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Landgericht Karlsruhe Urteil vom 08.08.2007 - 13 O 76/07 KfH I - Die Belehrung auf einer Internetseite genügt nicht den Anforderungen der Textform

LG Karlsruhe v. 08.08.2007: Die Belehrung auf einer Internetseite genügt nicht den Anforderungen der Textform


Das Landgericht Karlsruhe (Urteil vom 08.08.2007 - 13 O 76/07 KfH I) hat entschieden:

   § 312c Abs. 1 BGB macht die Belehrung in Textform nicht überflüssig. Er statuiert vielmehr eine zusätzliche Informationspflicht bei Fernabsatzverträgen und wird ergänzt durch die ausdrückliche Verpflichtung, dem Verbraucher die entsprechenden Informationen (auch) in Textform mitzuteilen und zwar bei der Lieferung von Waren spätestens bis zu deren Lieferung an den Verbraucher. Genügt danach nicht schon die Belehrung auf einer Internetseite den Anforderungen der Textform, so greift daher zwingend § 355 Abs. 2 BGB ein und es gilt eine einmonatige Widerrufsfrist.




Siehe auch Widerrufsbelehrung und Textform


Zum Sachverhalt:


Die Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) betreibt einen der regional größten Heizungs- und Sanitärfachmärkte mit der gesamten Angebotspalette aus dem Segment Heizungs- und Sanitärartikel.

Die Verfügungsbeklagte vertreibt auf der Handelsplattform … unter dem Namen “…” Pumpen und Hebeanlagen. Am 22.05.07 veröffentlichte sie das auch an den Endverbraucher gerichtete, eine Hebeanlage betreffende Angebot unter eBay Artikelnummer 150124981521. Dabei belehrte sie auf der “Mich-Seite” unter “Widerrufsrecht” u.a. wie folgt:

   “Sie können die erhaltene Ware ohne Angabe von Gründen innerhalb von zwei Wochen durch Rücksendung der Ware zurückgeben. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt der Ware und dieser Belehrung …”

sowie:

   “Bei einer Verschlechterung der Ware kann Wertersatz verlangt werden. Dies gilt nicht, wenn die Verschlechterung der Ware ausschließlich auf deren Prüfung, wie sie Ihnen etwa im Ladengeschäft möglich gewesen wäre, zurückzuführen ist. Im Übrigen können sie die Wertersatzpflicht vermeiden, in dem sie die Ware nicht wie ein Eigentümer in Gebrauch nehmen und alles unterlassen, was deren Wert beeinträchtigt”.

Die Klägerin hat die Beklagte dieserhalb erfolglos abgemahnt und trägt vor, diese Belehrung sei unrichtig. Gemäß § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB betrage die Widerrufsfrist einen Monat, wenn die Belehrung über den Widerruf in Textform erst nach Vertragsschluss erfolge. Das Vorhalten solcher Informationen im Internet ohne Abspeicherung durch den Verbraucher wie die vom Beklagten bei … verwendete Belehrung erfülle nicht die Anforderungen an die Textform. Auch die Verwendung des Begriffs “frühestens” sei nicht klar und verständlich. Die Verwendung der Anlage zu § 14 BGB/InfoV entfalte keine Schutzwirkung, weil es bei dem Inhalt der Anlage 2 ausschließlich um die in Textform erteilte Belehrung gehe. Ein missbräuchliches Vorgehen liege nicht vor. Der Umsatz der Klägerin belaufe sich auf siebenstellige Jahreszahlen. Zutreffend sei, dass die Klägerin in den vergangenen zwei Jahren 50 bis 60 Mitarbeiter wegen Wettbewerbsverstößen durch Widerrufbelehrungen oder AGB habe abmahnen lassen. Den behaupteten Umsatz der Beklagten im Raum Kiel seit 01.01.06 bestreitet die Klägerin mit Nichtwissen.

Die Beklagte trug vor, es fehle an der für den Erlass einstweiliger Verfügungen erforderlichen Dringlichkeit. Die Parteien seien nicht Wettbewerber, die Klägerin sei im Heizungsbau tätig, die Beklagte verkaufe Pumpen. Gegen § 312c Abs. 1 BGB habe sie, die Beklagte, nicht verstoßen, da dieser keine Textform verlange. Sie habe wörtlich das Muster für die Rückgabebelehrung nach Anlage 3 zur BGB-InfoV übernommen. Auch ein Verstoß gegen § 356 Abs. 1,3 BGB liege nicht vor. Das über … gemachte Angebot und seine Bedingungen sei vor und nach Annahme des Angebots durch den Käufer nicht mehr abänderbar. Schließlich sei § 312c Abs. 2 BGB eine dem § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB vorgehende spezialgesetzliche Regelung. Jedenfalls sei die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen vorliegend gemäß § 8 Abs. 4 UWG rechtsmissbräuchlich. So habe die Klägerin nach eigenen Angaben 50 bis 60 wirkliche oder vermeintliche Wettbewerber abmahnen lassen und sich dabei stets auf Klauseln bezogen, die keine oder nur geringfügige Bedeutung hätten. Sie, die Beklagte habe im Raum … seit 01.01.06 nur eine Lieferung ihres Sortiments zu einem Gesamtumsatz von EUR 148,26 netto erbracht. Außerdem würden seitens der Klägerin Streitwerte angegeben, die in krassem Missverhältnis zu deren Interesse stünden, so könne der Streitwert vorliegend 1 000,00 € nicht überschreiten.

Das Gericht hat die Einstweilige Verfügung aufrecht erhalten.





Aus den Entscheidungsgründen:


"... 1.) Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch gemäß §§ 8 Abs. 1 und Abs. 3, 3, 4 Nr. 11 UWG zu, weil sie einer gesetzlichen Vorschrift zuwidergehandelt hat, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Zu diesen Vorschriften, deren Verletzung regelmäßig wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche auslöst, gehört auch die Belehrung über ein bestehendes Widerrufsrecht nach § 355 BGB (OLG Karlsruhe, WRP 06, 1039).

Es bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass die Klägerin Mitbewerber der Beklagten im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1, 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG ist. Zumindest soweit die Beklagte Pumpen für Heizungsanlagen anbietet, überschneidet sich ihr Angebot ersichtlich mit den von der Klägerin angebotenen Heizungsanlagen und -teilen.

Die Beklagte, die mittels Fernabsatzverträgen mit Verbrauchern kontrahiert, hat mit der streitgegenständlichen Widerrufsbelehrung gegen ihre Verpflichtung nach § 312c Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 BGB verstoßen. Danach hat der Unternehmer den Verbraucher rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärung in einer dem eingesetzten Fernkommunikationsmittel entsprechenden Weise klar und verständlich die Informationen zur Verfügung zu stellen, für die die BGB-InfoV bestimmt ist, also gemäß § 1 Nr. 10 BGB-InfoV die Voraussetzungen für das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufs- oder Rückgaberechts sowie die Bedingungen, Einzelheiten der Ausübung usw.



a) Dazu gehört vor allem auch die Widerrufs- beziehungsweise Rückgabefrist. Die Beklagte hat die Interessenten ihres Angebots bei … auf der von der Klägerin beanstandeten “Mich-Seite” insoweit dahin belehrt, dass die Ware innerhalb von zwei Wochen durch Rückgabe der Ware zurückgegeben werden könne. Diese Belehrung ist unzutreffend und verstößt daher gegen § 312c Abs. 1 Nr. 1 BGB, welcher nicht nur eine formale Information sondern vor allem eine klare und zutreffende Information verlangt. Denn die Widerrufsfrist beträgt dann, wenn die Belehrung in Textform erst nach Vertragschluss mitgeteilt wird, einen Monat. Dies gilt, wie die Beklagte im übrigen durch die aktuell verwendete Belehrung selbst einräumt, auch dann, wenn vor Vertragsschluss im Internet wie geschehen belehrt wird. § 312c Abs. 1 BGB macht die Belehrung in Textform nicht überflüssig. Er statuiert vielmehr eine zusätzliche Informationspflicht bei Fernabsatzverträgen und wird ergänzt durch die ausdrückliche Verpflichtung, dem Verbraucher die entsprechenden Informationen (auch) in Textform mitzuteilen und zwar bei der Lieferung von Waren spätestens bis zu deren Lieferung an den Verbraucher. Genügt danach nicht schon die Belehrung auf einer Internetseite den Anforderungen der Textform, so greift daher zwingend § 355 Abs. 2 BGB ein und es gilt eine einmonatige Widerrufsfrist.

So liegt es auch bei den vorliegenden Onlineangeboten der Beklagten über die Internetplattform … (OLG Hamburg, MMR 06, 675). Denn auch die Widerrufsbelehrung des Beklagten auf der “Mich-Seite” bei … genügt nicht der “Textform”, welche gemäß § 126b BGB vielmehr verlangt, dass die Erklärung in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneten Weise abgegeben wird. Nach derzeit wohl herrschender obergerichtlicher Rechtsprechung ist daher bei Texten, die in das Internet eingestellt werden, dem Empfänger aber nicht (zum Beispiel per E-Mail) übermittelt worden sind, § 126b BGB nur gewahrt, wenn es tatsächlich zum Ausdruck oder zur Abspeicherung bei abrufenden Verbrauchern kommt (KG NJW 06, 3215 ff; OLG Hamburg a.a.O., OLG Hamm, ZIP 07, 824). Informationen auf einer Webseite alleine sind dagegen nicht ausreichend, solange sie nur im Arbeitsspeicher des Computers, im Cache des Browsers oder in sonstiger flüchtiger Form und damit nicht dauerhaft im Machtbereich des Empfängers gespeichert und zugleich dem Zugriff des Erklärenden entzogen sind (vgl. Junker in: Juris PK-BGB, 3. Auflage, § 126b, Rn. 13.0; Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Auflage, § 126b, Rn. 3; anders wohl Einsele, Müko BGB, 3. Auflage, § 126 BGB und Staudinger/Hertel, Rn. 28).

Soweit die Beklagte geltend macht, das über … gemachte Angebot und seine Bedingungen seien vor und nach Annahme des Angebots durch den Käufer nicht mehr abänderbar, führt dies nicht zu abweichender Beurteilung. Auch wenn die Internetplattform die AGB dauerhaft speichert, reicht dies jedenfalls solange nicht aus, als die Speicherung wieder aufgehoben werden und, wie die von der Klägerin ohne beachtlichen Gegenvortrag oder gar Glaubhaftmachung der Beklagten dargelegt, durch entsprechende Darstellungs/Wiedergabetechniken des Anbieters problemlos unterlaufen werden kann (vgl. auch OLG Hamburg a.a.O. Seite 676).




Wurde die erforderliche Belehrung in Textform nach allem erst nach Vertragschluss mitgeteilt, so galt die einmonatige Widerrufsfrist beziehungsweise Rückgabefrist nach §§ 355 II 1, 356 II BGB.

b) Danach beanstandet die Klägerin zu Recht auch, dass nach der streitgegenständlichen Belehrung die Frist “frühestens mit Erhalt der Ware und dieser Belehrung” beginne. Denn die Widerrufsfrist beginnt nach § 355 BGB zu dem Zeitpunkt, zu dem dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht in Textformzugeht, beziehungsweise nach weiteren Erfordernissen in § 312d Abs. 2 BGB mit Widerrufsbelehrung in Textform und Lieferung der Ware. Mit Erhalt der Ware beginnt die Frist gemäß § 312d Abs. 2 BGB also nur dann, wenn dem Verbraucher bis dahin auch die Widerrufsbelehrung in Textform zugegangen ist. Dem genügt der Hinweis auf die lediglich im Internet, mithin nicht in Textform abgespeicherte Belehrung nicht (vgl. KG, NJW 06, 3215).

c) Schließlich ist die einstweilige Verfügung auch in Punkt I. c zu Recht ergangen. Gemäß § 357 Abs. 3 BGB hat der Verbraucher abweichend von § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB Wertersatz für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung nur dann zu leisten, wenn er spätestens bei Vertragsschluss in Textform auf diese Rechtsfolge und eine Möglichkeit hingewiesen worden ist, sie zu vermeiden. Diese Voraussetzung liegt nicht vor, so dass die Belehrung des Beklagten auch insoweit unzutreffend ist.

Die Auffassung, bei § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB handle es sich um eine allgemeine Vorschrift, denen § 312c Abs. 1 und Abs. 2 BGB als Spezialvorschriften auch bezüglich der Rechtsfolgen vorgingen, vermag sich die Kammer nicht anzuschließen. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass hier durch das Erfordernis einer Belehrung in Textform bereits vor Vertragsschluss für die verschärfte Haftung des Verbrauchers modifiziert werden sollte. Dem Erfordernis der Belehrung in Textform kommt insoweit ersichtlich Warnfunktion bei verschärfter, die Rücktrittsvorschriften zu Lasten des Verbrauchers modifizierender Haftung zu. Dies wird auch durch die Information nach § 312c Abs. 1 BGB, welche wie dargelegt, vorliegend der Textform nicht genügt, nicht entbehrlich (anders aber OLG Hamburg, Beschluss vom 19.06.2007 – 5 W 92/07 –).



2.) Es liegt auch kein Bagatellverstoß im Sinne von § 3 UWG vor, welcher einen Unterlassungsanspruch nicht begründen kann. Schon die Vielzahl der online über die Internetplattform … ansprechbaren Interessenten belegt, dass es sich hier keineswegs um eine nur unwesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs handelt.

3.) Der Anspruch wird von der Klägerin auch nicht missbräuchlich geltend gemacht (§ 8 Abs. 4 UWG). Dass die Klägerin in der Vergangenheit eine erhebliche Zahl von Konkurrenten abgemahnt hat, vermag einen Missbrauch nicht zu begründen. Ob es zutrifft, dass die Beklagte seit 01.01.2006 im Raum … nur eine Lieferung im Wert von 148,26 netto erbracht hat, wofür jede Glaubhaftmachung fehlt, kann dahingestellt bleiben. Es ist schon nicht ersichtlich, dass sich die gewerbliche Tätigkeit der Parteien ausschließlich im dortigen Bereich überschneidet und ein Wettbewerb an anderer Stelle ausgeschlossen ist.

Schließlich kann der Klägerin auch nicht vorgeworfen werden, ihren Anspruch mit ersichtlich übertriebenen Wertvorstellungen verbunden zu haben. Die große Vielzahl an über das Internet ansprechbaren Interessenten rechtfertigt vorliegend durchaus die Annahme eines Wettbewerbsinteresses von 10 000,– Euro.

4.) Die Dringlichkeit der einstweiligen Verfügung wird gemäß § 12 Abs. 2 UWG vermutet. Die Beklagte hat nichts dargelegt, was diese Vermutung widerlegen könnte, Insbesondere ist der seit Abmahnung der Beklagten verstrichene Zeitraum (Monatsfrist eingehalten), insoweit ungeeignet. ..."

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