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OLG Bremen Urteil vom 11.01.2007 - 2 U 107/2006 - Unzulässigen Schlagwort-Werbung von Anwälten

OLG Bremen v. 11.01.2007: Unzulässigen Schlagwort-Werbung von Anwälten


Das OLG Bremen (Urteil vom 11.01.2007 - 2 U 107/2006) hat entschieden:

   Das Bewerben einer Anwaltskanzlei mit dem Slogan „Erster Fachanwalt für ... in ...“ ist irreführend und daher wettbewerbswidrig. Der verständige und aufgeschlossene Leser, auf den abzustellen ist, versteht diese Aussage jedenfalls nicht nur rein zeitbezogen, sondern zumindest auch als Qualitätsbehauptung.

Siehe auch
Anwaltswerbung
und
Wettbewerbsverstöße


Entscheidungsgründe:


"I.

Die Verfügungsbeklagte, eine überörtliche Sozietät von Rechtsanwälten mit Kanzleien in … veröffentlichte in einer halbseitigen Anzeige in dem in … erscheinenden „Sonntagsjournal" vom 16. Juli 2006 folgende Anzeige:

   „DIE … Fachanwaltskanzlei: Leistung und Kompetenz aus 8 Fachanwaltschaften Erste Fachanwältin für Verkehrsrecht und erster Fachanwalt für Erbrecht in…“

Darunter befinden sich zwei farbige Abbildungen (Brustbilder) des Rechtsanwalts und Notars Dr. …. und der Rechtsanwältin HM., mit entsprechenden Bezeichnungen, wobei die Namen blickfangmäßig hervorgehoben sind. Unterhalb des erstgenannten Namens sind folgende Hinweise angebracht: „Erster Fachanwalt für Erbrecht in … und darunter -in kleinerem Schriftbild - „Fachanwalt für Verwaltungsrecht" sowie unterhalb des letztgenannten Namens - „Erste Fachanwältin für Verkehrsrecht in … und darunter - ebenfalls in kleinerem Schriftbild - „Fachanwältin für Familienrecht . Im Anschluss an diese Verlautbarungen findet sich der Hinweis: „Unser neues Angebot für Sie nach der Reform des Gebührenrechts: Beratung zum Festpreis Ihr Recht für 29,- Euro", wobei die Worte ab „Beratung" farblich und nach der Größe des Schriftbildes hervorgehoben sind (Anlage ASt 1 = Bl. 7/8 d A).

Unstreitig ist Herr Rechtsanwalt Dr. … derjenige Rechtsanwalt, dem in zeitlicher Hinsicht als erstem … Mitglied der Verfügungsklägerin die Befugnis zur Führung der Bezeichnung „Fachanwalt für Erbrecht" verliehen worden ist. Ebenso unstreitig ist Frau Rechtsanwältin … die erste Rechtsanwältin, der als Mitglied der Verfügungsklägerin die Befugnis zur Führung der Bezeichnung „Fachanwältin für Verkehrsrecht" verliehen worden ist. In zeitlicher Hinsicht ist allerdings Herrn Rechtsanwalt … ebenfalls Mitglied der Verfügungsklägerin mit einer Kanzlei in … schon früher die Befugnis zur Führung der Bezeichnung „Fachanwalt für Verkehrsrecht" zuerkannt worden.

Die Verfügungsklägerin hat die Ansicht vertreten, die von der Antragsgegnerin veranlasste Anzeige sei wettbewerbswidrig weil irreführend, denn sie rufe den unrichtigen Eindruck hervor, die in ihr bezeichneten Personen seien mit besonderer Sachkunde ausgestattet, die diejenige anderer Rechtsanwälte übertreffe, weil die Bezeichnung „Erster" und „Erste" bei dem unbefangenen Leser die Vorstellung einer Spitzenstellung in qualitativer Hinsicht erwecke. Zudem treffe die in Bezug auf Frau Rechtsanwältin … aufgestellte Behauptung auch in zeitlicher Hinsicht nicht zu, denn Herrn Rechtsanwalt … sei bereits zeitlich früher die Befugnis zur Führung der Bezeichnung „Fachanwalt für Verkehrsrecht" zugebilligt worden.

Die Verfügungsklägerin hat, nachdem, die Verfügungsbeklagte sich geweigert hatte, eine entsprechende strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben, beantragt,

   der Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung und wegen der Dringlichkeit der Sache unter Verzicht auf eine mündliche Verhandlung bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,- für jeden Fall der Zuwiderhandlung aufzugeben, es zu unterlassen, im Geschäftsverkehr und insbesondere in für die Öffentlichkeit bestimmten Anzeigen und Äußerungen

  1.  den Rechtsanwalt Dr. … als „Erster/erster Fachanwalt für Erbrecht in …“ und
  2.  die Rechtsanwältin … als „Erste/erste Fachanwältin für Verkehrsrecht in …“

zu präsentieren.

Mit Beschluss vom 25. August 2006 (Bl. 14/15 d.A.) hat das Landgericht … die begehrte einstweilige Verfügung wie von der Verfügungsklägerin beantragt erlassen. Auf den von der Verfügungsbeklagten dagegen erhobenen Widerspruch hat das Landgericht mit Urteil vom 28. September 2006, auf dessen Tatbestand (Bl. 34/35 d.A.) und Entscheidungsgründe (BL 36/37 d.A.) wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, die einstweilige Verfügung nur insoweit bestätigt, als der Verfügungsbeklagten darin untersagt worden war, im Geschäftsverkehr und insbesondere in für die Öffentlichkeit vorgesehenen Anzeigen und Äußerungen die Rechtsanwältin … als „Erste/erste Fachanwältin für Verkehrsrecht in … zu präsentieren, während es die einstweilige Verfügung im Übrigen aufgehoben und den auf ihren Erlass insoweit gerichteten Antrag zurückgewiesen und die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben hat. Zur Begründung hat das Landgericht zum einen darauf abgestellt, dass die auf Rechtsanwalt Dr. … bezogene Werbung nicht irreführend (gewesen) sei, weil dieser in der Tat der in zeitlicher Hinsicht der erste in … ansässige Rechtsanwalt sei, dem die Befugnis zur Führung der Bezeichnung „Fachanwalt für Erbrecht" zuerkannt worden sei, während die auf Frau Rechtsanwältin bezogene Werbung untersagt werden müsse, denn Herr Rechtsanwalt … habe zeitlich früher die Anerkennung als „Fachanwalt für Verkehrsrecht erhalten.




Gegen dieses der Verfügungsklägerin am 13. Oktober 2006, der Verfügungsbeklagten am 18. Oktober 2006 zugestellte Urteil hat erstere am 19. Oktober 2006, letztere am 13. November 2006 Berufung eingelegt. Beide Berufungen sind zugleich mit ihrer Einlegung begründet worden. Wegen der Einzelheiten der Begründungen wird auf den Inhalt der entsprechenden Schriftsätze der Verfügungsklägerin vom 19. Oktober 2006 (BL 42- 47 d.A.) nebst Anlage ASt 4 (BL 48 d.A.) sowie Schriftsatz vom 21. November 2006 (BL 66-67 d.A.) und den Schriftsatz der Verfügungsbeklagten vom 13. November 2006 (Bl. 52- 57 = BL 60- 65 d.A.) Bezug genommen.

Die Parteien wiederholen im Wesentlichen ihr Vorbringen erster Instanz; die Verfügungsklägerin hält die gesamte am 16. Juli 2006 von der Verfügungsbeklagten durchgeführte Werbemaßnahme für irreführend und deshalb für unzulässig und zu untersagen, die Verfügungsbeklagte erklärt sie für vollen Umfangs wahrheitsgemäß und daher für nicht zu beanstanden.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

   der Verfügungsbeklagten zu untersagen, im Geschäftsverkehr und insbesondere in für die Öffentlichkeit vorgesehenen Aussagen und Äußerungen den Rechtsanwalt Dr. … als „Erster/erster Fachanwalt für Erbrecht in … zu präsentieren.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

   unter Abänderung des am 28. September 2006 verkündeten Urteils des Landgerichts … den Beschluss vom 25. August 2006 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweilen Verfügung zurückzuweisen.

Ferner beantragt sie,

   die Berufung der Verfügungsklägerin zurückzuweisen.

Die Verfügungsklägerin beantragt des Weiteren,

   die Berufung der Verfügungsbeklagten zurückzuweisen.




II.

Die Berufungen sind statthaft (§ 511 Abs. 1 und 2 Nr. 1 ZPO), form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 520 Abs. 1 und 2 Satz 1 und 3, Abs. 3 Satz 1 und 2 ZPO), und auch im Übrigen zulässig. Während die Berufung der Verfügungsklägerin sich als begründet erweist und zur Abänderung des angegriffenen Urteils führt, stellt sich die Berufung der Verfügungsbeklagten als unbegründet dar; sie war daher zurückzuweisen.



1. Die Berufung der Verfügungsklägerin ist begründet, weil (auch) die werbliche Aussage der Verfügungsbeklagten, Herr Rechtsanwalt Dr. … sei „Erster Fachanwalt für Erbrecht in …" irreführend im Sinne des § 5 Abs. 1 UWG ist und damit als unlautere Wettbewerbshandlung im Sinne des § 3 UWG unzulässig ist. Entgegen der von der Verfügungsbeklagten für richtig gehaltenen Betrachtungsweise, die wiedergegebene Behauptung sei ausschließlich zeitbezogen zu verstehen und unter diesem Blickwinkel sei ihr Inhalt zutreffend, so dass die Aussage deshalb nicht zu beanstanden sei, versteht der verständige und aufgeschlossene Leser, auf den abzustellen ist, diese Aussage jedenfalls nicht nur rein zeitbezogen, sondern zumindest auch als Qualitätsbehauptung. Es kann dahingestellt bleiben, ob als Beleg für diese Sichtweise die von der Verfügungsklägerin herangezogenen Hinweise „Erstes Hotel am Ort" oder „Erstes Restaurant am Platz" dienlich sein können, denn es gibt genügend nicht sach-, sondern personenbezogene Beispiele, bei denen der vorangestellte Begriffsteil „Erster" eindeutig einen Bezug auf die besondere, herausragenden Qualifikation der Person, die diese Bezeichnung führt, herstellt und auch darstellen soll. Zu denken ist zum einen im Bereich des Öffentlichen Dienstrechts an die Amtsbezeichnung „Erster Justizhauptwachtmeister", „Erster Staatsanwalt" oder „Erster Oberstaatsanwalt". Darüber hinaus ist an die in der Freien und Hansestadt Hamburg für den Präsidenten des Senats übliche Bezeichnung „Erster Bürgermeister" zu denken. Ferner kommt im Bereich der Seeschifffahrt der Begriff des „Ersten Offizier(s)" vor, im Bereich der Presse derjenige des „Ersten Redakteur(s)". Auch die Orchesterkultur kennt Vergleichbares in Gestalt des „Primgeigers"» der auch als „Erster Violinist" gekennzeichnet wird« In den allgemeinen Sprachgebrauch ist die letztgenannte Bezeichnung mit der Redewendung „die erste Geige spielen" eingegangen. In allen genannten Fällen ist der Zusatz „Erster“ nicht im Sinne eines Hinweises auf einen zeitlichen Ablauf zu verstehen, soll auch nicht so verstanden werden und wird auch nicht so verstanden. Vielmehr verbindet die maßgebliche Verkehrsauffassung damit besonders herausgehobene, an die herausragende Befähigung und Verantwortlichkeit des Trägers der Bezeichnung anknüpfende Merkmale. Die von der Verfügungsbeklagten gewählten Begriffe „Erster Fachanwalt" und „Erste Fachanwältin" sind den genannten Bezeichnungen zwar nicht unmittelbar gleichzuachten, weil es naturgemäß eine der beamtenrechtlichen oder sonstigen Hierarchie vergleichbare Abstufung im Bereich der Rechtsanwaltschaft nicht gibt, gleichwohl ist aber nicht zu verkennen, dass schon wegen der gewählten Schreibweise bei einem unbefangenen Leser der Eindruck erzeugt wird, dass zumindest eine besonders herausgehobene fachliche Befähigung und Leistungsfähigkeit bei den Personen Dr. … und … vorhanden ist. Dieser Gesichtspunkt wird zusätzlich unterstützt durch den bei beiden Personen in der Anzeige mitgeteilten Hinweis auf eine weitere Fachanwaltsbezeichnung, die diese zu führen berechtigt sind. Es spricht auch alles dafür, dass ein solcher Eindruck bezweckt ist, denn anderenfalls hätte nichts näher gelegen, als in der Anzeige diejenigen Zeitpunkte anzugeben, zu denen die beiden genannten Personen die Berechtigung verliehen worden ist, die entsprechenden Fachanwaltsbezeichnungen zu führen.

2. Auf der Grundlage der unter 1. dargestellten Ausführungen braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob es von Bedeutung ist, dass Frau Rechtsanwältin … das erste weibliche Mitglied der Verfügungsklägerin mit einer Kanzlei in … ist, dem die Befugnis zur Führung der Fachanwaltsbezeichnung für Verkehrsrecht zuerkannt worden ist.


III.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO.

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