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BGH Vorlagebeschluss vom 16.08.2006 - VIII ZR 200/05 - Vorabentscheidungsfrage, ob die Wertersatzpflicht für die Benutzung der fehlerhaft gelieferten Sache mit Europarecht vereinbar ist

BGH v. 16.08.2006: Vorabentscheidungsersuchen, ob die Wertersatzpflicht für die Benutzung der fehlerhaft gelieferten Sache mit Europarecht vereinbar ist


Der BGH (Vorlagebeschluss vom 16.08.2006 - VIII ZR 200/05) hat dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

   Sind die Bestimmungen des Art. 3 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 oder des Art. 3 Abs. 3 Satz 3 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter dahin auszulegen, dass sie einer nationalen gesetzlichen Regelung entgegenstehen, die besagt, dass der Verkäufer im Falle der Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes des Verbrauchsgutes durch Ersatzlieferung von dem Verbraucher Wertersatz für die Nutzung des zunächst gelieferten vertragswidrigen Verbrauchsgutes verlangen kann?




Siehe auch Wertersatz und Nutzungsentgelt


Gründe:


"I.

Der Kläger ist ein Verbraucherverband, der in die gemäß § 4 des Unterlassungsklagengesetzes (UKlaG) beim Bundesverwaltungsamt geführte Liste qualifizierter Einrichtungen eingetragen ist. Die Beklagte betreibt ein Versandhandelsunternehmen.

Im Sommer 2002 bestellte die Käuferin S. B. für ihren privaten Gebrauch bei der Beklagten ein sogenanntes "Herd-Set" zum Preis von 524,90 €. Die Ware wurde im August 2002 geliefert. Im Januar 2004 stellte die Käuferin fest, dass sich an der Innenseite des zu dem "Herd-Set" gehörenden Backofens die Emailleschicht abgelöst hatte. Da eine Reparatur des Gerätes nicht möglich war, tauschte die Beklagte den Backofen vereinbarungsgemäß noch im Januar 2004 aus. Das ursprünglich gelieferte Gerät gab die Käuferin an die Beklagte zurück. Für dessen Nutzung verlangte die Beklagte von der Käuferin eine Vergütung in Höhe von zunächst 119,97 €, später 69,97 €. Die Käuferin zahlte diesen Betrag an die Beklagte.

Gestützt auf eine entsprechende Ermächtigung durch die Käuferin verlangt der Kläger Rückzahlung dieses Betrages in Höhe von 67,86 € nebst Zinsen. Daneben hat er, soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, Verbrauchern im Falle der Ersatzlieferung Beträge für die Nutzung der mangelhaften Ware in Rechnung zu stellen.

Das Landgericht (NJW 2005, 2560) hat dem Zahlungsantrag stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung in NJW 2005, 3000 veröffentlicht ist, hat die Berufung der Beklagten und hinsichtlich des vorbezeichneten Unterlassungsantrags auch die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Die Beklagte erstrebt mit ihrer Revision die Abweisung der Zahlungsklage. Der Kläger verfolgt mit seiner Revision den vorbezeichneten Unterlassungsanspruch weiter.


II.

Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Die Zahlung einer Nutzungsentschädigung sei ohne Rechtsgrund erfolgt und könne daher nach § 812 Abs. 1 BGB zurückgefordert werden. Aus der Verweisung des § 439 Abs. 4 BGB auf § 346 Abs. 1 BGB könne die Beklagte keinen Anspruch auf Nutzungsentschädigung herleiten. Die Vorschrift des § 439 Abs. 4 BGB enthalte keine Rechtsfolgenverweisung auf § 346 Abs. 1, 2. Alt. BGB (Herausgabe von tatsächlich gezogenen Nutzungen). Die Begründung des Gesetzgebers für eine Verpflichtung des Käufers, im Falle der Ersatzlieferung eine Nutzungsentschädigung zu zahlen, überzeuge nicht. Es sei nichtgerechtfertigt, im Falle einer Ersatzlieferung alle aus dem Rücktritt resultierenden Rechtsfolgen anzuwenden. Zwar habe der Käufer bei der Ersatzlieferung dadurch einen Vorteil, dass er anstelle der ursprünglichen Sache nun eine neue ungebrauchte Sache mit einer neuen Gewährleistungsfrist erhalte und grundsätzlich mit einer längeren Lebensdauer der Ware rechnen könne. Dem Verkäufer bleibe als Nachteil eine unverkäufliche, weil mangelbehaftete Sache, allerdings behalte er den vollen Kaufpreis und damit den eigentlichen Gewinn. Im Falle des Rücktritts stelle sich die Situation für den Verkäufer deutlich ungünstiger dar. Er müsse nicht nur die mangelhafte Ware behalten, sondern zusätzlich noch den im Kaufpreis enthaltenen Gewinn herausgeben. Demgegenüber erhalte der Käufer den vollen Kaufpreis zurück und könne sich von seinem Vertragspartner lösen. Nur in diesem Fall sei es interessengerecht, wenn der Käufer eine Nutzungsentschädigung zahle.

Auch wenn der Beklagten somit im Falle der Ersatzlieferung kein Anspruch auf Nutzungsentschädigung zustehe, sei der auf § 2 Abs. 2 Nr. 1 UKlaG gestützte Unterlassungsantrag unbegründet, weil das Verhalten der Beklagten nicht gegen eine Vorschrift verstoße, die dem Schutz der Verbraucher diene.





III.

Die Entscheidung über den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Rückzahlung des geleisteten Betrages in Höhe von 67,86 € hängt von der Beantwortung der Frage ab, ob die Beklagte im Rahmen der Nacherfüllung durch Ersatzlieferung berechtigt war, von der Käuferin – einer Verbraucherin – Wertersatz für die Nutzung des ursprünglich gelieferten mangelhaften Backofens in der Zeit von August 2002 bis zur Rückgabe im Januar 2004 zu verlangen.

1. Nach dem nationalen deutschen Recht hat der Verkäufer im Falle der Ersatzlieferung einen Anspruch aus § 439 Abs. 4 BGB in Verbindung mit § 346 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB auf Wertersatz für die Vorteile, die der Käufer aus dem Gebrauch der mangelhaften Sache bis zu deren Austausch gezogen hat. Dies gilt auch dann, wenn der Käufer – wie hier – ein Verbraucher (§ 13 BGB) ist.

a) § 439 Abs. 4 BGB bestimmt, dass der Verkäufer, der zum Zwecke der Nacherfüllung eine mangelfreie Sache liefert, vom Käufer Rückgewähr der mangelhaften Sache "nach Maßgabe der §§ 346 bis 348" verlangen kann. Diese Verweisung schließt nach ihrem Wortlaut und nach dem in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebrachten eindeutigen Willen des Gesetzgebers auch den in § 346 Abs. 1 BGB geregelten Anspruch auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen bzw. – soweit die Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist – auf Wertersatz nach § 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB ein. Auch im nationalen rechtswissenschaftlichen Schrifttum wird die Verweisung überwiegend in diesem Sinne verstanden (MünchKommBGB/Westermann, 4. Aufl., § 439 Rdnr. 17; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB (2004), § 439 Rdnr. 56; Bamberger/Roth/Faust, BGB, § 439 Rdnr. 32; Erman/Grunewald, BGB, 11. Aufl., § 439 Rdnr. 11; Jauernig/Berger, BGB, 11. Aufl., § 439 Rdnr. 18; Graf von Westphalen in Henssler/Graf von Westphalen, Praxis der Schuldrechtsreform, 2. Aufl., § 439 Rdnr. 36; Tonner/Echtermeyer in Kohte/Micklitz/Rott/Tonner/Willingmann, Das neue Schuldrecht, 2003, § 439 Rdnr. 20; P. Huber in Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, 2002, Kap. 13 Rdnr. 55; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Aufl., Rdnr. 326; Buck in Westermann, Das Schuldrecht 2002, 2002, S. 138 f.; Jacobs in Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Das neue Schuldrecht in der Praxis, 2003, S. 392 f.; Eckert, Schuldrecht Besonderer Teil, 2. Aufl., Rdnr. 176; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, 7. Aufl., Rdnr. 432 ff.; Kandler, Kauf und Nacherfüllung, 2004, S. 552 ff.; Brox/Walker, Besonderes Schuldrecht, 30. Aufl., § 4 Rdnr. 42; Westermann, JZ 2001, 530, 537; ders., NJW 2002, 241, 249; Reischl, JuS 2003, 667 f.; Fest, NJW 2005, 2959; Tiedtke/Schmitt, DStR 2004, 2060; Schürholz, Die Nacherfüllung im neuen Kaufrecht, 2005, S. 79 ff., 83; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, 2. Aufl., S. 103 f.; Feuersänger, MDR 2004, 922; Brüggemeier, WM 2002, 1376, 1379).

b) Im deutschen Schrifttum ist diese Auffassung allerdings nicht unumstritten. Nach der Gegenmeinung soll der Käufer im Falle der Ersatzlieferung nicht zum Wertersatz für die Nutzung der mangelhaften Kaufsache verpflichtet sein (Palandt/Putzo, BGB, 65. Aufl., § 439 Rdnr. 25; Oechsler, Schuldrecht Besonderer Teil Vertragsrecht, 2003, S. 147; AnwKomm-Büdenbender, 2005, § 439 Rdnr. 43; Schulz, Der Ersatzlieferungs- und Nachbesserungsanspruch des Käufers im internen deutschen Recht, im UCC und im CISG, 2002, S. 507; Winkelmann in Schimmel/Buhlmann, Frankfurter Handbuch zum neuen Schuldrecht, 2002, S. 538 ff.; MünchKommBGB/S. Lorenz, aaO, Vor § 474 Rdnr. 19; Gsell, NJW 2003, 1969; dies., JuS 2006, 203; Roth, JZ 2001, 475, 489; Schwab, JuS 2002, 630, 636; Ball, NZV 2004, 217, 221 f.; Schulze/Ebers, JuS 2004, 366, 369 f.; Rott, BB 2004, 2478; Hoffmann, ZRP 2001, 347, 349; Saenger/Zurlinden, EWiR 2005, 819; Woitkewitsch, VuR 2005, 1; Wagner/Michal, ZGS 2005, 368; dies., VuR 2006, 46; Muthorst, ZGS 2006, 90; Brömmelmeyer, JZ 2006, 493, 498 f.; Beck, JR 2006, 177). Zur Begründung wird unter anderem angeführt, die Verweisung in § 439 Abs. 4 BGB auf die §§ 346 bis 348 BGB sei teleologisch entsprechend zu reduzieren (Wagner/Michal, aaO; Schwab, aaO; Muthorst, aaO; Saenger/Zurlinden, aaO; Winkelmann, aaO). Gemäß § 446 Satz 2 BGB gebühre die Nutzung der Kaufsache von Anfang an dem Käufer, der dafür auch den Kaufpreis gezahlt habe (Gsell, NJW 2003, 1969 ff.; dies., JuS 2006, 203, 204; Schwab, aaO; Hoffmann, aaO; Woitkewitsch, aaO). Anders als im Falle des Rücktritts verbleibe bei einer Ersatzlieferung der Kaufpreis einschließlich der daraus gezogenen Nutzungen dem Verkäufer (Gsell, aaO). Wollte man einseitig nur den Käufer zur Herausgabe der Nutzungen verpflichten, liefe dies auf eine ungerechtfertigte Besserstellung des schlechtleistenden Verkäufers hinaus (Wagner/Michal, VuR 2006, 46, 48; dies., ZGS 2005, 368, 372; Brömmelmeyer, aaO, S. 495).

c) Der Senat teilt die von den Vertretern der Mindermeinung erhobenen Bedenken gegen die einseitige Belastung des Käufers mit einer Verpflichtung zur Herausgabe der Nutzungen der mangelhaften Kaufsache. Er sieht jedoch keine Möglichkeit, die unangemessene gesetzliche Regelung im Wege der Auslegung zu korrigieren. Dem steht neben dem eindeutigen Wortlaut insbesondere der in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebrachte eindeutige Wille des Gesetzgebers entgegen.

In der Begründung des Koalitionsentwurfs zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz heißt es in der Einzelbegründung zu § 439 Abs. 4 BGB:

   "Ebenso wie bisher § 480 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 467 Satz 1 steht dem Verkäufer ein Rückgewähranspruch nach den Vorschriften über den Rücktritt zu. Deshalb muss der Käufer, dem der Verkäufer eine neue Sache zu liefern und der die zunächst gelieferte fehlerhafte Sache zurückzugeben hat, gemäß §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 1 RE auch die Nutzungen, also gemäß § 100 auch die Gebrauchsvorteile, herausgeben. Das rechtfertigt sich daraus, dass der Käufer mit der Nachlieferung eine neue Sache erhält und nicht einzusehen ist, dass er die zurückzugebende Sache in dem Zeitraum davor unentgeltlich nutzen können soll und so noch Vorteile aus der Mangelhaftigkeit ziehen können soll. Von Bedeutung ist die Nutzungsherausgabe ohnehin nur in den Fällen, in denen der Käufer die Sache trotz der Mangelhaftigkeit noch nutzen kann." (BT-Drucks. 14/6040, S. 232 f.).

Dieser nach der Gesetzesbegründung eindeutige Wille des Gesetzgebers hat in der Formulierung des § 439 Abs. 4 BGB und der uneingeschränkten Bezugnahme auf die §§ 346 bis 348 BGB seinen Niederschlag gefunden. Hätte der Gesetzgeber entgegen seiner im Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck gebrachten Absicht in § 439 Abs. 4 BGB allein die Rückgabe der mangelhaften Sache selbst regeln wollen, wäre zumindest die Verweisung auf § 347 BGB, der ausschließlich die Frage der Nutzungen (und Verwendungen) regelt, entbehrlich gewesen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Formulierung der Vorschrift des § 439 Abs. 4 BGB nicht der aus der Gesetzbegründung hervorgehenden Absicht des Gesetzgebers entspräche, dem Verkäufer für den Fall der Ersatzlieferung auch einen Anspruch auf Herausgabe der vom Käufer gezogenen Nutzungen zuzubilligen.

Eine einschränkende Auslegung des § 439 Abs. 4 BGB dahin, dass die Verweisung auf die Rücktrittsvorschriften nicht auch einen Anspruch des Verkäufers auf Nutzungsvergütung begründet, widerspräche somit dem Wortlaut und dem eindeutig erklärten Willen des Gesetzgebers. Eine solche Auslegung ist unter Berücksichtigung der Bindung der Rechtsprechung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) nicht zulässig (BVerfGE 71, 81, 105; 95, 64, 93). Die Möglichkeit der Auslegung endet dort, wo sie mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (BVerfGE 18, 97, 111; 98, 17, 45; 101, 312, 319).

2. Der Senat hat aber Zweifel, ob die Vorschrift des § 439 Abs. 4 BGB in ihrer den Senat bindenden Auslegung mit der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufes und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. Nr. L 171/12 vom 7. Juli 1999, im Folgenden: Richtlinie) in Einklang steht, nach deren Art. 3 Abs. 2 bis 4 die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes des Verbrauchsgutes (auch) durch Ersatzlieferung für den Verbraucher unentgeltlich sein und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen muss.

a) § 439 Abs. 4 BGB differenziert nicht danach, ob der Käufer Verbraucher im Sinne des Art. 1 Abs. 2 lit. a der Richtlinie ist und der Verkäufer im Rahmen seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit Verbrauchsgüter verkauft (Art. 1 Abs. 2 lit. c der Richtlinie). Die Verpflichtung, dem Verkäufer im Falle der Ersatzlieferung Wertersatz für die Nutzung der mangelhaften Kaufsache zu leisten, trifft daher auch Käufer, die – wie im vorliegenden Fall – als Verbraucher Verbrauchsgüter von einem beruflich oder gewerblich tätigen Verkäufer erworben haben.

b) Ob § 439 Abs. 4 BGB mit der Richtlinie zu vereinbaren ist, ist im nationalen rechtswissenschaftlichen Schrifttum umstritten.

Einer verbreiteten Meinung zufolge steht Art. 3 Abs. 2 bis 4 der Richtlinie einem Anspruch des Verkäufers auf Nutzungsersatz nicht entgegen (Staudinger/Matusche-Beckmann, aaO; Palandt/Putzo, aaO; Bamberger/Roth/Faust, aaO; Jauernig/Berger, aaO; P. Huber in Huber/Faust, aaO, Rdnr. 56; Reinking/Eggert, aaO; Buck in Westermann, aaO; Jacobs in Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, aaO; Kandler, aaO, S. 557 ff.; Schürholz, aaO; Oechsler, aaO; Fest, aaO, S. 2961; Wagner/Michal, VuR 2006, 46, 48; Tiedtke/Schmitt, aaO). Begründet wird dies mit der Erwägung, Art. 3 Abs. 2 bis 4 der Richtlinie regele nur die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes durch Lieferung einer neuen Sache. Die Zahlung einer Nutzungsvergütung sei demgegenüber nicht als Gegenleistung für die Ersatzlieferung anzusehen, sondern betreffe nur die Modalitäten der Herausgabe der mangelhaften Sache im Einzelnen; derartige Abwicklungsfragen unterfielen der Richtlinie nicht. Eine Verpflichtung des Verbrauchers zur Herausgabe von Nutzungen widerspreche auch nicht dem Sinn und Zweck der Richtlinie. Diese verlange unter Berücksichtigung des Erwägungsgrundes Nr. 15 nur, den Verbraucher von den Kosten, nicht aber von sämtlichen Nachteilen und Unannehmlichkeiten der Nacherfüllung freizustellen.

Nach der Gegenansicht ist ein Anspruch des Verkäufers auf Zahlung einer Nutzungsvergütung nicht mit Art. 3 Abs. 2 bis 4 der Richtlinie vereinbar (MünchKommBGB/S. Lorenz, aaO; Winkelmann in Schimmel/Buhlmahn, aaO; Roth, aaO; Hoffmann, aaO; Gsell, NJW 2003, 1969, 1973 f.; Rott, aaO; Ball, aaO; Schulze/Ebers, aaO; Woitkewitsch, aaO, S. 4; Brömmelmeyer, aaO, S. 498 f.; wohl auch Schulz, aaO; Saenger/Zurlinden, aaO, S. 820). Diese Auffassung sieht in der Nutzungsvergütung der Sache nach ein Entgelt für die Wertsteigerung und die Verlängerung der Gebrauchsdauer, in deren Genuss der Käufer durch die Ersatzlieferung einer neuen Sache komme. Zudem werde der Verbraucher unter Umständen an der Geltendmachung seines Nacherfüllungsanspruchs gehindert, da er Voraussetzungen und Höhe des Nutzungsersatzes nur schwer einschätzen oder die zum Kaufpreis hinzutretende Nutzungsvergütung nicht aufbringen könne und deshalb möglicherweise von einem berechtigten Verlangen nach Ersatzlieferung Abstand nehmen werde. Sofern in einem solchen Falle der Mangel allein durch Ersatzlieferung behebbar und der Verkäufer dazu nur gegen Nutzungsersatz verpflichtet sei, könne dies zur Folge haben, dass der Verbraucher leer ausgehe, weil er wegen des Vorrangs der Nacherfüllung auch die sekundären Käuferrechte – Vertragsauflösung (Rücktritt), Minderung, Schadensersatz statt der Leistung – nicht geltend machen könne.




c) Diese Bedenken sind auch nach der Auffassung des Senats nicht von der Hand zu weisen.

Nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie hat der Verbraucher im Falle einer Vertragswidrigkeit des Verbrauchsgutes Anspruch auf die unentgeltliche Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes. Dementsprechend sieht Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie einen Anspruch auf unentgeltliche Nachbesserung oder unentgeltliche Ersatzlieferung vor. Ziel dieser Regelung ist es, den Verbraucher durch die Nachbesserung oder die Ersatzlieferung so zu stellen, als hätte der Verkäufer das Verbrauchsgut ursprünglich in vertragsgemäßem Zustand geliefert. In diesem Falle hätte der Verbraucher als Gegenleistung für das Verbrauchsgut in vertragsgemäßem Zustand allein den Kaufpreis aufzubringen gehabt. Schon von diesem Ansatz her betrachtet könnte die Belastung des Verbrauchers mit einer zum Kaufpreis hinzutretenden weiteren Zahlungspflicht, die den Verbraucher allein deswegen treffen soll, weil der Verkäufer das Verbrauchsgut nicht in vertragsgemäßem Zustand geliefert hat, und von deren Erfüllung der Verkäufer die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes soll abhängig machen dürfen, Art. 3 Abs. 2 und 3 der Richtlinie widersprechen.

Der Senat hält es auch nicht für richtig, die Frage der Nutzungsvergütung losgelöst von der Lieferung einer vertragsgemäßen Ersatzsache und damit als einen Gegenstand zu betrachten, der außerhalb des Regelungsbereichs der Richtlinie läge. Denn die Frage, ob der Verbraucher dem Verkäufer im Falle der Ersatzlieferung für die Nutzung des nicht vertragsgemäßen Verbrauchsgutes Wertersatz schuldet, betrifft nicht allein die Rückgabe des nicht vertragsgemäßen Verbrauchsguts. Als bloße Rückgabemodalität lässt sich eine Verpflichtung des Käufers zum Nutzungsersatz nach nationalem Recht nicht begründen. Die Nutzungen der gekauften Sache stehen gemäß § 446 Satz 2 BGB von der Übergabe an dem Käufer zu. Das kann bei einer mangelhaften (nicht vertragsgemäßen) Kaufsache nicht anders sein als bei einer mangelfreien. Bei isolierter Betrachtung der Rückgabe der mangelhaften Sache an den Verkäufer ließe sich auch keine Begründung dafür finden, weshalb der Käufer entgegen § 446 Satz 2 BGB für die ihm gebührenden Nutzungen Wertersatz an den Verkäufer sollte leisten müssen. Dass der Käufer durch die Ersatzlieferung eine neue, noch nicht benutzte Sache erhält, hat nicht zur Folge, dass er die ursprünglich gelieferte, mangelhafte Sache, für die er als Gegenleistung den – dem Verkäufer samt Nutzungen verbleibenden – Kaufpreis gezahlt hat, unentgeltlich auf Kosten des Verkäufers genutzt hat (so aber die Begründung des Koalitionsentwurfs zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz aaO S. 233). Als im Rückblick unentgeltlich würde sich die Nutzung der ursprünglich gelieferten, mangelhaften Sache durch den Käufer nur unter der Voraussetzung darstellen, dass der Kaufpreis als Gegenleistung nicht für diese, sondern für die ersatzweise gelieferte neue Sache anzusehen wäre. Diese Sichtweise, von der der deutsche Gesetzgeber sich offenbar hat leiten lassen, entspricht jedoch nicht dem Willen und der Vorstellung der Vertragsparteien und erscheint dem Senat darüber hinaus auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 2 und 3 der Richtlinie problematisch.



Eine Verpflichtung des Verbrauchers, dem Verkäufer im Falle der Ersatzlieferung für die Nutzung des nicht vertragsgemäßen Verbrauchsgutes Wertersatz zu leisten, lässt sich nach Auffassung des Senats weder mit Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie noch mit deren Erwägungsgrund 15 begründen (so aber die Begründung des Koalitionsentwurfs zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz aaO). Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie stellt nur klar, dass der Begriff "unentgeltlich" in den Absätzen 2 und 3 die für die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes notwendigen Kosten "umfasst"; daraus lässt sich nicht herleiten, dass dem Verbraucher zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustands anders geartete Zahlungen abverlangt werden dürften. Nach dem Erwägungsgrund 15 der Richtlinie können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass "eine dem Verbraucher zu leistende Erstattung gemindert werden kann", um der Benutzung der Ware durch den Verbraucher Rechnung zu tragen. Diese Formulierung macht deutlich, dass der Erwägungsgrund sich auf die Vertragsaufhebung (den Rücktritt), nicht aber auf die – mit dem Rücktritt nicht vergleichbare – Ersatzlieferung bezieht, bei der es eine dem Verbraucher zu leistende Erstattung nicht gibt, der Kaufpreis vielmehr mitsamt den daraus gezogenen Nutzungen dem Verkäufer verbleibt.

d) Sollte der Grundsatz der Unentgeltlichkeit der Ersatzlieferung beim Verbrauchsgüterkauf einem Anspruch des Verkäufers auf Zahlung einer Nutzungsvergütung nicht entgegenstehen, stellt sich die weitere Frage, ob eine entsprechende Zahlungspflicht des Verbrauchers als eine erhebliche Unannehmlichkeit im Sinne des Art. 3 Abs. 3 Satz 3 der Richtlinie anzusehen ist. Dafür könnte die Erwägung sprechen, dass ein Verbraucher, der befürchten muss, bei längerer Gebrauchsdauer eine im Verhältnis zum Kaufpreis nicht unerhebliche Nutzungsvergütung an den Verkäufer zahlen zu müssen, sich im Hinblick darauf unter Umständen gezwungen sehen wird, sich mit einer (unentgeltlichen) Nachbesserung des Verbrauchsgutes zufrieden zu geben oder auf seine ihm durch Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie eingeräumten Rechte gänzlich zu verzichten.

e) Die Entscheidung darüber, ob die Bestimmungen des Art. 3 Abs. 2 bis 4 der Richtlinie dahin auszulegen sind, dass sie der in § 439 Abs. 4 in Verbindung mit §§ 346 bis 348 BGB statuierten Verpflichtung des Verbrauchers entgegenstehen, dem Verkäufer im Falle der Ersatzlieferung Wertersatz für die Nutzung des ursprünglich gelieferten Verbrauchsgutes zu leisten, ist gemäß Art. 234 EG dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vorbehalten. Der Rechtsstreit ist daher auszusetzen, und die vorbezeichnete Frage der Auslegung des Gemeinschaftsrechts ist dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen."

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