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Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt Urteil vom 25.04.2014 · 10 C 225/14 - Unzulässige Auto-Mail
AG Stuttgart-Bad Cannstatt v. 25.04.2014: Unzulässige Werbung in einer Autoreply-Mail
Das Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt (Urteil vom 25.04.2014 · 10 C 225/14) hat entschieden:
Auch elektronische Werbung in Form einer automatisierten Eingangsbestätigung (Autoreply) fällt unter das Spamverbot. Die Zusendung einer einzigen Werbemail rechtfertigt regelmäßig die erforderliche Wiederholungsgefahr. Da diese sich aus der Erstbegehung ergibt und aus der Ablehnung, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Allein das Ändern der automatisierten Antwort und das Entfernen der Werbung aus jener reichen nicht aus, um die Wiederholungsgefahr zu beseitigen.
Siehe auch E-Mail - kommerzielle Kommunikation mit digitaler Post und E-Mail-Marketing - Werbe-E-Mails - Werbe-Fax - Newsletter - Spam
Tatbestand:
Streitgegenständlich sind die Mitteilungen der Beklagten vom 10.12.2013, 11.12.2013 und 19.12.2013 (Anlagen K 3 ff, Bl. 25 ff d. A.).
Der Kläger ist Verbraucher. Er hat dem Erhalt von Werbe-E-Mails nicht zugestimmt. Die Beklagte ist unter der Adresse www.s...versicherungen.de erreichbar.
Der Kläger erklärte am 22.11.2013 die Kündigung eines bei der Beklagten geführten Versicherungsvertrags. Am 10.12.2013 wandte er sich mit der Bitte, den Eingang der Kündigungserklärung zu bestätigen, per E-Mail an die Beklagte. Diese bestätigte unter dem Betreff "Automatische Antwort auf Ihre Mail vom 10.12.2013 9:27:34: Versicherungsnummer .... / Kündigung" umgehend den Eingang der E-Mail und wies ihn unter "Übrigens" auf folgende Serviceleistung hin (Anlage K 3, Bl. 25 d.A.):
"Unwetterwarnungen per SMS kostenlos auf Ihr Handy. Ein exklusiver Service nur für ... Infos und Anmeldung unter www...
Neu für iPhone Nutzer: Die App inkl. Push Benachrichtigungen für ... und vielen weiteren nützlichen Features rund um ... und ... http://itunes.apple.com/de/app..."
Als der Kläger sich hierauf am 11.12.2013 per E-Mail ausdrücklich an den Datenschutzbeauftragten der Beklagten wandte und den Erhalt von Werbung rügte (Anlage K 7, Bl. 29 d.A.), erhielt er wiederum lediglich die bereits dargestellte Empfangsbestätigung mit dem Hinweis auf die kostenlose Unwetterwarnung (Anlage K 4, Bl. 26 d. A.). Auf seine weitere E-Mail vom 19.12.2013 (Anlage K 9; Bl. 31 d. A.) reagierte die Beklagte nochmals mit der vom Kläger bereits am 11.12.2013 gerügten Autoreply (Anlage K 5, Bl. 27 d. A.).
Auf die vorab per E-Mail durch den späteren Prozessbevollmächtigten des Klägers übermittelte Abmahnung vom 02.01.2014, erging zunächst wiederum die o.g. Autoreply. Mit Schreiben vom 15.01.2014 verweigerte die Beklagte dann die vom Kläger geforderte Unterlassungserklärung (Anlage K 10 ff, Bl. 32 ff d. A.).
Der Kläger macht geltend, die Beklagte versende Werbung, ohne hierzu berechtigt zu sein.
Bei den von der Beklagten veranlassten Autoreplys handle es sich um Werbung. Dies ergebe sich bereits aus der äußeren Gestaltung der E-Mail. Während die Empfangsbestätigung vom 10.12.2013 lediglich 209 Zeichen umfasse, bestehe der Werbeblock unter der Überschrift "Übrigens" aus 393 Zeichen. Mit diesem Block preise die Beklagte ihre Dienstleistungen an, bewerbe damit ihre iPhone-Applikation und wolle Kunden hierdurch binden. Die Beklagte weise außerdem mit diesem Block auf den Apple-Store hin.
Die Versendung derartiger Werbung sei unzulässig. Der Versand an seinen privat genutzten Mail-Account begründe einen unzumutbaren Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht, denn die Beklagte nutze seinen Anschluss zur Übermittlung von Werbung und erschleiche sich damit seine Aufmerksamkeit in für ihn unzumutbarer Art und Weise.
Er verwende nämlich die E-Mail-Adresse ... wichtige Kommunikation. Zur Vermeidung von Spambefall tätige er deshalb auch insbesondere keine Onlinebestellungen. Er rufe außerdem seine E-Mails vornehmlich mit dem Mobiltelefonab und werde beim Eingang einer E-Mail hiervon akustisch benachrichtigt. Schließlich sei für ihn vor dem Öffnen der E-Mails weder ihr Absender noch ihr Inhalt erkennbar. Er müsse daher die E-Mails öffnen und sich mit ihnen auseinandersetzen.
Dem stehe der Zeitstempel der ersten E-Mail nicht entgegen. Diese Angabe zeige lediglich, wann die E-Mail der Beklagten auf seinem Server eingegangen sei. Einen Rückschluss auf den Zeitpunkt, an dem er E-Mail abgerufen habe, erlaube diese Angabe nicht.
§ 7 Abs. 2 UWG greife hier nicht. Die Werbung stehe nicht in Zusammenhang mit vom Kläger bereits genutzten Dienstleistungen der Beklagten. Die Beklagte nenne zudem keine Adresse, unter der der Empfänger zukünftiger Werbung widersprechen könne.
Die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr sei hier zu bejahen. Diese Gefahr ergebe sich bereits aus der Erstbegehung.
Zur Vermeidung vom Empfang weiterer Werbung sei er nicht gehalten, andere Kommunikationswege zu beschreiten. Die Beklagte sei vielmehr gemäß § 5 TMG gehalten, eine eiektronische Kontaktaufnahme zu ermöglichen.
Die Beklagte habe ihr gesetzwidriges Vorgehen mittlerweile auch anerkannt. Seit 22.02.2014 versende sie nur noch "reine Empfangsbestätigungen".
Der Kläger beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere im Hinblick auf die Beklagte zu vollziehen an einem der Vorstandsmitglieder,
zu unterlassen,
zum Zwecke der Werbung mit dem Kläger per E-Mail unter der Adresse ... Kontakt aufzunehmen oder aufnehmen zu lassen, ohne dass dessen Einverständnis vorliegt,
wenn dies geschieht wie im Falle der E-Mail-Sendungen vom 10.12.2013, 11.12.2013 sowie am 19.12.2013, in denen gegenüber dem Kläger für mobile Dienstleistungen der Beklagten geworben wurde.
- an den Kläger 147,56 € zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 16.01.2014 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die, Beklagte macht geltend, eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers könne nicht bejaht werden.
Sie habe nicht willkürlich E-Mails an den Kläger versandt. Der Kläger habe sich vielmehr per E-Mail an sie gewandt und damit dieses Kommunikationsmittel ausgewählt. Sie sei daher berechtigt gewesen, dem Kläger auf diesem Weg den Erhalt der E-Mails zu bestätigen.
Der Kläger habe bei Erhalt ihrer E-Mail vom 10.12.2013 nicht mit dem Eingang einer wichtigen Information rechnen können. Die E-Mail sei zum einen als "automatische Antwort" gekennzeichnet gewesen. Zum anderen habe sie den Kläger in weniger als einer Minute nach Versendung seiner E-Mail erreicht. Für den Kläger sei damit auch ohne Öffnen der E-Mail erkennbar gewesen, dass eine inhaltliche Auseinandersetzung mit seinem Anliegen nicht erfolgt sein konnte.
Dasselbe gelte für die weiteren E-Mails. Auch diese seien durch den Betreff eindeutig als automatische Eingangsbestätigung erkennbar und folglich mit keinerlei weiterem Arbeitsaufwand für den Kläger verbunden gewesen.
Bei den im Abspann der E-Mails enthaltenen Informationen handle es sich nicht um Werbung. Der Abspann enthalte keine Aussagen zu ihren Versicherungsprodukten. Die Kenntnisnahme des Abspanns bedeute für den Kläger keinerlei zeitlichen oder anderweitig spürbaren Aufwand zumal für den Kläger aufgrund der Anordnung des Abspanne nach der Grußformel und der Überschrift "Übrigens" erkennbar gewesen sei, dass sich die für den Kläger relevante Information vor diesem Abspann befinde. Ein Beeinträchtigungspotential ergebe sich somit nicht. Dementsprechend habe der Kläger am 02.01.2014 auch selbst eingeräumt, dass er durch den Erhalt der Empfangsbestätigungen nicht in seinem Persönlichkeitsrecht gestört worden sei.
Ein Anerkenntnis habe sie nicht abgegeben. Sie habe weiterhin ein Interesse an der Weitergabe der vom Kläger angegriffenen Informationen und habe den Inhalt der Autoreplys lediglich für die Dauer des Rechtsstreits abgeändert.
Für den weiteren Vortrag der Parteien wird auf deren Schriftsätze samt Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung des Zusendens von Werbe-E-Mails aus §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1 BGB. Die Beklagte hat gegen den erkennbaren Willen des Klägers diesem "elektronische Werbung" übermittelt.
1. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB schützt neben dem Eigentum auch alle anderen absoluten Rechte des § 823 Abs. 1 BGB. In den Schutzbereich fällt damit auch das auf Art. 2 Abs. 1 GG beruhende allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers.
2. Die ohne vorherige Aufforderung seitens des E-Mail-Adressaten getätigte Zusendung von E-Mails zu geschäftlichen Zwecken stellt regelmäßig einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des von diesen E-Mails Betroffenen dar. Derartige Kontaktaufnahmen beeinträchtigen nämlich regelmäßig die Lebensführung des Betroffenen. Der Betroffene muss sich mit den Mitteilungen auseinandersetzen. Er muss sie sichten und aussortieren. Für ihn entsteht damit ein zusätzlicher Arbeitsaufwand.
Entsprechend diesen Grundsätzen liegt eine Verletzung des Klägers in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht vor.
Die Beklagte hat dem Kläger am 10..12.2013, 11.12.2013 und 19.12.2013 E-Mails übermittelt. Diese Mitteilungen enthielten auch Werbung. Zwar hat die Beklagte unter der Überschrift "Übrigens" nicht ausdrücklich auf ein von ihr vertriebenes Versicherungsprodukt hingewiesen. Auch hat sie den Kläger als Adressaten der Mitteilung nicht zum Abschluss eines dieses Produkt betreffenden Vertrags aufgefordert. Diesem Mitteilungsteil kommt trotzdem werbender Charakter zu, da die Beklagte mit diesem "Abspann" auf einen von ihr ausschließlich für ihre Kunden eingerichteten Service hinweist und damit ihre Leistungen anpreist.
Einer Verletzung dieses absoluten Rechts steht das an die Beklagte gerichtete Schreiben des Klägers vorn 02.01.2014 nicht entgegen. Der Kläger hat mit diesem Schreiben keinen Verzicht auf Unterlassungsansprüche erklärt.
Dasselbe gilt für den Einwand der Beklagten, die vom Kläger mit seiner Klage angegriffene Werbung befinde sich für diesen erkennbar im "Abspann" der Mitteilung und müsse daher nicht gelesen werden, denn bereits der Versuch, den Adressaten einer Mitteilung gleichzeitig mit Werbung zu überziehen, verletzt diesen in seinem allgemeinen Persönlicheitsrecht. Maßgebend ist also nicht, ob der Adressat die Mitteilung vollständig wahrnimmt. Ausreichend für einen Verstoß ist bereits der Versuch, ein Produkt oder Leistungen zu bewerben.
3. Die Zusendung dieser Werbung war rechtswidrig. Für diese Beurteilung kommt es nicht darauf an, dass es der Kläger war, der sich am 10.12.2013 erstmals per E-Mail an die Beklagte gewandt und die Beklagte in den streitgegenständlichen Mitteilungen zunächst auf die ihr vom Kläger zugesandten Mitteilungen reagiert hat. Der Kläger hat jedenfalls für die Beklagte erkennbar nicht in die Übermlttlung von E-Mails mit "auch-werbendem" Charakter eingewilligt. Jedenfalls nach Erhalt der klägerischen E-Mail vom 11.12.2013 musste der Beklagten bekannt sein, dass der Kläger keine Werbung wünscht und den "Abspann" der Empfangsbestätigung als Werbung sieht.
Trotzdem hat die Beklagte keinerlei Vorkehrungen getroffen der Versendung weiterer Werbemaßnahmen vorzubeugen.
4. Die für einen Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB erforderliche Wiederholungsgefahr ist gleichfalls zu bejahen. Die Wiederholungsgefahr ergibt sich bereits aus der Erstbegehung und der Ablehnung der Beklagten vom 15.01.2014, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.
Allein der Umstand dass die Beklagte ihre automatische Empfangsbestätigung inhaltlich abgeändert hat, steht der Annahme der Wiederholungsgefahr nicht entgegen. Die Beklagte hat selbst erklärt, den Inhalt dieser Mitteilung nur für die Dauer des Rechtsstreits abgeändert zu haben.
5. Die Androhung von Ordnungsgeld und -haft folgt aus § 890 Abs. 2 ZPO, wobei die Androhung bereits mit dem Urteil verbunden werden kann.
6. Die Pflicht der Beklagten zum Ersatz der dem Kläger entstandenen vorgerichtlichen Anwaltskosten richtet sich ebenfalls nach § 823 Abs. 1 BGB. Die Höhe der Verzugszinsen ergibt sich aus § 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagte hat am 15.01.2014 entsprechend § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB die Zahlung dieser Kosten endgültig verweigert.
Der Klage ist daher auch bei Berücksichtigung des Schriftsatzes der Beklagten vom 09.04.2014 stattzugeben. Die Voraussetzungen des § 156 ZPO liegen nicht vor.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO. Der Streitwert war gemäß § 23 Abs. 3 RVG mit 5.000,00 € zu bewerten.