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Amtsgericht Frankfurt am Main Urteil vom 29.01.2010 -31 C 1078/09-78 - Lizensgebühr von 150 € bei illegalem Download im Filesharing
AG Frankfurt am Main v. 29.01.2010: Zur Haftung des Anschlussinhabers, zur Höhe der Lizenzgebühr für Downloads eines Musikstücks über eine Tauschbörse sowie zur Höhe der Abmahnkosten bei Bestehen einer Honorarvereinbarung mit dem abmahnenden Rechtsanwalt
Das Amtsgericht Frankfurt am Main (Urteil vom 29.01.2010 -31 C 1078/09-78) hat entschieden:
- Der als schadensersatzpflichtig in Anspruch genommene Anschlussinhaber trägt die sekundäre Darlegungslast zur Angabe der Person, welche in unberechtigter Weise auf seinen Internetanschluss zugegriffen hat bzw. eine Zugriffsmöglichkeit hatte. Die pauschale Behauptung, dass Dritte Personen am Tatzeitpunkt Zugriff auf den Internetanschluss hatten, ist unsubstantiiert und kann ihn nicht entlasten.
- Für einen rechtswidrigen Download eines Musikstücks über eine Tauschbörse im Filesharingverfahren ist als Schadensersatz eine Lizenzgebühr von 150 € angemessen.
- Besteht zwischen Auftraggeber und abmahnendem Anwalt eine Vereinbarung, wonach für die außergerichtliche Abmahntätigkeit ein Pauschalhonorar vereinbart ist, kann dem Auftraggeber auch nur hinsichtlich der Höhe der sich hiernach ergebenden anteiligen Kosten für die Abmahnung ein Schaden entstehen. Für auf Basis dieses Vertrages erbrachte außergerichtliche Tätigkeit des Bevollmächtigten steht ihm nur ein Honoraranspruch aus der geschlossenen Vereinbarung zu.
Siehe auch Abmahnkosten - Streitwert - Beauftragung eines Rechtsanwalts und Tauschbörsen - File-Sharing - eDonkey - Peer to Peer - P2P-Netze
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Schadensersatz wegen Urheberrechtsverletzung sowie Ersatz von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
Die Klägerin macht Ansprüche aus dem ausschließlichen Recht die Tonaufnahme "Guru Josh - Infinity 2008" über dezentrale Computernetzwerke auszuwerten und in solchen öffentlich zugänglich zu machen, geltend.
Am 24.11.2008 um 22:04:17 Uhr (MESZ) wurde über den Internetanschluss des Beklagten diese Tonaufnahme anderen Teilnehmern einer Tauschbörse zum Download angeboten.
Mit Schreiben vom 04.12.2008 machte die Klägerin urheberrechtliche Unterlassungsansprüche gegen den Beklagten geltend, forderte ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf und gab ihm unter Fristsetzun bis zum 18.12.2008 die Möglichkeit, durch Zahlung von EUR 450,00 sämtliche Schadensersatz- sowie Kostenerstattungsansprüche der Klägerin abzugelten, wobei sie ausführte, dass für dieses Abmahnschreiben die Anwaltskosten nach dem RVG an sich EUR 651,80 betragen.
Eine Zahlung durch den Beklagten erfolgte nicht.
Die Klägerin hat mit ihren Bevollmächtigten einen Beratungsvertrag abgeschlossen, im Rahmen dessen nach Aufwand abgerechnet wird. Im Rahmen dieses Vertrages werden die außergerichtlichen Abmahnungen vorgenommen, bei denen gleichzeitig ein Vergleichsangebot entsprechend der oben beschriebenen Form unterbreitet wird. In dem Fall, dass dieses Vergleichsangebot von der Gegenseite nicht angenommen wird, berichtigen die Bevollmächtigten dieses an die Klägerin. In einigen Fällen entscheidet sich die Klägerin sodann zur Klageerhebung. In diesen Fällen beauftragt die Klägerin ihre Bevollmächtigten Rechtsanwaltskosten gemäß einer 1,3 RVG-Gebühr aus einem Streitwert von EUR 10.000,00 einzuklagen. Über diese Gebühr wird sodann der Klägerin eine Rechnung erstellt.
Die Klägerin behauptet, dass ihr ein Schaden an außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 651,80 entstanden sei. Ihre Bevollmächtigten hätten eine entsprechende Vergütung in Rechnung gestellt und diese Rechnung sei von der Klägerin auch bezahlt worden. Die Klägerin erachtet des Weiteren einen Schadensersatz in Höhe von EUR 150,00 nach § 97 Abs. 2 UrhG für angemessen.
Die Klage ist dem Beklagten am 25.08.2009 zugestellt worden.
Im Termin am 09.11.2009 hat die Klägerin gegen den Beklagten ein Versäumnisurteil (Blatt 133 d.A.) erwirkt, welches diesem am 16.11.2009 zugestellt wurde. Dagegen hat der Beklagte am 30.11.2009 Einspruch eingelegt.
Die Klägerin beantragt,
das Versäumnisurteil vom 09.11.2009 aufrechtzuerhalten.
Der Beklagte beantragt,
das Versäumnisurteil vom 09.11.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Beklagte behauptet, die streitgegenständliche Tonaufnahme nicht anderen zum Download angeboten zu haben. Er behauptet, dass er am 24.10.2008 eine Feier veranstaltet habe und vermutet, dass hierbei auch anwesende Kinder die Tonaufnahme über seinen Anschluss angeboten haben. Er bestreitet, dass der Klägerin ein Schaden in Höhe einer 1,3 RVG-Gebühr aus einem Streitwert von EUR 10.000,00 entstanden sei. Er ist der Ansicht, dass nur aus der Ursprungsvereinbarung der Klägerin mit ihren Bevollmächtigten etwaig ein Schadensersatz berechnet werden könne.
Der Beklagtenvertreter hat den Termin am 09.11.2009 aufgrund eines Verkehrsstaus um ca. 20 Minuten verspätet erreicht. Er ist bei einer normalen Fahrtzeit von 4h 10 min ca. 5 Stunden vorher losgefahren und hat vor Terminsbeginn ergebnislos versucht, die Geschäftsstelle des Gerichts über seine Verspätung zu informieren.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf alle Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und sonstigen Aktenbestandteilen.
Entscheidungsgründe:
Der Einspruch ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.
In der Sache hat der Einspruch teilweise Erfolg.
I.
Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Frankfurt am Main ergibt sich aus § 32 ZPO. Danach ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die beanstandete Handlung begangen worden ist. Dies ist hier der Ort, an dem auch nur eines der spezifischen Tatbestandsmerkmale des Deliktes verwirklicht worden ist, also nicht nur der Begehungsort, sondern auch der Erfolgsort (vgl Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Auflage, § 32 Rn 16; LG München I, Urteil vom 10.01.2007, 21 O 20028/05, zit. nach juris) Da die ins Internet gestellte Tonaufnahme auch in Frankfurt aufgerufen werden konnte, war das Amtsgericht Frankfurt hier örtlich zuständig.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten Schadensersatzanspruch aus § 97 Abs. 2 UrhG wegen entgangener Lizenzgebühren in Höhe von EUR 150,00 zu.
Es ist davon auszugehen, dass der Beklagte die Urheberrechtsverletzung begangen hat. Die vom Beklagten vorgetragenen Einwendung gegen den klägerischen Vortrag sind nicht geeignet, den klägerischen Anspruch zu Fall zu bringen. Das Bestreiten eines persönlichen Anbietens der Tonaufnahmen durch den Beklagten ist unsubstantiiert und nicht ausreichen.
Zwar trifft die Darlegungs- und Beweislast für alle anspruchsbegründenden Merkmale in § 97 Abs. " UrhG den Anspruchssteller, hier also die Klägerin.
Allerdings trifft den Anspruchsgegner eine sekundäre Darlegungslast. Als solche wird die Last einer Gegenpartei bezeichnet, sich im Rahmen der ihr nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht zu den Behauptungen der darlegungspflichtigen Partei zu äußern. Eine solche sekundäre Darlegungslast kann insbesondere dann angenommen werden, wenn sich die maßgeblichen Vorgänge im Wahrnehmungsbereich des Prozessgegners abgespielt haben. (vgl. BGHZ 100, 190 [196]: BGH, NJW 1999, 714 [175]).
Die Klägerin kann vorliegend keine konkrete Kenntnis davon haben, wer den Internetanschluss des Beklagten im ermittelten Zeitpunkt tatsächlich genutzt hat.
Nach diesen Maßstäben ist das Bestreiten des Beklagten, er habe die Datei nicht persönlich angeboten unzureichend.
Der Beklagte trägt die sekundäre Darlegungslast zur Angabe der Person, welche in unberechtigter Weise auf seinen Internetanschluss zugegriffen hat bzw. eine Zugriffsmöglichkeit hatte (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.12.2007, Az.: 11 W 58/07, zu finden in juris). Dieser Darlegungslast ist der Beklagte nicht nachgekommen. Die pauschale Behauptung, dass Dritte Personen am Tatzeitpunkt Zugriff auf den Internetanschluss hatten, ist unsubstantiiert und eine konkrete Benennung bzw. ein Beweisangebot liegt mit der Benennung von Zeugen N.N. nicht vor.
Nachdem der Beklagte hierauf von der Klägerin umfassend unter Bezugnahme auf Rechtsprechungshinweise hingewiesen wurde, bedurfte es insoweit keines weiteren Hinweises des Gerichts.
Die Klägerin kann den Ersatzanspruch nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechnen. Hiernach steht der Klägerin eine angemessene Lizenzvergütung in der Höhe zu, die vernünftige Parteien bei Abschluss eines fiktiven Lizenzvertrages in Kenntnis der wahren Rechtslage und der konkreten Umstände des Einzelfalles als angemessene Lizenzgebühr vereinbart hätten.
Das Gericht erachtet eine Lizenzgebühr in Höhe von EUR 150,00 für angemessen (§ 287 ZPO).
Der sich hierauf beziehende Zinsanspruch der Klägerin beruht auf den §§ 288,290 BGB.
Ein weitergehender Anspruch der Klägerin auf Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten ist nicht gegeben.
Es kann insoweit dahinstehen, ob die Klägerin an ihre Bevollmächtigten tatsächlich Rechtsanwaltskosten in höhe von EUR 651,80 gezahlt hat, denn selbst im Falle einer entsprechenden Zahlung würde der Klägerin kein Anspruch auf Erstattung in entsprechender Höhe zustehen.
Der Klägerin wäre auch im Falle einer entsprechenden Zahlung kein erstattungsfähiger Schaden in entsprechender Höhe entstanden.
Ein Schaden ist eine unfreiwillige Einbuße. Insoweit die Klägerin an ihre Bevollmächtigten eine Zahlung von Rechtsanwaltskosten gemäß einer 1,3 RVG-Gebühr aus einem Streitwert von EUR 10.000,00 geleistet haben mag, so würde es sich jedoch nicht um eine unfreiwillige Einbuße handeln.
Gemäß dem Vorbringen der Klägerin besteht eine Vereinbarung, wonach für die außergerichtliche Abmahntätigkeit ein Pauschalhonorar vereinbart ist. Nur die Höhe der sich hiernach ergebenden Kosten für die hier gegenständliche Abmahnung ist der Klägerin ein Schaden in Form einer unfreiwilligen Einbuße entstanden. Die auf Basis dieses Vertrages erbrachte außergerichtliche Tätigkeit der Bevollmächtigten der Klägerin stand ein Honoraranspruch aus der geschlossenen Vereinbarung zu.
Insoweit sich die Klägerin im Anschluss hieran entschieden hat, einen Klageauftrag zu erteilen, in der Klage eine 1,3 RVG-Gebühr aus einem Streitwert von EUR 10.000,00 geltend zu machen und nunmehr (nach Abschluss jeglicher Tätigkeit) entsprechend ein Honorar in Höhe einer 1,3 RVG-Gebühr aus einem Streitwert von EUR 10.000,00 zu zahlen, so handelt es sich um eine freiwillige Entscheidung der Klägerin. Den Bevollmächtigten der Klägerin stand kein entsprechender Honoraranspruch zu. Gemäß dem Vortrag der Klägerin bestand insbesondere auch keine grundsätzliche Vereinbarung dahingehend, dass den Bevollmächtigten der Klägerin im Falle der Klageerhebung eine entsprechende Gebühr zusteht, sondern die Entscheidung über die Geltendmachung und etwaige Zahlung einer entsprechenden Gebühr wird ausschließlich durch die Klägerin getroffen.
Eine entsprechende Geltendmachung gegenüber dem Beklagten kommt nach alledem nicht in Betracht. Die Klägerin ist vielmehr darauf verwiesen, ihren Schaden gemäß der sich aus dem geschlossenen Beratungsvertrag ergebenden Vermögenseinbuße zu berechnen und geltend zu machen.
Zur Höhe des sich hiernach ergebenden Schadens mangelt es jedoch an jeglichem Vortrag, so dass die Klage insgesamt abzuweisen war.
Nachdem der Beklagte seit Prozessbeginn bestritten hat, dass der Klägerin ein Schaden in Höhe einer 1,3 RVG-Gebühr aus einem Streitwert von EUR 10.000,00 entstanden ist, mehrfach behauptet hat, dass es eine abweichende Honorarvereinbarung zwischen der Klägerin und ihren Bevollmächtigten geben muss, auch im Termin vom 18.01.2010 abschließend nochmals darauf hinwies, dass die Klägerin wenn überhaupt nur gemäß der tatsächlich getroffenen Honorarvereinbarung einen Schadensersatzanspruch geltend machen kann und diese Frage auch Gegenstand der umfassenden Erörterungen im Termin vom 18.01.2010 war, bedurfte es diesbezüglich keines weiteren gerichtlichen Hinweises.
Die Kostenentscheidung beruht auf den § 91 Abs. 1 ZPO. § 344 ZPO war nicht anzuwenden, da der Beklagte zum Termin am 09.11.2009 unverschuldet nicht rechtzeitig erschienen ist. Der Beklagte hat sich durch den ergänzenden und glaubhaften Vortrag seines Bevollmächtigten im Termin am 18.01.2010 hinreichend entschuldigt (§ 337 ZPO). Der Beklagtenvertreter hat hiernach eine hinreichende Fahrzeit auch unter Berücksichtigung eines Verkehrsstaus eingeplant und weiterhin auch versucht, das Gericht telefonisch über seine Verspätung zu informieren. Er war nach alledem objektiv entschuldigt.
Der Anspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.