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LG Köln v. 24.06.2009: Der Internethandel mit titulierten Forderungen ist grundsätzlich zulässig. Die Veröffentlichung der Schuldtitel darf jedoch nur in anonymisierter Form erfolgen, um die Persönlichkeitsrechte der Schuldner zu wahren.
Das Landgericht Köln (Urteil vom 24.06.2009 - 28 O 116/09) hat entschieden:
Der Internethandel mit titulierten Forderungen ist grundsätzlich zulässig. Die Veröffentlichung der Schuldtitel darf jedoch nur in anonymisierter Form erfolgen, um die Persönlichkeitsrechte der Schuldner zu wahren.
Tatbestand:
Der Verfügungskläger begehrt die Unterlassung der Veröffentlichung einer rechtskräftig titulierten Forderung gegen ihn in dem Online-Portal www.anonym1.de der Verfügungsbeklagten.
Der Verfügungskläger ist Schuldner einer Forderung aus dem rechtskräftigen Prozessvergleich AG Bergisch Gladbach, Az. 61 C 371/07. Diese Forderung ist bisher nicht beglichen.
Mit Schreiben vom 12.02.2009 informierte die Verfügungsbeklagte den Verfügungskläger, dass sie im Auftrag des Gläubigers des Prozessvergleiches die Forderung in der von ihr betriebenen Online-Titelbörse zum Kauf anbiete.
In der Titelbörse werden kostenlos Informationen über die Forderungen angeboten, die mittels einer Suchmaske nach Namen / verschiedener Adressdaten, Forderungsart, -alter und -höhe abgefragt werden können. Zuvor muss der Abfragende lediglich seine Namen und seine E-Mail-Adresse angeben, sowie die AGB bestätigen.
Der Verfügungskläger ist der Ansicht, durch diese Art der Abfragemöglichkeit sei er in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt, da praktisch jeder erfahren könne, welche Schulden er habe. Die Verhältnismäßigkeit sei nicht gewahrt.
Der Verfügungskläger beantragt,
der Antragsgegnerin aufzugeben, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250 000,- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, es zu unterlassen,
auf der Internetplattform anonym1.de gegen den Antragsteller bestehende rechtskräftig titulierte Forderungen zu veröffentlichen zum Zwecke, die Forderungen Kaufinteressenten anzubieten, die von der Antragsgegnerin Zugang zur Schuldtitel-Datenbank erhalten haben.
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
den Verfügungsantrag zurückzuweisen.
Die Verfügungsbeklagte behauptet, der Server auf dem die Daten gepflegt werden, befinde sich in der Schweiz. Sie könnten allerdings - was unstreitig ist - auf dem deutschen Markt abgerufen werden. Der Webauftritt sei rechtlich überprüft und mit einer deutschen Landesdatenschutzbehörde abgestimmt worden. Sie ist der Ansicht grundsätzliche Bedenken hinsichtlich des Forderungshandels bestünden nicht. Der Verfügungskläger sei auch selber schuld, da er die Forderung - wie es sich gehört - längst hätte begleichen können, und er seinen Gläubiger dann nicht zu dem streitgegenständlichen Handeln, d.h. zu der Veröffentlichung in der Titelbörse veranlasst hätte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig, aber unbegründet.
Dem Verfügungskläger steht wegen der Veröffentlichung rechtskräftig titulierter Forderungen in jeglicher Form durch die Beklagte in ihrer Online-Datenbank kein Unterlassungsanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach §§ 823 I, 1004 BGB unter Berücksichtigung von § 29 BDSG zu, da dieser Anspruch in seiner Verallgemeinerung auch auf die Untersagung rechtlich zulässiger Handlungen gerichtet ist.
Grundsätzlich können, worauf die Verfügungsbeklagte zu Recht hinweist, und was der Verfügungskläger auch nicht in Abrede stellt, titulierte Forderungen gehandelt werden. Ein Verbot in dem begehrten Umfang kommt bereits aus diesem Grund nicht in Betracht.
Ein solcher Handel ist erst unzulässig, wenn ein rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers vorliegt. Ein Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers kann aber nur aus der Veröffentlichung von individualisierenden Merkmalen folgen, wenn über diese - wie z.B. Namen und Adressdaten - der Verfügungskläger als betroffene Person aus der Veröffentlichung erkennbar wird. Nur hierdurch wird die persönlichkeitsrechtsrelevante Betroffenheit ausgelöst, die die Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung, und damit verbunden den Unterlassungsanspruch, auslösen kann.
Ob dies vorliegend der Fall ist, muss die Kammer aber wegen des beantragten generellen Veröffentlichungsverbotes nicht prüfen. Der Verfügungskläger hat seinen Antrag weder nach den ihm in der Güteverhandlung erteilten Hinweisen, insbesondere, dass es im Hinblick auf das Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers bzw. § 29 BDSG unzulässig sein könnte, die Forderung unter Nennung der persönlichen Daten wie Namen und Anschrift zu veröffentlichen, modifiziert, noch einen (unechten) Hilfsantrag gestellt. Er hat ausdrücklich erklärt, es solle bei dem generellen Verbotsantrag bleiben.
Nach seinem Antrag begehrt der Verfügungskläger eindeutig ein generelles Verbot der Veröffentlichung. Dieses dem klaren Antragswortlaut entsprechende Antragsverständnis hat der Verfügungskläger auch ausdrücklich in der mündlichen Verhandlung zur Entscheidung gestellt.
Eine zu weite Fassung des Verbotsantrags führt aber zur Abweisung als unbegründet, sofern nicht eine konkrete Verletzungsform von dem Antrag ohne Weiteres abgespalten werden kann (vgl. Greger, in: Zöller, ZPO, 27. Auflage 2009, § 253 Rn. 13b).
Es ist anerkannt, dass bei einem Unterlassungsantrag und dementsprechend bei der Verurteilung im Interesse eines hinreichenden Rechtsschutzes gewisse Verallgemeinerungen gestattet sind, sofern auch in dieser Form das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass eine in bestimmter Form begangene Verletzungshandlung nicht nur die Wiederholung der genau identischen Verletzungsform vermuten lässt, sondern auch eine Vermutung für die Begehung zwar leicht abgewandelter, aber in ihrem Kern gleicher Handlungen begründet. Ein Unterlassungsantrag wird jedoch dann (teilweise) unbegründet, wenn er durch eine zu weite Verallgemeinerung über den bestehenden Anspruch hinausgeht, insbesondere wenn er auch Handlungen einbezieht, die nicht rechtswidrig sind. Bei einem zu weit gefassten Unterlassungsantrag, dem eine konkrete Maßnahme zugrunde liegt, wird allerdings nicht selten dem Klagebegehren zu entnehmen sein, dass jedenfalls diese konkret beanstandete Maßnahme untersagt werden soll. Eine solche Annahme setzt aber zumindest voraus, dass unzweifelhaft ist, dass ein solcher Anspruchsteil ohne Schwierigkeiten als Minus von dem zu weit gefassten Klageantrag abgespalten werden kann, und zudem, dass ohne weiteres festgestellt werden kann, welche konkrete Verletzungsform auf jeden Fall verboten werden soll. Die Umformulierung des Klageantrags in eine Richtung, in der er Erfolg hat oder - insbesondere bei einem entsprechenden Beweisergebnis - Erfolg haben könnte, ist nicht Sache des Gerichts, das lediglich nach § 139 I ZPO auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinwirken darf (vgl. zu einem wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsantrag: BGH, NJW 1999, 1332, 1334 - Vorratslücken).
Nach dem gesamten Vortrag des Verfügungsklägers kann aber nicht ohne weiteres festgestellt werden, was in jedem Fall verboten werden soll. Konkrete Angaben, was bzw. welche Angaben er jedenfalls für unzulässig im Hinblick auf sein Persönlichkeitsrecht hält, liegen nicht vor. Er wendet sich lediglich gegen die nach seiner Ansicht bestehende gesamte anprangernde Wirkung durch dieses für jeden frei zugängliche Schuldnerverzeichnis. Eine Umformulierung des Antrags, sodass der Antrag zumindest teilweise Erfolg haben könnte, durch das Gericht kann daher ebenso wie ein Verbot hinsichtlich der Veröffentlichung der rechtskräftig titulierten Forderung unter Nennung von persönlichen Daten oder anderen persönlichkeitsrechtsverletzenden Anhaltspunkten nicht erfolgen.
Auch wenn das Gericht im einstweiligen Verfügungsverfahren wegen § 938 ZPO in der Gestaltung des Verfügungsverbots freier ist, folgt hieraus keine über die gerade genannten Grundsätze hinausreichende Eingriffsmöglichkeit bei der Entscheidungsgestaltung.
Zwar bestimmt nach § 938 I ZPO das Gericht nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zwecks erforderlich sind, jedoch muss sich die Anordnung im Rahmen des gestellten Antrags halten. § 938 I ZPO hebt den Grundsatz der Antragsbindung nicht auf, bedeutet aber eine Lockerung, da der Antragsteller bzw. Verfügungskläger nur sein Rechtsschutzziel angeben muss, nicht aber eine bestimmte Maßnahme zu beantragen braucht. Beim Antrag auf eine Unterlassungsverfügung - wie vorliegend - muss allerdings das erstrebte Verbot genau bezeichnet sein (vgl. Vollkommer, in: Zöller, a.a.O., § 938 Rn. 2; OLG Koblenz, NJW-RR 1987, 95, 96). Dies ist vorliegend aber - wie dargestellt - nicht der Fall.
Ob die von der Verfügungsbeklagten vorgenommene „Eingangskontrolle“ zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs ausreichend ist, und ob anhand der anzugebenden Daten in jedem Einzelfall eine nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erforderlich Abwägung zwischen den berechtigten Interessen des Interessenten oder der Allgemeinheit auf der einen Seite und den schutzwürdigen Belangen des Betroffenen auf der anderen Seite vorgenommen werden kann, kann daher dahinstehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 6, 709 Satz 2, 711 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
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