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eBay-Fälle
- Rechtsmissbrauch
- Widerrufsbelehrung
- Widerrufsrecht
LG Bielefeld v. 05.11.2008: Zur falschen Widerrufsbelehrung bei eBay als Bagatellverstoß und zum Rechtsmissbrauch bei Abmahnungen
Das Landgericht Bielefeld (Urteil vom 05.11.2008 - 18 O 34/08) hat entschieden:
- Verwendet der Betreiber eines eBay-Shops eine juristisch falsche Widerrufsbelehrung ("Fristbeginn frühestens mit Erhalt dieser Belehrung") innerhalb der durch die Neuregelung der BGB-Informationspflichten-Verordnung geschaffenen Übergangsphase, stellt dies bloß einen Bagatellverstoß dar.
- Die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs durch einen anderen Shop-Betreiber ist dann rechtsmissbräuchlich, wenn das Interesse, Gebühren zu erzielen, das die Verfahrenseinleitung beherrschende Motiv bildet. Davon ist auszugehen, wenn ein hoher Gegenstandswert zugrunde gelegt wird und die geltend gemachten Abmahngebühren mehr als dreimal so hoch sind wie der Umsatz des Abmahnenden.
Zum Sachverhalt: Die Beklagte betrieb einen eBay-Shop und bot unter der Bezeichnung … über die Auktionsplattform eBay Schmuck und Accessoirs an. Die von ihr eingestellten Angebote enthielten folgende Widerrufsbelehrung:
„Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von einem Monat ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der Sache widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung…“
Die Klägerin bietet ebenfalls über die Auktionsplattform eBay u.a. Geldbörsen und Etuis an. Ihr Umsatz im August 2008 belief sich auf 184,88 €. Mit Anwaltsschreiben vom 30.06.2008 forderte sie die Beklagte unter Fristsetzung zum 14.07.2008 auf, künftig keine Waren über eBay ohne ordnungsgemäße Belehrung über den rechtlich zutreffenden Fristbeginn für den Widerruf zu verkaufen, insoweit eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben und die mit 717,81 € bezifferten Abmahnkosten zu erstatten.
Die Beklagte wies die Klägerin mit Anwaltsschreiben daraufhin, dass sie ihre Widerrufsbelehrung auf die als Anlage 2 zu § 14 BGB InfoV n.F. bereitgestellten Muster umgestellt habe. Im Übrigen wies sie die Abmahnung als unberechtigt zurück. Wegen des weiteren Inhalts des Schreibens wird auf die zu den Akten gereichte Ablichtung verwiesen.
Die Klägerin war der Ansicht, ihr stehe als Mitbewerberin ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte aus §§ 8 Abs. 1, 4 Nr. 11, 3 UWG zu.
Die Klägerin hat u.a. beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 3 000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, zu unterlassen, im Wege des Verkaufes bei dem Online-Auktionshaus „eBay“ Verkäufe zu tätigen ohne ordnungsgemäße Belehrung über den Beginn der Widerrufsfrist erst nach Erhalt der Widerrufsbelehrung in Textform gemäß §§ 312c Abs. 2, 355 Abs. 2 Satz 1, 356 BGB i.V.m. §§ 1 Abs. 1 Nr. 11 Abs. 4 Satz 2 BGB InfoV.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Sie hat bestritten, dass die Klägerin Gewerbetreibende im Sinne des § 2 UWG und Mitbewerberin sei. Ferner behauptete sie, keinen eBay-Handel mehr zu betreiben. Sie war darüber hinaus der Ansicht, die Verwendung des nach § 16 BGB InfoV n.F. bis zum 01.10.2008 zugelassenen alten Muster stelle keinen Wettbewerbsverstoß dar. Die Abmahnung sei rechtsmissbräuchlich.
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Die Klägerin hat weder einen Anspruch gegen die Beklagte auf Unterlassung einer gegen die §§ 312c, 312d, 355 BGB verstoßenen Belehrung aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3; 4 Nr. 11 UWG noch einen Anspruch auf Erstattung von Anwaltskosten in Höhe von 717,81 € aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG.
Zwar verstieß die von der Beklagten verwendete Belehrung über den Beginn der Widerrufsfrist gegen §§ 312c, 312d Abs. 2 BGB und damit gegen gesetzliche Vorschriften, die dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (§ 4 Nr. 11 UWG). Nach 312c Abs. 1 BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB InfoV war die Beklagte als Unternehmerin, die ihre Waren über das Internet anbot, über das Bestehen seiner Ausübung zu informieren. Zu diesen Bedingungen gehören auch die Widerrufsfrist und deren Beginn. Die von der Beklagten verwendete Formulierung, die Frist beginne frühestens mit Erhalt „dieser Belehrung“ erwecke den Eindruck, dass bereits diese vorvertragliche Information die Widerrufsfrist in Gang setze (vgl. OLG Hamm MMR WTRP 2007, 377). Damit fehlte es an einem hinreichend klaren Hinweis darauf, dass für den Beginn der Widerrufsfrist nicht nur die Übersendung einer Belehrung in Textform, sondern – nach § 312d Abs. 2 BGB – auch der Empfang der bestellten Ware erforderlich sei.
Es liegt allerdings nur ein Bagatellverstoß vor, der lediglich eine unerhebliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs im Sinne von § 3 UWG darstellt. Nach Auffassung des KG (Beschluss vom 11.04.2008 – AZ: 5 W 41/08 = MIR 2008, Dok. 127) lässt die Entscheidung des Verordnungsgebers, die Weiterverwendung des alten lückenhaften Musters zur Belehrung des Verbrauchers für eine Übergangszeit bis zum 1.10.2008 zu gestatten, den Schluss zu, dass der Verordnungsgeber die Informationsinteressen des Verbrauchers jedenfalls während dieses Übergangszeitraumes gegenüber dem Schutz des Vertrauens der Verwender des bislang gültigen Musterwiderrufsbelehrung, mit der Verwendung dieses Musters den gesetzlichen Anforderungen genügt zu haben, zurückstellt (zustimmend Föhlisch MMR 2008, 547). Die Kammer verkennt nicht, dass § 14 Abs. 1 BGB-InfoV die Verwendung des Musters der Anlage 2 in Textform voraussetzt. Dafür reicht es nicht aus, dass die Belehrung zur Erfüllung der Informationsverpflichtung nach § 312c Abs. 1 BGB lediglich ins Internet gestellt wird (KG MIR 2008, Dok 127; OLG Hamm MMR 2007, 377, 378). Gleichwohl liegt es für jeden Verwender derart nahe, sich nicht nur hinsichtlich der Belehrung in Textform, sondern auch hinsichtlich der ins Internet eingestellten Information an dem Mustertext zu orientieren, dass die Übergangsregelung aber deutlich, dass der Verordnungsgeber die mit der Verwendung des alten Musters verbundenen Nachteile als unerheblich einstufte. Andernfalls wäre eine Übergangsregelung nicht vertretbar gewesen.
Selbst wenn man keinen Bagatellverstoß annehmen wollte, wäre die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs jedenfalls rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG. Von einem Missbrauch ist auszugehen, wenn mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde Ziele wie etwa das Interesse, Gebühren zu erzielen, dass die Verfahrenseinleitung beherrschende Motiv bilden; möglicherweise daneben vorhandene wettbewerbsrechtliche Absichten schaden nicht, wenn nur die sachfremden Erwägungen vorherrschen ( BGH NJW-RR 2000, 1644, 1645). Indizien für einen Rechtsmissbrauch können insbesondere ein systematisches, massenhaftes Vorgehen, eine enge personelle Verflechtung zwischen dem Abmahnenden und dem beauftragten Anwalt, eine weit überhöht in Ansatz gebrachte Abmahngebühr und das Fehlen eines nennenswerten wirtschaftlichen Eigeninteresses sein ( OLG Naumburg NJW-RR 2008, 776, 777). Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, der die Abmahnung verfasst hat, ist zugleich der Bruder des Betreibers des Shops. Die Klägerin hat einen hohen Gegenstandswert von 10 000 € zugrunde gelegt; die geltend gemachten Abmahngebühren sind mehr als dreimal so hoch wie die Umsätze der Klägerin im August 2008, die sich nach unbestrittenen Vorbringen der Beklagten lediglich auf 184,88 € beliefen. Auch wenn die Umsätze in einem klassischen Ferienmonat wie August sicherlich geringer ausfallen als zu anderen Zeiten, fällt auf, dass die Klägerin keine näheren Angaben dazu gemacht hat, in welchen Größenordnungen sich ihre üblichen Umsätze bewegen. Gleichwohl hat die Klägerin zumindest 8 weitere Mitbewerber abgemahnt. Gegen ein nennenswertes wirtschaftliches Interesse der Klägerin spricht darüber hinaus, das ihr Angebot sich nur in Randbereichen mit dem Angebot der Beklagten deckt. Wirtschaftliche Nachteile durch die von der Beklagten früher verwendete Belehrung waren nicht ernsthaft zu befürchten. Diese Umstände sprechen bereits dafür, dass die Klägerin in erster Linie bestrebt war, Abmahngebühren zu kassieren. Schließlich ist nach Auffassung der Kammer auch die Übergangsregelung in § 16 BGB InfoV n.F. i Rahmen des § 8 Abs. 4 UWG zu berücksichtigen. Ein vor Ablauf der Übergangsfrist geltend gemachter Unterlassungsanspruch widerspricht dieser Regelung, die den verwendeten lückenhaften Wortlaut selbst in Textform noch bis zum 01.10.2008 gelten ließ.
Unabhängig von dem Vorgesagten wäre ein etwaiger Unterlassungsanspruch ohnehin schon vor Rechtshängigkeit der Klage erloschen. Denn die Beklagte hat die Klägerin bereits mit Schreiben vom 14.07.2008 darauf hingewiesen, dass sie nunmehr eine Widerrufsbelehrung verwende, die dem neuen Muster in der Anlage 2 zu § 14 BGB InfoV n.F. entspreche und die der gesetzlichen Regelung in §§ 312c, 312d, 355 BGB genügt. Die Klägerin hat dies nicht bestritten. Zwar begründet ein Wettbewerbsverstoß die Vermutung für eine Wiederholungsgefahr. Aufgrund der Abänderung der beanstandeten Widerrufsbelehrung besteht jedoch kein vernünftiger Zweifel, dass die Beklagte, die sich schon in der Vergangenheit an dem Muster der Anlage 2 zu § 14 BGB InfoV orientiert hat, künftig die geänderte Fassung verwenden wird. ..."
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