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Landgericht Hamburg Urteil vom 16.07.2009 - 327 O 117/09 - Zur Gleichnamigkeit oder unwesentlicher Abweichung eines Domainnamens
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LG Hamburg v. 16.07.2009: Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr zwischen ähnlichen Domainnamen ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft des benutzten Kennzeichens, sodass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft ausgeglichen werden kann und umgekehrt.
Das Landgericht Hamburg (Urteil vom 16.07.2009 - 327 O 117/09) hat entschieden:
Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr zwischen ähnlichen Domainnamen ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft des benutzten Kennzeichens, sodass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft ausgeglichen werden kann und umgekehrt.
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt den Beklagten hinsichtlich der Verwendung einer Internet-Domain „w... .de“ unter Berufung auf kennzeichen- und wettbewerbsrechtlichen Schutz auf Unterlassung in Anspruch und verlangt insoweit die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten.
Die Klägerin firmiert als „M... .de Einrichten & Wohnen AG“ und betreibt seit dem Jahr 2000 unter der Domain „m... .de“ ein Portal zu den in der Firmenbezeichnung genannten Themen.
Als Betreiberin dieses Portals erhält die Klägerin Entgelte für das Platzieren themenbezogener Angebots-Links und durch die Vermietung von Werbeflächen.
Der Beklagte war bis zum 29.12.2008 Inhaber einer Website unter der Domain „wwwm... .de“ und bot dort die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme zu Zwecken innenarchitektonischer Beratung unter der Überschrift „Architektur und Wohnen“ an. Wegen der Einzelheiten wird auf die als Anlage K 3 zur Akte gereichten Screenshots Bezug genommen.
Die Klägerin mahnte den Beklagten mit Schreiben vom 9.12.08 ab und forderte ihn erfolglos auf, eine strafbewehrte Unterlassungsverpflchtungserklärung abzugeben. Wegen des Inhalts der Abmahnung, insbesondere der vorformulierten Unterlassungsverpflichtungserklärung, wird auf die Anlage K 5 verwiesen.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass ihr wegen der Verwendung der Domain „wwwm... .de“ ein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 15, 5 MarkenG zustehe. Sie ist der Ansicht, dass das Zeichen der Klägerin Verkehrsgeltung erlangt habe. In diesem Zusammenhang behauptet sie, dass einem nicht unerheblichen Teil der maßgeblichen Verkehrskreise der Bestandteil „M... .de“ aus der Firmenbezeichnung der Klägerin sowie die Domain „m... .de“ und das so bezeichnete Angebot im Internet durchaus bekannt sei. Es handele sich dabei um das größte deutschsprachige Portal zum Thema „M.“ mit monatlich 800.000 bis 1.000.000 Nutzern. Die Klägerin meint zudem, dass in der Verwendung der Domain „wwwm... .de“ auch eine gezielte unlautere Behinderung im Sinne des § 4 Ziffer 10 UWG liege. Die Beklagte nutze die nur marginal veränderte Domain der Klägerin, um solche Interessenten an dem Angebot der Klägerin, welche sich bei der Suche im Internet vertippten, auf sein eigenes Angebot umzuleiten. Er versuche so, der Klägerin zielgerichtet Kunden „auszuspannen“.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen,
- es bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel zu unterlassen,
die Internet-Domain „w.….de“ zu registrieren oder registrieren zu lassen, aufrechtzuerhalten oder aufrechterhalten zu lassen und/oder zu übertragen oder übertragen zu lassen und/oder zu benutzen oder benutzen zu lassen.
- an die Klägerin außergerichtliche Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von € 755,80 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass schon keine örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg vorliege, da die Möglichkeit eines „fliegenden Gerichtsstandes“ nach § 32 ZPO abzulehnen sei. Der Klägerin stünden die geltend gemachten Ansprüche weder aus Kennzeichenrecht noch aus Wettbewerbsrecht zu. Zu dem Vortrag der Klägerin zu der Bekanntheit des von ihr betriebenen Portals sowie ihrer Firmenbezeichnung erklärt der Beklagte sich mit Nichtwissen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten und zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig (I.), aber nicht begründet (II.).
I.
Das Landgericht Hamburg ist insbesondere örtlich zuständig. Soweit die Klägerin eine Verletzung ihrer Kennzeichenrechte rügt, folgt die örtliche Zuständigkeit aus § 32 ZPO, soweit sie sich auf Wettbewerbsrecht beruft aus § 14 Abs. 2 Satz 1 UWG. Begehungsort bei einer Verletzung von Markenrechten im Internet ist überall dort, wo das Medium bestimmungsgemäß abrufbar ist und sich bestimmungsgemäß auswirken kann (vgl. Vollkommer, in Zöller, ZPO, 27. Aufl., § 32 Rn. 17 m.w. Nachw.). Entsprechendes gilt für Wettbewerbsverstöße im Internet ( BGH GRUR 2005, 431, 432). Wo es tatsächlich zum Abruf der streitgegenständlichen Internetseite gekommen ist, ist demgegenüber unerheblich. Da vorliegend die Verwendung der Domain „wwwm... .de“ beanstandet wird, welche bestimmungsgemäß bundesweit abrufbar ist, und sich der geltend gemachte Verstoß gegen Rechte der Klägerin entsprechend bundesweit, also auch im Bezirk des Landgerichts Hamburg, auswirken kann, ist ein hiesiger Gerichtsstand gegeben.
II.
Die Klage ist jedoch unbegründet, da der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche nicht zustehen. Sie kann weder mit Erfolg die begehrte Unterlassung von dem Beklagten verlangen noch diesen auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Anspruch nehmen.
1. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht aus § 15 Abs. 2, 4 MarkenG zu.
a. Dabei kann offen bleiben, ob die Firma der Klägerin sowie der darin enthaltene Bestandteil „M... .de“ überhaupt als Unternehmenskennzeichen im Sinne des § 5 Abs. 1, 2 MarkenG schutzfähig ist. Dies erscheint deshalb zweifelhaft, weil es insoweit erforderlich ist, dass das Zeichen eine zur Unterscheidung des Unternehmens von anderen hinreichende Eigenart aufweist, welche dazu führt, dass der Verkehr das Zeichen als individuellen Herkunftshinweis auffasst (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., § 5 Rn. 36 m.w. Nachw.). Dies erscheint zweifelhaft, weil der Firmenbestandteil „M.“ das Thema des von der Klägerin betriebenen Portals beschreibt und der Bestandteil „.de“ lediglich auf die Präsenz der Klägerin im Internet verweist.
Von einem Kennzeichenschutz aufgrund von Verkehrsgeltung kann deshalb nicht ausgegangen werden, weil der Vortrag der Klägerin insoweit ohne die erforderliche Substanz ist. Soweit sie unter Bezugnahme auf die als Anlage K 8 eingereichte Pressemitteilung darauf verweist, das von ihr betriebene Portal habe monatlich 800.000 bis 1.000.000 Nutzer ist schon unklar, wie diese Zahl ermittelt ist, ob es sich also etwa um die Anzahl der Seitenbesuche oder um die Anzahl unterscheidbarer Personen, die diese Seite aufgerufen haben, handelt. Entscheidend ist jedoch, dass diese Anzahl von Nutzern nichts darüber aussagt, wie viele davon aufgrund der unter der Domain „m... .de“ betriebenen Website der Klägerin diesem Firmenbestandteil einen Herkunftshinweis entnehmen und nicht nur einen Hinweis auf das Portalthema, was aufgrund der rein beschreibenden Second-Level-Domain „m.“ nahe liegend erscheint.
b. Ein Verstoß des Beklagten gegen § 15 Abs. 2 MarkenG liegt jedoch schon deshalb nicht vor, weil der Beklagte die Domain „wwwm... .de“ nicht in einer Weise benutzt hat, die geeignet ist, kennzeichenrechtlich relevante Verwechslungen mit dem Zeichen „m... .de“ hervorzurufen.
aa. Die maßgeblichen Verkehrskreise werden nämlich in der von dem Beklagten bis Dezember 2008 genutzten Second-Level-Domain „wwwm.“ schon keine kennzeichenmäßige Nutzung erkennen. Eine solche liegt erst dann vor, wenn die angesprochenen Verkehrskreise in der Verwendung des Zeichens einen Herkunftshinweis erkennen. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die angesprochenen Verkehrskreise werden in dem Bestandteil „m.“ lediglich einen Hinweis auf die unter der Seite zu findenden Inhalte sehen. Auch der Bestandteil „www“ führt nicht dazu, dass das Gesamtzeichen „wwwm.“ als Hinweis auf das hinter der Seite stehende Unternehmen wahrgenommen wird. Er ist vielmehr als Abkürzung für das „World Wide Web“ geläufig. Für diejenigen Nutzer, welche lediglich durch versehentliches Weglassen des Punktes zwischen „www“ und „m.“ auf die Seite gelangt sind, liegt auf der Hand, dass diese in der Angabe „www“ lediglich die Third-Level-Domain, also gerade keinen Unternehmenshinweis erkennen.
bb. Selbst wenn man mit der Klägerin davon ausginge, dass diese nur für ihren Firmenbestandteil „M... .de“ Kennzeichenschutz in Anspruch nehmen kann und zudem ein erheblicher Teil der maßgeblichen Verkehrskreise in der Verwendung der Domain „wwwm...“ eine kennzeichenmäßige Nutzung erkennt, könnte nicht von einer Verwechslungsgefahr ausgegangen werden.
Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft des klägerischen Kennzeichens, sodass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft ausgeglichen werden kann und umgekehrt (vgl. etwa BGH GRUR 2004, 865, 866 – Mustang – m.w. Nachw.).
Aufgrund der – wegen der jedenfalls erheblichen beschreibenden Anklänge des klägerischen Firmenbestandteils „M... .de“ – allenfalls geringen Kennzeichnungskraft und der allenfalls bestehenden Dienstleistungsähnlichkeit zwischen dem Betreiben eines Portals zum Thema „Wohnen und Einrichten“ einerseits und dem Angebot von innenarchitektonischen Beratungsleistungen andererseits hält das Zeichen „wwwm.“ einen hinreichenden Abstand zu dem klägerischen Zeichen. Wer in letzterem Zeichen überhaupt einen Unternehmenshinweis erkennt, wird dies nämlich gerade wegen des mit dem Zeichen „m.“ in einem Wort verbundenen Bestandteil „www“ tun. Da diese „Besonderheit“ des Zeichens von dem Firmenbestandteil der Klägerin abweicht, erscheint eine kennzeichenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr nach Auffassung der Kammer ausgeschlossen.
2. Es steht der Klägerin auch kein Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3, 4 Ziffer 10 UWG. Dahinstehen kann insoweit, ob insoweit von einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien auszugehen ist.
Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass die Verwendung der Domain „wwwm... .de“ durch den Beklagten eine zielgerichtete Behinderungshandlung im Sinne des § 4 Ziffer 10 UWG darstellt. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass es dem Beklagten darauf ankam, in unlauterer Weise gezielt Kunden der Klägerin abzufangen und für sich zu gewinnen. Dabei kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass der Beklagte die Domain „w.….de“ deshalb ausgewählt hat, weil so diejenigen Nutzer, die bei der beabsichtigten Eingabe der URL „www.m.….de“ den Punkt zwischen der Third- und der Second-Level-Domain vergessen, auf diese Seite gelangen. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass ein solches Vorgehen gezielt gegen die Klägerin gerichtet gewesen wäre: Dadurch, dass die maßgeblichen Verkehrkreise in der Second-Level-Domain „m.“ lediglich einen Hinweis auf den auf der Website befindlichen Inhalt erkennen, kann nicht ohne weiteres festgestellt werden, dass die Eingabe einer entsprechenden URL dem Zweck dient, zu einem bestimmten Unternehmen zu gelangen. Wer aber lediglich wegen des beschreibenden Charakters nach dem Begriff „M.“ im Internet sucht, wird von dem Beklagten auch nicht gezielt abgefangen, wenn er nicht auf die Seite der Klägerin gelangt.
Zudem erscheint es ebenso nahe liegend, dass es dem Beklagte allein darauf ankam, überhaupt eine Domain mit einen auf das Thema „M.“ hinweisenden beschreibenden Inhalt zu erhalten und er den Zusatz „www“ nur gewählt hat, weil entsprechende glatt beschreibende Domains bereits vergeben waren. Darin kann keine gezielte Behinderung der Klägerin gesehen werden.
Die Klägerin kann insoweit keinen wettbewerbsrechtlichen Schutz in Anspruch nehmen, wo ihr kennzeichnrechtlicher Schutz wegen der von ihr verwendeten rein beschreibenden Domain nicht zusteht. Sie muss es vielmehr hinnehmen, wenn ihre Wettbewerber ähnliche – ebenfalls beschreibende – Domains verwenden.
3. Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner eingehenden Erörterungen dazu, dass die geltend gemachten Unterlassungsansprüche der Klägerin von vornherein in dem geltend gemachten Umfang nicht bestehen konnten, weil der von der Klägerin begehrte Unterlassungstenor auch Fälle erfasst hätte, welche sich nicht als ein Handeln im geschäftlichen Verkehr im Sinne des Markenrechts bzw. als geschäftliche Handlungen im Sinne des Lauterkeitsrechts qualifizieren ließen, und das Verbot ohne Rücksicht auf Fragen der Waren – bzw. Dienstleistungsähnlichkeit begehrt wird.
II.
Der Klägerin steht auch weder nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag noch nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten zu, da der mit Abmahnung vom 9.12.2008 geltend gemachte Unterlassungsanspruch der Klägerin nicht zustand (s.o.I.), die Abmahnung mithin nicht berechtigt war.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Ziffer 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.