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Landgericht Köln Urteil vom 10.06.2009 - 28 O 173/09 - Zur Haftung des Portalbetreibers für eingebettete Videos erst ab Kenntnis

LG Köln v. 10.06.2009: Zur Haftung des Portalbetreibers für eingebettete Videos erst ab Kenntnis


Das Landgericht Köln (Urteil vom 10.06.2009 - 28 O 173/09) hat entschieden:

   Der Betreiber eines Online-Dating-Portals mit der Möglichkeit, dort Videos einzustellen, haftet ab Kenntnis für die rechtswidrigen Äußerungen in einem von Fremden stammenden, in seine Plattform eingebetteten Film.

Siehe auch
Haftung des Betreibers einer Internetseite für eingebettete Videos von YouTube und anderen Videoportalen
und
Forum - Störerhaftung des Forenbetreibers

Tatbestand:


Die Parteien streiten über die Unterlassungsverpflichtung der Verfügungsbeklagten, die aus dem Antrag ersichtlichen Äußerungen über ihr Videoportal zu verbreiten.

Die Verfügungsklägerin betreibt unter der Domain "anonym1.de" das Internet-Dating-Portal "Anonym1". Dieses Portal verzeichnet täglich bis zu 80.000 Besucher und über 1.000 Neuregistrierung en. Der Nutzer kann dabei einen zunächst kostenlosen Zugang wählen. Für die Nutzung aller von der Verfügungsklägerin zu Verfügung gestellter Dienst ist jedoch eine kostenpflichtige Registrierung erforderlich.

Die Verfügungsbeklagte betreibt unter der Domain "de.anonym2.com" ein Internet-Video-Portal, auf dem von Nutzern eingestellte Videos gehostet werden. Dieses Portal enthält darüber hinaus eine Suchmaschine, die als Treffer neben den selbst gehosteten Inhalten auch Videos anzeigt, die auf dem Internet-Video-Portal "B" eingestellt wurden. In den Suchergebnissen werden diese beiden Arten von Treffern getrennt dargestellt. Die auf "B" eingestellten Videos werden nach einem entsprechenden Klick in der Trefferliste in die Seite der Verfügungsbeklagten eingebettet und können dort mit einem integrierten Videoplayer abgespielt werden. Im Unterschied zu den selbst gehosteten Videos der Verfügungsbeklagten erfolgt das Abspielen jedoch mit dem Hinweis "hochgeladen by B". Ferner enthalten nur diese Videos das "B" Logo; selbst gehostete Videos enthalten das Logo der Verfügungsbeklagten und weisen den Nutzer aus, der das Video online stellte.

Die Verfügungsbeklagte prüft die von "B" in den eigenen Internetauftritt eingebetteten Videos nicht auf deren Inhalt und lässt sich an diesen auch keine Nutzungsrechte einräumen.

Am 03.03.2009 wurde in der Fernsehsendung "Akte 09" durch den Fernsehsender "Sat1" ein Bericht über das Internet-Dating-Portal "Anonym1" ausgestrahlt. Der streitgegenständliche Bericht enthielt u.a. die folgenden Äußerungen:

   "M ist auch ein Opfer von Anonym1. Seit zwei Jahren versucht der junge Mann bereits, sein Profil auf der Seite zu löschen - vergeblich"

und

"Nur Ihr Profil, das bekommen Sie wohl nicht wieder".

Hinsichtlich des gesamten Inhaltes des Berichts wird auf den als Anlage 7 zur Antragsschrift eingereichten Videomitschnitt Bezug genommen.

Die Verfügungsklägerin stellte am 06.03.2009 fest, dass dieser Beitrag auf der Internetseite "de.anonym2.com" als integriertes B-Video abrufbar war, nachdem in der dortigen Suchmaske der Begriff "anonym1" eingegeben wurde.

Noch am 06.03.2009 forderte die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte auf, das streitgegenständliche Video bis zum 07.03.2009, 12.00 Uhr zu löschen. Dabei wies die Verfügungsklägerin darauf hin, dass die hier streitgegenständlichen Äußerungen rechtswidrig seien, weil M nicht versucht habe, sein Profil zu löschen, sondern aktiv an den Diensten der Verfügungsklägerin teilgenommen habe. Auf das als Anlage 14 vorgelegte Schreiben wird Bezug genommen. Mit Schreiben vom gleichen Tag wies die Verfügungsbeklagte die Verfügungsklägerin darauf hin, dass es sich bei dem beanstandeten Beitrag um ein auf "B" hochgeladenes Video handele und sie Schritte wegen Rechtsverletzungen nur dann vornehme, wenn es sich um ein bei "anonym2" selbst hochgeladenes Video handele. Auf das als Anlage 15 vorgelegte Schreiben wird Bezug genommen. Mit Schreiben vom 09.03.2009 mahnte die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte mit Fristsetzung zum 11.03.2009 ab und forderte diese auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Die Verfügungsbeklagte reagierte hierauf nicht.

Auf Antrag der Verfügungsklägerin vom 16.03.2009 / 20.03.2009 hat die Kammer nach Rücknahme hinsichtlich zweier Äußerungen am 20.03.2009 eine einstweilige Verfügung (AZ: 28 O 173/09) gegen die Verfügungsbeklagte erlassen.

Die Kosten des Verfahrens wurden der Verfügungsklägerin und der Verfügungsbeklagten zu je ½ auferlegt. Nach Zustellung dieser einstweiligen Verfügung entfernte die Verfügungsbeklagte das streitgegenständliche Video aus ihren Suchergebnissen.




Die Verfügungsklägerin behauptet, jeder Nutzer des Internetangebotes Anonym1 könne sein Profil ohne weiteres löschen. Dies gelte insbesondere auch für M. Dieser habe sich am 11.12.2007 um 13:42 Uhr erstmals im Rahmen des kostenlosen Zugangs bei der Verfügungsklägerin angemeldet. Am gleichen Tag um 14:55 Uhr habe M einen kostenpflichtigen Zugang gebucht. Die hierfür zu zahlende Rate von 57,00 € für einen Zugang für 3 Monate sei am 28.12.2007 abgebucht worden. Am 03.01.2008 sei eine Rückbuchung erfolgt, da das Konto des M keine Deckung aufgewiesen habe. Nach Mahnung sei sodann am 31.01.2008 eine Zahlung des Betrages inkl. der Kosten des Rücklastschriftverfahrens erfolgt. Die zweite Rate sei am 27.03.2008 abgebucht worden. Am 28.03.2008 sei die Rücklastschrift wiederum mangels Kontodeckung erfolgt. Nach mehrfacher Mahnung sei die Mitgliedschaft im Juli 2008 gekündigt worden, da Zahlungen nicht eingegangen seien. Am 04.09.2008 habe sich M erneut in dem Portal der Verfügungsklägerin kostenpflichtig angemeldet. Da ihm aufgrund der fehlgeschlagenen Versuche, die Gebühren einzuziehen, eine Zahlungsmöglichkeit durch Bankeinzug nicht mehr eingeräumt worden sei, habe M das sog. Handy-Bezahlverfahren gewählt und über die Handynummer 00491744525072 4,99 € für die Nutzung über einen Zeitraum von einer Woche gezahlt. Die Mitgliedschaft wurde von M sodann gekündigt. Am 19.12.2008 sei eine erneute Anmeldung über das Handy-Bezahlverfahren unter der Rufnummer 00000 erfolgt. Dieser Vertrag sei im Januar 2009 gekündigt worden. Insgesamt habe M zu keinem Zeitpunkt versucht, sei Profil zu löschen. Er habe vielmehr 478 interne Nachrichten und 875 Chat-Nachrichten empfangen, sei 906 Mal eingeloggt gewesen und habe bis Dezember 2008 Nachrichten versandt. Am 19. und am 22.12.2008 habe M an Chats in dem Portal Anonym1 teilgenommen.

Vor diesem Hintergrund ist der Verfügungsklägerin der Ansicht, die streitgegenständlichen Äußerungen seien als unwahre Tatsachenbehauptungen zu untersagen. Die Verfügungsbeklagte sei als Betreiber des streitgegenständlichen Internet-Video-Portals passivlegitimiert, da sie das Video wie ein eigenes Angebot integriere und präsentiere, und nicht wie bei Suchmaschinen optisch auf eine dritte Seite verweise. Überdies hafte die Verfügungsbeklagte jedenfalls ab Kenntnis des rechtswidrigen Inhalts als Störerin.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

   die einstweilige Verfügung vom 20.03.2009 zu bestätigen.*

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

   die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass M nicht versucht habe, sein Profil zu löschen, sondern weiter im Rahmen des Dating-Portals der Verfügungsklägerin aktiv gewesen sei.

Die Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, eine Löschungsverpflichtung auf die bloße Behauptung einer Rechtsverletzung beeinträchtige ihre Meinungsfreiheit sowie die Informationsfreiheit der Nutzer unverhältnismäßig. Eine Löschung könne von ihr allenfalls dann verlangt werden, wenn die Verfügungsklägerin mittels einer Unterlassungserklärung oder anhand einer einstweiligen Verfügung nachweise, dass der Urheber des streitgegenständlichen Berichts falsch recherchiert habe. Um Missbrauch vorzubeugen, bestehe eine Löschungsverpflichtung demzufolge nur bei eindeutigen und offensichtlichen Rechtsverstößen, für deren Feststellung es keiner Recherche bedarf. Denn sie hafte nicht als Täterin. Durch den Hinweis "hochgeladen by B" sowie dem "B" Logo sei für jedermann erkennbar, dass es sich um fremde Inhalte handele, welche sich die Verfügungsbeklagte nicht zu Eigen mache. Sie hafte auch nicht als Störerin. Allein aufgrund der unstreitig erfolgten Löschungsaufforderung liege keine Verletzung eigener Prüfungspflichten der Verfügungsbeklagten vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze und die von den Parteien vorgelegten Unterlagen und Schriftstücke Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.




Aus den Entscheidungsgründen:


"Die einstweilige Verfügung vom 20.03.2009 ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung zu bestätigen, da sowohl ein Verfügungsanspruch als auch ein Verfügungsgrund vorliegen.

Der Verfügungsklägerin steht gegen die Verfügungsbeklagte ein Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 analog BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 GG zu.

Das Unternehmenspersönlichkeitsrecht der Verfügungsklägerin ist geschützt. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht den Umfang der verfassungsrechtlichen Fundierung der einfachrechtlich als Unternehmenspersönlichkeitsrecht oder Persönlichkeitsschutz der juristischen Person umschriebenen Rechtspositionen bislang im Wesentlichen offen gelassen (vgl. dazu BVerfGE 106, 28, 42). Es ist im Grundsatz jedoch anerkannt, dass auch juristischen Personen ein allgemeiner Persönlichkeitsschutz zukommen kann (etwa BGH, NJW 1994, 1281, 1282), wobei den unternehmensbezogenen Interessen der Verfügungsklägerin über Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 12 GG verfassungsrechtlicher Schutz gewährleistet werden kann (vgl. BVerfGE, NJW 2002, 2621, 2622). An dem durch Art. 2 Abs.1 GG geschützten Persönlichkeitsbereich nimmt die juristische Person nämlich insoweit teil, als sie aus ihrem Wesen und ihren Funktionen dieses Schutzes bedarf, weil sie in ihrem sozialen Geltungsbereich als Wirtschaftsunternehmen betroffen ist (vgl. BGH, NJW 1994, 1281, 1282).

Nach diesen Grundsätzen ist die Verfügungsklägerin für die Geltendmachung des streitgegenständlichen Unterlassungsanspruchs aktivlegitimiert. Denn bei den Fragen, wie die Verfügungsklägerin mit den persönlichen Daten und Angaben ihrer Kunden umgeht und ob eine Löschung ohne weiteren möglich ist, werden die unternehmensbezogenen Interessen der Verfügungsklägerin betroffen.



Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Verfügungsklägerin ist auch rechtswidrig. Bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts handelt es sich um einen sogenannten offenen Tatbestand, d.h. die Rechtswidrigkeit ist nicht durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert, sondern im Rahmen einer Gesamtabwägung der widerstreitenden Interessen unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalles und Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit positiv festzustellen (Palandt, BGB, § 823 Rn. 95 m.w.N.). Stehen sich als widerstreitende Interessen - wie vorliegend - die Meinungsfreiheit (Art. 5 I GG) und das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2, 1 GG) gegenüber, kommt es für die Zulässigkeit einer Äußerung maßgeblich darauf an, ob es sich um Tatsachenbehauptungen oder Meinungsäußerungen handelt. Ob es sich um eine Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung handelt, bestimmt sich wie folgt: Konstitutiv für die Bestimmung dessen, was als Äußerung einer "Meinung" zum Schutz des Grundrechts von Art. 5 Abs. 1 GG umfasst wird, ist das Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens, des Meinens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung (vgl. grundlegend BVerfGE 61, 1, 8f). Dabei kann auch die Äußerung von Tatsachen, die der Meinungsbildung dienen, in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG fallen (vgl. BVerfGE 90, 1, 15). Eine Tatsachenbehauptung ist anzunehmen, wenn die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist (vgl. BVerfGE 94, 1, 8; BGH NJW 1996, 1131). Unabdingbare Voraussetzung für eine zutreffende Einordnung einer Äußerung ist die Ermittlung des Aussagegehalts. Dabei darf nicht isoliert auf den durch den Antrag herausgehobenen Text abgestellt werden. Vielmehr ist dieser im Zusammenhang mit dem gesamten Aussagetext zu deuten. Dabei ist auf den objektiven Sinn der Äußerung aus der Sicht eines unvoreingenommenen Durchschnittsleser abzustellen (vgl. BGH NJW 1998, 3047).

Nach den vorstehend genannten Grundsätzen handelt es sich bei den streitgegenständlichen Äußerungen um Tatsachenbehauptungen. Denn die Frage, ob M seit zwei Jahren vergeblich versucht, sein Profil auf der Seite zu löschen, lässt sich ebenso mit den Mitteln des Beweises überprüfen, wie die Frage, ob eine Löschung der hinterlegten Inhalte durch einen Kunden der Verfügungsklägerin nicht möglich ist. Durch die Äußerung "Nur Ihr Profil, das bekommen Sie wohl nicht wieder" wird nämlich im Gesamtkontext des Beitrags der Eindruck vermittelt, dass Nutzer generell die im Portal anonym1.de hinterlegten Inhalte nicht löschen können. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Äußerung im maßgeblichen Gesamtkontext auf die im Beitrag dargestellten angeblichen Erfahrungen des M zurückgehen und daher die der Äußerung zugrundeliegenden Behauptungen ebenfalls als Tatsachenbehauptungen einzustufen sind.

Bei Tatsachenbehauptungen kommt es im Rahmen der anzustellenden Abwägung für die Zulässigkeit ihrer Äußerung entscheidend auf den Wahrheitsgehalt der Tatsachenbehauptung an. Bewusst unwahre Tatsachen oder Tatsachen, deren Unwahrheit im Zeitpunkt der Äußerung zweifelsfrei feststeht, fallen nicht unter den Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG (Palandt, BGB, § 823 Rn. 101a m.w.N.). Ihre Äußerung ist daher grundsätzlich unzulässig.

Dabei kann offen bleiben, ob in entsprechender Anwendung von § 186 StGB die Verfügungsbeklagte hinsichtlich der Wahrheit der streitgegenständlichen Tatsachenbehauptungen beweisfällig geblieben ist, da die Verfügungsklägerin jedenfalls glaubhaft gemacht hat, dass die Äußerungen unzutreffend sind. Nach Auffassung der Kammer spricht allerdings vieles dafür, eine Beweislast der Verfügungsbeklagten für die Richtigkeit der Äußerungen anzunehmen. Denn die streitgegenständlichen Äußerungen, die Verfügungsklägerin speichere die zum Teil sehr sensiblen Daten eines Internet-Dating-Portals gegen den Löschungswillen ihrer Nutzer weiter und verstoße gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen des Telemediengesetzes, können geeignet sein, die Verfügungsklägerin herabzuwürdigen.



Die Verfügungsklägerin hat jedenfalls im Rahmen der eidesstattlichen Versicherung ihrer Geschäftsführerin vom 16.03.2009 glaubhaft gemacht, dass eine Löschung der Inhalte möglich ist. Insbesondere hat sie unter Darlegung zahlreicher Details glaubhaft gemacht, dass M zu keinem Zeitpunkt versuchte, die von ihm hinterlegten Inhalte zu löschen, sondern vielmehr an dem kostenpflichtigen Dating-Portal der Verfügungsklägerin bis Dezember 2008 aktiv und unter regelmäßiger Neuanmeldung teilnahm. Anhaltspunkte, die Zweifel an dem Inhalt der eidesstattlichen Versicherung begründen können, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist die eidesstattliche Versicherung mit zahlreichen Details versehen, die für deren Glaubhaftigkeit sprechen. So sind insbesondere die Ausführungen zu den Zeitpunkten der Anmeldung sowie der Teilnahme an Chats usw. Details, die im Rahmen einer unzutreffenden eidesstattlichen Versicherung nicht zu erwarten wären. Die Äußerungen sind daher unzutreffend.

Ob die Verfügungsbeklagte sich die streitgegenständlichen Äußerungen aufgrund der optischen Präsentation zu eigen gemacht hat, kann offen bleiben, da sie jedenfalls infolge ihrer Untätigkeit nach der Löschungsaufforderung als Störerin passivlegitimiert ist.

Die Passivlegitimation richtet sich nach der allgemeinen Störerhaftung. Die für Livesendungen in Rundfunk und Fernsehen geltenden medialen Privilegierungen erstrecken sich nicht auf im Internet wiedergegebene Wiederholungen, denn Internetangebote sind - wie etwa auch Aufzeichnungen im Fernsehen - dem nachträglichen Zugriff des Anbieters in keiner Weise entzogen (BGH GRUR 2007, 724). Auch die Haftungsprivilegien des TMG sind auf Unterlassungsansprüche nicht anwendbar (BGH NJW 2004, 3102).

Als Störer haftet demnach auf Unterlassung, wer in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Gutes beiträgt (vgl. BGH, NJW 2004, 3102). Die Haftung des Störers setzt jedoch die Verletzung von Prüfungspflichten voraus (vgl. BGH, NJW 2001, 3265). Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen des Einzelfalls eine Prüfung zuzumuten ist (vgl. BGH, NJW 2004, 2158). Hierbei sind die Funktion und die Aufgabenstellung des als Störer in Anspruch Genommenen sowie die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat oder vornimmt, zu berücksichtigen (vgl. LG Berlin, MMR 2005, 786). Die gebotene Überprüfung kann bei Zweifel zu einer Rückfragepflicht bei der Rechtsabteilung führen (vgl. BGH GRUR 1990, 1012).

Eine Störerhaftung für Hyperlinks kann etwa dann begründet sein, wenn ein Hyperlink aufrecht erhalten bleibt, obwohl nach einer Abmahnung oder Klageerhebung eine zumutbare Prüfung ergeben hätte, dass mit dem Hyperlink ein rechtswidriges Verhalten unterstützt wird (vgl. BGH, NJW 2004, 2158).

Wenn Hyperlinks nur den Zugang zu ohnehin allgemein zugänglichen Quellen erleichtern, dürfen im Interesse der Meinungs- und Pressefreiheit an die nach den Umständen erforderliche Prüfung allerdings keine zu strengen Anforderungen gestellt werden. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass die sinnvolle Nutzung der unübersehbaren Informationsfülle im "World Wide Web" ohne den Einsatz von Hyperlinks zur Verknüpfung der dort zugänglichen Dateien praktisch ausgeschlossen wäre (vgl. BGH, NJW 2004, 2158).

Der Betreiber einer Suchmaschine etwa braucht keine umfangreiche Nachforschungen unter hohem personellen und technischen Aufwand durchzuführen; ihm wird lediglich zugemutet nachzuprüfen, ob der angemahnte Eintrag auf der Trefferliste aus der Perspektive eines unbefangenen Internetnutzers als rechtmäßig anzusehen ist (vgl. LG Berlin, MMR 2005, 786). Wie intensiv die Prüfung eines Suchmaschinenbetreibers sein muss, hängt davon ab, wie genau die Verstöße konkretisiert sind (vgl. OLG Nürnberg, MMR 2009, 131).

Auch dem Betreiber eines Bezahlsystems ist ohne Weiteres eine Prüfung zumutbar, wenn der Betroffene im Wege einer Abmahnung in Bezug auf bestimmte vermittelte Inhalte konkrete Persönlichkeitsrechtsverletzungen geltend macht. In einem solchen Fall braucht der Betreiber jedoch ebenfalls keine umfangreichen Nachforschungen unter hohem personellen und technischen Aufwand durchzuführen. Auch ihm wird lediglich zugemutet nachzuprüfen, ob der angemahnte Beitrag aus der Perspektive eines unbefangenen Internetnutzers als rechtmäßig anzusehen ist (vgl. LG Berlin, ZUM-RD 2005, 148).

Die mit einer sachlichen Begründung untermauerte Behauptung der Verletzung des Persönlichkeitsrechts begründet jedenfalls eine Prüfungspflicht (vgl. OLG Nürnberg, MMR 2009, 131).



Nach diesen Grundsätzen hat die Verfügungsbeklagte hier gegen die ihr obliegende Prüfungspflicht verstoßen. Denn der Verfügungsbeklagten wird auf die Behauptung einer Rechtsverletzung gerade keine Löschungsverpflichtung sondern "nur" eine Prüfungspflicht auferlegt. Hierdurch werden die Meinungsfreiheit der Verfügungsbeklagten und die Informationsfreiheit der Nutzer nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt, sondern es wird ein angemessener Ausgleich mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen herbeigeführt.

Anhand der Abmahnung hätte die Verfügungsbeklagte feststellen können und müssen, dass die Verfügungsklägerin bei unterstellter Unwahrheit der Tatsachenbehauptung in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt wäre und hätte folglich in einem zweiten Schritt auch die dargelegte Unwahrheit prüfen müssen.

Die Verfügungsklägerin hat die konkrete Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Löschungsaufforderung schlüssig dargelegt und sachlich begründet. Insbesondere hat sie die Unwahrheit der aufgestellten Tatsachenbehauptungen nicht pauschal behauptet, sondern hinreichend dargelegt. Sie hat - wie sich aus der Löschungsaufforderung vom 06.03.2006 ergibt - im einzelnen dargelegt, dass M nicht nur die Löschung seines Profils nicht zu erreichen versuchte, sondern weiterhin auf dem Portal der Verfügungsklägerin aktiv war.

Dabei kann dahinstehen in welchem Umfang die Verfügungsbeklagte die Unwahrheit der streitgegenständlichen Äußerung hätte prüfen müssen, da jedenfalls das Ausbleiben jedweder Prüfung eine Störerhaftung begründet. Dabei kann auch gegenüber einem Störer bei Begründung und Bestimmung einer Prüfungspflicht hinsichtlich der Unwahrheit einer verletzenden Tatsachenbehauptung von dem Betroffenen nicht verlangt werden, dass er die Unwahrheit mittels eines Titels gegen den Äußernden oder einer Unterlassungserklärung darlegen muss. Solch hohe Voraussetzungen würden das allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen unverhältnismäßig beeinträchtigen, da dieser gegen ihn verletzende Äußerungen - insbesondere im Internet - schnell und effektiv vorgehen können muss; dies beinhaltet auch das parallele Vorgehen gegen mehrere Störer, ohne dass zunächst erfolgreich gegen den Täter vorgegangen werden muss.

Soweit die Verfügungsbeklagte anführt, es seien nicht die im Rahmen des Wettbewerbsrechts geltenden Grundsätze der Prüfungspflichten heranzuziehen, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Richtig ist zwar, dass die von der Verfügungsbeklagten als Beispiel angeführte mögliche Markenrechtsverletzung durch Einsicht in das Markenregister leichter geprüft werden kann. Wenn jedoch beispielsweise Wettbewerbsverletzungen nach dem UWG geltend gemacht werden, so ergeben sich die gleichen Schwierigkeiten bei der Prüfung durch die Verfügungsbeklagte wie bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Auch in diesem Fall sind die tatsächlichen Grundlagen (wie z.B. die Frage, wer Inhaber einer Marke ist) nicht - wie im Markenrecht - durch Einsichtnahme in ein Register zu prüfen. Vielmehr muss auch hier eine Prüfung der einzelnen Merkmale der die Unterlassung gebietenden Anspruchsgrundlage erfolgen, ohne dass für tatsächliche Fragen auf Register zurückgegriffen werden könnte.




Die Verfügungsbeklagte hat auf die Abmahnung der Verfügungsklägerin vor Vollziehung der einstweiligen Verfügung jedoch keinerlei Maßnahmen getroffen. Ihrer Antwort auf die Abmahnung ist überdies in keiner Weise zu entnehmen, dass sie selbst bei Kenntnis der Unwahrheit bereit gewesen wäre, Vorkehrungen zu treffen, mit denen die bestehende Persönlichkeitsrechtsverletzung beseitigt werden könnte. Unter Verweis auf die Speicherung bei "B" wurde ein Tätigwerden vielmehr grundsätzlich abgelehnt. Eine Prüfung obliegt ihr als Störerin nach einer Abmahnung allerdings sowohl bei selbst gehosteten als auch bei, zwar fremd gehosteten, aber selbst integrierten bzw. verlinkten Videos.

In Bezug auf Begründung und Umfang der zumutbaren Prüfung ist hier zu berücksichtigen, dass die Verfügungsbeklagte keine "klassische" Suchmaschine mit Trefferliste und Hyperlinks zu fremden Seiten betreibt, sondern - wie sie selbst vorträgt - maßgebliche Teile fremder Internetseiten, Videos, in ihren eigenen Internetauftritt einbindet, so dass der Nutzer gar nicht mehr auf die verlinkte Seite gelangen muss, um das Video dort zu betrachten. Nutzer der Verfügungsbeklagten können sich daher "anonym2" und "B" Videos bedienen, worin die maßgebliche Attraktivität des Portals gründet. Die Verfügungsbeklagte erweitert also ihr eigenes Angebot um die Abspielmöglichkeit von "B" Videos. Der Nutzer bleibt jedoch auch beim Betrachten eines "B" Videos weiter auf dem Portal der Verfügungsbeklagten und muss somit nicht auf das Portal "B" zugreifen. Die Verfügungsbeklagte verlinkt also nicht nur, sondern integriert den fremden Inhalt, so dass ihr im Vergleich zu "klassischen" Suchmaschinen eine höhere Prüfungspflicht bezüglich gerade dieses Inhalts auferlegt werden muss.

Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Frage, ob die Löschung von Nutzerprofilen auf dem Portal "anonym1.de" möglich ist oder nicht, ohne Weiteres durch einen kostenlosen Test-Account überprüft werden kann. Hätte die Verfügungsbeklagte hierdurch festgestellt, dass dies entgegen dem streitgegenständlichen Beitrag möglich ist, wären auch hinsichtlich des Nutzers M weitere Nachforschungen erforderlich gewesen.

Die Verfügungsbeklagte kann sich daher jedenfalls nicht darauf berufen, dass ihr jedwede Prüfung der Unwahrheit unzumutbar gewesen wäre.

Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs ist auch nicht rechtsmissbräuchlich. Die Verfügungsklägerin wendet sich hier gegen ein Video, das unwahre rechtsverletzende Tatsachenbehauptungen enthält und dessen Betrachtung von der Verfügungsbeklagten ermöglicht und gefördert wurde. Ein Vorgehen gegen Täter würde nicht zwangsläufig zu einer umgehenden und vollständigen Beseitigung der Rechtsverletzung führen. Angesichts der drohenden Gefahr, dass sich einmal im Internet befindliche Inhalte nicht vollends beseitigen lassen, muss gegen eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts möglichst schnell und effektiv vorgegangen werden können; dies beinhaltet auch das frühzeitige Vorgehen gegen alle Störer. Hinzu kommt, dass die Attraktivität des Portals der Verfügungsbeklagten in nicht unerheblicher Weise auf der Integration der "B" Videos gründet.



Auch eine Wiederholungsgefahr ist gegeben. Diese ist für den Unterlassungsanspruch materielle Anspruchsvoraussetzung (vgl. BVerfG NJW 2000, 1209; BGH NJW 1995, 132). Sie wird durch die vorangegangene rechtswidrige Beeinträchtigung indiziert (vgl. Burkhardt in Wenzel, Da Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage, Kap. 12.8, m.w.N.), an deren Widerlegung durch den Verletzer hohe Anforderungen gestellt werden. Die Wiederholungsgefahr entfällt nicht schon dann, wenn der Verletzer lediglich eine Absichtserklärung abgibt, in Zukunft keine Verletzung mehr begehen zu wollen, sondern wird grundsätzlich erst dann ausgeräumt, wenn der Verletzer sich unter Übernahme einer angemessenen Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegenüber dem Verletzten verpflichtet, sein Verhalten einzustellen (vgl. Burkhardt a.a.O., Kap. 12.17). Da eine solche nicht abgegeben wurde, ist die Wiederholungsgefahr gegeben.

Ein Verfügungsgrund besteht ebenfalls. Da die Verfügungsbeklagte in einer in die Persönlichkeitsrechte eingreifenden Weise die streitgegenständlichen Äußerungen veröffentlichte und die Verfügungsklägerin erst am 06.03.2009 (Erstausstrahlung des Beitrages am 03.03.2009) Kenntnis von diesen Verletzungshandlungen erhielt, liegt die erforderliche Dringlichkeit vor. Durch das weitere Verbreiten der streitgegenständlichen Äußerungen droht der Verfügungsklägerin auch ein erheblicher Schaden.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Das die einstweilige Verfügung bestätigende Urteil wirkt wie die ursprüngliche einstweilige Verfügung und ist daher ohne besonderen Ausspruch mit der Verkündung sofort vollstreckbar (Zöller-Vollkommer, ZPO, 27. Auflage, § 925 Rn. 9)."

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