Die Verwendung einer Klausel in den AGB eines Onlineshops, wonach dem Kunden beim Versendungskauf eine Versicherungsprämie zur Abdeckung des Transportrisikos berechnet wird, ist unzulässig.
Siehe auch
AGB
und
Vertragsschluss
Zum Sachverhalt:
Der Kläger ist seit dem 10.06.2003 in der vom Bundesverwaltungsamt in Köln geführten Liste qualifizierter Einrichtungen gem. § 4 UKlaG eingetragen.
Die Beklagte ist eine in Deutschland führende Elektronikhändlerin mit Sitz in ... .
Sie verwendet in ihren AGB folgende Klausel unter Ziffer 6.1.:
„C. trägt das gesamte Risiko für Beschädigung oder Verlust der Ware auf dem Transportweg zum Kunden. Hierfür berechnen wir 0.85% des Auftragswertes.”
Der Kläger meint, dass die Klausel gegen § 307 II Nr. 1 BGB verstoße, da sie mit den wesentlichen Grundgedanken der geltenden gesetzlichen Regelungen der §§ 475 I BGB , 474 II BGB , 447 BGB. nicht zu vereinbaren sei, da die Beklagte durch diese Klausel das Transportrisiko mittelbar wieder auf den Verbraucher übertrage.
Der Kläger mahnte die Beklagte schriftlich ab.
Die Beklagte unterwarf sich nicht. Sie wies darauf hin, dass der Kunde für die Leistung des Versandes, die Kosten der Verpackung und die Risiken des Versandes bezahlen müsse. Der durchschnittliche Verbraucher werte die Pauschale als Lieferkostenanteil. Die Beklagte biete allen Kunden in drei Vertriebswegen (Versandhandel, Internet- und Filialgeschäft) die Waren zu demselben Preis an und fördere dadurch die Preistransparenz. Durch die Versicherungspauschale seien einfache Konditionen geschaffen worden. Auch die Mitbewerber verlangten eine Versicherungspauschale. Die Beklagte möchte vertriebswegspezifische Kosten durch eine entsprechende Konditionengestaltung verursachungsgerecht an ihre Kundschaft weitergehen. Die 0,85 % seien ein mathematisch hochgerechneter, sich an dem tatsächlichen Beschädigungs- und Verlustschaden orientierender Wert. Es handle sich nur um einen geringen Obolus. sie Klausel könne nur als Hinweis auf die gesetzliche Regeln g verstanden werden. Es müsse der Beklagten unbenommen bleiben, hinsichtlich des Transportrisikos eine Preisnebenabrede zu treffen.
Es handle sich um einen Presibestandteil der nicht der Inhaltskontrolle unterworfen sei. Eine unangemessene Benachteiligung liege angesichts der geringen Höhe der Pauschale nicht vor.
Das Gericht verurteilte die Beklagte antragsgemäß., es zu unterlassen, die beanstandete AGB-Formulierung zu verwenden und sich bei der Abwicklung von Schuldverhältnissen auf die beanstandete Bestimmung zu berufen.
Aus den Entscheidungsgründen:
"... A. Der Unterlassungsanspruch ergibt sich aus § 1 UKlaG.
Wer in allgemeinen Geschäftsbedingungen Bestimmungen, die nach den. §§ 307 bis 309 des BGB unwirksam sind, verwendet oder für den rechtsgeschäftlich n Verkehr empfiehlt, kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, § 1 UKlaG.
Die streitgegenständliche Klausel ist nach § 307 I S. l,2 ; II Nr. 1, III BGB unwirksam.
1. Hierbei ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:
Klauseln über Entgelte unterliegen zwar grundsätzlich keiner Inhaltskontrolle (vgl. Palandt BGB 65.A. Rz. 61 zu § 307 BGB). Verlangt der Verwender jedoch ein Entgelt für eine Tätigkeit, die im Rechtssinne keine Leistung im Interesse des anderen Teils ist oder die nach dem Vertragsinhalt als Abwicklungsleistung unentgeltlich zu erbringen ist, unterliegt die Klausel der Inhaltskontrolle (vgl. Palandt BGB 65.A. Rz. 62 zu § 307 BGB). Formularmäßig festgelegte Preise, Zuschläge u.ä. sind kontrollfähig, wenn sie zu einer versteckten Erhöhung des vereinbarten Preises führen oder einen verbogenen Sanktionscharakter aufweisen. Maßstab für die Inhaltskontrolle bildet das dispositive Recht, insbesondere das Äquivalenzprinzip und die nach dem Gegenstand und Zweck des Vertrages berechtigte Erwartung des Vertragspartners über den Vertragsinhalt und die Preisgestaltung. Entgelte für Sonderleistungen sind kontrollfrei. Entgelte für solche Leistungen, mit denen der Verwender eigene Pflichten erfüllt, unterliegen der Inhaltskontrolle (Roloff in Erman BGB 11.A. Rz 45 ff zu § 307 BGB).
Kontrollfähig sind Klauseln, mit denen der Verwender Aufwendungen für die Erbringung gesetzlicher Pflichten auf den Verwender abwälzt (Münchener Kommentar zum BGB Rz 15 zu § 307 BGB). Die Unterscheidung zwischen einer zu vergütenden Zusatzleistung und einer zu den Vertragspflichten gehörenden Nebenleistungen ist wertungsabhängig (vgl. Brandner in Ulmer Brandner Hensen AGBG 9.A. Rz 21b zu § 8 AGBG). Der Begriff der Leistung steht dabei nicht zur Disposition des Verwenders von AGB. Die streitige Klausel ist daher ohne Rücksicht auf die Preisstruktur insgesamt und die Beschaffenheit der Einzelpreise daraufhin zu prüfen, ob ihr eine echte Gegenleistung zugrunde liegt oder ob es sich um eine Abrede handelt, die zwar Auswirkungen auf Preis und Leistung hat, an deren Stelle aber, wenn eine vertragliche Regelung fehlt, dispositives Gesetzesrecht treten kann. (vgl. BGH 17.1.2002 NJW 2002,2388).
2. Nach diesen Maßstäben enthält die Klausel keine kontrollfreie Entgeltbestimmung für eine Zusatzleistung des Beklagten.
Beim Kaufvertrag ist zwar der Versendungskauf als solcher eine Zusatzleistung gegenüber dem normalen Kauf vor Ort. Für den Verkäufer entstehen zusätzliche Pflichten (Transport / Verpackung) und Risiken (z.B. Insolvenzrisiko des Kunden), zu denen auch - jedenfalls beim Verbrauchsgüterkauf - die Gefahr des Unterganges oder der Verschlechterung der gekauften Sache auf dem Transportweg gehört.
Die streitgegenständliche Klausel enthält jedoch keine Entgeltvereinbarung für den Versendungskauf sondern für die Übernahme des damit verbundenen Risikos. Die Gefahrtragung durch den Verkäufer ist hingegen bereits gesetzliche Folge der Vereinbarung eines Versendungskaufs (§§ 447, 474 BGB) und keine eigenständige Leistung.
Die Beklagte legt gerade darauf Wert, dass sie keine besonderen Preise für den Versendungskauf verlangt, sondern den gleichen Preis für alle drei Vertriebswege anbietet. Dies findet auch in ihren AGB Ausdruck, wo es heißt:
„Die Versandkosten übernimmt zum größten Teil C. Für Aufträge unter 300 € berechnen wir als kleinen Versandkostenanteil pauschal € 4,95. Ab einem Bestellwert von € 300 entfallen alle Versandspesen..."
Würde die streitgegenständliche Klausel fehlen, hätte die Klägerin kraft dispositven Rechts_ das Risiko und die - damit verbundenen Aufwendungen unentgeltlich zu tragen. Die Abwälzung der Aufwendundungen für eigene Verpflichtungen stellt jedoch eine Abweichung von Rechtsvorschriften dar (vgl. BGHZ 137, 46).
3. Die Klausel benachteiligt die Vertragspartner der Beklagten unangemessen.
a) Die unangemessene Benachteiligung ergibt sich schon daraus, dass der Verkäufer bei Vereinbarung eines Versendungskaufs das Transportrisiko ohnehin trägt. Es ist unangemessen, wenn der Käufer für eine Gefahrtragungsregelung zahlen muss, die ihn kraft Gesetzes. ohnehin begünstigt. Die Regelung verstößt damit gegen die Wertung der §§ 447,474 BGB. Selbst wenn nur ein versicherungsmathematischer Beitrag dem einzelnen Kunden aufgebürdet wird, so deckt doch das Gesamtaufkommen nach dem eigenen Vortrag der Beklagten einen großen Teil des Risikos ab. Auf die absolute Höhe des verlangten Entgelts kommt es nicht an.
b) Die Regelung verstößt aber insbesondere auch gegen das Transparenzgebot (307 I. S. 2 BGB). Dieses fordert insbesondere Verständlichkeit , Bestimmtheit und verbietet Täuschungen.
Durch die streitgegenständliche Formulierung wird dem durchschnittlichen Kunden jedoch suggeriert, dass er eine zusätzliche Leistung erhält, obwohl das Risiko bereits kraft Gesetzes bei der Beklagten liegt.. Dies ergibt sich schon aus der Überschrift „Versicherung” über der streitgegenständlichen Klausel.
Die Kammer geht darüber hinaus davon aus, dass die Regelung durchschnittlichen Verbraucher nicht bekannt ist.
Die Klausel stellt trotz der neutralen Formulierung, wonach die Beklagte das Risiko „trägt” und nicht „übernimmt” auch keinen Hinweis auf die Rechtslage dar. Dem stehen die Formulierungen "hierfür berechnen wir" und die Überschrift „Versicherung” gegenüber. Auf gesetzliche. Bestimmungen wird nicht Bezug genommen oder hingewiesen.
Das Hervorrufen des Eindrucks, eine zusätzliche Leistung zu erhalten, schlägt sich dementsprechend in der von der Beklagten - und ihren Mitbewerbern - festgestellten Akzeptanz der bisherigen Regelung nieder und in der Furcht der Beklagten vor Kommunikationsproblemen bei anderen möglicherweise aber rechtlich zulässigen Vereinbarungen (nachgereichter Schriftsatz vom 13.4.2006 S. 3).
Die Beklagte räumt selber ein, dass sie sich so einen wirtschaftlichen Vorteil sichert.
B. ..."
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