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OLG Celle (Urteil vom 08.04.2004 - 13 U 184/03 - Unzureichende Kennzeichnung von Textilien ist ein Wettbewerbsverstoß
 

 

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Textilienkennzeichnung - Wettbewerbsverstöße

OLG Celle v. 08.04.2004: Ein Textileinzelhändler, der seine über das Internet vertriebenen Wäschekollektionen ohne die gem. § 1 Abs. 1 TextilkennzG vorgeschriebenen Angaben über Art und Anteil der verwendeten textilen Rohstoffe bewirbt, handelt wettbewerbswidrig, da er dadurch einen sachlich ungerechtfertigten Wettbewerbsvorsprung vor gesetzestreuen Konkurrenten anderer Marken erlangen kann.

Das OLG Celle (Urteil vom 08.04.2004 - 13 U 184/03) hat entschieden:
Ein Textileinzelhändler, der seine über das Internet vertriebenen Wäschekollektionen ohne die gem. § 1 Abs. 1 TextilkennzG vorgeschriebenen Angaben über Art und Anteil der verwendeten textilen Rohstoffe bewirbt, handelt wettbewerbswidrig, da er dadurch einen sachlich ungerechtfertigten Wettbewerbsvorsprung vor gesetzestreuen Konkurrenten anderer Marken erlangen kann.
Zum Sachverhalt: Der Kläger ist der Verein für lauteren Wettbewerb e.V. in Hamburg. Zu seinen satzungsgemäßen Aufgaben gehört u. a. der Schutz gegen unlauteren Wettbewerb innerhalb der gewerblichen Wirtschaft. Mitglieder des Klägers sind u. a. der Norddeutsche Textileinzelhandelsverband e.V., die Handelskammer Hamburg, die Karstadt AG und die Versandhäuser Otto, Quelle, Neckermann und Klingel.

Der Beklagte betreibt über das Internet Handel mit Dessous.

Der Kläger übersandte dem Beklagten unter dem Hinweis auf seinen Internet-Auftritt eine Abmahnung vom 03.03.2003, in der es auszugsweise heißt:
„... enthält die Beschreibung vieler Artikel keine nach dem Textilkennzeichnungsgesetz (TKG) vorgeschriebene Angabe des verwendeten textilen Rohstoffs. So fehlt eine Rohstoffgehaltsangabe bei der Kollektion „Brasil“ von Aubade und der Kollektion „Amazone“ von Millesia gänzlich. Darüber hinaus verwenden Sie zum Teil Angaben, die nicht der Anlage 1 zum TKG entsprechen. Bei der Kollektion „Sunrise“ von der Firma Wolff geben Sie beispielsweise an, dass das Material aus „Meryl“ und „Lycra“ besteht. Dies sind Rohstoffgehaltsangaben, die nicht der Anlage 1 zum TKG entsprechen.“
Die der Abmahnung beigefügte strafbewehrte Unterlassungserklärung gab der Beklagte nicht ab.

Im April 2003 war - nach dem eigenen erstinstanzlichen Vortrag des Beklagten in dem Internetauftritt des Beklagten bei den Bademoden Aubade als Material angegeben 4 % Lycra und 11 % Elastan. Tatsächlich handelt es sich bei Lycra um einen Herstellernamen für den Rohstoff Elastan.

Daraufhin übersandte der Kläger dem Beklagten eine Abmahnung. Der Aufforderung des Klägers, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, kam der Beklagte nicht nach.

Der Kläger hat den Beklagten mit der Begründung auf Unterlassung in Anspruch genommen, dass er sich planmäßig und bewusst über die Vorschriften des Textilkennzeichnungsgesetzes hinweggesetzt habe, um sich einen ungerechtfertigten Vorsprung vor den gesetzestreuen Mitbewerbern zu verschaffen.

Der Kläger hat beantragt,
es bei Meidung der üblichen Ordnungsmittel zu unterlassen,

gegenüber privaten Letztverbrauchern in Mitteilungen, die sich an einen größeren Personenkreis richten, insbesondere im Internet, für die Bestellung von Textilerzeugnissen zu werben, sofern für Rohstoffe, welche in der Anlage 1 zum Textilkennzeichnungsgesetz aufgeführt sind, in der Rohstoffgehaltsangabe eine Rohstoffbezeichnung verwendet wird, welche nicht in der Anlage 1 zum Textilkennzeichnungsgesetz aufgezählt ist.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Der Beklagte hat bestritten, einen bewussten Wettbewerbsverstoß begangen zu haben. Er habe bis zum 31.03.2003 alle Beanstandungen des Klägers bis auf die zugestandenermaßen noch aufgetretenen Falschbezeichnungen behoben. Dass nicht alle Falschbezeichnungen beseitigt worden seien, liege daran, dass er sich auf die Herstellerangaben verlassen habe. Es handele sich also nicht um einen bewussten Wettbewerbsverstoß, sondern nur um eine irrtümlich fehlerhafte Bezeichnung.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Beklagte habe zwar objektiv gegen das Textilkennzeichnungsgesetz verstoßen. Eine wettbewerbswidrige Handlung im Sinne von § 1 UWG liege aber nicht vor. Bei den verletzten Bestimmungen handele es sich um wertneutrale Vorschriften, bei denen nicht jeder Verstoß zugleich wettbewerbswidrig sei. Der Beklagte habe nach der ersten Abmahnung seinen Internetauftritt kontrollieren und verändern lassen. Falschbezeichnungen seien nur noch insoweit aufgetreten, als er sich die Inhaltsangaben der Hersteller verlassen habe. Damit habe der Beklagte sich keinen Wettbewerbsvorteil verschaffen, sondern sich im Prinzip an das halten wollen, was das Textilkennzeichnungsgesetz vorschreibe. Darin sei kein bewusster Wettbewerbsverstoß zu sehen.

Mit der Berufung verfolgte die Klägerin ihren erstinstanzlichen Antrag weiter.

Die Berufung hatte Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch steht dem Kläger zu.

1.) Der Kläger ist gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 UWG klagebefugt. Die Voraussetzungen der Vorschriften liegen vor, insbesondere gehört dem Kläger wegen der Mitgliedschaft der im Sachverhalt genannten Unternehmen eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden an, die Waren gleicher Art auf demselben Markt vertreiben. Ob diese Unternehmen ihren Vertrieb (auch) über das Internet durchführen, ist unerheblich.

2.) Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch steht dem Kläger gemäß § 1 UWG i. V. m. § 1 Textilkennzeichnungsgesetz zu.

Gemäß § 1 Abs. 1 Textilkennzeichnungsgesetz dürfen Textilerzeugnisse gewerbsmäßig nur in den Verkehr gebracht oder zur Abgabe an letzte Verbraucher feilgehalten werden, wenn sie mit einer Angabe über Art und Gewichtsanteile der verwendeten textilen Rohstoffe (Rohstoffgehaltsangabe) versehen sind, die den in den §§ 3 bis 10 Textilkennzeichnungsgesetz bezeichneten Anforderungen entspricht. Dies ist bei den vom Beklagten angebotenen Wäsche-Artikeln u. a. insoweit nicht der Fall gewesen, als bis zum 31.03.2003 bei mehreren Artikeln Rohstoffgehaltsangaben entgegen § 3 Abs. 1 Textilkennzeichnungsgesetz nicht der Anlage 1 zum Textilkennzeichnungsgesetz entsprachen. In der Folgezeit haben Verstöße gegen das Textilkennzeichnungsgesetz - nach dem eigenen erstinstanzlichen Vortrag des Beklagten - jedenfalls noch insoweit vorgelegen, als bei Artikeln die Vorschriften des Textilkennzeichnungsgesetzes nicht eingehalten wurden, räumt der Beklagte ein.

Die Vorschriften des Textilkennzeichnungsgesetzes über Rohstoffgehaltsangaben sind wettbewerbsrechtlich neutrale Ordnungsvorschriften (BGH, GRUR 1980, 302). Deren Verletzung war wettbewerbswidrig, weil der Beklagte bewusst und planmäßig vorgegangen ist, und für ihn erkennbar gewesen ist, dass er dadurch einen sachlich ungerechtfertigten Vorsprung im Wettbewerb vor gesetzestreuen Mitbewerbern erlangen konnte. Der entgegengesetzten Auffassung des Landgerichts mit der Begründung, der Beklagte habe sich lediglich fahrlässig auf die Herstellerangaben verlassen, kann nicht beigetreten werden.

Es ist davon auszugehen, dass der Beklagte seinen Internetauftritt in voller Verantwortung für seinen Inhalt gestaltete. Ein bewusstes und planmäßiges Vorgehen bei dem Gesetzesverstoß setzt nicht voraus, dass sich der Verletzer der Rechtswidrigkeit seines Tuns bewusst ist; es genügt, dass er alle Tatumstände kennt, die den Gesetzesverstoß ergeben (Köhler/Pieper, UWG, 3. Aufl., § 1 Rdn. 791; Baumbach/Hefermehl, 22. Aufl., § 1 UWG Rdn. 658). Zwar gibt es Ausnahmefälle, in denen der Gewerbetreibende sich auf eine Unkenntnis der Gesetzeslage berufen kann. Ein solcher liegt hier aber nicht vor. Das Lauterkeitsgebot im Wettbewerb verlangt, dass ein Wettbewerber nicht zu Lasten seiner Mitbewerber oder Verbraucher das Risiko rechtswidrigen Handelns eingeht. Er muss sich deshalb Kenntnis von den für seine Tätigkeit einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen verschaffen (Köhler/Pieper, Einführung Rdn. 293). Im Streitfall ist der Beklagte sogar durch die Abmahnung der Klägerin vom 03.03.2003 darauf hingewiesen worden, dass in seinem Internetauftritt die Beschreibung vieler Artikel gegen das Textilkennzeichnungsgesetz und dessen Anlage 1 verstößt. Selbst nachdem er von der irrtümlich unter dem Passivrubrum seiner Ehefrau ergangenen einstweiligen Verfügung Kenntnis genommen hatte, veranlasste er keine vollständige Beseitigung der gesetzeswidrigen Angebote.

Der Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, der Umstand, dass noch im April 2003 fehlerhafte Rohstoffgehaltsangaben auf seiner Internetseite enthalten gewesen seien, sei darauf zurückzuführen, dass er sich auf die Herstellerangaben verlassen habe. Denn ihm war aus den genannten Gründen zuzumuten, dass er sich über die einschlägigen Gesetzesbestimmungen Kenntnis verschaffte. Das hat er offenbar selbst dann nicht getan, als er von dem Kläger die weitere Abmahnung vom 23.04.2003 erhielt. Auf den von ihm mit der Überarbeitung der Internet-Auftritte beauftragten Programmierer durfte der Beklagte sich insoweit nicht verlassen.

Auf die Absicht, damit einen Wettbewerbsvorsprung zu erzielen, kommt es nicht an. Es genügt insoweit, dass für den Beklagten erkennbar war, dass er durch die Nichtbeachtung der Vorschriften des Textilkennzeichnungsgesetzes gegenüber Mitbewerbern einen Vorteil erlangen konnte (vgl. Baumbach/Hefermehl, a. a. O. Rdn. 660). Das ist zu bejahen. Durch die falsche Textilkennzeichnung wird der Preis-Leistungs-Vergleich erschwert. Möglich ist auch, dass Interessenten für Dessous-Moden „Tactel“, „Meryl“ und „Elité“ bzw. „Lycra“ für hochwertigere Rohstoffe halten als Polyamid, Polyester oder Elastan. Soweit der Beklagte erstmals in der Berufungsinstanz behauptet, kein Konkurrent habe die entsprechenden Dessous mit anderen Angaben als den von ihm verwendeten Herstellerangaben beworben, kann offen bleiben, ob dieser neue Vertrag zuzulassen ist (§ 531 Abs. 2 ZPO). Denn ein Wettbewerbsvorsprung läge in diesem Fall im Hinblick auf die von den Konkurrenten mit vorschriftsmäßigen Textilangaben angebotenen Dessous anderer Marken vor.

Die begangenen wettbewerbswidrigen Handlungen begründen eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr. ..."




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