Webshoprecht.de



A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

OLG Hamburg Urteil vom 25.11.1999 - 3 U 76/99 - Die Textilkennzeichnungspflicht verlangt ein Anbringen der Rohstoffgehaltsangabe an jeder Textilie; Angaben an einzelnen Modellen reichen nicht aus

OLG Hamburg v. 25.11.1999: Die Textilkennzeichnungspflicht verlangt ein Anbringen der Rohstoffgehaltsangabe an jeder Textilie; Angaben an einzelnen Modellen reichen nicht aus


Das OLG Hamburg (Urteil vom 25.11.1999 - 3 U 76/99) hat entschieden:

  1.  Beim Angebot von Textilien (hier: Oberhemden) muss die Rohstoffgehaltsangabe deutlich erkennbar an dem Textilerzeugnis angebracht sein (TKG § 10 Abs 1). An der deutlichen Erkennbarkeit fehlt es, wenn Oberhemden verpackt angeboten werden und dabei die Rohstoffgehaltsangabe erst nach dem Auspacken des Oberhemdes zu lesen ist.

  2.  Allerdings besteht auch bei verpackten Oberhemden kein Zwang, die Rohstoffgehaltsangabe an einer bestimmten Stelle (zB wie bisher oft im Kragenbereich) anzubringen (vgl. TKG § 10 Abs 1 S 2: "kann"). Es ist lediglich eine deutliche Erkennbarkeit der Angabe zu gewährleisten, dh die Angabe muss mühelos und ohne umständliches Auspacken lesbar sein.

  3.  Die Textilkennzeichnungspflicht verlangt ein Anbringen der Rohstoffgehaltsangabe an jeder Textilie; Angaben an einzelnen Modellen reichen nicht aus.




Siehe auch
Textilien
und
Grundpreisangabe


Zum Sachverhalt:


Der Kläger ist eine Vereinigung zur Förderung gewerblicher Interessen (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG).

Die Beklagte betreibt den Einzelhandel mit Textilien, sie bot u. a. Oberhemden an, darunter solche von B, S und S, bei denen die Rohstoffgehaltsangaben unten an der Hemdkante (Hemdinnenseite) so angebracht sind, dass sie von außen, wenn das Hemd zusammengefaltet in Zellophan verpackt ist, nicht zu sehen ist. Bei anderen originalverpackten Hemden im Angebot der Beklagten ist die Rohstoffgehaltsangabe ohne weiteres lesbar.

Der Kläger beanstandete die Kennzeichnung als unzulässig (§ 10 TKG) und unlauter (§ 1 UWG) und nahm die Beklagte mit der Klage auf Unterlassung in Anspruch.

Der Kläger hat vorgetragen:

Nach dem maßgeblichen § 10 TKG müsse die Rohstoffgehaltsangabe deutlich erkennbar angebracht sein, d. h. an einer für den Verbraucher beim Aussuchen oder beim Kauf ohne Mühe sichtbaren Stelle des Oberhemds. Die von der Beklagten vertriebenen Hemden entsprächen dieser Vorschrift nicht. Da die Beklagte weiterhin so vorgehen wolle, setze sie sich bewusst und planmäßig über die gesetzlichen Bestimmungen hinweg. Der Vorsprung durch Rechtsbruch sei gegeben, durchaus namhafte Hersteller hielten sich an das Gesetz.

Kein normaler Verbraucher öffne bei einem angebotenen Hemd die Zellophanverpackung und wühle im Inneren nach dem Etikett mit den Rohstoffgehaltsangaben. Das würden die Verkäufer der Beklagten bei teuren Oberhemden sicher auch nicht dulden, denn diese wären bald unansehnlich und unverkäuflich. Das TKG bezwecke, dass der Verbraucher sich selbst unmittelbar Kenntnis von der Zusammensetzung der Textilie verschaffen könne.

§ 10 TKG weiche von der Textilkennzeichnungsrichtlinie 833/623/EWG nicht ab; Art. 8 Abs. 2 b) der Richtlinie verlange eine "leicht lesbare" Angabe, und zwar "beim Angebot zum Verkauf und beim Verkauf an den Endverbraucher". Eine EuGH-Vorlage sei demgemäß nicht angezeigt.

Die Beklagte hat vorgetragen:

Es treffe nicht zu, dass - so aber der Kläger - kein normaler Verbraucher beim Hemdenkauf die Zellophanverpackung öffne, um nach dem Etikett mit der Rohstoffgehaltsangabe zu suchen. Es sei vielmehr der Regelfall, dass der Verbraucher beim Kauf das Hemd öffne, um dessen Schnitt, Farbe und Größe zu prüfen. Gerade bei teuren Hemden nehme der Verbraucher selbstverständlich an, dass ihm dies gestattet sei. Ihre (der Beklagten) Mitarbeiter würden dagegen nicht einschreiten, die Hemden würden dadurch auch nicht unansehnlich. Überdies sei es bei teuren Hemden der Regelfall, dass sich die Kunden vom Verkaufspersonal bedienen und beraten ließen.

Nach Art. 8 Abs. 2 b) der Textilkennzeichnungsrichtlinie 83/623/EWG sei die lesbare Angabe über die Textilfaserzusammensetzung auf Etiketten geregelt, eine Vorschrift über die Stelle, an der bei einem Textilerzeugnis das Etikett einzunähen sei, gebe es nicht. Die Vorschriften der Richtlinie seien abschließend; auch im TKG gebe es keine solche Regelung. § 10 Abs. 1 TKG schreibe nicht vor, dass die Rohstoffgehaltsangabe an einer bestimmten Stelle (z. B. im Kragenbereich) zu erfolgen habe. Eine dahingehende normerweiternde Interpretation des § 10 Abs. 1 TKG würde dem Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung widersprechen.

Äußersten falls ließe sich dem Normzweck der Richtlinie und des TKG entnehmen, dass das Etikett mit der Rohstoffgehaltsangabe an einer Stelle des Textilerzeugnisses angebracht sein müsse, an der es vom Verbraucher erwartet werde oder ohne übermäßige Mühe gefunden werden könne. Das sei bei den beanstandeten Hemden der Fall: Praktisch alle namhaften Oberhemdenhersteller seien aus ästhetischen Gründen und zur Vermeidung von unangenehmem Kratzen dazu übergegangen, bei Herrenoberhemden das Etikett nicht mehr im Halsbereich einzunähen, sondern im unteren Hemdenbereich, insbesondere an der Hemdinnenkante.

Selbst wenn ein Verstoß gegen § 10 Abs. 1 TKG vorläge, fehle es am wettbewerblichen Vorsprung (§ 1 UWG). Praktisch alle Hemdenhersteller nähten die Etiketten im unteren Hemdenbereich an, im übrigen wirkte die angeblich unzureichende Kennzeichnung allenfalls zu ihrem (der Beklagten) Nachteil.

Das mit der Klage angestrebte Verbot wäre zudem unverhältnismäßig. Der maßgebliche Durchschnittsverbraucher im Sinne der EuGH-Rechtsprechung wisse, wo sich die Rohstoffgehaltsangabe befinde und habe keine Probleme, gegebenenfalls nachzufragen oder selbst ein Hemd zu öffnen. Die Textilkennzeichnung im Kragenausschnitt unterbliebe aus guten Gründen, das Verkaufspersonal sei bei ihr (der Beklagten) jederzeit zur Aufklärung bereit.

Durch Urteil vom 24. Februar 1999 hat das Landgericht der Klage stattgegeben.

Gegen dieses Urteil wendete sich die Beklagte mit der Berufung. Sie trug ergänzend vor:

Das Landgericht überspanne die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Textilkennzeichnung. Dem Verbraucher sei bekannt, dass sich die Rohstoffgehaltsangabe typischerweise gerade nicht im Kragenausschnitt befinde; es verwundere ihn daher nicht, die leicht zu öffnende Verpackung des Hemds aufzumachen, um sich über die Rohstoffzusammensetzung zu vergewissern. Die fraglichen Oberhemden seien hochwertig und würden ohne genaue Ansicht des Materials nicht gekauft. Der Kunde wolle typischerweise das Material ohnehin ertasten, um einen Eindruck vom Tragekomfort zu haben. Deswegen befänden sich in jedem guten Bekleidungsgeschäft und insbesondere auch bei ihr (der Beklagten) zu jedem Hemdtyp unverpackte Einzelexemplare, bei denen der Kunde die am unteren Hemdrand eingenähte Rohstoffgehaltsangabe lesen könne (Beweisantritt Bl. 73-74). Sie (die Beklagte) verkaufe auch unverpackte Hemden, jeder Kunde habe aber bei ihr ohne weiteres die Möglichkeit, jedes Hemd unverpackt zu prüfen.

Selbst wenn ein Verstoß gegen § 10 Abs. 1 TKG vorläge, würde dies mangels wettbewerblichen Vorsprungs nicht die Voraussetzungen des § 1 UWG erfüllen. Jedenfalls aber wäre es nur ein marginaler Verstoß gegen § 1 UWG, zu dessen Verfolgung der Kläger nicht klagebefugt wäre (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG.

Der Kläger verteidigte das angefochtene Urteil unter Vertiefung und Ergänzung seines erstinstanzlichen Vorbringens:

Das TKG bezwecke, dass der Verbraucher die Rohstoffgehaltsangabe bei seiner Kaufentscheidung ohne weiteres wahrnehmen könne. Das sei bei den beanstandeten Hemden der Beklagten nicht der Fall. Das Öffnen der Verpackung werde der Kunde kaum wagen. In vielen Geschäften gebe es Schilder, die das untersagten oder auf den Kaufzwang in solchen Fällen hinwiesen (vgl. dazu die Beklagte Bl. 104). Häufig seien die Folien verklebt, beim Aufreißen könne es zu Beschädigungen kommen. Die Hemden seien mit Nadeln kunstvoll zusammengehalten, das umständliche Ein- und Auspacken werde der Kunde vermeiden wollen. Die von der Beklagten geübte Praxis führe zu "Blind"-Käufen, ohne sich über den Rohstoffgehalt zu informieren. Die Behauptung der Beklagten, sie habe für jeden Hemdtyp ein unverpacktes Probeexemplar, werde bestritten, das müssten Hunderte von Hemden sein.

Der Vorsprung durch Rechtsbruch sei gegeben. Die Beklagte lasse Kunden "blind" Hemden kaufen, während sich die Konkurrenten dem Qualitätsvergleich stellten. Die Beklagte spare auch die Kosten für eine ordnungsgemäße Kennzeichnung.

Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos.





Aus den Entscheidungsgründen:


"... Zu Recht hat das Landgericht der Klage stattgegeben.

I.

Gegenstand des Unterlassungsantrages ist das Feilhalten von verpackten Oberhemden, bei denen sich die Rohstoffgehaltsangaben nur an der unteren Hemdkante befinden und ohne Auspacken des Hemdes nicht lesbar sind.

Es geht demgemäß weder generell um das Verbot, die Rohstoffgehaltsangabe an der unteren Hemdkante anzubringen, noch etwa um das Gebot, die Etikettierung im Halsbereich des Hemdes vorzunehmen. Untersagt ist der Beklagten lediglich, verpackte Oberhemden (gegenüber privaten Endverbrauchern) feilzuhalten, bei denen sich die Rohstoffgehaltsangaben nur an der unteren Hemdkante befinden und deswegen ohne Auspacken des Hemdes nicht lesbar sind, d. h. beispielsweise weil das Hemd so gefaltet ist, dass der Einnäher an der unteren Hemdkante durch die Zellophanverpackung nicht zu sehen ist oder weil ein zusätzlicher Hinweis (auf dem Hemd oder auf der Verpackung) fehlt.




Es ist selbstverständlich, dass mit der Bestimmung "an der unteren Hemdkante" auch solche Fallgestaltungen erfasst sind, bei denen sich die Kennzeichnung nicht genau an der Kante, aber gleichwohl im verpackten Zustand des Oberhemds an einer so nicht einsehbaren Stelle befindet. Hierauf hat bereits das Landgericht zutreffend hingewiesen, das entspricht der konkreten Verletzungsform.

II.

Die Klagebefugnis hat das Landgericht zutreffend als gegeben angesehen (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG).

Bei dem Kläger handelt es sich unstreitig um eine rechtsfähige Vereinigung zur Förderung gewerblicher Interessen mit eben dieser satzungsgemäßen Aufgabe. Es ist auch unstreitig, dass der Kläger seine Aufgabe, die gewerblichen Mitgliederinteressen zu verfolgen, wahrnimmt und dazu nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung tatsächlich in der Lage ist. Der Kläger ist zudem seit Jahren unbeanstandet als klagebefugt angesehen worden.

Die Mitgliederstruktur des Klägers erfüllt die Voraussetzung des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG. Zu seinen Mitgliedern gehören unstreitig (vgl. Bl. 31, 38) u. a. der Landesverband des Hamburger Einzelhandels, die Handelskammer Hamburg und der Norddeutsche Textileinzelhandelsverband. Damit hat der Kläger in repräsentativem Umfang Mitglieder, die wie die Beklagte den Möbeleinzelhandel betreiben und als Mitbewerber auf dem relevanten Markt (jedenfalls der Hamburger Wirtschaftsraum) betroffen sind.

III.

Der Unterlassungsantrag ist auch nach Auffassung des Senats aus den §§ 1 Abs. 1, 10 Abs. 1 TextilkennzeichnungsG (TKG), §§ 1, 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG begründet.

1.) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 TKG dürfen Textilerzeugnisse - wie vorliegend Oberhemden - gewerbsmäßig nur in den Verkehr gebracht oder zur Abgabe an letzte Verbraucher feilgehalten werden, wenn sie mit einer Angabe über Art und Gewichtsanteil der verwendeten textilen Rohstoffe (Rohstoffgehaltsangabe) gemäß §§ 3 bis 10 TKG versehen sind. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 TKG muss die Rohstoffgehaltsangabe im Falle des § 1 Abs. 1 TKG in deutlich erkennbarer Weise eingewebt oder an dem Textilerzeugnis angebracht sein.



2.) Diesen Anforderungen des TKG entspricht die Beklagte nicht, wenn sie - wie bei den zur Akte gereichten Hemden (Anlage K Bb1) geschehen - verpackte Oberhemden feilhält, bei denen die Rohstoffgehaltsangabe ohne Auspacken des Hemdes nicht lesbar ist, weil die Angabe sich nur an der unteren Hemdkante befindet und als solche ohne Auspacken des Hemdes nicht zu sehen ist.

(a) § 10 Abs. 1 TKG schreibt allerdings nicht die Stelle des Textilerzeugnisses vor, an der die Rohstoffgehaltsangabe anzubringen ist. Aus Satz 2 dieser Regelung folgt nichts anderes; es handelt sich um eine Kann-Vorschrift betreffend verpackte Textilien, die andere Kennzeichnungsformen offenlässt. Um einen Zwang, die Rohstoffgehaltsangabe an bestimmter Stelle anzubringen, geht es, wie ausgeführt, im vorliegenden Rechtsstreit auch nicht. Zwingend ist aber die Regelung des § 10 Abs. 1 Satz 1 TKG, wonach die Rohstoffgehaltsangabe "in deutlich erkennbarer Weise" eingewebt oder an dem Textilerzeugnis angebracht sein muss.

Das bedeutet nicht etwa nur, dass die Rohstoffgehaltsangabe als solche - wenn man sie schließlich gefunden hat - deutlich erkennbar, d. h. beispielsweise durch die Wahl der Schriftgröße und Druckfarbe lesbar gestaltet sein muss, sondern selbstverständlich auch, dass die Rohstoffgehaltsangabe an einer Stelle angebracht sein muss, an der sie der Verbraucher beim Aussuchen oder beim Kauf ohne Mühe sieht.

(b) Die nach dem TKG vorgeschriebene Rohstoffgehaltsangabe dient wichtigen Belangen der Allgemeinheit. Der Verbraucher möchte beim Einkauf von Textilien wissen, welche Rohstoffe in dem Erzeugnis verarbeitet worden sind, um Anhaltspunkte über die Qualität und Verwendbarkeit des Textilerzeugnisses zu erhalten. Haltbarkeit, Schutz vor Kälte und Feuchtigkeit sowie gesundheitliche Verträglichkeit sind - so schon zutreffend die Amtliche Gesetzesbegründung (BT-Drucksache VI/3344) - im hohen Maße durch die Art der Zusammensetzung der verwendeten Rohstoffe bedingt; besondere Bedeutung hat die Rohstoffgehaltsangabe bei der Selbstbedienung.

Entsprechend diesem für den Verbraucher wichtigen Gesetzeszweck können auch nach Auffassung des Senats verpackte Oberhemden gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 TKG nicht in der beanstandeten Weise feilgehalten werden. Die Rohstoffgehaltsangabe ist nicht "deutlich erkennbar", wenn sie erst nach dem Auspacken des Oberhemdes zu lesen ist. Wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, sind Oberhemden zum Schutz in durchsichtigen Folien verpackt, das Ein- und Auspacken erfordert einigen Aufwand, den der Kunde vielfach scheuen wird, "nur" um nach der Rohstoffgehaltsangabe zu suchen. Dass es - wie die Beklagte meint - auch Kunden gibt, die die Folien öffnen und die Hemden schon im Hinblick auf die Stoffeigenschaften prüfen und demgemäß auspacken werden, steht dem Aufwand als solchem nicht entgegen.

Zu Recht hat das Landgericht darauf abgestellt, dass die Rohstoffgehaltsangabe bereits in der Kaufsituation deutlich erkennbar sein muss. Das ergibt sich schon aus der Bestimmung des "Feilhalten" in § 1 Abs. 1 TKG, auf die § 10 Abs. 1 Satz 1 TKG Bezug nimmt, und wird überdies durch den oben dargestellten Gesetzeszweck bestätigt.

Wie das Landgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat, stehen diese Regelung und deren Verständnis mit der Textilkennzeichnungsrichtlinie des Rates 83/632/EWG vom 25. November 1983 (ABl. Nr. L 353 S. 8 vom 15. Dezember 1983) im völligen Einklang. Gemäß Art. 8 Abs. 2 b) der Richtlinie 83/632/EWG sind beim Angebot zum Verkauf und beim Verkauf an den Endverbraucher die vorgesehenen Angaben über die Zusammensetzung der Textilfasern "in leicht lesbarer und deutlich erkennbarer Weise" in einem einheitlichen Schriftbild anzugeben.




(c) Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es dabei nicht darauf an, ob Verbraucher wissen, dass bei Oberhemden die Rohstoffgehaltsangabe vielfach nicht mehr im Kragenbereich, sondern an der Hemdunterkante angebracht ist. Wenn das Hemd in der Originalverpackung so gefaltet ist, dass die Rohstoffgehaltsangabe nicht zu sehen ist, nutzt es dem Kunden wenig, wenn er weiß, wo er suchen müsste. Die Rohstoffgehaltsangabe ist in solchen Fällen nicht "deutlich erkennbar", d. h. nicht ohne erhebliche Mühe sichtbar (erkennbar).

Das Argument der Beklagten, in ihren Geschäften würden die Kunden nicht gehindert, nach eigenem Gutdünken verpackte Oberhemden aus der Folie zu ziehen und auseinanderzufalten, greift nicht durch. Es liegt auf der Hand, dass eine solche Prozedur gleichwohl mit Mühen verbunden ist. Damit wäre der Zweck des TKG jedenfalls vereitelt.

Unerheblich ist der Umstand, dass die Beklagte nach ihrem - von der Gegenseite bestrittenen - Vorbringen von "jedem Hemdtyp" ein ausgepacktes Muster bereithält. § 10 Abs. 1 Satz 1 TKG schreibt vor, dass die Rohstoffgehaltsangabe an dem Textilerzeugnis angebracht sein muss. Das bedeutet selbstverständlich an jedem feilgehaltenen Textilerzeugnis und nicht nur an einigen. Auch mündliche Informationen des Verkaufspersonals über die Produkte sind insoweit kein Ersatz für die fehlende (deutlich erkennbare) Kennzeichnung an den Hemden. Die Textilkennzeichnungspflicht besteht im übrigen nicht etwa nur bei billigen Hemden, sondern auch bei hochpreisigen; demgemäß trifft der Unterlassungsantrag die konkrete Verletzungsform, indem er allgemein auf verpackte Oberhemden abstellt.

Schließlich ist nicht von durchgreifender Bedeutung, ob und welche Hemden noch im Halsbereich bzw. schon im unteren Hemdenbereich mit der Rohstoffgehaltsangabe versehen sind. Es mag auch durchaus so sein, dass die von der Beklagten genannten Gründe für den "Standortwechsel" der Einnäher von beachtlichem Gewicht sind; ohnehin bleibt es den Herstellern unbenommen, nach ihren Vorstellungen - allerdings gemäß den Vorschriften des TKG - die Rohstoffgehaltsangabe zu platzieren. Es geht vorliegend nur um die Erkennbarkeit dieser Angabe bei verpackten Oberhemden, die zu gewährleisten ist und ohne weiteres auch bewerkstelligt werden kann. So kann das Hemd bei einem Etikett am unteren Hemdrand z. B. entsprechend gefaltet werden oder auf der Verpackung ein zusätzliches Etikett aufweisen (§ 10 Abs. 1 Satz 2 TKG). Viele andere Gestaltungen sind möglich und denkbar.

3.) Die demgemäß vorliegende Verletzung der §§ 1, 10 TKG durch das angegriffene Verhalten der Beklagten ist unlauter im Sinne des § 1 UWG.

Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich bei dem TKG um wertneutrale Vorschriften, die nicht Ausdruck einer sittlichen Wertung sind (BGH GRUR 1980, 302 - Rohstoffgehaltsangabe in Versandhandelsanzeige). Vorliegend setzt sich die Beklagte aber bewusst und planmäßig über die Bestimmungen des TKG hinweg, wie bereits ihre Antwort (Anlage Ast 6 der Beiakte) auf die Abmahnung des Klägers vor Einleitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens (Beiakte) erkennen lässt.



Zu Recht hat das Landgericht auch den wettbewerblichen Vorsprung der Beklagten vor gesetzestreuen Mitbewerbern auf Grund der Missachtung des TKG angenommen. Jener liegt auf der Hand. Abzustellen ist nicht auf andere Anbieter, die ebenfalls in der beanstandeten Weise verfahren, sondern auf die gesetzestreuen Konkurrenten. Gegenüber diesen kann es für die Beklagte von Vorteil sein, wenn sie mit jener Angebotsform einen Preis- und Qualitätsvergleich verhindert oder beträchtlich erschwert (BGH a. a. O.; OLG Hamburg GRUR 1987, 183). Zusätzliche Maßnahmen der Kennzeichnung wie z. B. ein Etikett auf der Verpackung blieben der Beklagten ebenfalls erspart.

4.) Der Unterlassungsantrag betrifft - hiervon ist auch das Landgericht zutreffend ausgegangen - einen wesentlichen Wettbewerbsverstoß im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG.

Wie schon die obigen Ausführungen zeigen, handelt es sich vorliegend nicht um einen Bagatellfall. Die verletzten Vorschriften des TKG dienen gewichtigen Belangen des Verbrauchers, deren Verletzung vorliegend keine Marginalie ist. Sogar der europäische Gesetzgeber hat die Textilkennzeichnung aus den oben dargestellten Gründen für regelungsbedürftig gehalten. Auch dass das Verbot etwa "unverhältnismäßig" wäre, vermag der Senat nicht zu erkennen.

IV.

Eine Vorabentscheidung des EuGH - wie sie die Beklagte auch in zweiter Instanz anregt - hält der Senat nicht für angezeigt (Art. 234 EG-Vertrag).

Die maßgebliche Anwendung und Auslegung des Gemeinschaftsrechts im Rahmen des § 10 TKG nach Maßgabe der Richtlinie 83/632/EWG lassen nach Auffassung des Senats wegen ihrer Offenkundigkeit vernünftigerweise keine Zweifel zu, wie die obigen Ausführungen zeigen. ..."

- nach oben -



Datenschutz    Impressum