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Amtsgericht Strausberg Urteil vom 09.02.2012 - 9 C 286/11 - Zur Einwilligung in telefonische Werbeanrufe oder digitale Werbepost

AG Strausberg v. 09.02.2012: Zur Umfang der Einwilligung in telefonische Werbeanrufe oder digitale Werbepost


Das Amtsgericht Strausberg (Urteil vom 09.02.2012 - 9 C 286/11) hat entschieden:

  1.  Eine in AGB enthaltene Klausel, mit der sich jemand einverstanden erklärt, dass seine persönlichen Daten an kompetente, externe Partner (Versicherungsmakler oder -vertreter und Finanzdienstleister) zur Bearbeitung zum Zwecke der Angebotserstellung weitergeleitet werden und dass diese externen Partner per E-Mail oder Telefon Kontakt zu ihm aufnehmen, ist nicht konkret genug, weil nicht eindeutig geregelt ist, welches Unternehmen für welche Produkte werben darf.

  2.  Sieht die Einwilligungserklärung in Telefon- und E-Mail-Marketing keine gesonderte Zustimmungsmöglichkeit vor bzw. befindet sie sich in Textpassagen, die auch andere Erklärungen enthalten, so ist die Klausel wegen Unvereinbarkeit mit einem wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung nach § 307 Abs. 2 BGB unwirksam, da sie entgegen der Regelung des § 7 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. UWG bzw. des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG die Aktionslast auf den Beworbenen verschiebt.




Siehe auch
Der Onlinehandel mit Elektrogeräten und elektronischen Produkten
und
Batterien und Akkus im Onlinehandel


Tatbestand:


Am 21.06.2011 gab die Klägerin, da sie sich über die Tarife privater Krankenversicherungen informieren wollte, auf der Internetseite ..., die entweder ... betrieb, in die auf dieser Seite befindliche Maske ihren Namen, ihre Anschrift, ihr Geburtsdatum, ihre Telefonnummer und ihre E-Mail Adresse ein. Ob die Klägerin, deren Daten in der Folge weitergeleitet wurden, die allgemeinen Geschäftsbedingungen der ....com, wegen deren Inhalts auf Blatt 34 der Akte verwiesen wird, bestätigt hat, ist streitig.

In der Folge versuchte die Beklagte mehrfach vergeblich, die Klägerin telefonisch zu erreichen, um ihr Angebote von privaten Krankenversicherungen zu offerieren. Mit Schreiben vom 24.06.2011 wandte sich die Beklagte an die Klägerin, teilte mit, dass diese sich zum Thema private Krankenversicherung im Internet habe informieren wollen und bat zum Zwecke der Erstellung von Angeboten um telefonischen Rückruf. Mit E-Mail vom 30.06.2011 wandte sich die Beklagte erneut an die Klägerin und bat zum Zwecke der Erstellung von Angeboten, private Krankenversicherungen betreffend, um Rückruf.

Die Klägerin beauftragte in der Folge ihren Prozessbevollmächtigten mit der außergerichtlichen Abwehr von Telefonanrufen und E-Mails der Beklagten. Der Prozessbevollmächtigte wandte sich mit Schreiben vom 01.07.2011 an die Beklagte, teilte mit, dass ihre Versuche, die Klägerin telefonisch zu erreichen, außerdem ihre E-Mail vom 30.06.2011 gegen § 7 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 UWG verstoßen und forderte die Beklagte auf, die Klägerin nicht mehr mit derartigen Anrufen bzw. E-Mails zu belästigen; außerdem verlangte er unter Fristsetzung bis zum 08.07.2011 die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Mit Schreiben vom 08.08.2011 teilte die Beklagte dem klägerischen Anwalt mit, dass sie künftig nicht mehr in Kontakt mit der Klägerin treten werde; die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verweigerte sie.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Unterlassung von Telefonanrufen zu Werbezwecken sowie die Unterlassung des Zusendens von E-Mails zu Werbezwecken, außerdem die Freistellung von den ihr entstandenen vorgerichtlichen Anwaltskosten.

Die Klägerin beantragt,

  1.  es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 € ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, sie zu Werbezwecken, insbesondere zum Zwecke der Vermittlung von Versicherungsverträgen, anzurufen bzw. ihr zu diesem Zweck E-Mails zuzusenden, ohne dass der Beklagten ihre ausdrückliche Einwilligung in derartige Anrufe bzw. E-Mails vorliegt.

  2.  die Beklagte zu verurteilen, sie von Ansprüchen ihres Prozessbevollmächtigten für dessen außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 489,45 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

   die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, die Klägerin habe die allgemeinen Geschäftsbedingungen der ... bestätigt, andernfalls die persönlichen Daten der Klägerin nicht weitergeleitet worden wären.

Die Beklagte meint, mit der Bestätigung der AGB habe die Klägerin ihre vorherige Einwilligung zu den Telefonanrufen und der Zusendung der Werbe-E-Mail erteilt. Weiter ist sie der Auffassung, eine Wiederholungsgefahr sei nicht gegeben gewesen, da die Beklagte mit Schreiben vom 08.08.2011 mitgeteilt hat, dass sie keinen weiteren Kontakt mit der Klägerin aufnehmen wird. Im Übrigen sei die Klägerin, da sie telefonisch nie zu erreichen war, keiner telefonischen Belästigung ausgesetzt gewesen.





Entscheidungsgründe:

Die Klage ist überwiegend begründet.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte eine Anspruch auf Unterlassung von Werbeanrufen sowie auf Unterlassung des Zusendens von Werbe-E-Mails aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i. V. m. § 823 Abs. 1 BGB.

§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB schützt neben dem Eigentum auch alle andere absoluten Rechte des § 823 Abs. 1 BGB, also auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG als sonstiges Recht i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB. Unverlangte Telefonanrufe im Privatbereich zu geschäftlichen Zwecken sowie die unverlangte Zusendung von E-Mails im Privatbereich zu geschäftlichen Zwecken stellen nach gefestigter Rechtsprechung regelmäßig einen Eingriff in das gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen dar.

a. Die Beklagte hat mehrfach versucht, die Klägerin zu Werbezwecken telefonisch zu erreichen. Sie hat damit gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin verstoßen. Der Umstand, dass die Klägerin die Telefonanrufe nicht entgegengenommen hat, ändert hieran nichts. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gibt dem Inhaber das Recht, im privaten Bereich in Ruhe gelassen zu werden, das heißt seine Privatsphäre frei zu halten von unerwünschter Einflussnahme Dritter. Dieses Recht wird auch durch den Versuch der telefonischen Kontaktaufnahme zu Werbezwecken tangiert. Denn auch ein nicht angenommener Telefonanruf beeinträchtigt das Interesse des Inhabers des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, in seiner Wohnung ungestört zu bleiben. Gegen einen derartigen Versuch der telefonischen Kontaktaufnahme kann sich der Angerufene auch nicht schützen, ohne ganz auf seinen Telefonanschluss zu verzichten. Maßgeblich ist daher nicht, dass es tatsächlich zu einem Telefonat kommt; ausreichend ist der Versuch der telefonischen Kontaktaufnahme zu Werbezwecken als solcher.



b. Darüber hinaus hat die Beklagte dadurch, dass sie sich mit Werbe-E-Mail vom 30.06.2011 an die Klägerin wandte, in deren allgemeines Persönlichkeitsrecht eingegriffen.

c. Dass die Klägerin ihre vorherige ausdrückliche Einwilligung zu den Werbetelefonanrufen bzw. zu der Zusendung einer Werbe-E-Mail erteilt hat, hat die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte schon nicht schlüssig dargelegt.

Nach dem Vorbringen der Beklagten hat die Klägerin zwar den allgemeinen Geschäftsbedingungen der ... zugestimmt. Demnach hätte sich die Klägerin damit einverstanden erklärt, dass ihre persönlichen Daten an kompetente, externe Partner (Versicherungsmakler oder -vertreter und Finanzdienstleister) zur Bearbeitung zum Zwecke der Angebotserstellung weitergeleitet werden und dass diese externen Partner per E-Mail oder Telefon Kontakt zu ihr aufnehmen. Ob die Klägerin tatsächlich den allgemeinen Geschäftsbedingungen zugestimmt hat, kann aber dahinstehen. Denn die in den AGB enthaltene Einwilligungserklärung erfüllt nicht die an eine solche Erklärung zu stellenden Anforderungen.

An das Vorliegen einer vorherigen ausdrücklichen Einwilligung sind strenge Anforderungen zu stellen. Die Einwilligung muss für den konkreten Fall erteilt sein. Aus ihr muss daher hervorgehen, welches Unternehmen für welche Produkte telefonisch werben darf. Daran fehlt es bei der in den AGB enthaltenen Erklärung. Aus dieser geht nicht hervor, welche konkreten Unternehmen für welche konkreten Produkte werben dürfen; vielmehr ist lediglich von kompetenten externen Partnern wie Versicherungsmaklern oder -vertretern und Finanzdienstleistern die Rede. Ein konkret zu bewerbendes Produkt wird gar nicht genannt.




Im Übrigen verstößt die Einwilligungserklärung, die der Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB unterliegt, gegen § 307 Abs. 2 BGB und ist daher unwirksam. Die im Streit stehende Einwilligungserklärung sieht keine gesonderte Zustimmungsmöglichkeit vor. Darüber hinaus befindet sie sich in einer Textpassage, die auch andere Erklärungen enthält, nämlich das Einverständnis zur Speicherung und Verarbeitung der Daten sowie die Bitte, nur ernst gemeinte Anfragen zu stellen. Sieht die Einwilligungserklärung keine gesonderte Zustimmungsmöglichkeit vor bzw. befindet sie sich in Textpassagen, die auch andere Erklärungen enthalten, so ist die Klausel wegen Unvereinbarkeit mit einem wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung nach § 307 Abs. 2 BGB unwirksam, da sie entgegen der Regelung des § 7 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. UWG bzw. des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG die Aktionslast auf den Beworbenen verschiebt (BGH. GRUR 2008, 1010).

d. Die gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderliche Wiederholungsgefahr wird aufgrund der vorangegangenen rechtswidrigen Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin vermutet. Diese Vermutung hat die Beklagte nicht ausgeräumt. Widerlegt werden kann die tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr nicht durch das von der Beklagten vorgerichtlich abgegebene Versprechen, die Werbehandlungen nicht mehr vorzunehmen (vgl. hierzu Palandt, 71. Auflage § 1004 Rnr. 32). Erforderlich gewesen wäre vielmehr die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Eine solche hat die Beklagte verweigert.

2. Die Klägerin hat gegen die Beklagte außerdem einen Anspruch auf Freistellung von ihrer gegenüber Rechtsanwalt ... vorgerichtlich begründeten Verbindlichkeit in Höhe 316,18 € aus § 823 Abs. 1 BGB. Ein weitergehender Freistellungsanspruch steht der Klägerin nicht zu.

a. Die Beklagte hat dadurch, dass sie sich mit Werbeanrufen an die Klägerin gewandt hat, außerdem an diese eine Werbe-E-Mail versandt hat, in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin eingegriffen und also ein sonstiges Recht der Klägerin i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB verletzt.

b. Aufgrund dieser unerlaubten Handlung der Beklagten ist der Klägerin ein gemäß §§ 249 ff. BGB ersatzfähiger Schaden in Höhe von 316,18 € entstanden. Die Klägerin hat zur Durchsetzung des ihr zustehenden Unterlassungsanspruchs aus §§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, 823 Abs. 1 BGB anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen. Von den ihr hierdurch entstandenen Anwaltskosten kann sie, soweit diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich waren, Freistellung verlangen. Erforderlich waren Anwaltskosten in Höhe von 316,18 €; die hierüber hinausgehende, von der Klägerin begründete Verbindlichkeit war nicht erforderlich und ist daher nicht im Wege der Freistellung ersatzfähig.



Den außergerichtlichen Kosten der Rechtsverfolgung ist ein Gegenstandswert von 3.000,00 € zugrunde zu legen. Der Gegenstandswert bestimmt sich gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Vorschriften, hier also nach § 48 Abs. 1 GKG i. V. m. §§ 3 ff ZPO. Entscheidend ist danach das Interesse der Klägerin an der Abwehr des angegriffenen Verhaltens, hier also die gemäß § 3 ZPO zu schätzende Beeinträchtigung, die von dem beanstandenden Verhalten zu besorgen ist und die beseitigt werden soll. Die von der E-Mail ausgegangene Belästigung ist als verhältnismäßig geringfügig zu bewerten. Die Beklagte hat "lediglich" eine Werbe-E-Mail an die Klägerin versandt; die E-Mail wies auch eine überschaubare Länge auf. Die auf die Aussonderung der unerwünschten Werbung aufgewendete Arbeitszeit dürfte daher eher gering gewesen sein. Was die Werbetelefonate angeht, hat die Klägerin diese nicht entgegengenommen; die hiermit verbundene Belästigung ist daher ebenfalls als geringfügig zu bewerten. Ist eine Belästigung verhältnismäßig geringfügig, beträgt der Streitwert einer Klage, gerichtet auf Unterlassung der Belästigung, 3.000,00 € (vgl. BGH. Beschl. vom 30.11.2004, VI ZR 65/04).

Erforderlich und also ersatzfähig sind demnach die für die Durchsetzung eines mit 3.000,00 € zu bemessenden Unterlassungsanspruchs erforderlichen Anwaltskosten. – Einem Anwalt steht für sein vorgerichtliches Tätigwerden eine 1,3 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV-RVG zu.

Die 1,3 Gebühr beläuft sich bei Zugrundelegung eines Geschäftswertes von 3.000,00 € auf 245,70 €. Weiter steht einem Anwalt gemäß Nr. 7002 VV-RVG eine Post- und Telekommunikationspauschale in Höhe von 20,00 € zu. Schließlich kann der Anwalt gemäß Nr. 7008 VV-RVG die Umsatzsteuer auf seine Vergütung, hier also auf einen Betrag von 265,70 €, verlangen; diese beläuft sich auf 50,40 €. Es ergibt sich ein ersatzfähiger Schaden in Höhe von 316,18 €. Von der gegenüber dem Rechtsanwalt ... begründeten Verbindlichkeit in eben dieser Höhe hat die Beklagte daher die Klägerin zu befreien.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO.

Streitwert: 3000,00 €.

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