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LG Hamburg v. 22.05.2009: Ungenehmigte Fotoaufnahmen eines privat bewohnten Hauses stellen einen Angriff auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Hausbesitzers dar. Werden derartige Fotos zu Demozwecken im Internet benutzt, entsteht ein Anspruch des Verletzten auf Zahlung angemessener fiktiver Lizenzgebühren.
Das Landgericht Hamburg (Urteil vom 22.05.2009 - 324 O 791/08) hat entschieden:
Ungenehmigte Fotoaufnahmen eines privat bewohnten Hauses stellen einen Angriff auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Hausbesitzers dar. Werden derartige Fotos zu Demozwecken im Internet benutzt, entsteht ein Anspruch des Verletzten auf Zahlung angemessener fiktiver Lizenzgebühren.
Zum Sachverhalt: Der Kläger begehrte die Zahlung eines Geldbetrags als Ausgleich für die Veröffentlichung eines virtuellen Rundgangs durch den von ihm bewohnten „S.“ auf der vom Beklagten verantworteten Internetseite www.r. .de.
Der Kläger ist Eigentümer des „S.“ in V.. Es handelt sich hierbei um ein landwirtschaftliches Anwesen, das nunmehr vom Kläger zu Wohnzwecken genutzt wird. Es finden in der Scheune des Hofes regelmäßig Scheunenkonzerte statt, der Kläger veranstaltet im Garten wiederkehrend Sommerfeste. Die Wohnräume sind dabei nicht zugänglich. Der Beklagte ist Fotograf. Auf der Internetseite r. .de stellt er seine Arbeiten vor und bewirbt diese. Am 18.11.2003 stellte er dort Außen- und Innenansichten des S. in Form eines virtuellen Rundgangs in einer speziellen QVTR-Technik ein. Darunter befanden sich auch Aufnahmen von Ansichten, die von öffentlich zugänglichen Stellen nicht frei einsehbar sind. Ein Hinweis auf die Herkunft der Bilder war nicht veröffentlicht. Für die Einzelheiten wird auf die als Anlagenkonvolut K1 zur Akte gereichten Aufnahmen Bezug genommen. Wie es zu der Erstellung der Aufnahmen gekommen ist, ist zwischen den Parteien streitig.
Nachdem der Kläger den Beklagten wegen der streitgegenständlichen Veröffentlichung abgemahnt hatte, entfernte der Beklagte am 16.4.2008 die Aufnahmen von seinem Internetauftritt. Da die Veröffentlichung zwischenzeitlich jedoch von anderen Servern gespeichert wurde, sind die Aufnahmen noch am 19.6.2008 im Internet abrufbar gewesen.
Jedenfalls zwischen dem Kläger und der Lebensgefährtin des Beklagten, der Zeugin R., bestand bis Sommer 2002 eine freundschaftliche Beziehung. Gemeinsam mit der Tochter des Klägers führte der Beklagte Fotoprojekte durch, indem sie Fotos des Klägers übermalte. Wegen des Verkaufserlöses aus diesen Projekten ist zwischen der Tochter des Klägers und dem Beklagten ebenfalls ein Rechtsstreit anhängig.
Der Kläger trug vor, der Beklagte habe die Aufnahmen ohne sein Wissen und Wollen im Sommer 2002 angefertigt. Er habe der Lebensgefährtin des Beklagten angeboten, dass sie sich gemeinsam mit ihren zwei Kindern während seiner eigenen Urlaubsabwesenheit für etwa zehn Tage in der Gästewohnung des S. aufhalte dürfe. Er sei davon ausgegangen, dass sie eine allein erziehende Mutter sei. Er habe nicht gewusst, dass sich auch der Beklagte mit auf dem Hof aufhalten werde. Die Zeugin R. sei auch alleine mit ihren Kindern angereist, der Beklagte sei erst später nachgekommen. Als er davon erfahren habe, habe er den Kontakt zu der Zeugin R. eingestellt.
Der Kläger trug weiter vor, dass er erst am 31.3.2008 durch einen Hinweis seiner Prozessbevollmächtigten davon erfahren habe, dass sich die streitgegenständlichen Aufnahmen auf der Internetseite des Beklagten befunden haben. Er fühle sich seitdem nicht mehr wohl in seinem eigenen Haus. Er befürchte, Opfer von Einbrechern zu werden; er leide zudem an Ein- und Durchschlafstörungen, an ausgeprägten Ängsten und Phobien sowie Herzbeschwerden, deretwegen er sich in ärztliche Behandlung habe begeben müssen.
Der Kläger meinte, es handele sich vorliegend um einen besonders schweren Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht, der eine Geldentschädigung rechtfertige. Außerdem sei der Beklagte ungerechtfertigt bereichert, da er die Aufnahmen unentgeltlich erlangt und für seine Werbezwecke eingesetzt habe. Für die Zurverfügungstellung seines Anwesens habe er, der Kläger, unter verständigen Vertragspartnern eine Lizenzgebühr von wenigstens € 10.000,00 erhalten können.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger zum Ausgleich des immateriellen Schadens, welcher dem Kläger durch die Verbreitung eines virtuellen Rundganges durch die Innenräume seines privaten Wohnhauses, dem S. unter der Anschrift, V., sowie von der öffentlichen Straße nicht einsehbarer Gartenteile im Internet entstanden ist, einen Geldbetrag zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Der Beklagte trägt vor, er und der Kläger seien einander seit 1999 bekannt und seitdem mehrfach begegnet. Im Sommer 2002 habe der Kläger ihn, den Beklagten, und seine Familie eingeladen, auf dem S. während der Abwesenheit des Klägers zu wohnen. Bei diesem Treffen habe der Kläger ihm und seiner Lebensgefährtin gegenüber über den Verkauf des Gutes gesprochen. Er, der Beklagte, habe dem Kläger angeboten, unentgeltlich den Hof zu fotografieren und ihm die QVTR-Technik erklärt. Er habe dem Kläger weiter angeboten, diese Bilder unterstützend für den Verkauf des Guts einzusetzen. Mit Einverständnis des Klägers habe er die gefertigten Bilder auf seiner Website eingestellt, da vorgesehen gewesen sei, dem Kläger diesen optischen Rundgang zu zeigen. Dazu sei es in der Folgezeit nicht gekommen.
Die Klage hatte teilweise Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
"I. Die zulässige Klage ist im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.
Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung einer fiktiven Lizenz in Höhe von € 2.500,– gemäß §§ 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt., 818 Abs. 2 BGB zu. Darüber hinaus kommt ein Zahlungsanspruch nicht in Betracht, insbesondere auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Zahlung einer Geldentschädigung gemäß § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG.
1. Der Antrag des Klägers steht einem Lizenzanspruch nicht gemäß § 308 Abs. 1 ZPO entgegen. Zwar bezieht sich der Wortlaut des Antrags ausdrücklich auf einen Ausgleich des immateriellen Schadens. Dieser Antrag konnte jedoch entsprechend ausgelegt werden, da auch der Lizenzanspruch vom Streitgegenstand umfasst war. Aus dem Schriftsatz des Klägers vom 27.3.2009 geht hervor, dass der Kläger seinen Zahlungsanspruch auch im Hinblick auf die Zahlung einer Lizenzgebühr verfolgt.
2. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr gemäß §§ 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt., 818 Abs. 2 BGB zu.
Der Beklagte greift mit der angegriffenen Veröffentlichung in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers ein. Die Wohnung einer Person ist Teil ihrer geschützten Privatsphäre. Sie bildet den räumlichen Rückzugsbereich, in dem der Einzelne abgeschirmt von der Öffentlichkeit bei sich sein kann. Die Aufnahmen der nicht frei zugänglichen Bereiche der Wohnung des Klägers stellen den privaten Lebensbereich des Klägers dar. Der Kläger entscheidet selbst, wem er einen Einblick in diesen Bereich ermöglichen will und wem nicht. Dieses Selbstbestimmungsrecht ist dem Kläger entzogen worden, indem ein virtueller Rundgang durch seine Wohnräume durch den Beklagten im Internet veröffentlicht worden ist. Diesem Bestandteil des Persönlichkeitsrechts, in das der Beklagte mit der Veröffentlichung eingegriffen hat, kommt eine vermögenswerte Bedeutung zu. Wohnräume für Werbezwecke zur Verfügung zu stellen, wird üblicherweise vergütet.
Der Beklagte hat die Aufnahme des S. auf seiner Website genutzt, um für seine Arbeiten und die von ihm eingesetzte QVTR-Technik zu werben. Die hierfür üblicherweise zu zahlenden Vergütung hat sich der Beklagte erspart und somit auf Kosten des Klägers einen Vermögensvorteil erlangt.
Der Eingriff ist auch nicht etwa durch eine Einwilligung des Klägers gerechtfertigt gewesen. Der Beklagte trägt zwar vor, er habe die streitgegenständlichen Aufnahme mit Einverständnis des Klägers auf seiner Website eingestellt. Dieses bestreitet der Kläger und trägt substantiiert dazu vor, dass er weder von der Erstellung der Aufnahmen noch von deren Einstellen auf die Internetseite des Beklagten gewusst habe. Für das Vorliegen einer Einwilligung ist der Beklagte darlegungs- und beweisbelastet. Dieser Darlegungslast ist der Beklagte trotz Hinweises der Kammer in der mündlichen Verhandlung am 20.2.2009 nicht nachgekommen. Sein Vortrag ist bezüglich eines Einverständnisses des Klägers mit dem Einstellen der Bilder auf der Website des Beklagten allgemein gehalten, ohne konkret zu den Einzelheiten vorzutragen. So bleibt offen, auf welche Bilder sich das Einverständnis bezogen haben soll, auf welchen Zeitraum und ob es sich auch auf ein Veröffentlichen der Aufnahmen zu Werbezwecken für den Beklagten bezogen haben soll. Die Vernehmung der Zeugin R. würde auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinaus laufen.
Der Kläger kann die Zahlung einer nachträglichen Vergütung in Form einer fiktiven Lizenz in der Höhe verlangen, die auch hätte gezahlt werden müssen, wenn der Beklagte die Einwilligung zur Veröffentlichung vorher eingeholt hätte. Dabei muss sich der Verletzer an die von ihm geschaffene Sachlage festhalten lassen. Der Einwand, zur Zahlung eines nachträglichen Honorars in der üblichen Höhe wirtschaftlich nicht in der Lage zu sein, ist ihm ebenso verwehrt wie der Einwand, er hätte die rechtswidrige Nutzung nicht vorgenommen, wenn er die Lizenzpflicht gekannt hätte (Wanckel in Hamburger Kommentar Gesamtes Medienrecht, 44. Abschnitt Rz. 41 m.w.N.). Im vorliegenden Fall war eine fiktive Lizenz in Höhe von € 2 500,– angemessen. Diese Höhe ergibt sich gemäß § 287 ZPO unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Falles. Entscheidend ist zunächst, dass es sich bei einigen der auf der Internetseite des Beklagten veröffentlichten Räumen um den privaten Rückzugsbereich des Klägers handelt, den er grundsätzlich nicht der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglich macht, welcher aber über einen Zeitraum von mehr als vier Jahren im Internet einsehbar war. Nach der Verkehrsanschauung kommt diesem Rückzugsrefugium ein eigener Wert zu, dessen Aufgabe mit einem nicht nur rein symbolischen Geldwert auszugleichen ist. Allerdings ist dieser Geldwert nicht mit € 10 000,– zu bemessen. Maßgeblich ist hierfür zum einem der Umstand, dass es für die Werbewirkung nicht im besonderen Maß darauf ankommt, dass es sich bei der Darstellung um den S. des Klägers handelt. Dieser ist vielmehr lediglich Mittel zum Zweck, um die vom Beklagten bei Erstellung der Aufnahmen verwandte QVTR-Technik darzustellen. Dieser Zweck hätte aber auch erreicht werden können, wenn ein anderes Objekt abgebildet worden wäre. In diesem Zusammenhang war auch zu berücksichtigen, dass sich kein Hinweis auf die Herkunft der Aufnahmen bei der Veröffentlichung befindet. Es ist zwar davon auszugehen, dass ein Teil der potentiellen Rezipienten die Abbildungen als den S. erkennen. Gleichwohl handelt es sich um einen begrenzten Kreis. Ein weiteres maßgebliches Kriterium ist der Verbreitungsgrad des Mediums, der als relativ gering anzusehen ist. Es handelt sich um den Internetauftritt des Beklagten als Fotografen. Dessen Verbreitungsgrad ist nicht denen einer Werbung in einer Zeitschrift oder im Fernsehen vergleichbar. Auch der Umstand, dass der Kläger über einen Zeitraum von über vier Jahren nicht auf die Veröffentlichung aufmerksam gemacht worden ist, ist ein Indiz für den relativen geringen Verbreitungsgrad. Schließlich ist auch die Art der Gestaltung für die Höhe der zu zahlenden Lizenz zu berücksichtigen. Es handelt sich um eine neutrale Darstellung der Wohnräume des Klägers, die weder bloßstellenden noch sonst ehrabträglichen Charakter hat. Es werden auch keine intimen Details seines Privatlebens abgebildet.
3. Daneben steht dem Kläger kein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung gemäß §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG zu. Bereicherungs- und Geldentschädigungsansprüche schließen sich zwar nicht grundsätzlich aus. Selbst wenn im vorliegenden Fall jedoch von einer einen Geldentschädigungsanspruch rechtfertigenden besonders schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung auszugehen wäre, dann wäre sie mit der Zuerkennung eines Lizenzanspruchs in Höhe von € 2.500,00 hinreichend kompensiert. Der Genugtuungs- und Präventivfunktion des Geldentschädigungsanspruchs wären bereits entsprochen worden, da sämtliche Aspekte, die im Rahmen des Geldentschädigungsanspruchs maßgeblich wären, bereits bei der Bemessung der Lizenzhöhe berücksichtigt worden sind. ..."
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