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OLG Schleswig v. 05.02.2010: Der Anspruch auf Drittauskunft nach § 101 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 9 UrhG setzt nach herrschender Meinung eine Rechtsverletzung in „gewerblichem Ausmaß“ voraus, auch wenn in § 101 Abs. 2 UrhG ausdrücklich nur ein gewerbliches Handeln des auf Auskunft in Anspruch genommenen Dienstleisters genannt ist. Gewerbliches Ausmaß hat jede Rechtsverletzung, die auf einen unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen oder kommerziellen Vorteil ausgerichtet ist. Eine Gewinnerzielungsabsicht oder eine gewisse Regelmäßigkeit oder Dauer sind danach für ein gewerbliches Ausmaß der Rechtsverletzung nicht erforderlich. Dasselbe gilt für die Erzielung dauerhafter Einnahmen.
Das OLG Schleswig (Beschluss vom 05.02.2010 - 6 W 26/09) hat entschieden:
Der Anspruch auf Drittauskunft nach § 101 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 9 UrhG setzt nach herrschender Meinung eine Rechtsverletzung in „gewerblichem Ausmaß“ voraus, auch wenn in § 101 Abs. 2 UrhG ausdrücklich nur ein gewerbliches Handeln des auf Auskunft in Anspruch genommenen Dienstleisters genannt ist. Gewerbliches Ausmaß hat jede Rechtsverletzung, die auf einen unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen oder kommerziellen Vorteil ausgerichtet ist. Eine Gewinnerzielungsabsicht oder eine gewisse Regelmäßigkeit oder Dauer sind danach für ein gewerbliches Ausmaß der Rechtsverletzung nicht erforderlich. Dasselbe gilt für die Erzielung dauerhafter Einnahmen.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin ist eine deutsche Tonträgerherstellerin und wertet Tonaufnahmen in Deutschland mit ausschließlichem Nutzungsrecht an kostenpflichtigen Downloadportalen im Internet und an verschiedenen Tonträgern aus, so u.a. das am 20. März 2009 veröffentliche Musikalbum der Gruppe S „…“. Dieses Album wird auch in einer Version als Limited Edition mit Bonus-Live-CD im Hardcover Buch als Doppel-CD vertrieben. Die Antragstellerin begehrt nach der Bereithaltung der Bild-/Tonaufnahmen in den Internettauschbörsen A und B durch Internetnutzer im Zusammenhang mit der Verfolgung eines Auskunftsanspruchs gem. § 101 Abs. 2 UrhG eine richterliche Anordnung über die Zulässigkeit der Verwendung von Verkehrsdaten gem. § 101 Abs. 9 UrhG, die die Beteiligte für dynamische IP-Adressen am 9. August 2009 erhoben hat.
Die Antragstellerin trägt vor, von bislang unbekannten Internetnutzern sei am 9. August 2009 das geschützte Musikwerk in den Internettauschbörsen B bzw. A widerrechtlich zum Herunterladen angeboten worden. Hierzu hätten die jeweiligen Nutzer Internetzugänge der Beteiligten bzw. etwaiger weiterer beteiligter Dienstleister (Reseller) genutzt. Gegenüber den beteiligten Internetdienstleistern bestehe ein Anspruch auf Auskunftserteilung über die Verletzer, insbesondere auf Angabe der Namen und Anschriften gem. §§ 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 3 Nr. 1, 16, 17, 19a UrhG. Weil die Auskunft nur unter Verwendung von Verkehrsdaten erteilt werden könne, sei nach § 101 Abs. 9 UrhG eine vorherige richterliche Anordnung über die Zulässigkeit der Verwendung der Verkehrsdaten erforderlich.
Im Wege der einstweiligen Anordnung ist auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin mit Senatsbeschluss vom 13. August 2009 (6 W 15/09) der Beteiligten bis zum Abschluss des Verfahrens untersagt worden, die maßgeblichen Daten zu löschen, aus denen sich die Namen und Adressen der Nutzer anhand der zu den angegebenen Zeitpunkten zugeteilten IP-Adresse ergeben.
Durch den jetzt mit der Beschwerde angegriffenen Beschluss hat das Landgericht den Antrag auf Gestattung der Auskunftserteilung durch die Beteiligte zurückgewiesen. Auf den Inhalt des Beschlusses wird Bezug genommen.
Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin die Zulassung der Verwendung von Verkehrsdaten weiter.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gem. § 101 Abs. 9 Satz 6 UrhG zulässig und begründet. Im Verhältnis zur Antragstellerin ist die Verwendung der Verkehrsdaten der Beteiligten zu den bezeichneten IP-Adressen vom 9. August 2009 nach § 101 Abs. 9 Satz 1, Abs. 2 Nr. 3 UrhG zulässig.
Für das – vor dem 1. September 2009 eingeleitete – Verfahren gelten auch nach dem Inkrafttreten des FamG die Vorschriften des FGG gem. § 101 Abs. 9 Satz 4 UrhG i.V.m. Artikel 111 Abs. 1 Satz 1 FGG -Reformgesetz weiter. Die Antragstellerin hat die Voraussetzung für eine Anordnung nach § 101 Abs. 2, Abs. 9 UrhG gem. § 15 FGG glaubhaft gemacht.
Die Antragstellerin ist als Inhaberin des ausschließlichen Verwertungsrechts des Musikalbums der Gruppe S „…“ im Sinne der §§ 16, 17, 19a UrhG aktivlegitimiert. Durch die unbefugte öffentliche Zugänglichmachung des urheberrechtlich geschützten Werks über die Internettauschbörsen A und B liegen offensichtliche Verletzungen des Rechts aus § 19a UrhG in gewerblichem Ausmaß vor.
1. Der Anspruch auf Drittauskunft nach § 101 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 9 UrhG setzt nach herrschender Meinung eine Rechtsverletzung in „gewerblichem Ausmaß“ voraus, auch wenn in § 101 Abs. 2 UrhG ausdrücklich nur ein gewerbliches Handeln des auf Auskunft in Anspruch genommenen Dienstleisters genannt ist. Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.
Für das zusätzliche Erfordernis einer Verletzung in „gewerblichem Ausmaß“ spricht, dass § 101 Abs. 2 Satz 1 UrhG der Durchsetzung des Anspruchs aus Abs. 1 dient und in Anknüpfung an dessen Voraussetzungen den Kreis der zur Auskunft Verpflichteten erweitert („…unbeschadet von Abs. 1 auch…“).
Wenn schon das „gewerbliche“ Ausmaß Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Verletzers ist, dann muss dies bei wertender Betrachtung des Gesetzes auch gegenüber den in § 101 Abs. 2 UrhG benannten Dritten gelten (s. auch OLG Oldenburg, OLGR Oldenburg 2009, 109 ff.). Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die der Gesetzesneufassung zugrunde liegende Enforcement-Richtlinie (Richtlinie 2004/48/EG vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums), die ebenfalls eine Rechtsverletzung im „gewerblichen Ausmaß“ voraussetzt, sowie durch die Gesetzesbegründung, aus der sich das Erfordernis einer auch für die Drittauskunft qualifizierten Rechtsverletzung ergibt (vgl. BT-Drucksache 16/5048, S. 49).
Die Beteiligte stellt ihre Internetanschlüsse in gewerblichem Ausmaß den Internetnutzern zur Verfügung.
Dies gilt im vorliegenden Fall auch für die Rechtsverletzung.
In Rechtsprechung und Literatur wird bislang nicht gänzlich einheitlich gewertet, welche Voraussetzungen an eine Rechtsverletzung „gewerblichen Ausmaßes“ zu knüpfen sind (vgl. Musiol GRUR-RR 2009, 1 ff.; Otten GRUR-RR 2009, 369 ff. – beide mit umfangreichem Rechtsprechungsnachweis –; OLG Köln GRUR-RR 2009, 9 ff.; OLG Zweibrücken GRUR-RR 2009, 12 ff.; LG Darmstadt GRUR-RR 2009, 13 ff.; LG Frankfurt GRUR-RR 2009, 15 f.; OLG Oldenburg a.a.O.).
Im Erwägungsgrund 14 zur Entforcement-Richtlinie ist der Begriff des „gewerblichen Ausmaßes“ näher erläutert. Danach ist jede Rechtsverletzung erfasst, die auf einen unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen oder kommerziellen Vorteil ausgerichtet ist. Eine Gewinnerzielungsabsicht oder eine gewisse Regelmäßigkeit oder Dauer sind danach für ein gewerbliches Ausmaß der Rechtsverletzung nicht erforderlich. Dasselbe gilt für die Erzielung dauerhafter Einnahmen.
Der Senat folgt für den Bereich des Filesharing der Auffassung, dass eine Mindestanzahl von Abrufen bereitgehaltener Dateien für die Annahme gewerbsmäßigen Ausmaßes nicht erforderlich ist (so auch LG Darmstadt GRUR-RR 2009, 13). Maßgeblich ist vielmehr, dass der Nutzer eines Filesharing-Dienstes danach strebt, einen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen. Ohne gegenteilige Anhaltspunkte kann der Abruf einer urheber- oder leistungsschutzrechtlich geschützten Datei in einem legalen Umfeld nach allgemeiner Lebenserfahrung nur gegen Entgelt erwartet werden. Der Anbieter eines geschützten Werks in einem Filesharing-Dienst erzielt den wirtschaftlichen Vorteil, Aufwendungen zu ersparen. Denn mit dem Einstellen von Dateien in einen solchen Dienst bezweckt er, gleichermaßen eingestellte Dateien anderer Nutzer dieses Dienstes ebenfalls kostenfrei – widerrechtlich – herunterladen zu können. Somit ist auch das Heraufladen von Dateien für die Weiterverbreitung an eine unbegrenzte Zahl möglicher Nutzer eine Rechtsverletzung, die unmittelbar auf die Erlangung eines Vorteils ausgerichtet ist. Das öffentliche Angebot einer Datei zum Herunterladen ist keine private Nutzung (vgl. OLG Köln, Magazindienst 2009, 489 ff.).
Das „gewerbliche Ausmaß“ der hier maßgeblichen Rechtsverletzungen ergibt sich zudem aus der Schwere der Rechtsverletzungen ( § 101 Abs. 1 Satz 2 UrhG; BT-Drucksache 16/8783, S. 50). Entscheidend bei der Feststellung der Schwere der Rechtsverletzung ist, ob diese üblicherweise mit einer auf einem gewerblichen Handeln beruhenden Rechtsverletzung verbunden ist. Der Senat folgt der Ansicht, dass dieses Ausmaß auch bei einem einmaligen Angebot eines kompletten Musikalbums während der relevanten Verkaufs- und Verwertungsphase erreicht wird (OLG Köln a.a.O.). Wer ein solches Album unkontrolliert zum Herunterladen durch die Öffentlichkeit in eine Tauschbörse einstellt, verliert jeglichen Einfluss über die weitere Verbreitung dieser Datei und fügt dem Rechtsinhaber einen unkontrollierbaren Schaden zu. Ein solches Verhalten stellt eine Rechtsverletzung im Ausmaß entsprechend einer widerrechtlichen gewerblichen Nutzung der fremden Rechte durch den Verletzer dar.
Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass unter den in der Anlage aufgeführten IP-Adressen zu den jeweils aufgeführten Zeitpunkten die angegebenen Dateien angeboten wurden.
Das Musikalbum „…“ der Gruppe S ist am … März 2009 veröffentlich und auf den Markt gebracht worden. Am 9. August 2009 befand sich dieses Musikalbum weiterhin in der relevanten Verkaufs- bzw. Verwertungsphase. Dies ergeben die Darlegungen zu den entsprechenden Chart-Platzierungen in der Zeit von der 15. bis zur 33. Kalenderwoche 2009 (S. 9, 10 der Antragschrift vom 10. August 2009).
2. Der Anordnung steht nicht entgegen, dass die IP-Adressen möglicherweise Internet-Anschlüssen zugeordnet waren, deren Inhaber nicht selbst Verletzer im Sinne des Urheberrechts sind, sondern allenfalls als Störer haften. § 101 Abs. 2 UrhG setzt lediglich voraus, dass eine offensichtliche Rechtsverletzung vorliegt, nicht aber, dass diese Rechtsverletzung offensichtlich von einer bestimmten Person begangen worden ist. Das Anliegen des Gesetzgebers, die Verfolgung illegaler Verbreitung von geschützten Werken zu ermöglichen, würde leerlaufen, wenn die Gestattung der Auskunft aufgrund einer solchen Möglichkeit, die letztlich nie auszuschließen ist, so lange die Auskunft nicht erteilt ist, abzulehnen wäre.
Zutreffend weist das Landgericht darauf hin, dass bei einigen Softwareprodukten die Möglichkeit besteht, durch entsprechende Konfiguration des Clientprogrammes auf dem Rechner des Anschlussinhabers oder durch eine entsprechende Systemkonfiguration das Herunterladen von Daten gänzlich zu unterbinden. In einem solchen Fall wäre eine Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß allerdings zu verneinen, weil bei einer entsprechenden Einstellung der Software ein Herunterladen von Dateien nicht möglich wäre. Die Antragstellerin hat demgegenüber substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht, dass aufgrund der Verwendung eines Suchprogramms die entsprechenden Hash-Werte entdeckt und testweise Dateien heruntergeladen werden konnten, wodurch die offensichtlichen Urheberrechtsverletzungen deutlich gemacht worden sind. Die Verwender nutzten also eventuelle technische Möglichkeiten, das Herunterladen zu verhindern, gerade nicht.
3. Die Auskunftserteilung ist verhältnismäßig ( § 101 Abs. 4 UrhG ).
Dem tatsächlichen Aufwand der Beteiligten, die entsprechenden Auskünfte zu erteilen, wird durch die Regelung zu Aufwendungsersatzansprüchen gem. § 101 Abs. 2 Satz 3 UrhG Rechnung getragen. Nur ausnahmsweise besteht ein Drittauskunftsanspruch dann nicht, wenn der Berechtigte kein oder nur ein äußerst geringes Interesse an der Auskunft hat und das Interesse des Verpflichteten an der Geheimhaltung seiner Betriebsinterna oder auch nur angesichts des mit der Auskunftserteilung verbundenen Arbeitsaufwandes höher wiegt. Anhaltspunkte dafür sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Wie oben dargestellt, betrafen die einzelnen Rechtsverletzungen ein vollständiges aktuelles Musikalbum, also keine geringfügigen Urheberrechtsverletzungen.
4. Dieses Ergebnis hält auch grundgesetzlichen Wertmaßstäben stand. In das Grundrecht der den jeweiligen IP-Adressen zugeordneten Personen auf Schutz der Privatsphäre und der individuellen Kommunikation ohne Kenntnis Dritter (Fernmeldegeheimnis, Art. 10 Abs. 1 GG ) wird nicht in verfassungswidriger Weise eingegriffen.
Wie dargelegt gefährdet das öffentliche Zugänglichmachen eines kompletten Albums in der relevanten Verkaufsphase in einer Internet-Tauschbörse die wirtschaftliche Verwertung des Werks durch den Berechtigten und damit das durch Art. 14 GG geschützte Urheberrecht in erheblicher Weise, weil nicht mehr kontrollierbar ist, in welchem Umfang von dem Angebot – widerrechtlich – Gebrauch gemacht wird.
Demgegenüber ist der vermeintliche Rechtsverletzer im Verfahren nach § 101 Abs. 2, Abs. 9 UrhG insoweit geschützt, als die ihn betreffenden Verkehrsdaten nur im Falle einer „offensichtlichen“ Rechtsverletzung „gewerblichen Ausmaßes“ und nur aufgrund richterlicher Entscheidung verwertet werden dürfen. Im Übrigen wird seine Rechtsposition durch eine entsprechende richterliche Anordnung nur mittelbar beeinträchtigt, denn erst einem späteren Verfahren ist die Feststellung vorbehalten, ob die geltend gemachte Rechtsverletzung von dem vermeintlichen Rechtsverletzer begangen worden ist und dieser zu Recht auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen werden kann.
Zu berücksichtigen ist bei der Frage nach der Intensität des Eingriffs in das Schutzrecht aus Art. 10 Abs. 1 GG weiter, dass die Mitteilung der dynamischen IP-Adresse, die zu einem bestimmten Zeitpunkt einem Anschlussinhaber zugewiesen war, wegen dieses relativ kurzen Zuweisungszeitraums nur beschränkte Informationen über die Kommunikation des betroffenen Internetnutzers liefert.
Wegen der relativ geringen Intensität des Eingriffs in das Fernmeldegeheimnis tritt deshalb das Schutzrecht des von der Auskunft betroffenen Anschlussinhabers gegenüber dem Anliegen zurück, offensichtliche Urheberrechtsverletzungen gewerblichen Ausmaßes zivilrechtlich verfolgen zu können.
5. Die Antragstellerin hat eine Gebühr gem. § 128e Abs. 1 Nr. 4 KostO zu tragen.
Im Übrigen ist das Beschwerdeverfahren gem. § 131 Abs. 3 KostO gebührenfrei.
Die außergerichtlichen Kosten tragen die Parteien selbst.
Die Festsetzung des Geschäftswerts für beide Rechtszüge durch den Senat beruht auf §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 2, 31 Abs. 1 Satz 2 KostO. Anhaltspunkte für einen vom Regelwert abweichenden Geschäftswert liegen nicht vor ( § 30 Abs. 2 Satz 2 KostO ).
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