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Landgericht Hannover Urteil vom 08.04.2008 - 18 O 256/07 - Zur Unwirksamkeit einer Verjährungsverkürzung in AGB bei Fehlen gesetzlicher Ausnahmen

LG Hannover v. 08.04.2008: Zur Unwirksamkeit einer Verjährungsverkürzung in AGB bei Fehlen gesetzlicher Ausnahmen und zur Zulässigkeit von "und/oder"-Verknüpfungen von Haftungsvoraussetzungen


Das Landgericht Hannover (Urteil vom 08.04.2008 - 18 O 256/07) hat entschieden:

  1.  Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, mit der die gesetzliche Verjährungsfrist für die Ansprüche des Käufers wegen eines Mangels der verkauften Sache abgekürzt wird, ist wegen Verstoßes gegen die Klauselverbote insgesamt unwirksam, wenn die in den Klauselverboten bezeichneten Schadensersatzansprüche nicht von der Abkürzung der Verjährungsfrist ausgenommen werden.

  2.  Eine Haftungsklausel verstößt bei einer Kombination verschiedener Haftungsvoraussetzungen mit einer "und/oder"-Verknüpfung nicht gegen das Transparenzgebot für Allgemeine Geschäftsbedingungen.




Siehe auch
AGB
und
Abmahnung


Zum Sachverhalt:


Der Kläger ist ein gem. § 4 UKlaG eingetragener bundesweit tätiger Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen der Bundesländer und weiterer 24 Verbraucher- und sozial orientierter Organisationen in Deutschland. Er verlangt vorliegend von der Beklagten, einem bundesweit tätigen Vermittler von Bauspar-, Versicherungs- u.ä. Verträgen sowie Kredit- und Kapitalanlagen die Unterlassung von zwei Vertragsklauseln. Diese sind von der Beklagten im Rahmen einer sog. „Gesprächsnotiz zur Vermittlung des geschlossenen Immobilienfonds … verwandt worden, wobei die Klauseln textlich hervorgehoben und vom Kunden gesondert zu unterzeichnen sind. Die Klauseln lauten wie folgt:

   „Haftung: … und/oder deren Mitarbeiter/Handelsvertreter, haften nur im Falle der schuldhaften Verletzung einer wesentlichen Vertragspflicht (Kardinalpflicht) und/oder grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Pflichtverletzungen und/oder Verletzung des Korpers, der Gesundheit und des Lebens.

Verjährungsklausel: Eventuelle Schadensersatzansprüche gegen … und/oder deren Mitarbeiter/Handelsvertreter, gleich aus welchem Rechtsgrund, verjähren – vorbehaltlich kürzerer gesetzlicher Verjährungsfristen – mit Ablauf des auf das Jahr, in dem der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit Kenntnis erlangen müsste. ... folgenden Jahres, längstens jedoch - ohne Rücksicht auf Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis - in 3 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

Diese Regelung gilt nicht für vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten.“

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Haftungsklausel gegen das Transparenzgebot verstoße, insbesondere gegen §§ 309 Nr. 7, 307 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 BGB. Dem Verbraucher werde durch mehrfache Kombination der Haftungstatbestände mit der Bezeichnung „und/oder“ nicht deutlich gemacht, welche Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten erforderlich sind. So könne der Verbraucher ohne Weiteres zu der Auffassung gelangen, dass die kumulative Erfüllung sämtlicher Haftungsvoraussetzungen erforderlich sei, um Ansprüche gegen die Beklagte geltend zu machen.

Hinsichtlich der Verkürzung der Verjährungsfrist ist der Kläger der Ansicht, dass insoweit eine unangemessene Benachteiligung i.S. von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB vorliege. Die Verkürzung der kenntnisunabhängigen Verjährungsfrist von 10 auf 3 Jahre benachteilige den Verbraucher unangemessen, zumal auch die 30-jährige Frist für Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit von 30 auf 3 Jahre verkürzt werde.

Der Kläger hat mit der Klage entsprechende Unterlassung beantragt.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie ist der Ansicht, dass die Verknüpfung der verschiedenen Haftungsvoraussetzungen mit „und/oder“ eine für den Verbraucher klare und deutliche Regelung darstelle Soweit es die Verkürzung der Verjährung betrifft, liege darüber hinaus keine unangemessene Benachteiligung vor. Insoweit sei hinsichtlich der kenntnisunabhängigen Verjährung von 3 Jahren zu berücksichtigen, dass dieses der gesetzlichen Regelung des § 37a WpHG entspricht. Schließlich entspreche die Verjährung auch dem Leitbild wie es in § 475 Abs. 2 BGB oder § 309 Nr. 8 b ff, BGB niedergelegt sei, bei der eine Verkürzung der Verjährung nur auf weniger als 1 Jahr als unzulässig erachtet werde.

Die Klage hatte teilweise Erfolg.





Aus den Entscheidungsgründen:


"Die Klage ist, soweit sich der. Kläger gegen die Verjährungsklausel der Beklagten wendet, begründet, soweit sich der Kläger gegen die Auflistung der verschiedenen Haftungsgründe wendet, unbegründet.

I.

1. Die Verjährungsklausel gemäß dem Klageantrag zu Ziffer I.2, wie sie von der Beklagten verwandt wird, verstößt gegen das Klauselverbot des § 309 Nr. 7 Buchstabe a BGB und ist daher insgesamt unwirksam. Der Bundesgerichtshof hat entschieden (BGH, Urteil vom 15.11.2006; Az. VIII ZR 3/06, BGHZ 170, 31 f.), dass eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, mit der die gesetzliche Verjährungsfrist für die Ansprüche des Käufers wegen eines Mangels der verkauften Sache abgekürzt wird, wegen Verstoßes gegen die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 Buchstabe a und b BGB insgesamt unwirksam ist, wenn die in diesen Klauselverboten bezeichneten Schadensersatzansprüche nicht von der Abkürzung der Verjährungsfrist ausgenommen werden. Eine solche Ausnahme der in § 309 Nr. 7 Buchstabe a BGB genannten Schadensersatzansprüche enthält die verjährungsverkürzende Klausel der Beklagten aber nicht. Soweit die Beklagte der Ansicht ist, dass Schadensersatzansprüche wegen Verletzung des Körpers, der Gesundheit und des Lebens bei der Vermittlung eines geschlossenen Immobilienfonds von vornherein nicht in Betracht kommen können, sodass § 309 Nr. 7 Buchstabe a BGB nicht einschlägig sei, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Zum einen hat die Beklagte selbst in der Haftungsklausel zuvor eine Haftung wegen Verletzung des Körpers, der Gesundheit und des Lebens ausdrücklich mit aufgenommen. Auch wenn entsprechende Haftungstatbestände im Rahmen der Vermittlung eines geschlossenen Immobilienfonds eher die Ausnahme sein dürften, sind diese nicht von vornherein ausgeschlossen, so dass § 309 Nr. 7 Buchstabe a BGB auch auf die Verträge der Beklagten Anwendung findet.




Da die Klausel wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 7 Buchstabe a BGB unwirksam ist, kommt es auf die zwischen den Parteien strittige Rechtsfrage, ob die Verkürzung der Verjährungsfrist in zulässiger Weise durch die Beklagte erfolgte, nicht mehr an.

2. Die Haftungsklausel (Klagantrag Ziffer I. 1) verstößt wegen der Kombination verschiedener Haftungsvoraussetzungen mit einer „und/oder“ Verknüpfung nicht gegen die §§ 307 ff. BGB. Zwar ist der Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Vertragspartner verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben auch, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (BGHZ 106, 42, BGHZ 163, 394 ff.). Dabei ist nicht auf den flüchtigen Betrachter, sondern auf den aufmerksamen und sorgfältigen Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr abzustellen. Der Verwender ist hierbei generell gehalten, in den AGB keine unnötig juristische Sprache zu verwenden. Ob Allgemeine Geschäftsbedingungen hinreichend klar und durchschaubar sind, ist nach den Verständnismöglichkeiten der typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden zu beurteilen (BGHZ 106, 259; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 10. Aufl., § 307 BGB Rn. 344). Diesen Anforderungen, die der BGH gemäß dem Transparenzgebot an Allgemeine Geschäftsbedingungen stellt, wird die Klausel der Beklagten gerecht.



Beim oberflächlichem Lesen dieser Klausel kann sich für einen flüchtigen Leser zwar aufgrund der Kombination „und/oder“ zunächst möglicherweise eine gewisse Verständnisschwierigkeit ergeben. Bei genauerem Lesen wird aber auch für einen durchschnittlichen Vertragspartner der Beklagten, der im Bereich von geschlossenen Immobilienfonds Investitionen vornimmt, klar erkennbar, dass die Beklagte bei jedem der dort genannten Haftungsgründe separat unter den dort genannten Voraussetzungen haftet. Für den Verbraucher wird klar und verständlich dargelegt, welche Haftungstatbestände für eine Haftung der Beklagten vorliegen müssen. Dieses betrifft auch die Formulierung „im Fall der schuldhaften Verletzung einer wesentlichen Vertragspflicht (Kardinalpflicht)“. Dieser von der Rechtsprechung geprägte Begriff bedarf zwar im Einzelfall der richterlichen Auslegung. Für den Vertragspartner wird aber klar, dass nicht schon jede schuldhafte Verletzung von Vertragspflichten eine Haftung der Beklagten begründet, sondern dass es sich hierbei um eine Verletzung von Vertragspflichten handeln muss, die gerade ihren Kern im Bereich der Beratung durch die Beklagte haben. Insoweit wird die durch die Klausel vorgenommene Einschränkung vom Grundsatz her für den Verbraucher klar erkennbar, auch wenn im Einzelfall Streit darüber bestehen mag, ob es sich bei der Verletzung von Vertragspflichten um solche handelt, die die Rechtsprechung als sog. Kardinalspflichten einordnet. ..."

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