Webshoprecht.de



A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

Oberlandesgericht Hamm Urteil vom 06.02.2014 - 4 U 131/13 - Irrführende Werbung mit „geprüfte Qualität“

OLG Hamm v. 06.02.2014: Irrführende Werbung für Treppenlifte mit „geprüfte Qualität“


Das Oberlandesgericht Hamm (Urteil vom 06.02.2014 - 4 U 131/13) hat entschieden:

   Ein erheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise versteht die Werbeangabe „geprüfte Qualität“ dahin, dass die angebotenen Treppenlifte einer Prüfung ihrer Qualität bzw. Beschaffenheit (insbesondere hinsichtlich ihrer Sicherheit) unterzogen werden und diese Prüfung durch eine externe Stelle, die nicht mit dem Hersteller bzw. Anbieter zusammenhängt, vorgenommen wird. Ist dies nicht der Fall, ist die Werbung irreführend und muss unterlassen werden (Treppenlfte).




Siehe auch
Treppemlifte
und
Verschiedene Werbeaussagen


Gründe:


I.

Die Parteien vertreiben Treppenlifte in Deutschland.

Die Antragsgegnerin hatte in der Zeitschrift „C“ (Nr. ##/2013, Ausgabe „C2“, erschienen am 06.05.2013) eine Werbeanzeige geschaltet. Darin warb sie für Treppenlifte der Marke „W“ (Markeninhaberin: G mbH) u. a. mit den Angaben „Eine starke Marke mit 130.000 Kunden“ und „Geprüfte Qualität“. Wegen der Einzelheiten der Werbeanzeige wird auf die Anlage ASt 3 Bezug genommen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 14.05.2013 mahnte die Antragstellerin die Antragsgegnerin ab. Sie beanstandete die Werbeangaben „Eine starke Marke mit 130.000 Kunden“ und „Geprüfte Qualität“ als irreführend und begründete dies wie folgt: Die erstgenannte Angabe sei dahin zu verstehen, dass die Antragsgegnerin über 130.000 Kunden im Bereich „Treppenlifte“ verfüge, was unrealistisch sei. Hinsichtlich der Angabe „Geprüfte Qualität“ sei unklar, welche Leistung einer Qualitätsprüfung unterzogen worden sei. Es werde auch nicht erläutert, von wem eine solche Qualitätsprüfung durchgeführt worden sei und welche Kriterien zugrunde gelegt worden seien. Eine Quelle zur Nachprüfung sei nicht angegeben. Die Antragstellerin hat sich auf das Urteil des Senats vom 30.08.2012 – 4 U 59/12 – berufen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 22.05.2013 verweigerte die Antragsgegnerin die Abgabe der geforderten strafbewehrten Unterlassungserklärung.

Auf den am 03.06.2013 bei Gericht eingegangenen Antrag der Antragstellerin hat das Landgericht Arnsberg der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung durch Beschluss vom selben Tage unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt,

   im geschäftlichen Verkehr, zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, der mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen aus dem Bereich Treppenlifte und deren Zubehör oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über die genannten Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt, mit den Angaben

   „W Treppenlifte Eine starke Marke mit 130.000 Kunden“

und/oder

„Geprüfte Qualität“

wie nachfolgend wiedergegeben zu werben und/oder werben zu lassen:

   [Werbung aus Gründen der Anonymisierung entfernt]



Gegen diesen Beschluss hat die Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt.

Die Antragstellerin hat beantragt,

   die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

   den Beschluss vom 03.06.2013 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Sie hat gemeint, die Werbung sei nicht irreführend. Sie werbe nicht damit, 130.000 Treppenliftanlagen verkauft zu haben, sondern damit, dass „W“ eine starke Marke mit 130.000 Kunden sei. Unter dieser Marke würden im Übrigen Gesundheitsprodukte, insbesondere Nahrungsergänzungsmittel vertrieben, wobei die Kundenzahl zum 30.06.2013 mehr als 143.000 betragen habe. Bei der Werbung mit der Angabe „Geprüfte Qualität“ gehe es der Antragstellerin wohl darum, die Prüfergebnisse zu erlangen, um die Produkte der Antragsgegnerin mit ihren zu vergleichen. Der Hersteller der Treppenlifte sei vom D zertifiziert. Dies bedeute, dass die Produktion und Konstruktion ein zertifiziertes Qualitätsmanagement besitze und danach arbeite. Dazu zähle es auch, dass jeder Lift getestet und der Test dokumentiert werde. Bei der Produktion der Treppenlifte werde eine Konformitätsprüfung vorgenommen. Auf dieser Grundlage liege sämtlichen Liften eine Konformitätserklärung des Herstellers bei, womit den Kunden bestätigt werde, dass die Lifte nach allen gängigen Richtlinien konstruiert und gebaut würden. Die Antragsgegnerin hat auf ein Zertifikat des D vom 08.06.2012 (Anlage AG 9) und auf ein Schreiben der I. vom 07.08.2013 (Anlage AG 10) verwiesen und gemeint, sie sei ohnehin nicht verpflichtet, in ihrer Werbung Details der Qualitätsprüfung anzugeben. Mit Qualitätsprüfungshinweisen werde zudem vielfach geworben.




Die Antragstellerin hat bestritten, dass die in dem Zertifikat des D genannte I aus I2 überhaupt Herstellerin der Treppenlifte unter der Marke W sei. Das Zertifikat beziehe sich auf ein Managementsystem und dessen regelkonforme Anwendung. Es sei nicht ersichtlich, weshalb dies auf die Qualität bestimmter Treppenliftmodelle Auswirkung habe. Es sei auch die fehlende Angabe einer nachprüfbaren Quelle und der Vergabestelle für die Qualitätswerbung beanstandet worden. Die mehrdeutige Angabe in der Anzeige treffe nicht in Bezug auf eine Leistung von „W“ oder der Antragsgegnerin zu.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die einstweilige Verfügung aufrecht erhalten.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die beanstandeten Werbeaussagen seien nach § 5a Abs. 2 UWG unlauter. Die Werbung mit den Worten „Eine starke Marke mit 130.000 Kunden“ sei in unmittelbarem Zusammenhang zur Bezeichnung „W Treppenlifte“ abgedruckt und beziehe sich auf Treppenlifte. Für einen Kunden, der sich für den Kauf von Treppenliften interessiere, sei im Zusammenhang mit der Erwähnung der Kundenzahl die Anzahl derjenigen Kunden wesentlich, die einen Treppenlift erworben hätten, nicht aber derjenigen Kunden, die insgesamt Produkte erworben hätten, die unter der Bezeichnung „W“ vertrieben würden. In der beanstandeten Werbung fehle eine Angabe zur Anzahl der Kunden der Antragsgegnerin in Bezug auf Treppenlifte. Hinsichtlich der Werbung mit den Worten „geprüfte Qualität“ sei nicht mitgeteilt, durch wen welche Qualitätsprüfung durchgeführt worden sei. Für den Leser der Werbung sei es wesentlich, durch welche Drittfirma welche Prüfung vorgenommen worden sei und welche Qualitätskriterien dabei untersucht worden seien. Den Anforderungen des § 5a Abs. 2 UWG werde durch das Zertifikat des D und/oder durch die Konformitätserklärung der Firma I. nicht genügt. Durch das Zertifikat des D werde lediglich der Nachweis einer regelwerkskonformen Anwendung für das Managementsystem nach EN ISO ... erbracht; dieser Nachweis habe nichts mit einer Qualitätsprüfung hinsichtlich des beworbenen Produkts „Treppenlift“ zu tun. Die in der Konformitätserklärung der Firma I. bestätigte Konformitätsprüfung stelle keine Qualitätsprüfung dar, sondern besage lediglich, dass das Produkt daraufhin überprüft werde, ob es Fehler enthalte („Endkontrolle“). Im Übrigen seien dem Verbraucher die entsprechenden Unterlagen in der bemängelten Werbung nicht zugänglich gemacht.

Mit ihrer Berufung greift die Antragsgegnerin dieses Urteil an, soweit das Landgericht die Beschlussverfügung hinsichtlich der Untersagung der Werbeangabe „geprüfte Qualität“ aufrecht erhalten hat.

Sie meint, das Landgericht habe insoweit zu Unrecht angenommen, diese Werbung sei nach § 5a Abs. 2 UWG unlauter. Es könne nicht von einer Irreführung durch Unterlassen ausgegangen werden, weil es sich bei den fehlenden Angaben darüber, durch welches Drittunternehmen welche Prüfung vorgenommen worden sei und welche Qualitätskriterien untersucht worden seien, nicht um wesentliche Informationen handele, die eine Aufklärungspflicht begründeten. Die Antragsgegnerin löse mit der Aussage „geprüfte Qualität“ bei den angesprochenen Verkehrskreisen von vornherein keine Fehlvorstellung aus, die durch die Angabe, durch wen welche Qualitätsprüfung vorgenommen worden sei, ausgeräumt werden müsse. Der durchschnittlich aufmerksame, verständige und informierte Verbraucher bringe mit der Angabe in Verbindung, dass im Zusammenhang mit dem vertriebenen Produkt der Antragsgegnerin eine Qualitäts- bzw. Beschaffenheitsprüfung erfolgt sei. Die Formulierung „geprüfte Qualität“ lasse von vornherein offen, durch wen, hinsichtlich welcher Aspekte und mit welchem Ergebnis eine Prüfung erfolgt sei. Der Antragsgegnerin sei es nicht zuzumuten, den Verbraucher, dem mit „geprüfter Qualität“ weder ein bestimmtes Prüf- oder Testunternehmen noch ein konkreter Prüfgegenstand suggeriert werde, durch zusätzliche Angaben auch darüber aufzuklären, durch wen welche Qualitätsprüfung konkret vorgenommen worden sei. Der vorliegende Fall sei von einer Werbung mit bestimmten Testergebnissen zu unterscheiden, wodurch beim potentiellen Verbraucher ganz konkrete Erwartungen an die Qualität des Produkts geweckt würden. Werde wie hier weder ein bestimmtes, insbesondere kein vergleichsweise positives Prüfergebnis, noch ein konkretes Prüfverfahren oder ein Garant hinter der Prüfung suggeriert, könnten dadurch keine Erläuterungspflichten des Unternehmers ausgelöst werden. Der hier zu entscheidende Sachverhalt sei mit dem im Verfahren 4 U 59/12 OLG Hamm zu beurteilenden Fall nicht vergleichbar, in dem es um die Werbung mit der Angabe „Produkt des Jahres“ gegangen sei. Werde ein Produkt in diesem Maße positiv hervorgehoben und die Erwartungshaltung der potenziellen Verbraucher entsprechend stark beeinflusst, könnten weitergehende Informationspflichten seitens des Unternehmers als für eine sachgerechte Marktentscheidung des Verbrauchers erforderlich angesehen werden. Hier fehle es an einer vergleichbaren Beeinflussung der Entscheidungsfreiheit der Verbraucher, weil dem Verkehr lediglich der Hinweis auf eine tatsächlich stattgefundene Qualitätsprüfung gegeben werde, ohne deren Gegenstand, Maßstab und Ausgang ausdrücklich oder auch nur unterschwellig zu bezeichnen. Der maßgebliche Durchschnittsverbraucher werde aus der Aussage „geprüfte Qualität“ für seine Kaufentscheidung keinen weitergehenden Schluss ziehen dürfen, als dass eine Qualitätsprüfung des Produkts in irgendeiner Art und Weise stattgefunden habe. Ihm sei die Lückenhaftigkeit seines Informationsstandes von vornherein bewusst. Die Antragsgegnerin vermittle ihm mit der Aussage gerade nicht den Eindruck, er sei bereits durch die Werbung umfänglich aufgeklärt.



Entgegen der Ansicht des Landgerichts rechtfertigten das Zertifikat des D und die Konformitätserklärung der I. die Angabe „geprüfte Qualität“. Der Verbraucher werde nicht in der Erwartung enttäuscht, dass irgendeine Qualitätsprüfung des Produkts stattgefunden habe, wenn wie hier der Hersteller des von der Antragsgegnerin vertriebenen Produkts im Hinblick auf sein Qualitätsmanagement vom D geprüft sei und über ein Zertifikat verfüge, nach dem Produktion und Konstruktion des Produkts am Maßstab festgelegter Qualitätsstandards erfolgten. Mit der Konformitätserklärung der I. werde seitens des Herstellers ausdrücklich garantiert, dass die von der Antragsgegnerin vertriebenen Produkte nach allen hierfür gängigen Richtlinien und üblichen Standards entwickelt und fabriziert würden. Insoweit würden auch die Durchführung entsprechender Produkttests und deren ordnungsgemäße Dokumentation garantiert. Mit der vom Hersteller abgegebenen Konformitätserklärung werde also auch bestätigt, dass sämtliche Lifte auf ihre Eignung und Güte überprüft bzw. daraufhin untersucht würden, ob ihre Beschaffenheit den dafür festgelegten Anforderungen entspreche, die Lifte also über die festgeschriebene Qualität verfügten. Nach der Norm EN ISO 9000:5 zum Qualitätsmanagement sei Qualität der Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale Anforderungen erfülle. Qualität beschreibe, in welchem Maß ein Produkt den bestehenden Anforderungen entspreche, also ob es frei von Fehlern sei.

Die Antragsgegnerin beantragt,

   das angefochtene Urteil abzuändern und wie folgt neu zu fassen:

   Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin wird der Beschluss vom 03.06.2013 aufgehoben, soweit ihr untersagt worden ist, im geschäftlichen Verkehr zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, der mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen aus dem Bereich Treppenlifte und deren Zubehör oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über die genannten Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt, mit der Angabe „Geprüfte Qualität“ wie nachfolgend wiedergegeben zu werben und/oder werben zu lassen:

   [Werbung aus Gründen der Anonymisierung entfernt]

Der hierauf gerichtete Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.


Die Antragstellerin beantragt,

   die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des Landgerichts wie folgt:

Der Leser der Werbeanzeige verstehe die streitgegenständliche Angabe als Bewerbung mit einer besonderen Qualitätsprüfung. Er erwarte bei solchen Angaben, dass die Ware und/oder Leistung des werbenden Unternehmens von einem neutralen Unternehmen anhand objektiver Kriterien geprüft worden sei und die gestellten Qualitätsanforderungen erfüllt worden seien. Die optische Herausstellung zusammen mit drei anderen hervorgehobenen Punkten in der Anzeige verweise darauf, dass es bei der „geprüften Qualität“ um ein wesentliches Angebotsmerkmal gehe. Zudem sei bei einem technischen Gerät wie einem Treppenlift der Qualitätsaspekt, nämlich Produkt- und Servicequalität, ein entscheidendes Merkmal. Ein Unternehmen, das mit einer geprüften Qualität werbe, nehme eine objektiv festgestellte und besonders werbewirksame Eigenschaft in Anspruch. Den angesprochenen Verkehrskreisen würden zur „geprüften Qualität“ wesentliche Informationen vorenthalten, die eine informierte Kaufentscheidung erst ermöglichten. Es sei unklar, welche Leistung oder Ware einer Qualitätsprüfung durch welche Institution unterzogen worden sein solle. Eine objektive Prüfung könne sich auf die Dienstleistungsqualität (Beratung, Service, Einbau) oder auch auf die angebotene Ware selbst beziehen. Weitergehende Informationen seien für den Verbraucher auch relevant. Die Werbeangabe sei mehrdeutig und müsse in jeder naheliegenden Deutung zutreffen.

Das sei nicht der Fall. Die Antragsgegnerin habe nach wie vor nicht dargelegt, dass die I aus I2 die zertifizierte Herstellerin der beworbenen Treppenlifte sei, dass sich also die „geprüfte Qualität“ überhaupt auf deren Produkte oder Leistungen beziehe. Es sei zudem offen, von wem der Treppenlift getestet werde und nach welchen Kriterien das geschehe. Es entspreche nicht den Erwartungen des Publikums, dass ein solcher Test durch den Hersteller selbst erfolge. Sei eine „geprüfte Qualität“ der angebotenen Produkte und des Werbenden selbst nicht glaubhaft gemacht, liege ohnehin eine Irreführung vor.

Ferner bestehe kein Unterschied, ob ein Unternehmer mit einem bestimmten Testergebnis oder mit „geprüfter Qualität“ werbe. Die Angabe „geprüfte Qualität“ sei in einer Reihe von vier Vorteilsargumenten herausgestellt in der Anzeige präsentiert worden. Die angesprochenen Verkehrskreise gingen davon aus, dass die beschriebenen Vorteile ganz wesentlicher Art seien. Der Verbraucher, der das Angebot mit anderen Angeboten vergleiche, nehme wahr, dass möglicherweise andere Anbieter nicht auf eine solche Prüfung verwiesen, und ziehe entweder nachteilige Schlüsse in Bezug auf diese Anbieter oder sei verunsichert, ob etwa die Antragstellerin ein äquivalentes Angebot aufweisen könne. Die Antragstellerin macht sich das Vorbringen der Antragsgegnerin, dem verständigen Verbraucher sei die Lückenhaftigkeit seines Informationsstands von vornherein bewusst, hilfsweise zu eigen. Der Verbraucher werde bewusst im Unklaren über Reichweite und Gegenstand der Angabe gelassen.




Die Antragsgegnerin macht ergänzend geltend, ein durchschnittlicher Verbraucher erwarte nicht, dass die Prüfung von einem neutralen Unternehmen durchgeführt worden sei. Er wisse, dass Qualitätsprüfungen im Regelfall nicht von dritter Seite, sondern vom Hersteller selbst vorgenommen würden. So sei ihm z. B. auch bekannt, dass ein CE-Kennzeichen auf der Grundlage einer Herstellererklärung über die Erfüllung der Produktions- und Qualitätsanforderungen angebracht werde. Er erwarte keine weitergehenden Angaben in der Werbung und benötige sie auch nicht, weil er über alle weiteren relevanten Informationen zu einem späteren Zeitpunkt im Rahmen der Angebotserstellung informiert werde. Die inkriminierte Aussage sei weder ein Angebot noch eine Aufforderung zur Abgabe eines solchen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien wird auf den Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Zu Recht hat das Landgericht die einstweilige Verfügung vom 03.06.2013 auch hinsichtlich des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs wegen der Werbung mit der Angabe „geprüfte Qualität“ aufrecht erhalten.

1. Der diesbezügliche Verfügungsantrag, um den es im Berufungsverfahren allein noch geht, ist zulässig.

a) Obwohl die Antragstellerin die Werbeangabe „geprüfte Qualität“ sowohl nach § 5 Abs. 1 UWG als auch nach § 5a Abs. 2 UWG als unlauter beanstandet, handelt es sich lediglich um einen Streitgegenstand. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bildet bei der wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklage die konkrete Verletzungsform den Streitgegenstand, wenn mit der Klage ein entsprechendes Unterlassungsbegehren verfolgt wird. Der Streitgegenstand umfasst in diesem Fall - unabhängig davon, ob der Kläger sich auf diese Rechtsverletzung gestützt und den zu dieser Rechtsverletzung gehörenden Tatsachenvortrag gehalten hat - alle Rechtsverletzungen, die in der konkreten Verletzungsform verwirklicht sind, auch wenn die verschiedenen Verletzungen jeweils einen unterschiedlichen Tatsachenvortrag erfordern (BGH, Urteil vom 13.09.2012 - I ZR 230/11- Biomineralwasser). Entsprechendes gilt für ein auf Unterlassung gerichtetes Verfügungsverfahren.



b) Der Verfügungsantrag ist hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er nimmt Bezug auf die konkrete Verletzungsform in Gestalt der beanstandeten Werbeanzeige, die in den Antrag aufgenommen ist.

c) Die Antragstellerin ist antragsbefugt gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG. Denn die Parteien sind Mitbewerber. Sie stehen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis, weil sie mit dem Vertrieb von Treppenliften in Deutschland auf demselben sachlich und räumlich relevanten Markt tätig sind.

2. Das Bestehen eines Verfügungsgrundes wird nach § 12 Abs. 2 UWG vermutet. Diese Vermutung ist nicht widerlegt. Die Werbeanzeige ist in der Ausgabe Nr. ##/2013 der Zeitschrift „C“ veröffentlicht worden, die am 06.05.2013 erschienen ist. Bereits am 03.06.2013 ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bei dem Landgericht eingegangen. Die vom Senat regelmäßig beachtete sog. Monatsfrist ist mithin gewahrt.

3. Es ist auch ein Verfügungsanspruch gegeben.

a) Der Antragstellerin steht ein Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Unterlassung der Werbung mit der Angabe „geprüfte Qualität“ aus §§ 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1; 3 Abs. 1; 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG zu.

Die beanstandete Werbeanzeige der Antragsgegnerin stellt unzweifelhaft eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar. Diese ist nach § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG unlauter. Denn sie beinhaltet eine Irreführung der Verbraucher.

Eine Werbung ist im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG irreführend, wenn das Verständnis, das sie bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt. Für die Beurteilung, ob eine Werbung irreführend ist, kommt es darauf an, welchen Gesamteindruck sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen hervorruft (BGH, GRUR 2013, 1254 - Matratzen Factory Outlet – m. w. N.). Ein erheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise versteht die Werbeangabe „geprüfte Qualität“ zur sicheren Überzeugung des Senats dahin, dass die angebotenen Treppenlifte – und nicht etwa ein Managementsystem des Herstellers – einer Prüfung ihrer Qualität bzw. Beschaffenheit (insbesondere hinsichtlich ihrer Sicherheit) unterzogen werden und diese Prüfung durch eine externe Stelle, die nicht mit dem Hersteller bzw. Anbieter zusammenhängt, vorgenommen wird. Ein durchschnittlich aufmerksamer, informierter und verständiger Verbraucher geht angesichts des Anzeigeninhalts davon aus, dass die „geprüfte Qualität“ eines von mehreren besonderen Vorteilen des Produkts bzw. der Marke ist, die in der Anzeige unter dem Produktnamen „W Treppenlifte“ explizit aufgeführt sind. Gerade weil die „geprüfte Qualität“ in der vorliegenden Werbung in direkten Bezug zum Produkt gesetzt ist, nimmt der Verbraucher an, dass die Qualität der Treppenlifte untersucht worden ist. Das ergibt sich nicht zuletzt auch aus dem Werbeslogan im rechten Teil der Anzeige „Einfach, sicher und bequem die Treppe rauf und runter!“. Eine geprüfte Produktsicherheit ist dem Verbraucher gerade bei einem Treppenlift besonders wichtig. Das Verständnis der Werbung, dass eine vom Hersteller bzw. Anbieter getrennte bzw. unabhängige Stelle die Qualitätsprüfung durchgeführt hat, liegt deshalb nahe, weil die „geprüfte Qualität“ aufgrund der Gestaltung der Werbeanzeige eben als ein besonderer Vorteil erscheint. Die angesprochenen Verkehrskreise nehmen nicht an, dass es sich um eine vom Hersteller selbst vorgenommene Prüfung handelt, auch wenn die prüfende Institution in der Werbung nicht genannt ist. Eine solche Prüfung durch den Hersteller selbst wird nicht als ein so bedeutsamer Produktvorteil angesehen, dass der Verbraucher davon ausgeht, dass dies in einer schlagwortartigen Werbeanzeige wie der vorliegenden besonders herausgestellt wird. Um eine sog. „CE-Kennzeichnung“ geht es hier nicht.




Ein erheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise rechnet auch nicht damit, dass sich die „geprüfte Qualität“ lediglich auf eine Qualitätsprüfung des Managementsystems, nicht aber auf die Ware selbst bezieht. Das wäre auch weniger werbewirksam als die Werbung mit einer geprüften Produktqualität.

Der Senat kann das Verkehrsverständnis der Werbung aufgrund eigener Sachkunde und Lebenserfahrung selbst beurteilen, auch wenn die Mitglieder des Senats selbst nicht unmittelbar zu den angesprochenen Verkehrskreisen zählen. Denn es bedarf hier keiner besonderen Erfahrung zur Feststellung der Verkehrsauffassung (vgl. Köhler/Bornkamm, 32. Aufl., § 5 UWG Rn. 3.12). Das vorstehend ermittelte Verständnis der Werbeaussage ist zudem einfach und naheliegend (vgl. zuletzt BGH, a. a. O., - Matratzen Factory Outlet).

Der Senat geht davon aus, dass dieses Verkehrsverständnis der Werbung mit einer „geprüften Qualität“ mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt. Die Antragstellerin macht geltend, dass keine gesonderten Qualitätsprüfungen der angebotenen Treppenlifte erfolgt seien. Grundsätzlich trifft zwar die Antragstellerin die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Irreführung. Ihr kommen jedoch Darlegungs- und Beweiserleichterungen zugute, wenn es um die Aufklärung von Tatsachen geht, die in den Verantwortungsbereich der Antragsgegnerin fallen. Diese treffen daher prozessuale Erklärungspflichten. Gerade bei Werbebehauptungen fehlt dem außerhalb des Geschehensablaufs stehenden Antragsteller bzw. Kläger oft eine genaue Kenntnis der entscheidenden Tatumstände, so dass es ihm nicht möglich ist, den Sachverhalt von sich aus aufzuklären, während der Prozessgegner über diese Kenntnisse verfügt und die notwendige Aufklärung ohne Weiteres leisten kann. In solchen Fällen entspricht es dem auch im Prozess geltenden Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB), dass der Gegner die erforderliche Aufklärung leistet, sofern sie ihm nach den Umständen zuzumuten ist. So trifft insbesondere dann, wenn es - wie hier - um innerbetriebliche Vorgänge aus der Sphäre des Beklagten bzw. Antragsgegners geht, diesen eine sekundäre Darlegungslast (vgl. Köhler/Bornkamm, 32. Aufl., § 5 UWG Rn. 3.23 f.).

Nach diesen Grundsätzen oblag es der Antragsgegnerin, konkret darzulegen, durch wen welche Prüfung nach welchen Regeln bzw. Normen erfolgt ist. Ihrer sekundären Darlegungslast ist die Antragsgegnerin nicht hinreichend nachgekommen, so dass der Senat davon ausgeht, dass ihre Werbebehauptung irreführend ist, § 138 Abs. 3 ZPO (vgl. Köhler/Bornkamm, 32. Aufl., § 5 UWG Rn. 3.23):

Das vorgelegte Zertifikat des D bezieht sich nur auf das Managementsystem des genannten I2 Unternehmens. Das bedeutet gerade nicht, dass auch das Produkt selbst (die Treppenlifte) auf ihre Qualität geprüft sind (vgl. Köhler/Bornkamm, 32. Aufl., § 5 UWG Rn. 4.257).

Aus dem Schreiben der I. vom 07.08.2013 ergibt sich nur, dass die von diesem Unternehmen vertriebenen Treppenlifte, die durch die I (I2) hergestellt werden, einer Konformitätsprüfung unterzogen werden und eine vom Werksleiter unterschriebene Konformitätserklärung, die das Ergebnis dieser Prüfung bestätigt, in Kopie jedem Treppenlift beigelegt wird. Die Vornahme einer Qualitätsprüfung des Produkts durch eine externe Stelle geht daraus ebenfalls nicht hervor. Die Antragsgegnerin trägt zudem selbst vor, dass die Konformitätserklärung vom Hersteller abgegeben wird. Dieser führt offenbar auch die Konformitätsprüfung durch.

Nach alledem ist weder hinreichend dargetan noch sonst ersichtlich, dass eine bestimmte externe, vom Hersteller bzw. Anbieter verschiedene Stelle die Qualität der Treppenlifte untersucht hat. Die Antragsgegnerin legt auch nicht konkret dar, nach welchen technischen Regelwerken bzw. Normen sich eine solche Prüfung des Produkts selbst (und nicht des Qualitätsmanagements) richtet. Ihr Vortrag, die Lifte würden „nach allen gängigen Richtlinien und üblichen Standards“ konstruiert und gebaut, ist zu pauschal. Bei dieser Sachlage kann es letztlich dahinstehen, ob das Unternehmen „I“ die beworbenen Treppenlifte überhaupt hergestellt hat.

Dass es durchaus Verbraucher geben mag, die sich bei Lektüre der Werbung keine Vorstellung machen, ob die Treppenlifte der Antragsgegnerin durch eine vom Hersteller bzw. Anbieter verschiedene Stelle geprüft sind, mag sein. Das ändert aber nichts am Vorliegen einer Irreführung. Dafür genügt es, dass eine Angabe geeignet ist, die Umworbenen irrezuführen. Das ist nach den vorstehenden Ausführungen der Fall. Es braucht keine Täuschung eingetreten zu sein (Köhler/Bornkamm, 32. Aufl., § 5 UWG Rn. 2.65).



Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht, wenn man die Werbeangabe für mehrdeutig hält. Denn im Falle der Mehrdeutigkeit muss der Werbende die verschiedenen Bedeutungen gegen sich gelten lassen (Köhler/Bornkamm, 32. Aufl., § 5 UWG Rn. 2.111). Eine (naheliegende) Bedeutung der Angabe „geprüfte Qualität“ ist eben auch, dass die Beschaffenheit (insbesondere die Sicherheit) der Treppenlifte durch eine externe Stelle untersucht worden ist. Das ist - wie ausgeführt - indes unwahr.

Auf die vom Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin im Senatstermin angeführten Grundsätze einer Irreführung durch eine Werbung mit Selbstverständlichkeiten (vgl. dazu Köhler/Bornkamm, 32. Aufl., § 5 UWG Rn. 2.115 ff.) kommt es hier nicht an. Um eine solche Werbung geht es vorliegend nicht.

Die Irreführung ist zweifelsohne auch wettbewerbsrechtlich relevant. Es liegt auf der Hand, dass sich Kunden bevorzugt einem Unternehmen zuwenden, von dem sie glauben, dass dieses seine Produkte einer Qualitätsprüfung durch eine externe Prüfstelle unterzieht. Das gilt umso mehr, weil es sich um ein Produkt handelt, an das der Verkehr besonders hohe Sicherheitserwartungen stellt.
b) Ob sich die Werbeangabe „geprüfte Qualität“ auch nach § 5a Abs. 2 UWG als unlauter darstellt, kann letztlich offenbleiben.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

- nach oben -



Datenschutz    Impressum