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Amtsgericht Hünfeld Beschluss vom 05.06.2012 - 3 OWi - 31 Js 22062/11 - Einspruchseinlegung via Unified Messaging

AG Hünfeld v. 05.06.2012: Zur Einspruchseinlegung gegen einen Bußgeldbescheid via Unified Messaging


Das Amtsgericht Hünfeld (Beschluss vom 05.06.2012 - 3 OWi - 31 Js 22062/11) hat entschieden:
Eine Einspruchserklärung gegen einen Bußgeldbescheid, die der Betroffene im Wege des sogenannten Unified Messaging (UMS) der Verwaltungsbehörde übermitteln lässt, wahrt nicht die Schriftform im Sinne des § 67 OWiG.




Siehe auch Textform - Schriftform und Fax - Telefaxschreiben - Schriftform


Gründe:

Die Verwaltungsbehörde hat am 31.10.2011 gegen den Betroffenen einen Bußgeldbescheid erlassen, der diesem am 02.11.2011 zugestellt worden ist. Der Betroffene hat hiergegen eine Einspruchserklärung verfasst, die er im Wege des so genannten Unified Messaging (UMS) der Verwaltungsbehörde übermitteln ließ. Hierzu gab er auf einem Internetformular seines E-​Mail-​Anbieters, der sich erboten hatte, eingegebene Texte als Telefax an einen Telefax-​Anschluss zu übermitteln, in bestimmte Felder für Faxnummer, Empfänger, Absender usw. bestimmte Zeichenfolgen ein. Als Faxnummer gab er die auf dem Bußgeldbescheid angegebene Rufnummer mit der Vorwahl 0611 ein. In dem Feld für den Betreff vermerkte der Betroffene das Aktenzeichen der Verwaltungsbehörde; in das Feld für den Text der Nachricht gab er eine Zeichenfolge ein, die zusammengelesen nach einer Anrede die Einspruchserklärung und eine Begründung für den Einspruch ergibt. Der in das Textfeld eingegebene Text endet mit der Zeichenfolge "MfG", einer Leerzeile, und einer Zeichenfolge, die zusammengelesen den Vor- und Nachnamen des Betroffenen ergibt. Durch Übermitteln des Internetformulars an seinen E-​Mail-​Anbieter am 02.11.2011 um 15:22 Uhr veranlasste der Betroffene, dass von einer Rufnummer aus dem Ortsnetz Karlsruhe (Vorwahl 0721) an einen Telefaxanschluss in Wiesbaden (Vorwahl 0611) eine Telefaxübermittlung erfolgte, die ein Schriftbild wie Bl. 9 der Akten ergab. Die Telefaxübermittlung wurde am 02.11.2011 um 15:23:54 Uhr abgeschlossen. Der Telefaxanschluss mit der Wiesbadener Vorwahl ist bei der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung (HZD) in Wiesbaden angesiedelt. Die Verwaltungsbehörde verwendet diesen Anschluss zum Empfang von an sie gerichteten Telefaxsendungen und gibt diese Wiesbadener Nummer als ihre Telefaxnummer in ihren Schreiben an. Von Wiesbaden werden die empfangenen Telefaxe auf elektronischem Weg an die Verwaltungsbehörde weitergeleitet (vgl. den Übermittlungsvermerk Bl. 10 der Akten). Die Erklärung des Betroffenen wurde dort am 03.11.2011 weiterbearbeitet.

Betroffener, Verwaltungsbehörde und Staatsanwaltschaft halten den Einspruch für formwirksam.

Der Einspruch ist nach § 70 Abs. 1 OWiG als unzulässig zu verwerfen, denn die Vorschriften über die Einlegung des Einspruchs sind nicht beachtet. Zur Form ist in § 67 OWiG bestimmt, dass der Einspruch schriftlich oder zur Niederschrift einzulegen ist.

Der Betroffene hat den Einspruch zweifelsfrei nicht zur Niederschrift eingelegt. Seine Eingabe wahrt auch nicht die Schriftform.

Der Betroffene hat den Einspruch nicht schriftlich im eigentlichen Sinne des Gesetzes eingelegt. Er hat kein Schriftstück erstellt, das er dann im Original eingereicht hätte.

Das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten bietet in § 110a grundsätzlich noch eine dritte Form der Einlegung des Einspruchs, nämlich die Einreichung eines elektronischen Dokuments. Diese Möglichkeit stand dem Betroffenen jedoch hier noch nicht zur Verfügung. Diese Übermittlungart ist nämlich nur nach Maßgabe einer entsprechenden Rechtsverordnung nach § 110a Abs. 2 OWiG zulässig. Eine solche Rechtsverordnung ist bislang in Hessen nicht ergangen.

Die vom Betroffenen "online", also in elektronischer Form eingereichte Einspruchserklärung wahrt somit keine der für die Einlegung des Einspruchs vom Gesetz vorgesehenen Formen. Weder die Verwaltungsbehörde noch das Gericht sind befugt, für die Einlegung des Einspruchs weitere Formen zuzulassen. Dies gilt auch und gerade für die Zulassung neuer elektronischer Kommunikationsformen. Der Gesetzgeber hat die Entscheidung über die Zulassung der elektronischen Form in § 110a Abs. 2 OWiG ausdrücklich dem Verordnungsgeber vorbehalten. Nur dieser entscheidet über den Zeitpunkt der Einführung, die notwendige Form der Dokumente und die Beschränkung auf bestimmte Stellen oder Verfahren. Nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung sind weder die Verwaltung noch die Gerichte befugt, sich insoweit an die Stelle der gesetzgebenden Gewalt zu setzen. Jedenfalls seit der Geltung des § 110a OWiG ist die Rechtsprechung nicht mehr befugt, richterrechtlich weitere Kommunikationsformen für die Einreichung von Erklärungen zuzulassen.

Der Gesetzgeber wollte allerdings mit den Vorschriften über den elektronischen Rechtsverkehr ausdrücklich nicht die seinerzeit von der Rechtsprechung bereits als Ersatz für die Schriftform zugelassenen Übermittlungsformen in Frage stellen, diese sollten vielmehr weiterhin zulässig sein.

Der Betroffene hat aber den Einspruch nicht auf einem solchen fernmeldetechnischen Weg eingereicht, der nach dieser Rechtsprechung der Schriftform gleichstünde.

Die Wahrung der Schriftform in diesem Sinne scheitert bereits daran, dass die Einspruchserklärung auf Seiten des Empfängers nicht schriftlich, also mit Schriftzeichen auf einem körperlichen Schriftträger, niedergelegt worden ist. Letzteres ist aber bei allen von der Rechtsprechung zugelassenen Übermittlungsverfahren unabdingbar. Die Wahrung der Schriftform erfordert stets das Vorhandensein einer körperlichen Urkunde.

So kann zwar bei der Einreichung einer Erklärung per Telegramm der Erklärende dieses fernmündlich aufgeben, zur Formwahrung ist es jedoch erforderlich, dass auf Empfängerseite entweder das schriftliche Empfangstelegramm vorliegt oder aber, falls das Telegramm fernmündlich von der Post zugesprochen wird, dass dessen Wortlaut in einem schriftlichen Aktenvermerk niedergelegt wird (BGH NJW 1960, 1310). Maßgeblich ist damit allein die auf Veranlassung des Absenders am Empfangsort erstellte, für den Adressaten bestimmte Telegrammurkunde (GmS-​OGB, BGHZ 144, 160). Beim Telex-​Verfahren veranlasst der Absender, dass die maßgebliche Erklärung andernorts maschinenschriftlich niedergelegt wird (GmS-​OGB a. a. O.).

Auch bei der Einreichung von Erklärungen per Telefax bedarf es zwar auf der Absenderseite nicht unbedingt einer körperlichen Urkunde (ein direkt aus einem Computer versandtes Fax ist damit zulässig), wohl aber auf der Empfängerseite. Maßgeblich für die Beurteilung der Formwirksamkeit ist nämlich auch bei der Faxübertragung allein die auf Veranlassung des Absenders am Empfangsort erstellte körperliche Urkunde (GmS-​OGB a. a. O.).

Der Bundesgerichtshof hat zwar in einem Beschluss vom 15.7.2008 (NJW 2008, 2649) es für die Einhaltung der Schriftform ausreichen lassen, wenn ein Abbild eines (in Papierform) tatsächlich vorhandenen unterschriebenen Schriftstücks auf elektronischem Weg an den Empfänger übermittelt und dort ausgedruckt wird. Es mag dahinstehen, ob dieser sehr weit gehenden Entscheidung, die im Schrifttum auf erheblichen Widerspruch gestoßen ist, zu folgen wäre. Hier hat der Betroffene seine Erklärung nämlich weder unterschrieben noch überhaupt auf Papier niedergelegt. Er hat sie vielmehr nur in Form einer am Computer eingegebenen Buchstabenfolge verfasst. Im vorliegenden Fall geht es somit nicht um die elektronische Übermittlung des Abbildes eines eigenhändig unterschriebenen Schriftsatzes, sondern schlicht um ein elektronisches Dokument. Dieses wahrt die Schriftform nicht, so ausdrücklich und von BGH NJW 2008, 2649 eindeutig abgrenzend BGH NJW-​RR 2009, 357. Diese Rechtsprechung ist auf den Bereich des Bußgeldverfahrens übertragbar, OLG Oldenburg, Beschluss vom 03.04.2012, 2 SsRs 294/11, juris.

Nach einhelliger Rechtsprechung kommt somit eine Qualifikation einer Erklärung als schriftlich ohne Vorhandensein einer körperlichen Urkunde über die Erklärung, hier also ohne einen Ausdruck der Erklärung auf Papier, nicht in Betracht.

An einer körperlichen Urkunde fehlt es hier. Die per Telefaxprotokoll bei der HZD in Wiesbaden empfangenen Bildzeichen mit der Einspruchserklärung sind als Bilddatei auf elektronischem Weg an die Verwaltungsbehörde übermittelt worden. Die in der Bilddatei enthaltene Erklärung ist von der Verwaltungsbehörde berücksichtigt worden, ohne dass sie ausgedruckt wurde. Eine körperliche Urkunde ist im Zusammenhang mit der Einlegung des Einspruchs nicht erstellt worden.

Unerheblich ist insoweit, dass nunmehr sich auf Bl. 9 der Akten auch ein Abdruck der Erklärung auf Papier befindet. Dieser ist nämlich erst am 07.12.2011 zwecks Erstellung einer Papierakte zur Abgabe an die Staatsanwaltschaft erstellt worden. Ob ein Rechtsbehelf formwirksam eingelegt ist, muss aber bei Ablauf der Rechtsbehelfsfrist feststehen. Die Verwaltungsbehörde hat nach § 69 OWiG zu prüfen, ob der Einspruch rechtzeitig und formgerecht eingelegt ist. Als die Verwaltungsbehörde dies getan und auf Abgabe erkannt hat, war der Einspruch noch nicht ausgedruckt und damit formunwirksam. Eine nachträgliche Heilung des Formmangels durch den nach diesem Zeitpunkt erfolgten Ausdruck kommt nicht in Betracht.

Die Rechtsprechung zur Zwischenspeicherung von empfangenen Faxmitteilungen vor dem Ausdruck (z. B. BGHZ 167, 214) führt zu keinem anderen Ergebnis. Diese Rechtsprechung verlegt lediglich den hier nicht in Rede stehenden Zeitpunkt des Eingangs der Erklärung auf den Abschluss der Speicherung im Gerät vor und erlaubt einen Aufschub des Ausdrucks (so ausdrücklich BGH a.a.O., Randnummer 18), nicht aber einen vollständigen Verzicht auf den Ausdruck. Von der Notwendigkeit der Herstellung einer körperlichen Urkunde ist die Rechtsprechung bislang nicht abgerückt. Die Weiterbearbeitung hat auf der Grundlage der allein formwahrenden körperlichen Urkunde zu erfolgen. Dies ist hier nicht erfolgt. Der Ausdruck ist nicht aufgeschoben, sondern überhaupt unterlassen worden. Wäre es nicht zu einer Abgabe an die Staatsanwaltschaft gekommen, so wäre der Einspruch zu keinem Zeitpunkt ausgedruckt, sondern stets im Dateiform weiterbehandelt worden. Damit ist die Schriftform nicht gewahrt.

Daran ändert sich nichts dadurch, dass die Verwaltungsbehörde ihre Akten elektronisch führt. Es geht hier nicht um eine Frage der Aktenführung der Behörde, sondern um die Frage der formwirksamen Einreichung einer Erklärung des Betroffenen. Insoweit ist die Rechtslage, wie die gesonderte Regelung in § 110a und § 110b OWiG zeigt, getrennt zu beurteilen.

Es fehlt außerdem an der nach der von der Rechtsprechung in solchen Fällen geforderten unmittelbaren Fernmeldeverbindung des Erklärenden zum Erklärungsempfänger.

Im Telexdienst ist die Herstellung einer unmittelbaren Fernschreibverbindung zur Fernschreibstelle derjenigen Behörde erforderlich, der die Erklärung zugehen soll. Die Übermittlung an eine andere Behörde reicht nur aus, wenn diese die Funktion einer gemeinsamen Fernschreibstelle wahrnimmt (BGH NJW 1987, 2586). Beim Telefax ist die Einschaltung eines privaten Zwischenempfängers unzulässig (BGHZ 79, 314). Durch die Herstellung einer unmittelbaren Fernmeldeverbindung des Erklärenden zum Empfänger wird gewährleistet, dass der Erklärende das Entstehen der Urkunde über seine Erklärung unmittelbar veranlasst, wie dies GmS-​OGB a. a. O. verlangt, dass also die Urkunde nur mit seinem Willen und mit dem von ihm gewollten Inhalt entsteht.

Dem entspricht die hier verwendete Übertragungsform nicht im mindesten. Der Betroffene hat nicht ein körperliches Schriftstück, eine bildliche Wiedergabe eines Schriftstücks oder eine Vorlage für ein Schriftstück übermittelt, sondern zunächst einmal durch Absenden des Internetformulars mittels eines Internetprotokolls nur eine Datenfolge über das Internet an seinen E-​Mail-​Anbieter übermittelt, aus der sich bei entsprechender Interpretation der übermittelten Daten der Text der Einspruchserklärung zusammenstellen ließ. Der E-​Mail-​Anbieter hat dann aus der übermittelten Buchstabenfolge einen bestimmten Text erstellt, diesen in bestimmter Weise formatiert, und sodann das dadurch entstandene Schriftbild mittels des Telefaxprotokolls von seiner Festnetzrufnummer an die Festnetzrufnummer der HZD in Wiesbaden übermittelt. Dort wurden die empfangenen Telefax-​Signale in einer Bilddatei niedergelegt, welche dann anscheinend als Anhang zu einer E-​Mail, die ihrerseits den Kopfzeilen und Text die Angaben wie Bl. 10 der Akten enthielt, oder in einem ähnlichen Verfahren an die Verwaltungsbehörde übermittelt wurde. Es liegt also kein unmittelbarer, sondern ein dreiaktiger Kommunikationsvorgang vor, bei dem mindestens drei verschiedene Übertragungsprotokolle verwendet wurden und bei dem zwei nichtbehördliche Zwischenempfänger (nämlich der E-​Mail-​Anbieter und die HZD) eingeschaltet waren. Nach Auffassung des Amtsgerichts ist bei der HZD keine Telefax-​Annahmestelle der Verwaltungsbehörde im Sinne einer gemeinsamen Fernschreib- oder Briefannahmestelle errichtet. Aus der Erklärung der Verwaltungsbehörde vom 18.01.2012 ergibt sich dies jedenfalls nicht.

Die Anwendung der Rechtsprechung zur Abgabe von Erklärungen per Telefax ist damit auch schon deshalb nicht anwendbar, weil das Telefaxprotokoll überhaupt nur auf einer Teilstrecke der Übermittlung, nämlich zwischen Karlsruhe und Wiesbaden, nicht aber unmittelbar zwischen dem Betroffenen als Absender und der Verwaltungsbehörde als Empfänger, verwendet wurde.

Schließlich fehlt es noch an der erforderlichen Unterschrift des Erklärenden oder einem gleichwertigen Ersatz.

GmS-​OGB a. a. O. (unter III.3.) fordert in Fällen wie bei einem Computerfax die Übermittlung einer eingescannten Unterschrift oder den ausdrücklichen Hinweis, dass der benannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform nicht unterzeichnen kann. Er sieht dies ersichtlich als konstitutives Merkmal der Erklärung an, so dass die bloße Wiedergabe der dem Namen des Betroffenen entsprechenden Buchstabenfolge, die am Ende der übermittelten Erklärung in Druckschrift vorhanden ist, nicht ausreicht.

Eine Übermittlung per E-​Mail - das vorliegende Verfahren unterscheidet sich nach Aufgabeart, Übermittlungsweg und Art des Empfangs von einer solchen Übermittlung so gut wie nicht, es werden lediglich andere Übertragungsprotokolle verwendet - ist dagegen von der Rechtsprechung einer schriftlichen Einreichung nicht gleichgeachtet worden. Die Zulassung derartiger Übermittlungswege kommt daher entgegen einer in der Kommentarliteratur vertretenen Auffassung (Karlsruher Kommentar zum Ordnungswidrigkeitengesetz, 3. Auflage 2006, § 67 Randnummer 67b; Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz, 14. Auflage, § 67 Randnummer 22a) nicht in Betracht. Die Kommentatoren übersehen, dass eine Übertragung der Erwägungen aus GmS-​OGB, BGHZ144, 160, daran scheitert, dass eine E-​Mail-​Nachricht eben kein schriftliches Dokument ist (dies ausdrücklich klarstellend, wie bereits erwähnt, BGH NJW-​RR 2009, 357). Mangels Wahrung der Schriftform gelten für die E-​Mail und für das hier verwendete so genannte Unified Messaging vielmehr ausschließlich die Vorschriften über den elektronischen Rechtsverkehr. Die Möglichkeit, den Einspruch "online" (so der vom Betroffenen verwendete Begriff) einzulegen, besteht erst nach Erlass einer Rechtsverordnung wie oben erwähnt (so auch ausdrücklich für den Fall des Einspruchs gegen einen Bußgeldbescheid per E-​Mail Landgericht Heidelberg, Beschluss vom 18.01.2008, 11 Qs 2/08 OWi, juris; ebenso OLG Oldenburg a.a.O. für die Einlegung der Rechtsbeschwerde gegen ein Bußgeldurteil, m.w.N.). Es handelt sich nämlich nicht um die Einlegung in Schriftform, sondern in elektronischer Form.

Das zu erwartende Argument, die Verwaltungsbehörde habe auf dem Bußgeldbescheid eine E-​Mail-​Adresse angegeben und damit einen Zugang für die Übermittlung elektronischer Dokumente eröffnet, verfängt nicht. Es mag sein, dass die Behörde in diesem Fall elektronisch eingereichte Dokumente berücksichtigen muss. Die Behörde ist jedoch nicht befugt, über gesetzliche Formvorschriften zu disponieren. Sie hat also zu prüfen, ob die eingereichten Dokumente die vorgeschriebene Form erfüllen. Dies ist nach den vorstehenden Ausführungen hier nicht der Fall.

Ebensowenig wie die Verwaltungsbehörde sind die Gerichte befugt, über gesetzliche Formvorschriften zu disponieren. Soweit in diesem Zusammenhang für das Bußgeldverfahren argumentiert wird, es seien geringere Anforderungen zu stellen, da der Bundesgerichtshof sogar die telefonische Einlegung des Einspruchs zugelassen habe, so trifft Letzteres in dieser Form nicht zu. Der Bundesgerichtshof (BGHSt 29, 173) hat bei der Einlegung des Einspruchs zur Niederschrift weder auf das Erfordernis einer mündlichen Erklärung des Einspruchsführers noch auf dasjenige des Erstellens einer Niederschrift verzichtet. Er hat lediglich entschieden, dass zur Errichtung dieser Niederschrift die persönliche Anwesenheit des Betroffenen nicht erforderlich ist. Er ist damit keineswegs im Sinne einer Lockerung von den gesetzlichen Formvorschriften abgewichen, sondern hat lediglich ausgesprochen, dass die fernmündliche Erklärung einer Erklärung unter Anwesenden gleichsteht, wie dies im bürgerlichen Recht (§ 147 Abs. 1 Satz 2 BGB) inzwischen schon seit mehr als 100 Jahren gilt. Auch insoweit ergibt sich kein Anhalt einer Rechtsprechung des Inhalts, dass gesetzliche Formvorschriften gewissermaßen unbeachtlich seien. Vielmehr bedarf es für die Zulassung neuer Einreichungsformen einer gesetzlichen Regelung, OLG Oldenburg a.a.O m.w.N.

Eine Wiedereinsetzung des Betroffenen in den vorigen Stand nach § 52 Abs. 2 S. 2 OWiG kommt nicht in Betracht. Unabhängig von allen anderen Fragen liegen die Voraussetzungen des § 44 S. 1 StPO in Verbindung mit § 52 Abs. 1 OWiG nicht vor. Der Betroffene war nicht ohne Verschulden verhindert, rechtzeitig formgerecht Einspruch einzulegen. Der Betroffene hat in seinem Fax vom 30.12.2011 ausdrücklich erklärt, dass er den Einspruch online abgeschickt und übermittelt habe. Ihm war somit bewusst, dass er nicht die im Gesetz und der Rechtsbehelfsbelehrung genannten Möglichkeiten der schriftlichen Einlegung oder der Einlegung zur Niederschrift nutzte, sondern einen Ersatz. Unter diesen Umständen war er gehalten, sich zu informieren, ob und unter welchen Voraussetzungen ein solcher Ersatz Form und Frist wahren konnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 109 Abs. 2 OWiG.



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