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Landgericht Dortmund Urteil vom 19.08.2020 - 10 O 19/19 - 6.000 € Vertragsstrafe für Verletzung von Informationspflichten

LG Dortmund v. 19.08.2020: 6.000 € Vertragsstrafe für Verletzung von Informationspflichten


Das Landgericht Dortmund (Urteil vom 19.08.2020 - 10 O 19/19) hat entschieden:

   Die angemessene Höhe der nach Abgabe einer Unterlassungserklärung nach dem Hamburger Brauch festzusetzenden Vertragsstrafe beträgt 6.000,00 €.




Siehe auch
Informationspflichten im Onlinehandel - Pflichtangaben
und
Vertragsstrafe im Zusammenhang mit Unterlassungsansprüchen


Tatbestand:


Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung zweier wettbewerbsrechtlicher Vertragsstrafen sowie Abmahnkosten in Anspruch.

Der Kläger verkauft unter dem Verkäufernamen "00A1" über seinen eBay Shop Nassrasierer und Rasierklingen für Nassrasuren. Er betreibt ferner den Webshop www.01 und ist Inhaber einer Detektei. Mit dem eBay Shop "00A1" generierte der Kläger in den Jahren 2018 und 2019 Umsätze i.H.v. rund 500.000,00 €, mit dem weiteren Webshop www.01 Umsätze i.H.v. ca. 50.000,00 € jährlich. Er erzielt damit Gewinne in einer Größenordnung von 20.000,00 € bis 50.000,00 € netto p.a.

Nach einer Auskunft aus dem Gewerberegister vom 24.09.2019 ist der Beklagte mit Betriebsbeginn vom 02.01.2018 für die folgende Tätigkeit registriert:

   "Onlinehandel mit Nahrungsergänzungsmitteln Fitnessgeräte und Zubehör Drogerieartikel, Spielwaren, Haushaltswaren, Elektronikartikel, Multi-Media, Lifestyle-Produkte Damen und Herrenbekleidung".

Er verkauft unter den Verkäufernamen "www.02" umfangreich Nassrasierer und Rasierklingen für Nassrasuren.

Der Kläger mahnte den Beklagten mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 08.01.2019 (Anl. K3 zur Klageschrift) wegen der Nichtbeachtung der rechtlichen Vorschriften für Fernabsatzgeschäfte ab. Daraufhin gab der Beklagte mit Schreiben vom 23.01.2019 (Anl. K4 zur Klageschrift) eine Unterlassungserklärung folgenden Wortlautes ab:

   "... hiermit versichere ich rechtsverbindlich, jedoch ohne die Anerkennung einer Rechtspflicht oder Präjudiz für die Rechtslage, es ab sofort zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr im Wege des Fernhandels Waren anzubieten und dabei gegenüber Verbrauchern,

  1.  als Unternehmer nicht über die einzelnen technischen Schritte, die zu einem Vertragsabschluss führen zu unterrichten und/oder

  2.  als Unternehmer nicht darüber zu unterrichten, ob der Vertragstext nach dem Vertragsschluss vom Unternehmer gespeichert wird und ob dieser dem Kunden zugänglich ist und/oder

  3.  als Unternehmer keinen leicht zugänglichen Link zu der EU-Streitschlichtungsplattform bereitzustellen und/oder

  4.  als Unternehmer den Verbrauchern Informationen vorzuenthalten über das Bestehen eines gesetzlichen Mängelgewährleistungsrechts und/oder

  5.  als Unternehmer eine fehlerhafte oder unvollständige Widerrufsbelehrung bereitzuhalten und/oder

  6.  als Unternehmer nicht auf das Widerrufsformular aus der Anl. 2 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB hinzuweisen und/oder

wie geschehen in dem EBay Angebot unter den URL: ...(Anmerkung: Im Original folgt URL)

Das gesamte EBay-Angebot rund um Rasierklingen ist am 20.01.2019 offline genommen worden, bis alle rechtlichen Vorschriften erfüllt worden sind. Ein Anwalt wird zügig damit beauftragt.

Sollte es zu einer schuldhaften Zuwiderhandlung kommen, verpflichte ich mich zur Zahlung einer angemessenen Vertragsstrafe, welche von dem Gläubiger festgelegt wird. Im Streitfall ist diese vom zuständigen Gericht zu überprüfen.

Die Verpflichtung zur Leistung eines Schadensersatzes und die Erstattung der Anwaltskosten weise ich ausdrücklich zurück.

..."

Der Kläger nahm die Unterlassungserklärung mit E-Mail seiner Prozessbevollmächtigten vom 25.01.2019 an und forderte den Beklagten wiederum zur Zahlung der Abmahnkosten auf.

Darauf reagierte der Beklagte mit Schreiben vom 01.02.2019 (Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 13.08.2019 = Bl. 67 der Akten), worin er sich als "kleiner gewerblicher Händler" bezeichnete und geltend machte, die Forderung nicht begleichen zu können.

Der Kläger machte mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 05.02.2019 (Anlage K7 zur Klageschrift) die Verwirkung der Vertragsstrafe i.H.v. 10.000,00 € wegen Nichtbeachtung der rechtlichen Vorschriften für Fernabsatzgeschäfte (6 Punkte wie oben stehend) bei Verkäufen über einen anderen Account des Beklagten ("A02") geltend. Daneben mahnte der Kläger den Beklagten mit weiterem Schreiben vom 05.02.2019 (Anl. K8 zur Klageschrift) wegen dieses Sachverhaltes wieder ab und verlangte die Erstattung der Anwaltskosten nach einem Streitwert von 30.000,00 €.

Zu diesem Zeitpunkt wies das vorgenannte eBay-Verkäuferkonto des Beklagten nahezu 100 Bewertungen innerhalb der letzten 12 Monate auf (Anl. K9 zur Klageschrift).

Nach weiterem Schriftverkehr gab der Beklagte unter dem 15.03.2019 eine Unterlassungserklärung wie folgt ab:

   "... ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage, aber gleichwohl rechtsverbindlich,

es künftig bei Meidung einer für den Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung fälligen, nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des Verschuldens des Unterlassungsschuldners von dem Unterlassungsgläubiger zu bestimmenden und im Streitfall vom zuständigen Gericht zu überprüfenden, angemessenen Vertragsstrafe in Höhe von mindestens 5.000,00 € zu unterlassen, im elektronischen Geschäftsverkehr zu Zwecken des Wettbewerbs als gewerblicher Anbieter den Abschluss entgeltlicher Verträge aus dem Produktbereich "Rasierklingen" anzubieten und dabei

  1.  Verbrauchern keine Widerrufsbelehrung nebst Muster-Widerrufsformular in gesetzlich vorgeschriebener Form darzubieten und/oder

  2.  Verbrauchern nicht einen auf die OS-Plattform führenden Link bereitzustellen und/oder

  3.  Verbraucher nicht über das Bestehen eines gesetzlichen Mängelhaftungsrechtes gem. Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 EGBGB zu informieren und/oder
  4.  folgende Informationen vorzuenthalten:

  a.  Angaben über die einzelnen technischen Schritte, die zu einem Vertragsschluss führen und/oder

  b.  Informationen, ob der Vertragstext nach dem Vertragsschluss von dem Unternehmer gespeichert wird und ob er dem Kunden zugänglich ist


wie geschehen in dem ebay-Angebot ...

...

Die Parteien sind sich ferner darüber einig, dass diese Erklärung die zuvor abgegebene Unterlassungserklärung mit Datum vom 23.01.2019 ersetzt und damit die Unterlassungserklärung mit Datum vom 23.01.2019 keinerlei Wirkung mehr entfaltet.

..."

Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 15.04.2020 verlangte der Kläger die Zahlung einer Vertragsstrafe von 5.000,00 € da es bei einem Angebot in dem Shop des Beklagten "www.02" zwar einen Hinweis zur OS-Plattform gebe, jedoch ein zu dieser Plattform führender klickbarer Link nicht bereitgehalten werde.

Dem lag zugrunde, dass in den rechtlichen Informationen des Beklagten unter anderem ausgeführt wurde:

   "...

Die OS-Plattform ist erreichbar unter der URL:

(...)"

wobei eine Klickbarkeit unstreitig nicht gegeben war.

Der Kläger nimmt den Beklagten als gewerblichen Verkäufer in Anspruch.

Die Höhe der ersten Vertragsstrafe sei mit 8.000,00 € zutreffend bemessen. Der Beklagte habe gegen mehrere Auflagen der Unterlassungsverpflichtung verstoßen, obwohl ihm bekannt gewesen sei, dass sein Angebot eine Vielzahl an Rechtsverstößen aufgewiesen habe. Dies sei besonders dreist, weil der Beklagte unter dem Deckmantel des vermeintlich privaten anderen Accounts seine Produkte weiterhin vertrieb. Er habe vorsätzlich gegen die Unterlassungserklärung verstoßen weil er den Verkauf der Waren einfach auf seinen privaten Account umgelenkt habe.

Die weitere Vertragsstrafe i.H.v. 5.000,00 € habe der Beklagte verwirkt, weil er es bei einem Angebot von Rasierklingen über den Account "www.02" unterließ, einen zu der OS-Plattform führenden Link bereitzustellen. Bei dem bereitzustellenden Link handele es sich selbstverständlich um einen Hyperlink, der einen Querverweis und damit einen funktionalen Sprung zu einem anderen elektronischen Dokument ermögliche.

Da es sich nicht um den erstmaligen Verstoß gegen die Unterlassungserklärung gehandelt habe, sei die geforderte Mindestvertragsstrafe von 5.000,00 € auch angemessen.




Der Kläger ist der Auffassung, er habe nicht rechtsmissbräuchlich gehandelt. Hierzu behauptet er, es sei ihm einzig und allein um die Einhaltung der wettbewerbsrechtlichen Regelungen gegangen. Würden diese nicht eingehalten, so habe es für ihn erhebliche Nachteile. Die Klage stehe auch in einem vernünftigen Verhältnis zu seiner gewerblichen Tätigkeit.

Neben den beiden Vertragsstrafen machte der Kläger mit der Klage noch die Kosten für die erste und zweite Abmahnung geltend. Wegen des näheren Sachvortrages hierzu wird auf Seite 7 der Klageschrift Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

  1.  den Beklagten zu verurteilen, an ihn eine Vertragsstrafe i.H.v. 8.000,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

  2.  den Beklagten ferner zu verurteilen, an ihn 1.537,36 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

  3.  den Beklagten ferner zu verurteilen, an ihn 1.358,86 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

  4.  den Beklagten ferner zu verurteilen, an ihn eine Vertragsstrafe i.H.v. 5.000,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit der Rechtshängigkeit der Klageerweiterung zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

   die Klage abzuweisen.

Er meint, die Klage sei bereits unzulässig, da sie rechtsmissbräuchlich sei im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG. Der Kläger verfolge rechtsfremde Motive, insbesondere bestehe nur ein Gebührenerzielungsinteresse. Beide Vertragsstrafenanforderungen seien deutlich übersetzt. Er mahne massenhaft mit überzogenen Streitwerten und Vertragsstrafen ab. Dabei folgten die Abmahnungen einem textbausteinartigen Aufbau.

Er meint, die Klage sei auch nicht begründet. Der streitgegenständliche eBay-Account des Beklagten sei nicht als gewerblicher Account zu qualifizieren. Er handele nicht als gewerblicher Anbieter. Er habe lediglich im Rahmen einer privaten Tätigkeit Produkte verkauft, für die er schlichtweg kein Interesse bzw. keine Verwendung mehr gehabt habe. Dabei habe es sich üblicherweise um zuvor aus einer Masse ausgesonderte Einzelexemplare gehandelt, welche er zunächst für den privaten Gebrauch habe verwenden wollen, sich aber im Fortgang zum Verkauf entschieden habe.

Ein "rechtswidriges Ausweichen" auf den anderen Account im Sinne einer verdeckten Verkaufstätigkeit habe keinesfalls vorgelegen. Mit dem Account "A02" habe er nur in marginalem Umfang gehandelt. Der Kläger biete keine konkurrierenden Produkte an. Dieser handele "lediglich peripher" mit Produkten aus der betroffenen Gattung.

Die Vertragsstrafe sei deutlich zu hoch bemessen. Sofern man unzutreffend eine gewerbliche Aktivität unterstellen würde, so wäre der Beklagte lediglich als Kleinstunternehmer anzusehen. Er habe im Jahr 2019 lediglich einen Umsatz i.H.v. 11.519,90 € generiert.

Der Vorwurf hinsichtlich der 2. Vertragsstrafe betreffe lediglich die fehlende Verlinkung. Aufgrund eines Versehens in der HTML-Angabe sei dieser sonst korrekt dargestellte Link nur nicht anklickbar gewesen. Darin sei nur ein Bagatellverstoß zu sehen. Allenfalls sei hierfür eine Vertragsstrafe unterhalb von 1.000,00 € anzusetzen.

Zudem sei ein zweiter Unterlassungsvertrag schon nicht zustandegekommen, weil der Kläger seine Unterlassungserklärung vom 15.03.2019 nicht angenommen habe.





Entscheidungsgründe:


Die zulässige Klage ist im erkannten Umfang begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.

I.

Die Klage ist in vollem Umfang zulässig. Es handelt sich um eine Zahlungsklage. Gegenüber einer solchen berührt der Einwand aus § 8 Abs. 4 UWG nicht die Zulässigkeit der Klage. Die Frage eines ggf. rechtsmissbräuchlichen Handelns kann hier nur im Rahmen der Begründetheit Bedeutung erlangen.

II.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten aus § 339 S. 2 BGB i.V.m. der Vertragsstrafenvereinbarung ein Anspruch auf Zahlung von 6.000,00 € zu.

1. Die Parteien haben einen wirksamen Unterlassungsvertrag mit einer Vertragsstrafenvereinbarung geschlossen. Ein entsprechender Vertrag mit Strafversprechen wurde durch die Unterlassungserklärung des Beklagten vom 23.01.2019 und der Annahme seitens des Klägers am 25.01.2019 begründet.

Gegen diese Vertragsstrafenvereinbarung hat der Beklagte verstoßen weil er über seinen Account "A02" Rasierklingen anbot und dabei wiederum gegen sämtliche 6 Punkte der Unterlassungserklärung verstieß. Dabei ist nicht zweifelhaft dass der Beklagte auch insoweit im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs als Unternehmer handelte. Der Beklagte hat in seinem Schreiben vom 01.02.2019 selbst eingeräumt gewerblicher Verkäufer zu sein. Er hat ein Gewerbe angemeldet. Gekünstelt erscheint demgegenüber sein Versuch, den Account "A02" von seiner gewerblichen Tätigkeit auszunehmen. Denn der Kläger hat insofern mit der Anl. K9 Ausdrucke vorgelegt, aus denen folgt, dass der Beklagte allein innerhalb der letzten 6 Monate 35 Bewertungen für Rasierklingenverkäufe erhielt und dabei meist große Pakete anbot von 20-50 Stück.

Es handelte sich auch um einen kerngleichen Verstoß. Dass dieser über einen anderen Account begründet wurde, steht dem ersichtlich nicht entgegen.

Diesen Verstoß hat der Beklagte auch zu vertreten. Der Haftungsmaßstab richtet sich nach §§ 276, 278 BGB.

2. Die angemessene Höhe der hier nach Abgabe einer Unterlassungserklärung nach dem Hamburger Brauch festzusetzenden Vertragsstrafe beträgt 6.000,00 €, nicht wie beantragt 8.000,00 €.

Die Höhe einer Vertragsstrafe hängt von der Art und Größe des Unternehmens ab, vom Umsatz und möglichen Gewinn, von der Schwere und dem Ausmaß der Zuwiderhandlung, von deren Gefährlichkeit für den Gläubiger, vom Verschulden des Verletzers, von dessen Interesse an weiteren gleichartigen Begehungshandlungen, aber auch von dem im Zusammenhang mit dem Verstoß auch nachträglich gezeigten Verhalten des Verletzers. Wird die Höhe einer Vertragsstrafe wie im vorliegenden Fall nachträglich bestimmt (Hamburger Brauch), ist außer der Sanktionsfunktion auch ihre Funktion als pauschalierter Schadensersatz maßgeblich. Um als Druckmittel zu wirken muss die Vertragsstrafe so hoch sein, dass ein Verstoß sich für den Verletzer voraussichtlich nicht mehr lohnt (BGH GRUR 1994, 146 (148); Köhler/Bornkamm, UWG, 38. Aufl., § 12, Rn. 1.207 mit weiteren Nachweisen).

Dies zugrundegelegt erscheint eine Vertragsstrafe i.H.v. 6.000,00 € angemessen und ausreichend. Zu Lasten des Beklagten war insbesondere zu berücksichtigen dass er gegen sämtliche 6 Punkte der Unterlassungserklärung verstieß und er dieses auch bewusst in Kauf nahm, weil er um die Notwendigkeit der rechtlichen Informationen wusste und er nicht ernsthaft annehmen konnte, seine erheblichen Verkäufe über den Account "A02" seien - bei objektiver Betrachtung - nicht gewerblich. Demgegenüber musste zu Gunsten des Beklagten wirken, dass seine jährlichen Umsätze eher in einem niedrigen Bereich liegen. Der Kläger hat nicht bewiesen, dass diese höher als 11.519,90 € waren. Die Beweislast trifft aber insofern den Gläubiger der Vertragsstrafe (OLG München, Schlussurteil vom 07.11.2013, Az. 29 U 2019/13 = BeckRS 2014, 21006).

Nach allem kann die wirtschaftliche Bedeutung der Konkurrenzsituation nicht allzu hoch eingeschätzt werden. Jedoch macht das Verhalten des Beklagten deutlich, dass die Vertragsstrafe eine erhebliche Höhe haben muss, um als Druckmittel dienen zu können.



3. Der Durchsetzung der Vertragsstrafe steht § 242 BGB nicht entgegen.

Ein aufgrund missbräuchlicher Abmahnung abgeschlossener Unterlassungsvertrag kann nach § 314 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden ( was hier nicht erfolgt ist). Zudem kann der Geltendmachung von Vertragsstrafen für Verstöße gegen die Unterlassungspflichten auch der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB entgegengehalten werden (BGH NJW 2019, 2024 (2027). Von einem Missbrauch im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG ist auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele sind. Diese müssen allerdings nicht das einzige Motiv des Gläubigers sein; vielmehr reicht es aus, dass die sachfremden Ziele überwiegen. Die Annahme eines derartigen Missbrauchs erfordert eine sorgfältige Prüfung und Abwägung der maßgeblichen Einzelumstände. Ein Anhaltspunkt für eine missbräuchliche Rechtsverfolgung kann sich daraus ergeben, dass die Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zu der gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden steht, der Anspruchsberechtigte die Belastung des Gegners mit möglichst hohen Prozesskosten bezweckt oder der Abmahnende systematisch überhöhte Abmahngebühren oder Vertragsstrafen verlangt. Ebenso stellt es ein Indiz für ein missbräuchliches Vorgehen dar, wenn der Abmahnende an der Verfolgung des beanstandeten Wettbewerbsverstoßes kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse haben kann, sondern seine Rechtsverfolgung aus der Sicht eines wirtschaftlich denkenden Gewerbetreibenden allein dem sachfremden Interesse dient, die Mitbewerber mit möglichst hohen Kosten zu belasten (BGH NJW 2019, 2024 (2025).

Danach kann vorliegend ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers nicht festgestellt werden. Die von dem Kläger dargelegte Abmahntätigkeit von jährlich 10-12 Abmahnungen lässt sich mit den unstreitigen wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers in Einklang bringen. Eine umfangreichere Abmahntätigkeit hat der im Rahmen des § 242 beweisbelastete Beklagte nicht bewiesen. Jährliche Umsätze mit den Onlineshops i.H.v. 550.000,00 € bei Gewinnen im Bereich von 20-50.000,00 € netto p. a. bedingen ein Missverhältnis zu der Abmahntätigkeit von jährlich 10-12 Abmahnungen nicht. Umsätze in 6-stelliger und Gewinne in deutlich 5-stelliger Höhe reichen für die Feststellung, dass sich die Abmahntätigkeit des Klägers verselbstständigte, nicht aus. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem von dem Kläger jeweils eingegangenen Kostenrisiko. Die Kostenrisiken können nicht einfach, wie der Beklagte meint, aufaddiert werden. Denn es ist zu berücksichtigen, dass bei einem Ausspruch weiterer Mahnungen jeweils bekannt ist, ob in früheren Fällen eine Kostenerstattung erfolgte (zu diesem Gesichtspunkt vgl. OLG Hamm, Urteil vom 23.11.2010, Az. 4 U 136/10 = BeckRS 2011, 782). Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - die Abmahntätigkeit hinreichend zeitlich gestreckt ist und nicht eine "Abmahnwelle" mit einer Vielzahl von Abmahnungen in kürzester Zeit vorliegt (vgl. OLG Nürnberg GRUR-RR 2014,166: 199 Abmahnungen in einem Zeitraum von wenigen Tagen).

Soweit die Rechtsprechung in früheren Fällen ein Missverhältnis zwischen der Anzahl von Abmahnungen und der Geschäftstätigkeit angenommen hat lagen jeweils deutlich abweichende Umstände vor (zu der Kasuistik hierzu siehe Goldmann in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl., § 8, Rn. 654).

Auch im Übrigen liegen keine überzeugenden Anhaltspunkte für eine Verselbstständigung der Abmahntätigkeit vor. Dem Kläger ist nicht vorzuwerfen überhöhte Streitwerte oder Vertragsstrafen zu generieren. Die hier den Abmahnungen zu Grunde gelegten Streitwerte sind nicht zu beanstanden (siehe hierzu unten IV. und V.). Soweit der Kläger hinsichtlich der hier in Rede stehenden Vertragsstrafe außergerichtlich einen Betrag i.H.v. 10.000,00 € geltend machte, erscheint dies zwar rückblickend objektiv übersetzt, ist aber als Einzelfall nur von geringerem indiziellen Wert, zumal die Frage der Höhe einer Vertragsstrafe nach dem Hamburger Brauch stark wertungsabhängig ist. Systematische Überhöhungen von Streitwerten oder Vertragsstrafen können hier nicht festgestellt werden.

Umgekehrt ist der Kläger eher kostenschonend vorgegangen, indem er die Abmahnkosten und die weitere Vertragsstrafe nicht gesondert einklagte.

Anhaltspunkte dafür, dass die Prozessbevollmächtigten des Klägers Abmahnungen in eigene Regie aussprechen, ergeben sich ebenfalls nicht. Vielmehr hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers erklärt, dass der Kläger eine normale Rechnung erhalte und es keine Vereinbarung gebe, dass Kosten im Unterliegensfalle nicht bezahlt werden müssten.

Eine Rechtsmissbräuchlichkeit des Vorgehens kann auch nicht aus dem Verhalten bei den außergerichtlichen und gerichtlichen Vergleichsverhandlungen hergeleitet werden. Es steht dem Kläger frei, eine von der Gegenseite vorgeschlagene Vergleichssumme als nicht hinreichend anzusehen.

Letztlich kann auch der Verweis auf "textbausteinartige" Formulierungen einen Rechtsmissbrauch nicht begründen. Die mehrfache Nutzung eines Textes ist für sich genommen kein beanstandungswürdiger Vorgang. Auch soweit der Beklagte ggf. darauf anspielen will, dass eine Vielzahl gleichgelagerter Sachverhalte zum Gegenstand von Abmahnungen gemacht wurden, lässt sich daraus im Ergebnis nichts herleiten. Denn durch das Weglassen von jeglicher rechtlicher Information in gewerblichen Onlineshops verschaffen sich Mitbewerber einen nicht unerheblichen Wettbewerbsvorsprung.

Dass der Kläger auch vorliegend Mitbewerber des Beklagten ist, hat dieser durch die Screenshots seiner Verkaufsangebote (Anl. K2 zur Klageschrift) hinreichend belegt.

III.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten aus § 339 S. 2 BGB i.V.m. der Vertragsstrafenvereinbarung kein Anspruch auf Zahlung von 5.000,00 € zu.

Dabei kann die Frage dahinstehen, ob eine weitere Vertragsstrafenvereinbarung auch ohne nachfolgende Annahme der Unterwerfungserklärung des Beklagten vom 15.03.2019 überhaupt zustandekam und ob verneinendenfalls auf die Vertragsstrafenvereinbarung vom 23.01.2019/25.01.2019 zurückgegriffen werden könnte.




Denn jedenfalls liegt ein identischer oder kerngleicher Verstoß liegt nicht vor.

Maßgebend für die Reichweite einer vertraglichen Unterlassungsverpflichtung ist der wirkliche Wille der Vertragsparteien (§§ 133,157 BGB), zu dessen Beurteilung neben dem Inhalt der Vertragserklärungen auch die beiderseits bekannten Umstände, insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, ihr Zweck, die Wettbewerbsbeziehung zwischen den Vertragsparteien und ihre Interessenlage heranzuziehen sind (BGH GRUR 1997,931 (932); OLG Hamm, Urteil vom 05.11.2009, Az. 4 U 125/09 = BeckRS 2009,88338). Zweck eines Unterlassungsvertrages ist es regelmäßig, nach einer Verletzungshandlung die Vermutung der Wiederholungsgefahr durch eine vertragsstrafenbewehrte Unterlassungsverpflichtung auszuräumen und damit die Einleitung oder Fortsetzung eines gerichtlichen Verfahrens entbehrlich zu machen. Die Vermutung der Wiederholungsgefahr gilt insoweit nicht allein für die genau identische Verletzungsform, sondern umfasst auch alle im Kern gleichartigen Verletzungsformen, die von der Verbotsform nur unbedeutend abweichen.

Erfasst werden damit über die identischen Handlungen hinaus auch im Kern gleichartige Abwandlungen, in denen das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt (BGH, Urteil vom 29.09.2016, Az. I ZB 34/15; OLG Hamm a.a.O.; Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 890, Rn. 4). Wird eine Maßnahme so verändert, dass sich deren Gesamteindruck bezogen auf den Kern des Verbots ändert, unterfällt sie nicht dem Verbotskern. Dies gilt selbst dann, wenn die abgeänderte Form selbst rechtswidrig wäre (OLG Hamm a.a.O.; vgl. Hess in jurisPK UWG, 4. Aufl., § 12, Rn. 254 mit weiteren Nachweisen).

Hieran gemessen liegt ein kerngleicher Verstoß nicht vor, unabhängig davon ob man die Unterlassungserklärung des Beklagten vom 23.01.2019 oder 15.03.2019 zugrundelegt.

Denn das Charakteristische der konkreten Verletzungsform lag darin, dass in beiden Fällen überhaupt keine Angaben zu der OS-Plattform und deren Internetadresse (URL) vorlagen. Die Begrenzung auf die konkrete Verletzungsform wurde in beiden Unterlassungserklärungen auch durch die Formulierungen "wie geschehen in dem EBay Angebot..." und "wie geschehen in dem ebay-Angebot 000..." verdeutlicht.

Demgegenüber lag nun eine textliche Wiedergabe der Internetadresse (URL) der OS-Plattform vor, nur ohne eine Verlinkungs-Funktionalität. Dies entspricht nicht mehr der konkreten Verletzungsform (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation - charakteristisch war das völlige Fehlen der Angabe eines Vergleichspreises - OLG Düsseldorf GRUR-RR 2011, 286).

Wie dargelegt ergibt sich nichts anderes daraus, dass der geltend gemachte Verstoß ggf. objektiv rechtswidrig wäre. So ist es auch hier wohl zutreffend, dass das Erfordernis einer Verlinkung nach Art. I 1 VO (EU) Nr. 524/2013 nicht nur durch eine bloße textliche Wiedergabe der Internetadresse (URL) der OS-Plattform ohne eine Verlinkungs-Funktionalität erfüllt wird, sondern eine Funktionalität vorausgesetzt wird, dass die im Link angegebene Zielseite per Klick erreicht wird (OLG Hamm GRUR-RS 2017,121013; OLG Hamburg GRUR-RR 2019,16; zu letzterem Urteil zweifelnd im Hinblick auf die automatische Erkennung von Linktexten in modernen Browsern aber im Ergebnis zustimmend: Sakowski GRUR-Prax 2018, 387).

Dass bei einer bloßen textlichen Wiedergabe der Internetadresse die Rechtsfrage, ob eine "Klickbarkeit" zur Erfüllung der rechtlichen Vorgaben gegeben sein muss aufgeworfen werden kann, macht aber nochmals deutlich, dass hier eine abweichende Verletzungsform vorliegt.

IV.

Die Kosten der ersten Abmahnung vom 08.01.2019 stehen dem Kläger gem. § 12 Abs. 1 S. 2 UWG zu. Der Kläger konnte der Berechnung der Kosten einen Gegenstandswert von 30.000,00 € zu Grunde legen. Dieser entspricht bei der Abmahnung regelmäßig dem Streitwert eines Hauptsacheverfahrens (Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 12, Rn. 1.120). Für ein solches werden in vergleichbaren Fällen vom OLG Hamm und dem erkennenden Gericht entsprechende Streitwerte festgesetzt. Vorliegend ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der geltend gemachte Unterlassungsanspruch sich auf 6 verschiedene Rechtsverstöße bezog, wenn diese auch ihren gemeinsamen Ursprung in dem Unterlassen jeglicher rechtlicher Informationen haben mögen.

Die Abmahnkosten umfassen auch die Umsatzsteuer (LG Hannover GRUR-RS 2019, 33615; Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 12, Rn. 1.136a), da Abmahnungen als Mittel der außergerichtlichen Streitbeilegung von den Finanzgerichten als steuerbare und steuerpflichtige Leistungen eingestuft werden (BFH GRUR 2017,826).

Den geltend gemachten Kosten für Recherche und Dokumentation ist der Beklagte nicht entgegengetreten.

V.

Auch die Kosten der zweiten Abmahnung vom 05.02.2019 stehen dem Kläger gem. § 12 Abs. 1 S. 2 UWG zu. Wegen der Begründung wird auf die Ausführungen zu IV. Bezug genommen, welche hier sinngemäß gelten.

VI.

Die tenorierten Zinsansprüche finden ihre Rechtfertigung jeweils in §§ 288 Abs. 1 S. 2, 291 BGB.



VII.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 ZPO.

Bei der Ermittlung der Kostenquote war von einem Streitwert von insgesamt 15.896,22 € auszugehen. Die geltend gemachten Abmahnkosten i.H.v. 1.537,36 € und 1.358,86 € bilden mit den Beträgen der geltend gemachten Vertragsstrafen den Gesamtstreitwert. Die Abmahnkosten bleiben hier nicht als Nebenforderung gem. § 4 ZPO bei der Wertberechnung unberücksichtigt. Nach Abgabe der Unterwerfungserklärung sind die gesondert eingeklagten Abmahnkosten Hauptforderung (Scholz in Danckwerts/Papenhausen/Scholz/Tavanti, Wettbewerbsprozessrecht, 1. Aufl., H. Kosten, Rn. 1452).

Gemessen an einem Streitwert i.H.v. 15.896,22 € hat die Klage zu 56 % Erfolg.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 709.

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