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Oberlandesgericht Dresden Urteil vom 14.03.2023 - 4 U 1377/22 - Kein datenschutzrechtlicher Schadensersatzanspruch für juristische Personen

OLG Dresden v. 14.03.2023: Kein datenschutzrechtlicher Schadensersatzanspruch für juristische Personen


Das Oberlandesgericht Dresden (Urteil vom 14.03.2023 - 4 U 1377/22) hat entschieden:

  1.  Einer juristischen Person stehen datenschutzrechtliche Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche wegen der Verwendung von Daten aus Personalakten ihrer Mitarbeiter nicht zu.


  2.  Urlaubslisten eines Unternehmens stellen keine Geschäftsgeheimnisse dar.




Siehe auch
Datenschutzrechtlicher Schadensersatzanspruch
und
Stichwörter zum Thema Datenschutz

Gründe:


I.

Die Klägerin begehrt Unterlassung der Verwendung von Daten aus ihrer Lohnbuchhaltung sowie im Wege der Stufenklage Auskunft über den Besitz sowie Herausgabe von weiteren Unterlagen mit vertraulichen Informationen aus ihrem Unternehmen. In dem zwischen den Parteien vor dem Landgericht Zwickau anhängigen Verfahren 4 O 36/19 hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 19.05.2020 zu Beweiszwecken zwei E-Mails der Klägerin vorgelegt, die deren Mitarbeiterin L…. an den Steuerberater der Klägerin gesandt hatte und aus denen sich urlaubs- und krankheitsbedingte Fehlzeiten des Geschäftsführers der Klägerin sowie weiterer Mitarbeiter im Juni und im Oktober 2016 ergeben. Frau L...... ist zwischenzeitlich bei der Klägerin ausgeschieden und derzeit Vereinsmitglied bei dem Beklagten. Auch der Vorsitzende des Beklagten - Herr L...... - ist ehemaliger Arbeitnehmer der Klägerin.

Die Klägerin hat den Beklagten wegen dieser E-Mails vor dem Landgericht auf Unterlassung und Herausgabe in Anspruch genommen und Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften und gegen das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) gerügt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Ob es sich bei dem Inhalt der vorgelegten Mails um Geschäftsgeheimnisse der Klägerin handele, könne im Ergebnis dahinstehen, weil der Beklagte sich jeweils auf beachtliche Belange berufen könne, aufgrund deren er berechtigterweise diese Daten im Verfahren habe vorlegen dürfen. Datenschutzrechtliche Schutznormen seien nicht einschlägig, die Vorlage dieser E-Mails in einem Gerichtsverfahren stelle bereits keine Datenverarbeitung im Sinne von Art. 4 DSGVO dar, der Beklagte sei überdies nicht Verantwortlicher im Sinne von Art. 7 DSGVO. Auch ein Auskunftsanspruch nach § 242 BGB komme nicht in Betracht.




Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die die Auffassung vertritt, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft angenommen, dass der Beklagte sich auf ein berechtigtes Interesse an der Vorlage der streitgegenständlichen E-Mails in dem Parallelverfahren berufen könne. Tatsächlich sei er aber nicht berechtigt, auf Daten der Lohnbuchhaltung der Klägerin zurückzugreifen und diese in einem Rechtsstreit zu verwenden. Das Landgericht habe überdies nicht hinreichend berücksichtigt, dass derartige Arbeitnehmerdaten zu den Geschäftsgeheimnissen der Klägerin gehörten. Die Klägerin müsse befürchten, dass der Beklagte im Besitz von weiteren Geschäftsgeheimnissen sei. Daher sei er zur Auskunft verpflichtet. Des Weiteren habe das Landgericht fehlerhaft angenommen, dass das Bundesdatenschutzgesetz nicht zur Anwendung komme. Die Vorlage geschützter Arbeitnehmerdaten verletzte zudem das allgemeine Persönlichkeitsrecht, dessen Schutz auch die Klägerin als juristische Person für sich in Anspruch nehmen könne.

Die Klägerin beantragt:

  1.  Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, Dokumente und elektronische Daten, die vertrauliche Informationen und Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Klägerin aus der Lohnbuchhaltung der Klägerin enthalten, in irgendeiner Weise zu gebrauchen oder zu verwenden, Dritten mitzuteilen und/oder zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen und/oder auf einem zur dauerhaften Speicherung geeigneten Datenträger, insbesondere USB-Sticks, Speicherkarten, Festplatten, CD, DVD, Blu-ray und sonstige physische Laufwerke, zu speichern, aufzubewahren, zu besitzen und/oder solche Datenträger Dritten zugänglich zu machen oder zu vervielfältigen.

  2.  Der Beklagte wird verurteilt, Dokumente und elektronische Daten, die vertrauliche Informationen und Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Klägerin aus der Lohnbuchhaltung der Klägerin enthalten, an die Klägerin herauszugeben und auf etwaigen Datenträgern zu löschen.

  3.  Der Beklagte wird verurteilt, Auskunft darüber zu erteilen, welche Dokumente und/oder elektronische Daten, die vertrauliche Informationen und Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Klägerin beinhalten oder darstellen, wie beispielsweise E-Mails mit Daten oder Informationen aus der Lohnbuchhaltung der ehemaligen und/oder aktuellen Arbeitnehmer der Klägerin, sich in seinem Besitz befinden und von dem Beklagten zu welchem Zeitpunkt in welcher Weise verwendet und/oder an welche Dritte weitergegeben worden sind.

  4.  Der Beklagte wird nach Auskunftserteilung verurteilt, die Richtigkeit und Vollständigkeit der nach dem Antrag zu Ziffer 3. zu erteilenden Auskünfte an Eides statt zu versichern.

  5.  Der Beklagte wird nach Auskunftserteilung verurteilt, alle Dokumente und/oder elektronische Daten, die vertrauliche Informationen und Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Klägerin beinhalten oder darstellen, wie beispielsweise E-Mails mit Daten oder Informationen aus der Lohnbuchhaltung der ehemaligen und/oder aktuellen Arbeitnehmer der Klägerin, an die Klägerin herauszugeben und auf etwaigen Datenträgern zu löschen.

  6.  Der Beklagte wird nach Auskunftserteilung verurteilt, es zu unterlassen, Dokumente und/oder elektronische Daten, die vertrauliche Informationen und Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Klägerin beinhalten oder darstellen, wie beispielsweise E-Mails mit Daten oder Informationen aus der Lohnbuchhaltung der ehemaligen und/oder aktuellen Arbeitnehmer der Klägerin, in irgendeiner Weise zu gebrauchen oder zu verwenden, Dritten mitzuteilen und/oder zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen und/oder auf einem zur dauerhaften Speicherung geeigneten Datenträger, insbesondere USB-Sticks, Speicherkarten, Festplatten, CD, DVD, Blu-ray und sonstige physische Laufwerke, zu speichern, aufzubewahren, zu besitzen und/oder solche Datenträger Dritten zugänglich zu machen oder zu vervielfältigen.

  7.  Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.133,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.

Hilfsweise wird gemäß § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO beantragt,

   die Sache unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Zwickau vom 11.02.2022 (Az. 7 O 574/20), mit Entscheidungsgründen zugegangen am 11.07.2022, und des Verfahrens an das Landgericht zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

   die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das landgerichtliche Urteil.

Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

A.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere nach § 517 ZPO fristgemäß erhoben. Hiernach beträgt die Berufungsfrist einen Monat und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Vorliegend wurde der Lauf dieser Frist nicht durch die Zustellung des Urteilstenors an den Klägervertreter am 24.06.2022 ausgelöst, da das Urteil seinerzeit nicht in vollständiger Form abgefasst war. Vielmehr begann der Lauf der Berufungsfrist erst am 11.07.2022 - 5 Monate nach Verkündung - und endete am 11.08.2022. Die am 18.07.2022 eingelegte Berufung liegt noch innerhalb dieser Frist.

B.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

1. Ansprüche nach der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) hat das Landgericht im Ergebnis zutreffend verneint. Nach dem eindeutigen Wortlaut von Art. 4 Nr. 1 DSGVO können sich juristische Personen wie die Klägerin nicht auf die in der DSGVO enthaltenen Ansprüche berufen. Vielmehr betrifft der Schutz der dort genannten „personenbezogenen Daten“ nur Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (“betroffene Person“) beziehen. Dass der Schutz der DSGVO sich nicht auf juristische Personen bezieht, ergibt sich in gleicher Weise aus Erwägungsgrund 14 S. 2 DSGVO, der klarstellt, dass der „durch diese Verordnung gewährte Schutz [...] für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten natürlicher Personen ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit oder ihres Aufenthaltsorts gelten [soll]. Diese ,Verordnung gilt nicht für die Verarbeitung personenbezogener Daten juristischer Personen und insbesondere als juristische Person gegründeter Unternehmen, einschließlich Name, Rechtsform oder Kontaktdaten der juristischen Person.“. Ob etwas anderes gilt, wenn ein unmittelbar auf eine juristische Person bezogenes Datum zugleich eine natürliche Person betrifft, wie es zB bei der Ein-Personen-GmbH der Fall ist (so etwa Sydow/ Marsch DS-GVO/ BDSG/Ziebarth, 3. Aufl. 2022, DS GVO Art. 4 Rn. 13), kann dahinstehen. Vorliegend enthaltenen die streitgegenständlichen E-Mails zwar auch Daten, die den Geschäftsführer der Klägerin betreffen. Ansprüche macht die Klägerin jedoch allein im eigenen Namen geltend. Ob, wie die Klägerin meint, Artikel 6, 17 und 83 DSGVO Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB bedarf hier daher schon deswegen keiner Entscheidung, weil eine mögliche Schutzwirkung sich allein auf natürliche Personen beziehen könnte.



2. Die Klägerin kann ihre Ansprüche auch nicht auf das Bundesdatenschutzgesetz stützen. Zwar stellt sie als juristische Person des privaten Rechts eine nichtöffentliche Stelle im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2, § 2 Abs. 4 BDSG dar und ist damit Verpflichtete im Sinne des BDSG. Für nicht öffentliche Stellen gilt das Gesetz für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie die nicht automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen, es sei denn, die Verarbeitung durch natürliche Personen erfolgt zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten, § 1 Abs. 1 Satz 2 BDSG. Der Umstand, dass die Klägerin als nicht-öffentliche Stelle verpflichtet ist, die von ihr erhobenen Daten ihrer Arbeitnehmer zu schützen, führt aber nicht zu einem eigenen - im BDSG nicht geregelten - Anspruch der Klägerin als juristische Person gegen einen Dritten. Unabhängig davon, dass die Vorschriften des BDSG gem. § 46 Nr. 1 BDSG ebenfalls nur den Schutz „personenbezogener Daten“, d.h. aller Informationen normieren, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (betroffene Person) beziehen, enthält das BDSG keine Grundlage, aus der sich Ansprüche privater Arbeitgeber gegen private Dritte herleiten ließen. Die von der Klägerin für sich in Anspruch genommenen §§ 26, 42, 43 und 53 BDSG sind bereits tatbestandlich nicht einschlägig. § 26 BDSG schützt nicht die Klägerin als juristische Person, sondern die personenbezogenen Daten ihrer Beschäftigten und regelt, für welche Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses personenbezogene Daten verarbeitet werden dürfen. §§ 42 und 43 BDSG enthalten Straf- und Bußgeldvorschriften und stellen ebenfalls kein Schutzgesetz zu Gunsten der Klägerin dar. § 53 BDSG regelt, dass die mit der Datenverarbeitung befassten Personen die personenbezogenen Daten nicht unbefugt verarbeiten dürfen.

3. Eine Anspruchsgrundlage folgt insofern auch nicht aus §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. den Vorschriften des BDSG. Diese können zwar grundsätzlich Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB darstellen, jedoch nur zugunsten des betroffenen Einzelnen (Grüneberg-Sprau, BGB, 82. Aufl. § 823 Rn 65). Das BDSG gilt in seinem Anwendungsbereich seit Inkrafttreten der DSGVO überdies nur ergänzend zu deren Vorschriften. Aufgrund der unmittelbaren Rechtsverbindlichkeit der DSGVO (Art. 288 Abs. 2 AEUV) und ihres Anwendungsvorrangs verbleibt dem nationalen Recht nunmehr nur dann ein Anwendungsbereich, wenn der sachliche Anwendungsbereich der DSGVO eingeschränkt ist oder wenn der europäische Gesetzgeber den Mitgliedstaaten durch eine Öffnungsklausel die Befugnis zur Konkretisierung der DSGVO oder Abweichung von ihren Regelungen eingeräumt hat.). Die Betroffenenrechte bei der Verletzung personenbezogener Daten hat der Europäische Gesetzgeber aber in den Art. 12-22 DSGVO abschließend geregelt und hierbei juristische Personen ausdrücklich ausgenommen. Dieser Anwendungsvorrang würde indes unterlaufen, wenn man aus der Verpflichtung einer nichtöffentlichen Stelle in Verbindung mit §§ 823, 1004 BGB eine Anspruchsgrundlage zugunsten juristischer Personen ableiten würde, mit deren die Verarbeitung unternehmensbezogener Daten in datenschutzrechtlicher Hinsicht untersagt werden könnte.




4. Aufgrund dieser Sperrwirkung kann sich die Klägerin für die von ihr geltend gemachten Ansprüche auch nicht auf §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht berufen. Grundsätzlich genießen allerdings auch juristische Personen des Privatrechtes zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz. Sie nehmen an diesem Recht insoweit teil, als sie aufgrund ihres Wesens und ihrer individuellen Funktion dieses Rechtsschutzes bedürfen; insbesondere ist dies der Fall, wenn sie in ihrem sozialen Geltungsanspruch als Arbeitgeber oder als Wirtschaftsunternehmen betroffen werden (vgl. Senat, Beschluss vom 16.01.2018 - 4 W 1066/17, Rn. 9 - juris; vgl. Sprau, in: Grüneberg, 82. Aufl., § 823 Rn. 91). Die Schutzdimensionen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sind indes einzelfallbezogen im Abgleich mit den Grundrechten Dritter zu bestimmen (BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 – 1 BvR 16/13 –, BVerfGE 152, 152-215, Rn. 81). Vom Schutzgehalt der Gewährleistung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist die Klägerin aber als juristische Person nicht umfasst; da dieser Schutzgehalt sich auch verfassungsrechtlich allein auf natürliche Personen (“den Schutz des Einzelnen“) bezieht, deren freie Entfaltung es sicherstellen will, indes keinen gesamthaften Schutzanspruch hinsichtlich jederlei Umgangs mit Informationen enthält (BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 Rn 84, 89 - Recht auf Vergessen 1). Ein darüber hinausgehender äußerungsrechtlicher Schutzgehalt, auf den sich auch juristische Personen berufen können, ist hier nicht ersichtlich. Bei den Mitteilungen in den E-Mails handelt es sich um Tatsachenbehauptungen, deren Wahrheitsgehalt nicht im Streit steht. Sie sind auch nicht ehrenrührig und geeignet, das unternehmerische Ansehen der Klägerin in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen.

5. Der Klägerin stehen auch keine Ansprüche auf Unterlassung und Auskunftserteilung sowie Löschung aus §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB i.V.m. § 202a StGB (Ausspähen von Daten) zu. § 202a StGB ist zwar ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB (vgl. OLG Celle, Urteil vom 22.12.2010 - 7 U 49/09 - juris). Jedoch hat die Klägerin nicht behauptet, dass sich Mitarbeiter des Beklagten unbefugt Zugang zu ihren Daten, die nicht für ihn bestimmt waren und die gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert waren, unter Überwindung einer Zugangssicherung verschafft hätte. Vielmehr legt sie nahe, dass die Daten durch ihre damalige Mitarbeiterin L...... an die Beklagte weitergegeben wurden. Der darin möglicherweise liegende Vertrauensbruch fällt indes nicht unter den Tatbestand von § 202a StGB.



6. Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Herausgabe folgen schließlich auch nicht aus §§ 6, 7, 8 GeschGehG. Ob - wie das Landgericht angenommen hat - eine Verbreitung im Prozess durch § 5 Nr. 2 GeschGehG gerechtfertigt wäre, kann vorliegend dahinstehen. Es liegt nämlich bereits kein Geschäftsgeheimnis im Sinne von § 2 Nr. 1 GeschGehG vor.

a) Im vorliegenden Fall enthalten die von der Beklagten im Parallelprozess vorgelegten E-Mails Informationen zu Urlaubs- und Krankheitstagen von verschiedenen Mitarbeitern der Klägerin im Juni und Oktober 2016. Des Weiteren wird mitgeteilt, welchen Mitarbeitern Prämien in welcher Höhe ausbezahlt worden sind. Über einen Arbeitnehmer enthält die E-Mail die Information, dass er 40 Stunden a 8,00 EUR arbeiten wird. Hierbei handelt es sich um Informationen, die nicht allgemein bekannt sind und an deren Geheimhaltung die Klägerin schon im Hinblick auf den Schutz der persönlichen Daten ihrer Arbeitnehmer ein erhebliches Interesse hat.

b) Einen wirtschaftlichen Wert im Sinne von § Nr. 2 Nr. 1a GeschGehG haben diese Informationen jedoch nicht.

aa) Anders als es der Wortlaut in § 2 Nr. 1a GeschGehG nahelegt, handelt es sich bei dem Tatbestandsmerkmal des „wirtschaftlichen Werts“ nicht um eine gesetzliche Vermutung, wonach aus der fehlenden allgemeinen Bekanntheit oder Zugänglichkeit einer Information auf deren wirtschaftlichen Wert zu schließen ist (“daher“), sondern um eine eigenständiges Merkmal des Geheimhaltungsbegriffs, dessen oraussetzungen gesondert festzustellen und vom Anspruchssteller zu beweisen sind (vgl. Keller in: Keller/ Schönknecht/ Glinke, GeschGehG, Kommentar (2021); § 2 Nr. 1 Rn 13; Köhler/ Bornkamm/ Feddersen, GeschGehG, (2023), § 2 Rn 39). Allein aus der Konjuktion „daher“ im Gesetzeswortlaut lässt sich auch unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens und des mit den an die Feststellung eines Geschäftsgeheimnisses anknüpfenden erheblichen Einschränkungen der Rechte Dritter gerade im Unternehmensverkehr nicht folgern, dass auch eine für sich genommen belanglose Information allein dadurch, dass sie vom Berechtigten tatsächlich geheimgehalten wird, automatisch zu einem Geschäftsgeheimnis wird, auch wenn ihr objektiv keinerlei Wert beigemessen werden kann (vgl. Glinke, aaO. § 2 Nr. 1 Rn 48).



bb) Maßgeblich ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers, dass die Erlangung, Nutzung oder Offenlegung der Information ohne Zustimmung des Inhabers dessen wirtschaftliches oder technisches Potential, geschäftliche oder finanzielle Interessen, strategische Position oder Wettbewerbsfähigkeit negativ beeinflussen kann (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 28.04.2022 - 6 U 39/21, Rn. 56 - juris, unter Hinweis auf BT-Drucks. 19/4724, S. 24; Erwägungsgrund 14 RL EU 2016/943). Eine Information weist daher einen wirtschaftlichen Wert auf, wenn sie über einen tatsächlichen oder künftigen Handelswert verfügt, Relevanz für die Wettbewerbsposition eines Unternehmens hat oder wenn ihr Bekanntwerden für den Inhaber des Geschäftsgeheimnisses wirtschaftliche Nachteile mit sich bringt (vgl. Alexander a.a.O., § 2 Rn 40). Nach der von der Klägerin zitierten Rechtsprechung des BAG (Beschluss vom 26.02.1987, 6 ABR 46/84 - juris) kann auch Lohn- und Gehaltsdaten als Teil der betriebswirtschaftlichen Kalkulation ein solcher wirtschaftlicher Wert zukommen, weil die Geheimhaltung dieser Daten für den wirtschaftlichen Erfolg eines Betriebs insoweit von Vorteil sein kann, als die Konkurrenz mit dieser Kenntnis ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit steigern könnte (so BAG a.a.O. Rn. 18).Vorliegend ist aber nicht ersichtlich, welchen wirtschaftlichen Wert die in den streitgegenständlichen Mail enthaltenen Angaben über die abgeleisteten Urlaubszeiten von Mitarbeitern der Klägerin für Dritte haben könnten, erlauben sie doch weder einen Rückschluss auf den Personalbestand noch auf die Urlaubs- oder Gehaltsstruktur der Klägerin. Bei der weiteren von der Klägerin in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes (Beschluss vom 14.05.1987 - 6 ABR 39/84 - juris) ging es um das Einsichtsrecht des Betriebsrates in die Bruttolohn- und Gehaltsdaten der Mitarbeiter. Nachdem der Betriebsrat eine Aufstellung über Löhne und Gehälter veröffentlicht hatte, hat das Bundesarbeitsgericht es nicht beanstandet, das grundsätzlich bestehende Einsichtsrecht wegen des treuwidrigen Verhaltens des Betriebsrates einzuschränken. Diese Entscheidung gibt für den vorliegenden Fall nichts her, denn es geht nicht um Löhne und Gehälter sämtlicher Mitarbeiter. Auch die anderen von der Klägerin zitierten Entscheidungen sind mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Gegenstand des Urteils des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 11.03.2021 (15 U 6/20 - juris) waren CAD Konstruktionszeichnungen, bei denen es sich fraglos um Geschäftsgeheimnisse handelt. In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall vom 01.07.1960 (I ZR 72/59 - juris) ging es um Pläne für eine Wurftaubenpresse. Gegenstand der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 20.05.1996 (II ZR 190/95 - juris) waren abgetretene Vergütungsansprüche eines Geschäftsführers einer GmbH. Der Bundesgerichtshof führte dort u.a. aus:

   „Schutzobjekt des § 85 GmbHG ist ein Geheimnis der Gesellschaft, namentlich ein Betriebs oder Geschäftsgeheimnis, das dem Täter in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer, Mitglied des Aufsichtsrats oder Liquidator bekannt geworden ist. Damit wird - anders als mit § 17 UWG - jedes Geheimnis der GmbH erfaßt, gleich ob es einen materiellen oder immateriellen Wert hat (vgl. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 14. Aufl., § 85 Rdn. 3). Es muß eine Tatsache vorliegen, die im Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb steht und nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt, also nicht offenkundig ist. An der Geheimhaltung muß die GmbH ein berechtigtes Interesse haben. Dieses objektive Interesse ist gegeben, wenn die Bekanntgabe der Tatsache der GmbH möglicherweise einen materiellen oder immateriellen Schaden zufügt, insbesondere ihre Wettbewerbsfähigkeit bedroht oder zu Ansehensminderung und Vertrauensverlust führen könnte (vgl. Lutter/Hommelhoff aaO). Ob außerdem noch der Wille der GmbH, die Tatsache geheimzuhalten, hinzutreten muß (so die h.M., vgl. Hachenburg/ Kohlmann, GmbHG, 8. Aufl., § 85 Rdn. 19 m.w.N.), braucht hier nicht vertieft zu werden, weil bereits der übrige Tatbestand im vorliegenden Fall nicht erfüllt ist.“

§ 85 GmbHG knüpft aber an andere Voraussetzungen als § 2 GeschGehG an. Unabhängig davon ist nicht ersichtlich, inwiefern die Informationen der Klägerin möglicherweise einen materiellen oder immateriellen Schaden zufügen könnten, der ihre Wettbewerbsfähigkeit bedroht oder zu einem Ansehensverlust führen könnten.

c) Es kann bei dieser Sachlage offenbleiben, ob die Informationen Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren berechtigten Inhaber (§ 2 Nr. 1 b) GeschGehG) sind. Erforderlich hierfür ist, dass das Unternehmen die Informationen aktiv durch spezifische Schutzkonzepte und Schutzstrategien vor einem rechtswidrigen Erlangen, Nutzen und Offenlegen schützt (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 16.07.2021 - 14 U 319/21, Rn. 33 - juris). Notwendig sind nicht nur Maßnahmen, die ein Ausspähen von außen verhindern, sondern auch Vorgaben gegenüber den eigenen Mitarbeitern. Dass diese Voraussetzungen vorliegen, kann im Anschluss an die Ausführungen des Klägers auf die Hinweise des Senas in der mündlichen Verhandlung zu seinen Gunsten unterstellt werden. Da es an einem wirtschaftlichen Wert dieser Information fehlt, kam es hierauf jedoch nicht mehr an.

6) Der Klägerin steht ein Auskunftsanspruch auch nicht aus § 242 BGB zu. Besteht schon dem -Grunde nach kein Anspruch auf Unterlassung, besteht auch kein Auskunftsanspruch.



C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO. Bei den geltend gemachten Ansprüchen handelt es sich nicht um vermögensrechtliche Streitigkeiten.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO. Die Anträge Ziffer 1 und 2 wurden auf jeweils 10.000,00 EUR geschätzt, der Antrag nach Ziffer 3 war gem. § 44 GKG nicht zu berücksichtigen, die Anträge 4, 5 und 6 wurden für den Fall nach Auskunftserteilung gestellt und führen daher ebenfalls nicht zu einer Erhöhung des angesetzten Streitwerts.

Beschluss:
Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 20.000,00 EUR festgesetzt.

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