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OLG Koblenz Urteil vom 09.01.2006 - 12 U 740/04 - Angabe nur des Postfachs in der Widerrufsbelehrung

OLG Koblenz v. 09.01.2006: Zu den Folgen der Angabe nur des Postfachs des Widerrufsadressaten in der Widerrufsbelehrung


Das OLG Koblenz (Urteil vom 09.01.2006 - 12 U 740/04) hat entschieden:

   Auf Finanzierungsleasingverträge ist § 355 BGB i.V. mit § 14 BGB-InfoV anwendbar. Danach muss die Widerrufsbelehrung die ladungsfähige Anschrift des Widerrufsadressaten bezeichnen. Der Hinweis auf das "Postfach" genügt nicht. Abweichende Rechtsprechung zur Rechtslage vor In-Kraft-Treten des § 14 IV BGB-InfoV ist überholt (Abgrenzung von BGH, 11. April 2002, I ZR 306/99, NJW 2002, 2391, und OLG Koblenz, 21. Juli 2005, 2 U 44/05, NJW 2005, 3430). Die Regelung ist gemäß Art. 80 I GG wirksam. Der mangels ausreichender Widerrufsbelehrung nicht verspätete Widerruf führt dazu, dass das Vertragsverhältnis ex nunc in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt wird.




Siehe auch
Widerrufsbelehrung
und
Rückabwicklung


Gründe:


I.

Der Kläger begehrt in erster Linie die Feststellung der Unwirksamkeit eines Kraftfahrzeugleasingvertrages, der zwischen den Parteien am 10. Januar 2003 abgeschlossen und vom Kläger unter dem 12. Mai 2003 schriftlich widerrufen wurde. Die Beklagte teilte dem Kläger auf sein Schreiben unter dem 18. Mai 2003 mit, dass sie den Widerruf als verspätet ansehe. Darauf bezieht sich seine negative Feststellungsklage.

Im Leasingvertrag vereinbart war eine Vertragsdauer von 54 Monaten. Der Kläger sollte danach für die Überlassung eines Pkw Renault Twingo Green Fee, der innerhalb der Vertragslaufzeit über 90.000 km gefahren werden durfte, monatliche Leasingraten von 197,97 Euro zahlen. Der Vertrag enthält folgende Widerrufsbelehrung:

   „Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs an die R. Leasing Geschäftsbereich R. Leasing GmbH & Co. OHG, …, Fax-Nr.: (0….) … Bei Rücksendung/Rückgabe des Leasingfahrzeugs ist die Lieferfirma Empfänger.“

Die Lieferfirma Autohaus R. in B. wurde in der Kopfzeile des Vertrages ohne genaue Anschrift genannt und bei der Unterschrift durch Abdruck des Firmenstempels so gekennzeichnet, dass sie ihren Sitz unter der Adresse „B.strasse ... B.“ habe.

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der vertraglichen Willenserklärungen durch den Kläger. Dieser hat außerdem mit der unter dem 2. September 2003 erhobenen Klage geltend gemacht, dass das Fahrzeug dann eine Fahrleistung von rund 12.000 km erbracht habe. Die Leasingraten überstiegen die gezogenen Nutzungen, so dass keine weiteren Zahlungsansprüche der Beklagten bestünden.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Widerrufsbelehrung entspreche nicht den Anforderungen gemäß § 355 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 14 Abs. 4 BGB-InfoV. Zum einen sei die Anschriftenangabe nur mit dem „Postfach“ anstelle einer Straßenangabe nicht ausreichend. Zum anderen sei der Adressat der Widerrufserklärung unklar, weil zwei potenzielle Adressaten genannt seien, wobei für den Fall der Rückgabe des Leasingfahrzeugs die Lieferfirma als Adressat der Widerrufserklärung benannt sei und auch deren Name und Anschrift nicht in der Widerrufsbelehrung erwähnt worden sei.

Der Kläger hat beantragt,

   festzustellen, dass

  1.  der zwischen den Parteien abgeschlossene Leasingvertrag Nr. 63579389/001 aufgrund des Widerrufs seiner Willenserklärung vom 10. Januar 2003 nicht wirksam zustande gekommen ist,

  2.  der Beklagten aus dem vorbenannten Leasingvertrag keine Ansprüche mehr gegen ihn zustehen.

Die Beklagte hat beantragt,

   die Klage abzuweisen.

Sie hat ausgeführt, die Widerrufsbelehrung sei ausreichend, so dass die Widerrufserklärung des Klägers verspätet sei. Sie betreibe nicht selbst den Fahrzeughandel und bediene sich deshalb bei Vertragsabschluss ihrer Vertragshändler als Fahrzeuglieferanten. Daher sei in der Widerrufsbelehrung zu Recht auch die Alternative der Fahrzeugrückgabe an die Lieferfirma enthalten. Die Angabe ihrer Anschrift mit „Postfach“ sei ausreichend, zumal sie keine Postfachnummer verwende.

Das Landgericht hat die Klage durch Urteil des Einzelrichters der 11. Zivilkammer vom 18. Mai 2004 abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Widerrufserklärung sei verspätet, weil die Widerrufsbelehrung auch im Sinne von § 355 Abs. 2 BGB und § 14 BGB-InfoV wirksam sei und die Frist gemäß § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB in Lauf gesetzt habe, die der Kläger nicht eingehalten habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, der mit dem Rechtsmittel sein Klageziel weiter verfolgt. Er meint, die Widerrufsbelehrung im Sinne von § 14 BGB-InfoV umfasse nur die Möglichkeit, einen Empfänger der Widerrufserklärung anzugeben, aber nicht zwei Alternativen. Dazu seien der Name oder die Firma sowie die ladungsfähige Anschrift des Adressaten anzugeben. Die Angabe des Postfachs des Empfängers ohne Postfachnummer und die Hinzufügung eines zweiten Empfängers ohne genaue Angabe seiner Anschrift sei in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft.

Die Beklagte ist der Berufung des Klägers entgegen getreten und verteidigt das angefochtene Urteil im Wesentlichen mit dem Vortrag wie in erster Instanz.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Vorbringens verweist der Senat auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze. Wegen der Feststellungen des Landgerichts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.


II.

Die Berufung ist zum überwiegenden Teil begründet.

Die negative Feststellungsklage ist mit dem ersten Antrag zulässig und im Wesentlichen begründet. Der Kläger ist an seine auf den Abschluss des Leasingvertrages gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden, weil er sie wirksam widerrufen hat. Damit ist der Leasingvertrag aber nicht rückwirkend unwirksam, sondern ab dem Zugang der Widerrufserklärung in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt worden. Es ist jedoch nicht aufgrund des zweiten Klageantrages festzustellen, dass der Beklagten gegen den Kläger keine Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis mehr zustehen. Vielmehr ergeben sich die Rechtsfolgen aus § 357 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien für den Fall der vorzeitigen Beendigung des Leasingvertrages. Danach bestehen noch wechselseitige Ansprüche im Rahmen des Rückgewährschuldverhältnisses, ohne dass alle Ansprüche der Beklagten gegen den Kläger schon erfüllt oder sonst erloschen wären.

1. a) Der unstreitig erklärte Widerruf des Klägers ist wirksam. § 355 Abs. 1 BGB ist darauf anwendbar. Es liegt ein Verbrauchervertrag vor; das steht außer Streit. Für Finanzierungsleasingverträge wird durch §§ 500, 495 Abs. 1 BGB auf § 355 Abs. 1 BGB verwiesen, so dass der Anwendungsbereich der Norm eröffnet ist. Finanzierungsleasing, das dem Verbraucherschutz unterliegt, ist schon dann gegeben, wenn ein Leasingvertrag darauf angelegt sind, dem Leasingnehmer den Gebrauch der Sache auf unbestimmte oder begrenzte Dauer zu verschaffen, und zur Gegenleistung gehört, dem Leasinggeber das von ihm für die Gebrauchsverschaffung eingesetzte Kapital einschließlich des kalkulierten Gewinns zurückzugewähren (BGH NJW 1996, 2033, 2034). So liegt es im vorliegenden Fall, was schon aus der Trennung von Leasingunternehmen und Fahrzeuglieferant sowie aus der Summe der Leasingraten, die an die Beklagte gezahlt werden sollten, deutlich wird. Davon gehen auch die Parteien aus (s.a. Bl. 60 GA), zumal im Vertrag vorgesehen ist, die Widerrufsberechtigung „gilt für Verbraucher bzw. Existenzgründer gem. § 506 BGB“. Die aufgrund dieses Widerrufsrechts des Klägers abgegebene Widerrufserklärung ist auch nicht verspätet erfolgt. Die zweiwöchige Frist für den Widerruf gemäß § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB gilt mangels wirksamer Widerrufsbelehrung der Beklagten nicht. Aus demselben Grund ist das Widerrufsrecht auch nicht innerhalb der Ausschlussfrist gemäß § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB erloschen, die vom Kläger zudem gewahrt worden wäre, wenn sie Geltung besäße. Infolge der fehlerhaften Widerrufsbelehrung entfällt aber jede Widerrufsfrist (vgl. Rott in: Kothe/Micklitz/Rott/Tonner/Willingmann, Das neue Schuldrecht, 2003, § 355 Rn. 7 m.w.N.).

Die Widerrufsbelehrung im Leasingvertrag genügt nicht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 14 Abs. 4 BGB-InfoV, weil sie die ladungsfähige Anschrift des Widerrufsadressaten nicht nennt. Belehrt der Unternehmer – wie hier - den Verbraucher ohne Verwendung des Musters der Anlage 2 oder 3 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV über sein Widerrufs- oder Rückgaberecht, muss er in der Belehrung seine ladungsfähige Anschrift angeben (§ 14 Abs. 4 BGB-InfoV). Der Hinweis auf das „Postfach“ der Beklagten genügt danach nicht, weil das Postfach keine ladungsfähige Anschrift enthält (vgl. dazu etwa BVerwG NJW 1999, 2608, 2609 f.).

Unter dem Begriff „Anschrift“ im Sinne des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB war zwar nach der Rechtsprechung zu § 355 Abs. 2 BGB früher auch die Postfachanschrift zu verstehen (BGH NJW 2002, 2391, 2393 f.; Erman/Saenger, BGB 11. Aufl. § 355 Rn. 9). Aus dem erst danach in Kraft getretenen § 14 Abs. 4 BGB-InfoV ergibt sich aber eine Modifizierung dieser Rechtslage, so dass die bisherige Rechtsprechung, die auch als solche bereits nicht unumstritten war (vgl. Stillner VuR 2002, 79, 83), heute jedenfalls überholt ist (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB § 355 Rn. 14; Ulmer in: MünchKomm-BGB § 355 Rn. 45; Wildemann in: JurisPK BGB § 355 Rn. 41). Nach dem Willen des Normgebers ist nun eine Postfachangabe in der Widerrufsbelehrung nicht mehr ausreichend. Diese Rechtsnorm ist vom Senat zwingend zu beachten (Art. 20 Abs. 3 GG), wenn sie wirksam ist. Wirksamkeitsbedenken gegen Art. 14 Abs. 4 BGB-InfoV bestehen indes nicht.

Soweit § 14 Abs. 1 und 2 BGB-InfoV mit der Regelung eines amtlichen Musters für die Widerrufsbelehrung in verschiedenen Punkten möglicherweise von der Verordnungsermächtigung abweicht, mag die Bestimmung unwirksam sein (vgl. von Staudinger/Kaiser, BGB, 2003, Art. 245 EGBGB Rn. 3). Das lässt aber die Geltung von § 14 Abs. 4 BGB-InfoV unberührt. Darauf ist der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz in seinem von der Beklagten herangezogenen Urteil vom 21. Juli 2005 – 2 U 44/05 – (NJW 2005, 1430 f.) nicht eingegangen. Er ist in einer Hilfsbegründung seiner Entscheidung der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu § 355 Abs. 2 BGB gefolgt und hat hiergegen nur den Einwand erörtert, die in seinem Fall zu prüfende Widerrufsbelehrung entspreche nicht den Vorgaben des amtlichen Musters aufgrund von § 14 Abs. 1 BGB-InfoV. Zu den Voraussetzungen für eine nicht dem amtlichen Muster folgende Widerrufsbelehrung im Sinne von § 14 Abs. 4 BGB-InfoV hat er sich nicht geäußert. Die Frage der Unwirksamkeit der Rechtsverordnung in diesem Punkt hat er nicht geprüft und sie auch im Ganzen offen gelassen.

Nach Ansicht des erkennenden Senats ist die Verordnungsermächtigung durch das Erfordernis der Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift des Erklärungsempfängers in der Widerrufsbelehrung gemäß § 14 Abs. 4 BGB-InfoV nicht überschritten worden. Sollten einzelne Ausführungen des Verordnungsgebers zum amtlichen Muster der Widerrufsbelehrung nach § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in Verbindung mit den Anlagen 2 und 3 hierzu zu beanstanden sein, ließe das die Wirksamkeit von § 14 Abs. 4 BGB-InfoV unberührt; denn die Unwirksamkeit einer Rechtsverordnung wegen teilweiser Überschreitung der Verordnungsermächtigung zwingt – anders etwa als die Verletzung des Zitiergebotes gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG (BVerfGE 101, 1, 41 ff.) - nicht dazu, die Rechtsverordnung im Ganzen als unwirksam anzusehen (vgl. zur teilweisen Unwirksamkeit von Rechtsverordnungen z.B. BGHZ 134, 239, 242 f.; BGH NJW-RR 2000, 330, 331).

§ 14 Abs. 4 BGB-InfoV beruht auf einer ihrerseits wirksamen gesetzlichen Ermächtigung. Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG müssen Gesetze, die zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigen, Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung bestimmen. Der parlamentarische Gesetzgeber hat die Tendenz und das Programm der Rechtsverordnung so weit zu umreißen, dass deren Zweck und möglicher Inhalt feststehen (vgl. BVerfGE 78, 249, 272 ff.), wobei es genügt, dass Zweck und Inhalt sich mit Hilfe allgemeiner Auslegungsgrundsätze aus der Ermächtigungsnorm erschließen lassen (vgl. BVerfGE 80, 1, 20 f.; 85, 97, 104 f.). Art. 245 Nr. 1 EGBGB regelt die Ermächtigung an den Bundesminister der Justiz, durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates nicht bedarf, Inhalt und Gestaltung der dem Verbraucher mitzuteilenden Belehrung über das Widerrufs- und Rückgaberecht festzulegen. Das ist eine hinreichend klare Verordnungsermächtigung. Davon hat der Verordnungsgeber durch § 14 Abs. 4 BGB-InfoV Gebrauch gemacht. Diese Regelung ist am 1. September 2002 in Kraft getreten und gilt für Verbraucherverträge, wenn diese nach dem 1. November 2002 abgeschlossen wurden (von Staudinger/Kaiser, BGB Art. 245 EGBGB Rn. 10). Die Bestimmung ist daher auf den vorliegenden Fall anwendbar. Sie verlangt, soweit eine Widerrufsbelehrung nicht nach dem amtlichen Muster erfolgt, zwingend die Angabe der „ladungsfähigen Anschrift“ des Widerrufsadressaten. Diese Konkretisierung des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB durch den Verordnungsgeber ist aufgrund der genannten Verordnungsermächtigung ohne weiteres möglich (Palandt/Heinrichs, BGB § 355 Rn. 14; Ulmer in: MünchKomm BGB § 355 Rn. 45; von Staudinger/Kaiser, Art. 245 EGBGB Rn. 41). Sie füllt insoweit die Bestimmung des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB aus, die eine „deutlich gestaltete Belehrung“ verlangt, aber nicht näher erläutert, welchen Inhalt diese Belehrung haben soll. Inhalt und Gestaltung der dem Verbraucher mitzuteilenden Belehrung über das Widerrufs- und Rückgaberecht soll nach Art. 245 Nr. 1 EGBGB der Verordnungsgeber regeln; das hat dieser getan. Der Verordnungsgeber konnte aufgrund von Art. 245 Nr. 1 EGBGB ohne Verstoß gegen höherrangiges Recht auch den Inhalt der Widerrufsbelehrung im Sinne von § 355 Abs. 2 BGB in der Weise näher ausgestalten, dass er die Angabe der „ladungsfähigen Anschrift“ des Widerrufsadressaten zum notwendigen Inhalt der Belehrung gemacht hat. Ein Verstoß gegen § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB liegt darin nicht, zumal dessen Wortlaut auch vom Standpunkt des Bundesgerichtshofs in seiner vor Inkrafttreten der BGB-Informationspflichten-Verordnung ergangenen Entscheidung insoweit nicht eindeutig war (BGH NJW 2002, 2391). Die vom Bundesgerichtshof vorgenommene Auslegung des § 355 Abs. 2 BGB dahin, dass auch die Angabe des Postfaches anstelle der genauen Anschrift genüge, war deshalb nicht in einer die Gesetzesbindung der Gerichte nach Art. 20 Abs. 3 GG an ein bestimmtes Ergebnis auslösenden Weise zwingend geboten. Deshalb kollidiert § 14 Abs. 4 BGB-InfoV entgegen einer beiläufigen Bemerkung im genannten Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz (NJW 2005, 1430, 1431) nicht mit diesem Gesetz; er beruht vielmehr auf einer an anderer Stelle getroffenen gesetzgeberischen Entscheidung (Art. 245 Nr. 1 EGBGB). Die Auslegung des bisherigen Gesetzes durch die Rechtsprechung hindert den – allein an höherrangiges (Gesetzes-) Recht gebundenen - Verordnungsgeber nicht an einer Konkretisierung des Gesetzes in einer Weise, die von der bisherigen Rechtsprechung abweicht. Die Ausformung des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB durch den Verordnungsgeber bewegt sich innerhalb des ihm vom parlamentarischen Gesetzgeber eingeräumten Gestaltungsraums.

Bei Beachtung von § 14 Abs. 4 BGB-InfoV ist die Widerrufsbelehrung der Beklagten unzureichend, weil sie nicht die „ladungsfähige Anschrift“ der Beklagten nennt. Auf die weiteren Beanstandungen des Klägers gegenüber der Widerrufsbelehrung kommt es danach nicht mehr an. Die Widerrufsbelehrung konnte daher die zweiwöchige Widerrufsfrist nicht in Lauf setzen. Das Widerrufsrecht des Klägers ist auch sonst nicht durch Zeitablauf erloschen (§ 355 Abs. 3 BGB). Der vom Kläger erklärte Widerruf ist vielmehr wirksam.

b) Der wirksame Widerruf des Klägers führt dazu, dass das Vertragsverhältnis der Parteien mit der Widerrufserklärung bei der Beklagten in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt wurde (§§ 357 Abs. 1, 346 ff. BGB; vgl. Börner/Erberich in: Schimmel/Buhlmann, Frankfurter Handbuch zum neuen Schuldrecht, 2002, D. IX. Rn. 6, 14).

Mit der Einführung des § 361a BGB a.F. verband der Gesetzgeber die Einschätzung, dass die Konstruktion der schwebenden Wirksamkeit für alle Verbraucherschutzgesetze eingeführt wurde (BT-Drucks. 14/2648 S. 47). Wie der Gesetzgeber aber schon damals selbst festgestellt hat, war er „konstruktiv nicht festgelegt“, weil sich die Modelle in ihrer Wirkung für den Verbraucher nicht wesentlich unterscheiden (BT-Drucks. 14/2648 S. 42). Indes bedarf es der Annahme der schwebenden Wirksamkeit des Verbrauchervertrages bis zum Widerruf durch den Verbraucher nicht und der gesetzgeberische Wille hat auch im Wortlaut des nunmehr geltenden Gesetzes keinen hinreichenden Ausdruck gefunden. Danach ist der Verbraucher erst ab der wirksamen Widerrufserklärung „nicht mehr“ an seine Willenserklärungen gebunden (§ 355 Abs. 1 Satz 1 BGB) und auf den Fall des wirksamen Widerrufs sind die Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt vom Vertrag anzuwenden (§ 357 Abs. 1 Satz 1 BGB). Erst der Widerruf führt demnach, ebenso wie eine Rücktrittserklärung, zur Umwandlung des zunächst wirksamen Vertragsverhältnisses in ein Rückabwicklungsverhältnis. Durch die Annahme einer schwebenden Unwirksamkeit des Vertrages bis zur tatsächlich erfolgten Widerrufserklärung wird demgegenüber der unpassende Eindruck erweckt, ein Vertrag, auf den künftig ein Gestaltungsrecht einwirken könnte, befinde sich von Anfang an in der Schwebe. Dies geht insbesondere bei Vertragsverhältnissen, in denen tatsächlich kein Widerruf erfolgt, zu weit. Die Annahme einer schwebenden Unwirksamkeit ist aber auch dann nicht sachgerecht, wenn - wie hier - mangels ausreichender Widerrufsbelehrung das Widerrufsrecht nicht befristet ist und auch nicht nach Ablauf eines längeren Zeitraumes erlischt (§ 355 Abs. 3 Satz 3 BGB), so dass es noch nach längerer Zeit wirksam ausgeübt wird. In diesem Fall würde der Vertrag nach dem Modell der schwebenden Unwirksamkeit zunächst auf unbestimmte Zeit in der Schwebe bleiben, ohne dass eine solche Annahme rechtlich erforderlich ist (vgl. Grothe in: Bamberger/Roth, BGB § 355 Rn. 3; Palandt/Heinrichs, BGB § 355 Rn. 3). Auch im vorliegenden Fall ist es deshalb nicht angebracht anzunehmen, der Vertrag sei rund vier Monate lang schwebend unwirksam gewesen und erst danach mit rückwirkender Kraft unwirksam geworden. Vielmehr sind in dieser Zeit die wechselseitigen Leistungen vertragsgemäß erbracht worden. Deshalb sind die Ansprüche aus dem widerruflichen Vertrag nur einer rechtsvernichtenden Einwendung ausgesetzt; der Vertrag ist bis dahin aber vollständig wirksam gewesen. Dafür spricht auch der Wortlaut des § 355 Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach der Verbraucher erst aufgrund des wirksamen Widerrufes an seine Willenserklärung „nicht mehr gebunden“ ist. Da mithin die Verpflichtung bis zu diesem Zeitpunkt Bestand hatte, kommt dem Widerruf eine Wirkung nur ex-nunc zu (Börner/Erberich in: Schimmel/Buhlmann, Frankfurter Handbuch zum neuen Schuldrecht, D: IX. Rn. 14; Grothe in: Bamberger/Roth, BGB § 355 Rn. 3; Mankowski, Beseitigungsrechte, 2003, S. 51; Ulmer in: MünchKomm-BGB, § 355 Rn. 33).

Durch den Widerruf als gesetzlich ausgestaltetes Rücktrittsrecht wandelt sich der Verbrauchervertrag ab dem Zeitpunkt des Zugangs der Widerrufserklärung in ein Rückabwicklungsverhältnis um. Insoweit ist der Feststellungsausspruch enger zu fassen, als er vom Kläger mit seinem ersten Klageantrag ([1.] a) gewünscht wurde.

2. Für die Feststellung, der Beklagten stünden aus dem Leasingvertrag keine Ansprüche mehr gegen den Kläger zu, ist kein Raum. Insoweit ist die Klage mit ihrem zweiten Antrag ([1.] b) unbegründet.

Die Erläuterung des Klägers, der erste Klageantrag sei umfassend und schließe den zweiten Antrag ein (Bl. 38 GA), weckt zunächst Zweifel daran, ob es dieser engeren Feststellung überhaupt bedarf, wenn sie von der weiteren eingeschlossen ist; dass andere Ansprüche nicht bestehen, sagt bereits das Gesetz (§ 357 Abs. 4 BGB). Jedoch trifft die Annahme des Klägers nicht zu.

Die Umwandlung des Vertragsverhältnisses in ein Rückabwicklungsverhältnis gemäß § 357 Abs. 1 BGB und den vertraglichen Vereinbarungen führt dazu, dass wiederum wechselseitige Ansprüche entstehen. Die Sonderbeziehung zwischen den Parteien bleibt, wenngleich mit gewandeltem Inhalt, bis zum Abschluss der Abwicklung bestehen. Es bestehen Rückgewährpflichten, die etwa auch die bisher noch nicht erfolgte Rückgabe des Leasingfahrzeuges nebst Schlüsseln und Unterlagen (vgl. Ziff. XII der Leasingbedingungen, Bl. 28 GA) durch den Kläger einschließen. Die Beklagte kann zudem Herausgabe der Nutzungen (vgl. Rott in: Kothe/Micklitz/Rott/Tonner/Willingmann, Das neue Schuldrecht, § 357 Rn. 13) und - als Verschärfung der Haftung des Verbrauchers gegenüber dem früheren Recht (Börner/Erberich in: Schimmel/Buhlmann, Frankfurter Handbuch zum neuen Schuldrecht, D: IX. Rn. 16) - Wertersatz für eine durch die bestimmungsgemäße Verwendung entstandene Verschlechterung der Leasingsache durch die Fahrzeugnutzung verlangen (§ 357 Abs. 3 BGB; Rott a.a.O. Rn. 21 ff.). Dieser Wertersatzanspruch ist auch nicht durch Aufrechnung mit Gegenforderungen aus dem Rückgewährschuldverhältnis erloschen, weil es - unbeschadet der zur Klagebegründung angedeuteten Saldierung – bereits an einer Aufrechnungserklärung fehlt und zudem aufrechenbare Gegenansprüche nicht näher konkretisiert wurden. Auch insoweit kommt eine Feststellung, dass der Beklagten keine Ansprüche mehr aus dem Schuldverhältnis zustünden, nicht in Frage.


III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.


IV.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil ein Zulassungsgrund gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegt.

1. Die Revision ist nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Sache zuzulassen (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann, oder wenn andere Auswirkungen des Rechtsstreits auf die Allgemeinheit deren Interessen in besonderem Maße berühren und ein Tätigwerden des Bundesgerichtshofs erforderlich machen (BGHZ 159, 135, 137). Das ist hier nicht der Fall, weil § 14 Abs. 4 BGB-InfoV die im konkreten Fall maßgebliche Frage so regelt, dass die Klärungsbedürftigkeit fehlt.

2. Eine Fortbildung des Rechts gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 (1. Alternative) ist nicht erforderlich, weil der Verordnungsgeber durch § 14 Abs. 4 BGB-InfoV die Rechtslage gestaltet hat.

3. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 (2. Alternative ZPO) ist eine Zulassung der Revision gleichfalls nicht erforderlich. Dieser Zulassungsgrund soll verhindern, dass schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen (BGH NJW 2003, 2319 f.). Das ist indes nicht zu befürchten.

a) Dies gilt zunächst mit Blick auf die Abweichung des Senats von dem Urteil des BGH in NJW 2002, 2391, weil jene Entscheidung auf einer anderen gesetzlichen Grundlage erfolgt war. Sie ist ohne Rücksicht auf § 14 Abs. 4 BGB-InfoV ergangen, weil diese Rechtsnorm damals noch nicht anwendbar war. Nach Inkrafttreten der BGB-Informationspflichten-Verordnung ist die genannte Rechtsprechung überholt.

b) Auch das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz in NJW 2005, 3430, 3431 ergibt keine Divergenz, die den Senat zur Zulassung der Revision zwingen würde. Dass zwei Senate desselben Berufungsgerichts verschiedene Standpunkte vertreten, ist zunächst bereits kein Divergenzfall im Sinne der Revisionszulassungsbestimmung (Reichold in: Thomas/Putzo, ZPO § 543 Rn. 4b). Es liegt zudem keine Divergenz in einem entscheidungserheblichen Punkt vor. Der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat sich in der genannten Entscheidung nur mit einer Hilfsüberlegung zur Frage der Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung geäußert, die Frage der Wirksamkeit von § 14 BGB-InfoV im Ganzen offen gelassen und insbesondere den hier maßgebenden § 14 Abs. 4 BGB-InfoV nicht näher anhand von Art. 245 Nr. 1 EGBGB mit dem Maßstab des Art. 80 Abs. 1 GG geprüft, sondern sich mit dem amtlichen Muster der Widerrufsbelehrung im Sinne von § 14 Abs. 1 BGB-InfoV befasst, das hier keine Rolle spielt.


V.

Der Streitwert wird gemäß §§ 3, 9 Satz 1 ZPO auf 9.146,21 Euro festgesetzt (Klageantrag zu [1.] a betreffend die Feststellung der Wirksamkeit des Leasingvertrages: 8.314,74 Euro = 197,97 x 12 x 3,5; Klageantrag zu [1.] b betreffend das Bestehen von Ansprüchen aus dem Vertragsverhältnis: 831,47 Euro = ein Zehntel des Antrages zu [1.] a).

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