Hat der Kunde in einem Online-Shop ein Angebot in Form einer Bestellung abgegeben, handelt es sich hierbei um einen Antrag unter Abwesenden. Dies ist unabhängig davon, ob das Shopsystem eine entsprechende E-Mail an den Händler generiert oder der Antrag in anderer Weise elektronisch übermittelt wird. In der Regel findet keine unmittelbare Kommunikation statt. In der Folge stellt sich im E-Commerce bisweilen die Frage, innerhalb welcher Frist (§ 147 Abs. 2 BGB) eine Annahmeerklärung vom Verkäufer entäußert werden muss und ob eine explizite Annahmeerklärung u.U. nicht sogar nach § 151 Satz 1 BGB entbehrlich ist. |
a. Frist (§ 147 Abs. 2 BGB) Ein Antrag unter Abwesenden kann bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf (§ 147 Abs. 2 BGB). Dies ist nach objektiven Maßstäben zu beurteilen Die individuelle Erwartungshaltung des Antragenden ist irrelevant. Im Prozess ist die Entscheidung dieser Frage eine tatrichterliche, den Revisionsrichter bindende Ermessensentscheidung. Die Annahmefrist im Internet bemisst sich allein nach der dem Empfänger zuzugestehenden Bearbeitungs- und Überlegungszeit. Die normalerweise zu berücksichtigenden Übermittlungszeiten fallen bei Vertragsschlüssen im Internet dagegen regelmäßig nicht ins Gewicht. Ein elektronisch übermitteltes Angebot muss auf demselben Wege beantwortet werden. Der Antragende braucht nicht mit einer postalischen Annahme (und den hiermit einhergehenden längeren Übermittlungszeiten) zu rechnen. Die Bestimmung der Gesamtfrist ist jedoch stark einzelfallabhängig. So wurde bei einem Antrag per Fax ein Zeitraum von zwei Tagen vom LG Wiesbaden als „zu lang“ angesehen. Der BGH hat die Annahme eines brieflichen Antrags nach neun Tagen als zu spät eingestuft. Folge der Verfristung ist regelmäßig das Erlöschen des Angebots (§ 146 BGB). b. Entbehrlichkeit nach § 151 Satz 1 BGB Da die meisten Online-Shops einen Versandhandel betreiben, kommt die Entbehrlichkeit des Zugangs der Annahmeerklärung nach § 151 Satz 1 BGB in Betracht. Vom Grundsatz der Empfangsbedürftigkeit der Annahmeerklärung macht § 151 Satz 1 BGB eine Ausnahme, wenn der Zugang einer Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat. Eine solche Verkehrssitte hat sich bei der Bestellung von Waren im Versandhandel entwickelt, wobei das Absenden der bestellten Ware dann die entscheidende Betätigung des Annahmewillens ist und der Zeitpunkt des Vertragsschlusses entsprechend vorverlagert wird. 93 Dies hat enorme praktische Auswirkungen: So findet beispielsweise § 447 Abs. 1 BGB (Gefahrübergang beim Versendungskauf) nur Anwendung, wenn die versandte Sache bereits verkauft, d.h. Gegenstand eines Kaufvertrags ist. Die Bestellung per E-Mail oder in einem Online-Shop unterscheidet sich nicht von sonstigen Versandhandelsbestellungen per Telefon oder Fax. Nach dem LG Gießen entspricht es auch im Internethandel der Verkehrssitte, dass die Erklärung der Annahme des in der Bestellung liegenden Vertragsangebots dem Antragenden nicht mitgeteilt wird. Die Annahme erfolgt auch hier durch Versand der Ware. 5. ZugangNach § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB wird eine Willenserklärung, die in Abwesenheit des anderen abgegeben wird, erst in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht (zum Beweis des Zugangs vgl. Rn. 203). Dies gilt auch für elektronische Erklärungen; für diese besteht kein eigener, vom allgemeinen abweichender Zugangsbegriff. a. GrundvoraussetzungenDer Zugang ist dann bewirkt, wenn die Erklärung derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass bei Annahme gewöhnlicher Verhältnisse davon auszugehen ist, er könne von ihr Kenntnis erlangen. Dafür genügt, dass die elektronische Erklärung in fixierter und reproduzierbarer Form für den Empfänger abrufbar gespeichert ist. Damit genügt es, dass eine Mailbox bei einem Mail-Provider eingerichtet ist und der Empfänger die E-Mail dort erst noch abrufen muss. Es bedarf also nicht der konkreten Speicherung auf dem PC des Empfängers. Für den Zugang von E-Mails kann es nicht darauf ankommen, ob es dem Empfänger möglich ist, die E-Mail nach Belieben zu löschen oder zu verändern. Wesentlich ist, dass der Adressat die Nachricht – auch wiederholt – zur Kenntnis nehmen kann. Ein „Nur-Lese“-Zugang ist zur Möglichkeit der Kenntnisnahme ausreichend. Allerdings erfährt dieser Grundsatz durch die sog. normative Zugangsfiktion eine gewisse Einschränkung: Es stellt sich die Frage, wann unter „normalen Umständen“ mit dem Abruf der Nachricht gerechnet werden kann. Virulent wird diese Frage zum Beispiel in Konstellationen, in denen der Erklärende die E-Mail-Adresse durch Dritte (z.B. durch eigene Recherche über eine Suchmaschine) erfährt. Da die E-Mail (derzeit) noch nicht als Standard-Kommunikation angesehen werden kann, darf man nach Auffassung von Köhler/Arndt/Fetzer nicht davon ausgehen, dass jeder, der eine E-Mail-Adresse eingerichtet hat, diese auch als Kommunikationsweg für rechtsgeschäftliches Handeln nutzen will. Daher kann der Zugang nur fingiert werden, wenn der Verwender dem Vertragspartner vorher sein Einverständnis erteilt hat, Willenserklärungen an diese Adresse zu senden (vgl. die Parallelproblematik der Zugangseröffnung im Rahmen des § 3a VwVfG vgl. Kapitel 5 Rn. 108 ff.). Der E-Mail-Account muss durch den Inhaber/Empfänger als Empfangsvorrichtung gewidmet worden sein. Hierbei ist zwischen Verbrauchern und Unternehmern zu differenzieren. Bei einem Verbraucher ist erforderlich, dass er seine E-Mail-Adresse explizit oder konkludent dem Vertragspartner gegenüber bekannt gibt. Allein aus dem Vorhandensein einer E-Mail-Adresse kann noch nicht auf die Widmung als Empfangsvorrichtung geschlossen werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn dem Vertragspartner die E-Mail-Adresse nicht vom Empfänger mitgeteilt wurde, sondern er sie selbst auf anderem Wege erfahren hat. Mankowski hingegen vertritt, dass es grundsätzlich auf eine besondere Bekanntgabe oder Widmung einer E-Mail-Adresse als Empfangsvorrichtung auch für rechtsgeschäftlich bedeutsame Erklärungen nicht ankommen dürfe. Eine solche Einschränkung würde Unsicherheit produzieren, weil ihre Voraussetzungen sich aus der Perspektive des externen Rechtsverkehrs kaum zuverlässig feststellen ließen. Einem Unternehmer i.S.v. § 14 BGB wird dagegen ein generelles Interesse an schnellem Informationsaustausch unterstellt, sodass davon auszugehen ist, dass er mit der Nutzung seines Mail-Servers einverstanden ist, wenn er eine E-Mail-Adresse unterhält und diese auch gezielt in der Werbung, in Telefonbüchern oder auf dem Briefkopf angibt. b. ZugangszeitpunktAuch beim Zugangszeitpunkt ist wiederum anhand der normativen Zugangsfiktion zu differenzieren: Von Verbrauchern kann lediglich ein täglicher Abruf des E-Mail-Kontos erwartet werden. Üblicherweise sind Privatpersonen nicht in der Lage, während der Arbeitszeiten ihre (privaten) E-Mails abzurufen. Besteht keine Flatrateverbindung, fallen mit jedem Abruf von E-Mails zudem Telekommunikationskosten an, weshalb z.B. ein stündlicher Abruf schon aus diesem Grunde unzumutbar wäre. Von einem Zugang ist damit spätestens am Tag nach Absenden der Nachricht auszugehen. Bei Unternehmern gilt der Rechtsprechung zufolge eine elektronische Erklärung am Tag des Eingangs in den elektronischen Briefkasten als zugegangen. In der Literatur werden zwei Fälle unterschieden. Bedient sich der Unternehmer, wie z.B. beim Bestellvorgang in einem Webshop, eines vollautomatischen Systems, so ist die Möglichkeit zumutbarer Kenntnisnahme jederzeit (also auch außerhalb der Geschäfts- und Arbeitszeiten) gegeben. Anders verhält es sich bei solchen E-Mails, die persönlich zur Kenntnis genommen und bearbeitet werden müssen. Hier wird in Anbetracht der Tatsache, dass durch die regelmäßige Kontrolle der E-Mails auch der Arbeitsablauf unzumutbar beeinträchtigt wird, keine permanente Kontrolle des elektronischen Briefkastens gefordert werden können. Es ist zwar mehrmals täglich ein E-Mailabruf vorzunehmen, ein Zugang kann in Zweifelsfällen aber erst am Ende der Geschäftszeiten angenommen werden bzw. bei Versand kurz vor Ende oder außerhalb der üblichen Geschäftszeiten (also zur Unzeit) erst zu Beginn des nächsten Werktags. c. Technische Störungen beim ZugangStörungen des Zugangs können sich zum Beispiel ergeben, wenn die Speicherkapazität des E-Mail-Kontos erschöpft ist. Auch ein allzu rigoros aussortierender SPAM-Schutz kann dazu führen, dass eine E-Mail nicht den „Posteingang“ des Empfängers erreicht, sondern vom Mailserver „abgewiesen“ wird (hiervon zu differenzieren ist die Aufnahme in einem „Junkmailordner“, vgl. hierzu Rn. 66). In beiden Fällen erhält der Absender der E-Mail in der Regel eine Nachricht, dass die E-Mail-Zustellung nicht erfolgen konnte. Keine Nachricht wird in der Regel versandt, wenn die E-Mail vom SPAM-Filter automatisch in einen SPAM-Ordner verschoben wird. Auf Grund des hohen Aufkommens von derartiger „Junk-Mail“ (und der damit einhergehenden Problematik der Gefahr der Installation eines sog. „Trojanischen Pferdes“ oder sog. „Computerviren“) überprüfen heutzutage nur noch wenige Nutzer das entsprechende Postfach für Werbemails. Problematisch ist im Zusammenhang mit E-Mails, wer grundsätzlich das Verlust- bzw. Verzögerungsrisiko trägt. Nach dem LG Nürnberg geht dieses Risiko erst mit Eingang in die Empfänger-Mailbox auf den Erklärungsempfänger über. Ab diesem Zeitpunkt gehen Programm- oder Systemfehler, Eigenschaften wie ein besonders rigider SPAM-Filter sowie Abstürze zu Lasten des Empfängers. Der Absender hat auf das ordnungsgemäße Funktionieren der verwendeten Empfangsvorrichtung keinen Einfluss. Kommt die Erklärung gar nicht auf dem Mailserver an, so wird die Erklärung – abgesehen von Fällen der treuwidrigen Zugangsvereitelung – nicht wirksam. d. Treuwidrige ZugangsvereitelungIm Zusammenhang mit § 130 Abs. 1 BGB ist maßgeblich, ob der Empfänger den Zugang bewusst vereitelt oder verzögert hat oder er mit dem Eingang rechtsgeschäftlicher Erklärungen rechnen musste und nicht dafür gesorgt hat, dass diese ihn auch erreichen. Herangezogen wird hier der Rechtsgedanke des § 162 BGB, nach welchem bei treuwidriger Verhinderung des Eintritts einer Bedingung der Bedingungseintritt fingiert wird. Das den Zugang verhindernde Verhalten muss also gegen Treu und Glauben verstoßen. Wird ein Mailkonto ohne Wissen und Wollen des Account-Inhabers mit Werbemails überschwemmt, soll ihm dementsprechend das Zugangshindernis nicht zugerechnet werden können. Anders ist dies, wenn das Zugangshindernis auf eine unregelmäßige Leerung des Accounts zurückzuführen ist. Es stellt sich des Weiteren die Frage, wie Kompatibilitätsschwierigkeiten und die daraus resultierende Unlesbarkeit für den Empfänger zu behandeln sind. Zumindest für Verbraucher wird eine Zurechnung zu Lasten des Empfängers aufgrund der „extremen Schnelllebigkeit und der hohen Kosten in der Computerbranche“ verneint. Ist die Nachricht in einem derart ungewöhnlichen Format gehalten, dass der Empfänger besondere Hilfsmittel bräuchte um sie zu öffnen, dann scheidet ein Zugang mangels effektiver Kenntnisnahmemöglichkeit aus. Ist also beispielsweise der Dateianhang mit einem Komprimierungsprogramm verkleinert worden (sog. „Packen“ von Dateien), kann der Absender nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass dem Empfänger die entsprechenden Programme zur Dekomprimierung zur Verfügung stehen. Insbesondere in Fällen, in denen bereits ein Kontakt zum E-Mail-Versender bestand, trifft den Empfänger nach den Grundsätzen von Treu und Glauben eine entsprechende Hinweisobliegenheit gegenüber dem Versender der E-Mail (zur Parallelproblematik der elektronischen Kommunikation mit der Verwaltung vgl. Kapitel 5 Rn. 222 ff.). |
Wer einen Makler anruft und diesem seine E-Mail-Adresse nennt, nachdem er durch dessen Internetauftritt von der Provisionspflichtigkeit von dessen Tätigkeit Kenntnis hatte, muss damit rechnen, dass diese von dem Makler, einfach weil es für ihn billiger ist, auch für die Übersendung von Exposés und anderen Mitteilungen genutzt wird. Wenn er dann, vielleicht um sich „gutgläubig“ zu halten, seinen Mail-Account nicht öffnet und/oder seine Mails nicht abruft und nicht liest, kommt das einer Zugangsvereitelung gleich. Es ist dann von einem Maklervertrag auszugehen. |