPO zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die auf dem Gehäusedeckel des Geräts bei bestimmtem Lichteinfall zu erkennenden Gebrauchsspuren, die die Parteienvertreter im Verhandlungstermin am 05.05.2009 in Augenschein nehmen konnten und die der Zeuge nach seinen glaubhaften Bekundungen beim Auspacken des Geräts nach der Rücksendung festgestellt hatte, im Einflussbereich des Klägers entstanden waren und diese nicht bereits bei Übersendung der Ware an den Kläger vorhanden waren und auch nicht auf dem Transportweg anlässlich der Rücksendung der Ware an die Beklagte entstanden sein können. Dass das Gerät bereits bei Anlieferung der Ware entsprechende Gebrauchsspuren aufwies, hat der Kläger selbst nicht behauptet. Unter Berücksichtigung der als glaubhaft erachteten Bekundungen des Zeugen F. und der Art der Verpackung der Ware, insbesondere des Umstandes, dass die Ware sich in einer Folientüte befand und das Zubehör gesondert verpackt war, ist zur Überzeugung des Gerichts davon auszugehen, dass die Ware ordnungsgemäß verpackt war (trotz des Umstandes, dass ein anderer Karton statt des Originalkartons verwendet wurde) und die vorhandenen Gebrauchsspuren auf dem Gehäusedeckel nicht anlässlich des Rücktransports entstanden sein können, sondern bereits im Einflussbereich des Klägers entstanden waren. Die Aussage des Zeugen F. ist ergiebig und glaubhaft. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Zeuge auf Vorhalt der klagenden Partei eingeräumt hat, dass der sogenannte „Umkarton“ ein anderer gewesen sein könnte, als der, in dem die Ware von der Beklagten ursprünglich an den Kläger übersandt wurde.
Die Bekundungen der Zeugin S. waren hingegen nicht geeignet, die Bekundungen des Zeugen F. zu entkräften beziehungsweise die aufgrund der vorgenannten Umstände begründete Annahme zu erschüttern, dass die Gebrauchsspuren im Einflussbereich des Klägers entstanden sein müssen. Wie bereits in dem gerichtlichen Beschluss vom 19.05.2009 ausgeführt, wird der Zeugin S., die bekundete, bei der von ihr bekundeten Sichtprüfung des Geräts vor Rücksendung entsprechende Gebrauchsspuren nicht festgestellt zu haben, nicht unterstellt, dass sie bewusst wahrheitswidrig Angaben zur Durchführung einer Sichtprüfung und zum Vorhandensein der Gebrauchsspuren gemacht hat, jedoch wird ihre Aussage insoweit nicht als plausibel erachtet, als sie es nicht einmal für denkbar erachtet, diese, auch nur bei bestimmten Lichteinfall erkennbaren Gebrauchsspuren auf dem Gehäusedeckel übersehen haben zu können, sondern bekundet, dass die von ihr im Rahmen der Vernehmung wahrgenommenen Gebrauchsspuren damals nicht vorhanden gewesen sein sollen, zumal anlässlich der Rücksendung der Ware (anders als beim Kauf eines nicht mehr originalverpackten Geräts im Ladengeschäft) keine Veranlassung für eine über eine oberflächliche Sichtprüfung hinausgehende gründliche Überprüfung der Oberflächen des Geräts bestanden haben dürfte.
Nach Auffassung des Gerichts sind die Gebrauchsspuren nach Würdigung von Art und Schwere dieser Spuren nicht Folge einer schuldhaften Pflichtverletzung des Klägers gemäß der §§ 346 Abs. 4, 280 BGB und begründen keinen Schadensersatzanspruch wegen einer zumindest fahrlässige Beschädigung des Geräts. Jedoch handelt es sich um Gebrauchsspuren, die nicht lediglich als übliche Folge einer bestimmungsgemäßen Prüfung und einem bestimmungsgemäßen Ausprobieren der Ware angesehen werden können, so dass gemäß § 357 Abs. 3 BGB Wertersatz zu leisten ist, welcher vorliegend in Anbetracht der seitens der beklagten Partei überreichten Rechnung für die Ersatzbeschaffung für den Gehäusedeckel der Höhe nach mit 55,00 Euro zu bemessen ist.
Die Voraussetzungen für den Wertersatzanspruch gemäß § 357 Abs. 3 BGB liegen vor, zumal dem Kläger eine den Anforderungen der Anlage 2 zu Art 246 § 2 Abs. 3 Satz 1 EGBGB ausreichende Belehrung aufgrund des Inhalts von § 7 der AGB der Beklagten erteilt wurde. Die Belehrung enthält insbesondere den inhaltlich ausreichenden Hinweis darauf, dass ein Wertersatz dann nicht zu leisten ist, „wenn die Verschlechterung der Sache ausschließlich auf deren Prüfung – wie sie Ihnen etwa im Ladengeschäft möglich gewesen wäre – zurückzuführen ist“ und im übrigen die Wertersatzpflicht dadurch vermieden werden kann, indem die Sache nicht wie ein Eigentümer in Gebrauch genommen wird und alles unterlassen wird, was deren Wert beeinträchtigt.
Die gesetzliche Regelung des § 357 Abs. 3 BGB ist auch in Anbetracht des Art. 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.05.1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz und der hierzu ergangenen Entscheidung des EuGH vom 03.09.2009 – C – 489/07 als wirksam anzusehen, wobei die in § 357 Abs. 3 BGB enthaltene Ausnahmeregelung im Lichte dieser Entscheidung dahingehend auszulegen ist, dass der Begriff der Prüfung der Ware auch ein Ausprobieren der Ware einschließt (vgl. hierzu die Anmerkungen von Lapp vom 25.09.2009 zu der vorgenannten Entscheidung des EuGH, juris Praxisreport aus der juris-Datenbank). Nach Auffassung des EuGH stehen der zitierten Richtlinie eine gesetzliche Bestimmung über die Verpflichtung zum Wertersatz des Verbrauchers nicht entgegen, nach der für die Benutzung der Ware Wertersatz zu leisten ist, wenn der Verbraucher diese auf eine mit den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts wie denen von Treu und Glauben oder der ungerechtfertigten Bereicherung unvereinbare Art und Weise benutzt hat, sofern die Zielsetzung dieser Richtlinie und insbesondere die Wirksamkeit und Effektivität des Rechts auf Widerruf nicht beeinträchtigt wird, was durch das nationale Gericht zu beurteilen sein soll.
Nach Auffassung des erkennenden nationalen Gerichts rechtfertigen vorliegend Art und Umfang der vorhandenen Gebrauchsspuren die Annahme, dass es sich in Anbetracht der Grundsätze von Treu und Glauben vorliegend nicht lediglich um Gebrauchsspuren handelt, (ohne dass hierdurch die Grenze zur fahrlässig pflichtwidrigen Beschädigung des Geräts überschritten wurde), die bei einer Prüfung und beim Ausprobieren der Ware zwangsläufig entstehen, indem das Gerät vorsichtig und mit größtmöglicher Sorgfalt ausgepackt, in die Hand genommen und aufgestellt werden muss, sowie die notwendigen Kabel zur Inbetriebnahme angeschlossen und die Fernbedienung beziehungsweise die zur Bedienung notwendigen Schalter am Gerät zum Testen sämtlicher Leistungsmerkmale benutzt werden müssen.
Angesichts dessen war der seitens der Beklagten geltend gemachte Wertersatzanspruch gemäß § 357 Abs. 3 BGB in Verbindung mit § 7 der AGB der Beklagten vorliegend gerechtfertigt.
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 91, 708 Nr. 11, 713 ZPO. Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Sache angesichts der im Verlaufe des Rechtsstreits ergangenen und zitierten Entscheidung des EuGH keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 511 Abs. 4 Satz 1 Ziff. 1 ZPO mehr hat und auch eine Fortbildung des Rechts oder eine Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts gemäß § 511 Abs. 4 Satz 1 Ziff. 2 ZPO nicht mehr erfordert.
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