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OLG Bremen (Urteil vom 11.02.2004 - 1 U 68/03 - Im B2B-Internetverkehr ist ein Hinweis auf die AGB im Internet für die Einbeziehung ausreichend

OLG Bremen v. 11.02.2004: Im B2B-Internetverkehr ist ein Hinweis auf die AGB im Internet für die Einbeziehung ausreichend


Das OLG Bremen (Urteil vom 11.02.2004 - 1 U 68/03) hat entschieden:

  1.  Werden gegenüber einem Unternehmer Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) verwendet, genügt für deren Einbeziehung in den Vertrag jede auch stillschweigende Willensübereinstimmung der Vertragsparteien. Ausreichend ist insoweit, dass der Verwender erkennbar auf seine AGB verweist und der unternehmerische Vertragspartner deren Geltung nicht widerspricht.

  2.  Eine ausdrückliche Einbeziehung der AGB ist auch dann wirksam, wenn eine Vertragspartei auf die Geltung ihrer im Internet unter einer bestimmten Adresse abrufbaren AGB hinweist und der andere (Unternehmer-)Vertragspartner sich weder an der angegebenen Internetadresse über den Inhalt der AGB informiert noch die Übersendung der AGB in Schriftform anfordert.




Siehe auch

AGB im B2B-Verkehr - Einbeziehung - Sprache

und

B2B - Verträge mit Unternehmen


Zum Sachverhalt:


Die Klägerin beansprucht von dem Beklagten, der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Fa. Laborbau GmbH ist (im Folgenden: J-GmbH oder Gemeinschuldnerin), die Herausgabe eines von ihr hergestellten und am 29.11.2002 an die J-GmbH ausgelieferten Spurenwannentisches.

Diesen Tisch hatte die J-GmbH bei der Klägerin bestellt; in ihrer Bestellung hatte die J-GmbH pauschal auf die Geltung ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen hingewiesen, ohne diese ihrem Schreiben beizufügen. Bei den AGB der J-GmbH handelt es sich um Verkaufsbedingungen, die keine spezielle Regelung über den Eigentumserwerb nach vorangegangenem Kauf von Waren durch die J-GmbH enthält, sondern lediglich eine allgemeine Klausel, wonach "Einkaufs- und Empfangsbedingungen" des Bestellers, die mit den Allgemeinen Verkaufsbedingungen der J-GmbH im Widerspruch stehen, für diese "unverbindlich" sind.




Die Klägerin nahm die schriftliche Bestellung der J-GmbH vom 19.11.2002 mit Schreiben vom 22.11.2002 an (Bl. 10); in dem Schreiben vom 22.11.2002 heißt es weiter:

   "Vertragsbedingungen: Allgemeine Geschäftsbedingungen der Fa. W (= Klägerin). Im Internet unter www....de".

Die "Allgemeinen Verkaufs-, Liefer- und Montagebedingungen" der Klägerin sehen in Ziffer 11.1 einen Eigentumsvorbehalt der Klägerin an den Liefergegenständen bis zum Eingang der Zahlung aus dem Liefervertrag vor.

Die J-GmbH nahm die Lieferung des Tisches durch die Klägerin entgegen, ohne zuvor die AGB der Klägerin im Internet abgerufen oder die Klägerin zur Zusendung ihrer AGB in schriftlicher Form aufgefordert zu haben.

Nach der Auslieferung der bestellten Ware an die J-GmbH wurde diese insolvent und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.

Die Klägerin verlangte von dem Beklagten die Herausgabe des an die J-GmbH gelieferten Tisches.

Sie machte geltend, die Geltung ihrer Allgemeinen Verkaufsbedingungen sei mit der J-GmbH wirksam vereinbart worden, so dass sie (Klägerin) nach wie vor (Vorbehalts- ) Eigentümerin des Tisches sei.

Der Beklagte meinte, die Klägerin habe mit Auslieferung des Tisches an die J-GmbH ihr Eigentum an der gelieferten Ware verloren. Die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin sei nicht wirksam vereinbart worden. Der bloße Hinweis in dem Bestätigungsschreiben der Klägerin vom 22.11.2002 auf eine Internetadresse, unter der der Inhalt der AGB der Klägerin abgerufen werden könne, reiche für eine wirksame Einbeziehung der AGB der Klägerin auch im kaufmännischen Verkehr nicht aus. Der Abruf des Inhalts der AGB über das Internet verursache für den Vertragspartner Kosten und Mühe; hinzu komme vorliegend, dass die AGB der Klägerin nicht unter dem Stichwort "AGB", sondern unter dem Suchbegriff "Formulare" zu finden seien, was völlig ungewöhnlich sei; auch seien die AGB der Klägerin nur unter Einsatz der speziellen Software "Acrobat Reader" abrufbar.




Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin sei nicht (mehr) Eigentümerin des gelieferten Tisches. Die von der Klägerin in Bezug genommenen AGB seien nicht Vertragsinhalt geworden, da die Gemeinschuldnerin von ihrem Inhalt nicht in zumutbarer Weise habe Kenntnis nehmen können. Die Klägerin bürde ihren Vertragspartnern die Last auf, einen Internetanschluss vorzuhalten; eine solche Obliegenheit bestehe auch im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen nicht.

Sofern die Klägerin bereit gewesen sei, ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen an den Vertragspartner zu übersenden, hätte sie dies erklären müssen, was sie nicht getan habe. Ein branchenspezifischer Handelsbrauch bezüglich der Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts an gelieferten Waren sei nicht ersichtlich.

Mit der Berufung verfolgte die Klägerin ihren Herausgabeanspruch weiter.

Das Rechtsmittel hatte Erfolg.


Aus den Entscheidungsgründen:


"... Das Landgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Klägerin steht der geltend gemachte Herausgabeanspruch hinsichtlich des von ihr an die Gemeinschuldnerin gelieferten Tisches gegen den Beklagten als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Gemeinschuldnerin zu, §§ 47, 80 Abs. 1 InsO; § 985 BGB, denn die Klägerin ist (Vorbehalts-) Eigentümerin des Tisches geblieben. Dies ergibt sich aus Ziffer 11.1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin, die einen (einfachen) Eigentumsvorbehalt an den Liefergegenständen bis zum Eingang der Zahlung, die vorliegend unstreitig nicht erfolgt ist, vorsehen. Entgegen der Ansicht des Landgerichts sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin vorliegend wirksam in den Werkvertrag zwischen der Klägerin und der Gemeinschuldnerin einbezogen worden.




1. Da die J-GmbH als Partner des Werkvertrages der Klägerin ein Unternehmer i. S. des § 14 Abs. 1 BGB war, gilt für die AGB der Klägerin die Einbeziehungsregelung des § 305 Abs. 2 BGB nicht (§ 310 Abs. 1 Satz 1 BGB), wonach AGB nur dann Bestandteil eines Vertrages werden, wenn der Verwender bei Vertragsschluss die andere Partei ausdrücklich oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, durch deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsschlusses auf sie hinweist (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise, die auch eine für den Verwender erkennbare körperliche Behinderung der anderen Partei angemessen berücksichtigt, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen (§ 305 Abs. 1 Nr. 2 BGB).

Vielmehr ist für den Fall, dass AGB gegenüber einem Unternehmer verwendet werden, anerkannt, dass zur Einbeziehung in den Vertrag jede auch stillschweigende Willensübereinstimmung genügt (Palandt-Heinrichs, Komm. zum BGB, 63. Aufl. 2004, § 310 Rn. 4). Im unternehmerischen Verkehr reicht es mithin aus, ist es andererseits aber auch erforderlich, dass die Parteien sich auf irgend eine Weise konkludent über die Einbeziehung der AGB einigen (BGHZ 117, 190, 194; Anwaltkomm.-BGB-Hennrichs, § 305 Rn. 13). Ausreichend ist, dass der Verwender erkennbar (nicht notwendig ausdrücklich oder durch deutlich sichtbaren Aushang wie gem. § 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB) auf seine AGB verweist und der unternehmerische Vertragspartner deren Geltung nicht widerspricht (Anwaltskomm., ebenda; OLG Dresden NJW-RR 99, 846, 847). Eine ausdrückliche Einbeziehung ist auch dann wirksam, wenn die AGB dem für den Vertragsschluss maßgeblichen Schreiben nicht beigefügt waren und der Kunde den Inhalt der AGB nicht kennt (BGHZ 1, 86; 33, 219; NJW 76, 1887).

Allerdings gilt auch im Verkehr zwischen Unternehmern der Grundsatz, dass der Verwender dem anderen Teil ermöglichen muss, von dem Inhalt der AGB in zumutbarer Weise Kenntnis zu nehmen (BGHZ 102, 304). Insoweit wiederum ist anerkannt, dass die AGB dem für den Vertragsschluss maßgeblichen Schreiben nicht beigefügt zu werden brauchen (BGH NJW 76, 1886; 82, 1750). Der andere Teil hat aber, soweit es sich nicht um gebräuchliche, leicht zugängliche Klauselwerke handelt, einen Anspruch auf Überlassung oder Einsicht in die AGB (Palandt-Heinrichs, a.a.O, § 305 Rn. 54). Übersendet der Verwender die AGB trotz Aufforderung nicht, kann er sich gem. § 242 BGB nicht mehr auf die AGB berufen (OLG Hamm DB 83, 2619).

2. Die Anwendung des vorstehend erläuterten rechtlichen Maßstabes auf den zu beurteilenden Fall ergibt, dass die Klägerin und die J-GmbH wirksam die AGB der Klägerin in den von ihnen geschlossenen Werkvertrag einbezogen haben. Die Klägerin hat ihren Willen, ihre Verkaufs-AGB in den Werkvertrag einzubeziehen, ausdrücklich und unmissverständlich kund getan; der entsprechende ausdrückliche Hinweis ist in dem Annahmeschreiben der Klägerin vom 22.11.2002 enthalten. Wie ausgeführt, kommt es insoweit nicht darauf an, dass die AGB der Klägerin diesem Schreiben nicht beigefügt waren.

Die J-GmbH hatte unter den vorliegenden Umständen des Falles auch die Möglichkeit der zumutbaren Kenntnisnahme von dem Inhalt der AGB der Klägerin.

Unternehmer müssen nämlich mit höherer Sorgfalt als Privatleute selbst zur Klarstellung der Geschäftsbeziehung beitragen (BGH JZ 78, 104, 105); von ihnen kann deshalb erwartet werden, dass sie ihnen unbekannte AGB anfordern oder sich sonst beschaffen (BGH NJW 82, 1749, 1750; OLG Düsseldorf VersR 96, 1394; Wolf/Horn/Lindacher, a.a.O., § 2 Rn. 68). Schließt ein Unternehmer den Vertrag ab, ohne die ihm nicht vorliegenden AGB anzufordern, obwohl der Einbeziehungswille des Verwenders ihm bekannt ist oder bekannt sein muss und das Anfordern ihm zumutbar ist, liegt ein Verzicht des Unternehmers auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme vor (Wolf/Horn/Lindacher, a.a.O, § 2 Rn. 69).

So liegt der Fall hier.

Von der J-GmbH konnte unter den vorliegenden Umständen erwartet werden, dass sie entweder die AGB der Klägerin unter der in dem Annahmeschreiben der Klägerin vom 22.11.2002 angegebenen Internetadresse abruft oder - falls der J-GmbH dies nicht möglich oder zu beschwerlich, insbesondere zu arbeitsaufwendig oder kostenträchtig erschien - die Klägerin auffordert, ihr die AGB in Schriftform zu übersenden. Die J-GmbH hat indessen weder den Versuch gemacht, die AGB der Klägerin im Internet abzurufen, noch hat sie die Klägerin aufgefordert, ihr die AGB in Schriftform zu übersenden. Damit ist die J-GmbH nicht den Anforderungen gerecht geworden, die im unternehmerischen Rechtsverkehr an die zumutbare Sorgfalt des Unternehmers zur Klarstellung der Geschäftsbeziehung zu stellen sind. Da die J-GmbH mithin durchaus die Möglichkeit der zumutbaren Kenntnisnahme von dem Inhalt der AGB der Klägerin hatte, sind diese aufgrund des ausdrücklichen Hinweises der Klägerin in ihrem Annahmeschreiben Vertragsinhalt geworden.

3. Bei dem vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt liegt auch kein Fall der Kollision von AGB vor, der nur dann gegeben ist, wenn jede Vertragspartei ihre eigenen, den AGB der anderen Partei widersprechenden AGB verwendet (s. dazu z.B. Ulmer-Brandner-Hensen, Komm. zum AGBG, 8. Aufl. 1997, § 2 Rn. 97 ff; Wolf/Horn/Lindacher, a.a.O., § 2 Rn. 73 ff).

Zwar hatte die J-GmbH in ihrem Bestellungsschreiben vom 19.11.2002 ihrerseits auf die Geltung ihrer AGB hingewiesen; dabei handelte es sich jedoch um Verkaufsbedingungen, die keine spezielle Regelung über den Eigentumserwerb nach vorangegangenem Kauf von Waren enthält. Auch der allgemeine Hinweis in den AGB der J-GmbH darauf, dass "Einkaufs- und Empfangsbedingungen" des Bestellers, die mit den Allgemeinen Verkaufsbedingungen der J-GmbH in Widerspruch stehen, für diese "unverbindlich" seien, greift vorliegend nicht, da nicht "Einkaufs- und Empfangsbedingungen" der Klägerin in Rede stehen, sondern deren "Verkaufsbedingungen". Die AGB der Klägerin und die der J-GmbH kollidieren mithin nicht. Die beiderseitigen AGB gelten deshalb insoweit, als sie übereinstimmen (BGH NJW-RR 86, 984; Wolf/Horn/Lindacher, a.a.O.; § 2 Rn. 76 m.w.N.), so dass der in den AGB der Klägerin geregelte Eigentumsvorbehalt wirksam vereinbart worden ist.

Im Übrigen würde selbst für den Fall der Kollision der AGB der Vertragsparteien der Eigentumsvorbehalt wirksam vereinbart worden sein; insoweit ist nämlich anerkannt, dass sich der Eigentumsvorbehalt grundsätzlich auch dann durchsetzt, wenn die Verkäufer AGB wegen Kollision mit den AGB des Käufers nicht Bestandteil des schuldrechtlichen Vertrages werden (BGHZ 104, 137; Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 305 Nr. 56 m.N.), da der Eigentumsübergang durch einseitige Erklärung ausgeschlossen werden kann und bei der Auslegung der Erklärung des Verkäufers der Gesamtinhalt seiner AGB berücksichtigt werden muss (ebenda).

4. Auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob hinsichtlich der Branche, in der die Klägerin tätig ist, der einfache Eigentumsvorbehalt kraft Handelsbrauchs gilt mit der Folge, dass eine solche Klausel auch ohne rechtsgeschäftliche Einbeziehung aufgrund § 346 HGB gilt (Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 305 Rn. 58 m.N.), kommt es mithin nicht mehr an.

5. Die Revision wird nicht zugelassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO. ..."

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