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OLG Naumburg Urteil vom 17.02.2011 - 1 U 76/10 - Unwirksamkeit von AGB-Klauseln eines Energieversorgers

OLG Naumburg v. 17.02.2011: Unwirksamkeit von AGB-Klauseln eines Energieversorgers


Das OLG Naumburg (Urteil vom 17.02.2011 - 1 U 76/10) hat entschieden:

   Unwirksam sind folgende Klauseln in den AGB eines Energieversorgers:

   "Nach Eingang des Kundenauftrages bei den ... kommt der Vertrag ...Strom erst durch ausdrückliche schriftliche Bestätigung durch die ... unter Angabe des Lieferbeginns zustande."

und

"Der Vertrag hat eine Laufzeit von 12 Monaten. Die Laufzeit beginnt mit der Lieferung ...Strom."






Siehe auch
Angebote und/oder Erbringung von Dienstleistungen über das Internet
und
Allgemeine Geschäftsbedingungen - AGB


Gründe:


I.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die die Beklagte gegenüber Kunden ihres Angebots S. Spar Strom verwendet (Bl. 20). Soweit das Landgericht die Klauseln aus Nr. 3 Abs. 2 (fristlose Kündigung) und Nr. 10 Abs. 3 (Nutzung gespeicherter Kundendaten) für unwirksam erklärt hat, ist das Urteil rechtskräftig. In der Berufungsinstanz streiten die Parteien noch über folgende Klauseln:

Nr. 2 Abs. 1 S. 1:

Nach Eingang des Kundenauftrages bei den S. kommt der Vertrag S. Spar Strom erst durch ausdrückliche schriftliche Bestätigung durch die S. unter Angabe des Lieferbeginns zustande.

Die Beklagte verweist in diesem Zusammenhang auf den Inhalt des Liefervertrages, in dem es u.a. heißt (Bl. 78):

Hiermit beauftrage ich die S. (S. ) zum nächstmöglichen Zeitpunkt innerhalb der nächsten 3 Monate mit der Lieferung von elektrischer Energie gemäß Ziffer 3. ...

Nr. 3 Abs. 1 S. 1:

Der Vertrag hat eine Laufzeit von 12 Monaten. Die Laufzeit beginnt mit der Lieferung S. Spar Strom.

Nr. 7 S. 1:

Bei einer Unterbrechung oder bei Unregelmäßigkeiten in der Elektrizitätsversorgung sind, soweit es sich um die Folgen einer Störung des Netzbetriebes einschließlich des Netzanschlusses handelt, die S. von der Leistungspflicht befreit.

Das Landgericht hält die Klausel in Nr. 2 Abs. 1 S. 1 der AGB wegen Verstoßes gegen § 308 Nr. 1 BGB für unwirksam. Die Klauseln in Nr. 3 Abs. 1 S. 1 und Nr. 7 S. 1 AGB verstießen demgegenüber nicht gegen § 309 Nr. 9 lit. a BGB bzw. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB (i.V.m. den §§ 326 Abs. 1, 314 BGB).

Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien mit der Berufung, mit denen sie hinsichtlich der vorgenannten Klauseln ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgen.





II.

Beide Berufungen sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen. Die Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg:

1. Berufung der Beklagten:

Soweit die Beklagte der Ansicht ist, dass die Klausel aus Nr. 2 Abs. 1 S. 1 der AGB nicht gegen § 308 Nr. 1 BGB verstoße, kann dem nicht gefolgt werden. Zutreffend ist zwar der Ausgangspunkt der Berufung, dass § 308 Nr. 1 BGB quasi voraussetzt, dass der Kunde für eine unbestimmte oder unangemessen lange Zeit an sein Angebot gebunden ist. Nicht gefolgt werden kann aber der Ansicht, dass die vertraglichen Regelungen keine Kundenbindung beinhalteten. Ob dies bei einer isolierten Betrachtung von Nr. 2 Abs. 1 S. 1 der AGB angenommen werden könnte, kann letztlich dahinstehen. Die Beklagte weist selbst auf die Regelung in dem Liefervorvertrag hin, in der von einer Belieferung innerhalb der nächsten 3 Monate die Rede ist. In der Zusammenschau mit Nr. 2 Abs. 1 S. 1 der AGB kann der durchschnittliche Kunde – auf dessen Sicht im Zeitpunkt der Angebotsabgabe abzustellen ist (Staudinger/Coester-​Waltjen BGB, Neubearbeitung 2006, § 308 Nr. 1, Rn. 12) – die Klausel nur so verstehen, jedenfalls für 3 Monate an sein Angebot gebunden zu sein. Eine solche Bindungsfrist ist auch für Energielieferungsverträge zu lang. Die angemessene Dauer der Leistungspflicht richtet sich nach Art der geschuldeten Leistung unter Berücksichtigung der erforderlichen Beschaffungs- und Herstellungszeit (Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt AGB-​Recht, 10. Aufl., § 308 Nr. 1, Rn. 16). Zu berücksichtigen ist, dass das Gesetz selbst (HS 2) festlegt, welcher Umstand nicht in die Bestimmung der Frist einfließen kann. Im Übrigen ist wesentlich darauf abzustellen, wer die Frist beeinflussen kann, ob dies also von Umständen in der Sphäre des Verwenders oder des Kunden abhängig ist (Staudinger a.a.O., Rn. 18). Die Beklagte hat es im Liefervertrag übernommen, die Abwicklung des bisherigen Kundenvertrages durchzuführen (z.B. die Kündigung gegenüber dem bisherigen Stromversorger auszusprechen u.s.w.). Soweit die Beklagte in der Berufungsbegründung darauf hinweist, dass weitere Schritte bis zum Beginn der Energielieferung notwendig seien (Anmeldung des Kunden beim örtlichen Stromnetzbetreiber), mag dies unterstellt werden. Sämtliche Schritte, die der Aufnahme der Strombelieferung vorausgehen, sind indes von der Beklagten zu veranlassen. Der Kunde hat darauf keinerlei Einfluss, insbesondere auch keine Einwirkungsmöglichkeit im Verhältnis zur Beklagten. Bei einer Gesamtschau kann auch den Ausführungen in der Berufungsbegründung nicht entnommen werden, woraus sich die Notwendigkeit dieser – wenigstens – 3-​monatigen Frist ergibt. Vergleicht man die Frist, mit den Fristen, die in der Rechtsprechung für verschiedene Fallgestaltungen als unangemessen lang angesehen wurden (Rechtsprechungsübersicht: Staudinger a.a.O., Rn. 11), müssen die 3 Monate als unangemessen lang angesehen werden. Das Landgericht ist damit im Ergebnis zutreffend von der Unwirksamkeit der Klausel ausgegangen.



2. Berufung des Klägers:

Die Berufung hat Erfolg, soweit sie sich gegen Nr. 3 Abs. 1 S. 1 der AGB wendet, die weitergehende Berufung hat keinen Erfolg.

Nach § 309 Nr. 9 lit. a BGB ist eine Klausel unwirksam, die eine verbindliche Vertragslaufzeit von mehr als 2 Jahren vorsieht. Nach Nr. 3 Abs. 1 S. 2 der AGB beginnt die Laufzeit mit dem Beginn der Belieferung. Diese Regelung steht im direkten Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 122, 63, 67), die davon ausgeht, dass dann, wenn keine Rückwirkung vereinbart wurde, die Laufzeit mit dem Vertragsschluss beginnt und gerade nicht mit einer später einsetzenden Leistungserbringung. Vor diesem Hintergrund muss Nr. 3 Abs. 1 S. 1 in Verbindung mit der – ebenfalls unwirksamen – Klausel aus Nr. 2 Abs. 1 S. 1 der AGB gesehen werden. Wie unter 1. ausgeführt, handelt es sich bei der 3 Monatsfrist aus dem Liefervertrag um eine anzunehmende Mindestfrist für die Bindung des Kunden. Dass es sich dabei um eine Höchstfrist handelt, steht demgegenüber nicht fest. In der entsprechenden Klausel ist lediglich von der Belieferung mit Energie die Rede. Da Nr. 2 Abs. 1 S. 1 der AGB den Vertragsabschluss von der schriftlichen Bestätigung durch die Beklagte abhängig macht, steht nicht einmal fest, dass bei Lieferbeginn der Vertrag überhaupt schon besteht (im Hinblick auf die Schriftlichkeitsklausel kann er nicht automatisch mit dem Lieferbeginn zustande kommen). Der Lieferzeitraum und die Vertragslaufzeit können mithin völlig unterschiedlich sein und können sich daher im Einzelfall auch auf mehr als 24 Monate summieren. Da eine AGB-​Klausel transparent und eindeutig sein muss, kann entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht davon ausgegangen werden, dass die Höchstlaufzeit aus § 309 Nr. 9 lit. a BGB nicht doch überschritten werden könnte, selbst wenn dies in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle nicht der Fall sein wird.

Ohne Erfolg bleibt die Berufung soweit sie sich gegen Nr. 7 S. 1 der AGB wendet. Der Senat nimmt insoweit in vollem Umfang Bezug auf die zutreffende Begründung im angefochtenen Urteil (LGU S. 7). Die Klausel befasst sich eindeutig nur mit der Leistungspflicht des Verwenders und enthält keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sich beim Kunden der Eindruck einstellen könnte, dass ihm Gegenansprüche nicht zustehen könnten. Woraus sich dieser Eindruck ergeben könnte, vermag die Berufung nicht aufzuzeigen.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Revision wird nicht zu gelassen, weil die Voraussetzungen von § 543 ZPO nicht vorliegen.

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