|
Auskunftsanspruch (IP)
- Datenschutz
- ISP - Internet Service Provider
- IP-Adresse
- Urheberrechtsschutz
LG Kiel v. 06.05.2009: Eine Urheberrechtsverletzung von gewerblichem Ausmaß, die einen Auskunftsanspruch rechtfertigen würde, liegt nicht vor, wenn der Musikkünstler relativ unbekannt und sein Werk nur sehr kurz in den Charts war. Dabei darf auch nicht außer Betracht bleiben, dass die Auslegung des vom Gesetzgeber nicht näher definierten Begriffs des „gewerblichen Ausmaßes“ im Lichte von Verfassungs- und Europarecht zu erfolgen hat, wonach auf gespeicherte Verkehrsdaten nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts derzeit nur bei Verdacht auf Vorliegen einer schweren Straftat nach § 100a Satz 2 StPO zugegriffen werden darf.
Das Landgericht Kiel (Beschluss vom 06.05.2009 - 2 O 112/09) hat entschieden:
Eine Urheberrechtsverletzung von gewerblichem Ausmaß, die einen Auskunftsanspruch rechtfertigen würde, liegt nicht vor, wenn der Musikkünstler relativ unbekannt und sein Werk nur sehr kurz in den Charts war. Dabei darf auch nicht außer Betracht bleiben, dass die Auslegung des vom Gesetzgeber nicht näher definierten Begriffs des „gewerblichen Ausmaßes“ im Lichte von Verfassungs- und Europarecht zu erfolgen hat, wonach auf gespeicherte Verkehrsdaten nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts derzeit nur bei Verdacht auf Vorliegen einer schweren Straftat nach § 100a Satz 2 StPO zugegriffen werden darf.
Entscheidungsgründe:
Die Antragstellerin, Inhaberin der Rechte an dem am 17.4.2009 in Deutschland erschienenen Langspieltonträgers des Künstlers Milow „mit Bezug auf Filesharing in Peer-2-Peer-Netzwerken (‚Tauschbörsen‘)“, beantragt im Zusammenhang mit der Verfolgung eines Auskunftsanspruchs nach § 101 Abs. 2 UrhG bei dem angerufenen Gericht gemäß § 101 Abs. 9 UrhG die richterliche Anordnung über die Zulässigkeit der Verwendung von Verkehrsdaten, die die Beteiligte in der Zeit vom 1. bis zum 4. Mai 2009 erhoben hat. In diesem Zusammenhang hat sie vorgetragen, die Beteiligte lösche Verbindungsdaten fünf Tage nach Verbindungsende; um die Antragstellerin in die Lage zu versetzen, ihren Auskunftsanspruch durchzusetzen, sei erforderlich, die streitgegenständlichen Daten zu sichern.
Der Antrag auf einstweilige Anordnung hat keinen Erfolg.
Es kann dahinstehen, ob die Antragstellerin eine Eilbedürftigkeit glaubhaft gemacht hat. Sie hat lediglich behauptet, die Beteiligte lösche Verbindungsdaten fünf Tage nach Verbindungsende. An einer Glaubhaftmachung dieser Behauptung fehlt es.
Darauf kommt es jedoch nicht an, da die Antragstellerin einen Auskunftsanspruch aus § 101 Abs. 2 UrhG, dessen Durchsetzung die einstweilige Anordnung dienen soll, nicht besitzt. Zwar ist der Antrag nach § 101 Abs. 9 UrhG zulässig. Er ist jedoch mangels eines bestehenden Auskunftsanspruchs gegen die Beteiligte nicht begründet.
Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob überhaupt ausreichend glaubhaft gemacht ist, dass „offensichtliche“ Rechtsverletzungen durch die jeweils im Wege der IP-Adresse ermittelten Anschlussinhaber begangen worden sind, da diese mit den potentiellen Verletzern keineswegs zwingend identisch sind, soweit die IP-Adressen z.B. WLAN-Anschlüssen im privaten oder öffentlichen Bereich, Internet-Cafes, Flughäfen, Hotels, Büchereien, Firmen oder Behörden zugeordnet sein können. Selbst wenn von offensichtlichen Rechtsverletzungen der Inhaber der IP-Adressen auszugehen wäre, fehlte es an der Glaubhaftmachung, dass die jeweiligen Anschlussinhaber urheberrechtlich geschütztes Material „in gewerblichem Ausmaß“ zum Herunterladen angeboten haben.
Auch der Drittauskunftsanspruch nach § 101 Abs. 2 UrhG setzt entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerin neben der Erbringung der Dienstleistung in „gewerblichem Ausmaß“ durch den Dritten voraus, dass die Urheberrrechtsverletzung nach § 101 Abs. 1 UrhG selbst in „gewerblichem Ausmaß“ begangen worden ist. Nach § 109 Abs. 1 Satz 2 UrhG kann sich ein gewerbliches Ausmaß sowohl aus der Anzahl der Rechtsverletzungen als auch aus deren Schwere ergeben. In „gewerblichem Ausmaß“ begangene Rechtsverletzungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie zwecks Erlangung eines unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen oder kommerziellen Vorteils vorgenommen werden. Handlungen, die in gutem Glauben von Endverbrauchern vorgenommen werden, fallen in der Regel nicht unter diesen Begriff. Er ist deshalb einschränkend dahin auszulegen, dass eine Rechtsverletzung von erheblicher Qualität vorliegen muss. Durch diese Einschränkung ist zumindest klargestellt, dass bei illegalen Kopien und Verbreitungen im Internet über Tauschbörsen ein Umfang erreicht werden muss, der über das hinausgeht, was einer Nutzung zum privaten oder sonstigen eigenen Gebrauch entspräche ( OLG Zweibrücken, Beschluss vom 27.10.2008, Aktenzeichen 3 W 184/08 ). Vorliegend spricht nichts für eine Einnahmeerzielungsabsicht oder eine nach außen deutlich werdende Teilnahme der Anschlussinhaber am Erwerbsleben.
Selbst wenn diese Einschränkung nicht zu machen wäre, wäre vorliegend nicht von einem Handeln der Anschlussinhaber in „gewerblichem Ausmaß“ auszugehen. In welchem Umfange die jeweiligen Inhaber der IP-Adressen den oder die Musiktitel, an denen die Antragstellerin Rechte besitzt, auf ihre Computer geladen oder an andere Internet-Nutzer übermittelt haben, ergibt sich aus dem Vortrag der Antragstellerin nicht. Für eine Planmäßigkeit oder Dauerhaftigkeit des Handelns der Anschlussinhaber sind keinerlei Anhaltspunkte erkennbar. Damit bleibt offen, ob es sich jeweils um einmaliges, rein privates Transfergeschehen handelt. Ein einmaliges Herunter- und Hochladen von Dateien kann für sich allein kein „gewerbliches Ausmaß“ begründen, und zwar auch dann nicht, wenn dies in einer Internettauschbörse geschieht. Zudem besteht die Möglichkeit, durch entsprechende Konfiguration des Clientprogrammes auf dem Rechner des Anschlussinhabers oder durch eine entsprechende Systemkonfiguration das Hochladen von Daten gänzlich zu unterbinden, was von vornherein die Annahme eines Handelns in „gewerblichem Ausmaß“ verböte.
Auch die Schwere der behaupteten Rechtsverletzungen reicht vorliegend nicht aus, um ein „gewerblichen Ausmaß“ anzunehmen. Zwar waren die Musiktitel, an denen die Antragstellerin die Rechte hat, zur Zeit der behaupteten Rechtsverletzung erst vergleichsweise kurz auf dem Markt. Dies allein reicht jedoch nicht, um eine Annahme einer „Schwere der Rechtsverletzung“ im Sinne des § 101 Abs. 1 UrhG zu rechtfertigen. Vielmehr setzt die Bejahung dieser Verletzungsqualität voraus, dass der wirtschaftliche Wert der Nutzung des Urheberrechtes in erheblichen Umfang durch die Rechtsverletzung beeinträchtigt wird. Welchen wirtschaftlichen Wert ein Urheberrecht besitzt, richtet sich in erster Linie danach, welche Nachfrage am Markt nach dem geschützten Werk besteht. Diese Nachfrage wird zwar auch von der Aktualität des Werkes, insbesondere jedoch von der Bekanntheit des Interpreten und seines geschützten Werkes geprägt. Dazu findet sich im Internet unter http://acharts.us/album/43138 der Eintrag:
„The album Milow by Milow has been listed for 8 weeks in 5 different Charts. Its first appearance was week 16/2009 in the Dutch Albums Top 100 and the last appearance was week 19/2009 in the Swiss Albums Top 100. Its peak position was number 3, on the Germany Albums Top 50, itstayed there for 1 week. Its highest entry was number 3 in the Germany Albums Top 50.“
Daraus und aus http://de.wikipedia.org/wiki/Milow_(Sänger) ergibt sich, daß „Milow“ ein vergleichsweise unbekannter Künstler ist, dessen Album „Milow“ in Deutschland nur eine Woche lang auf Platz drei der „Germany Albums Top 50“ platziert und in der letzten Aprilwoche letztmals überhaupt in den „Charts“ verzeichnet war. Eine „Schwere der Rechtsverletzung“ im Sinne des § 101 Abs. 1 UrhG läßt sich aus diesen Umständen daher nicht herleiten. Dabei darf auch nicht außer Betracht bleiben, dass die Auslegung des vom Gesetzgeber nicht näher definierten Begriffs des „gewerblichen Ausmaßes“ im Lichte von Verfassungs- und Europarecht zu erfolgen hat, wonach auf gespeicherte Verkehrsdaten nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts derzeit nur bei Verdacht auf Vorliegen einer schweren Straftat nach § 100a Satz 2 StPO zugegriffen werden darf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.10.2008, Aktenzeichen 1 BvR 256/08 ).
Die Auffassung des Oberlandesgerichts Köln in der von der Antragstellerin zitierten Entscheidung vom 21.10.2008 (Aktenzeichen 6 Wx 2/08), dass derjenige, der ein gesamtes Musikalbum in der „relevanten Verkaufsphase“ der Öffentlichkeit zum Erwerb anbiete, wie ein gewerblicher Anbieter auftrete und seine Tätigkeit daher ein „gewerbliches Ausmaß“ habe, teilt die Kammer nicht. Die Unterscheidung zwischen einzelnen Titeln eines Albums und der Gesamtheit der Titel ist für die Frage der Schwere der Rechtsverletzung von untergeordneter Bedeutung. Von erheblich größerer Bedeutung sind der Wert des betreffenden Produktes und die aktuelle Nachfrage nach diesem Produkt auf dem Markt. Dazu ergibt sich aus dem Vortrag der Antragstellerin nichts. Abgesehen davon ergibt sich aus dem Vortrag der Antragstellerin, dass vorliegend nur in wenigen Fällen das gesamte Album, überwiegend aber nur ein einziger Titel aus diesem Album Gegenstand der beanstandeten Transaktionen war.
Da bereits das Vorliegen eines Anspruchs nach § 101 Abs. 9 in Verbindung mit Abs. 2 UrhG nicht festgestellt werden kann, kommt es auf die Frage, ob ein solcher Anspruch im konkreten Einzelfall möglicherweise unverhältnismäßig wäre (§ 101 Abs. 4 UrhG) - was naheliegt, da lediglich der Inhalt eines einzigen Langspieltonträgers oder gar nur eines der darauf enthaltenen Titel, an dem die Antragstellerin Rechte besitzt, zum Herunterladen angeboten wurde, dessen Wert als CD etwa 20,- € betragen mag - nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 13a KostO, 101 Abs. 9 Satz 5 UrhG.
|