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Landgericht Köln Beschluss vom 18.05.2011 - 171 StL 3/11 - Unzulässige Garantiewerbung durch steuerberatende Berufsangehörige

LG Köln v. 18.05.2011: Unzulässige Garantiewerbung durch steuerberatende Berufsangehörige


Das Landgericht Köln (Beschluss vom 18.05.2011 - 171 StL 3/11) hat entschieden:

   Die von Angehörigen der steuerberatenden Berufsgruppe abgegebenen Werbeaussagen unter den Bezeichnungen „Rückrufgarantie“, „Termingarantie“ und „Zufriedenheitsgarantie“ sind rechtswidrig.

Siehe auch
Werbung mit einer Zufriedenheitsgarantie
und
Stichwörter zum Thema Werbung

Gründe:


I.

Der Antragsteller ist Partner der als "T und Partner Wirtschaftsprüfer Steuerberater" firmierenden Partnerschaftsgesellschaft mit Sitz in Köln. Im Web-Auftritt der Gesellschaft - www.anonym1.de - war im Frühjahr 2010 zu lesen: "Unsere Garantien. Betreuung auf höchstem Niveau". Im Folgenden wurden eine "Rückrufgarantie", eine "Termingarantie" und eine "Zufriedenheitsgarantie vorgestellt.

Zur Rückrufgarantie hieß es:

   "Sollte ein gewünschter Ansprechpartner in unserem Hause telefonisch nicht erreichbar sein, werden Sie garantiert innerhalb von vier Arbeitsstunden zurückgerufen.

Sollte diese Frist überschritten werden, bleibt das nachfolgende Beratungsgespräch für Sie kostenlos!"

Zur Termingarantie wurde ausgeführt:

   "Die Bearbeitung und Rücksendung Ihrer Finanzbuchhaltung erledigen wir innerhalb von maximal zehn Arbeitstagen oder zu einem fest vereinbarten Termin. Für Gehaltsabrechnungen benötigen wir zwei Arbeitstage. Die Auszahlung der Löhne erfolgt pünktlich auf den Tag genau. Die Termine für Steuererklärungen und Jahresabschlüsse werden zu Jahresbeginn festgelegt und garantiert eingehalten.

Werden die vereinbarten Terminzusagen nicht eingehalten, können Sie unsere Honorarrechnung kürzen!"

Die Zufriedenheitsgarantie wurde so erläutert:

   "Sollten Sie mit dem Ergebnis einer Beratungsleistung einmal unzufrieden sein, dann werden wir Ihnen diese nicht in Rechnung stellen!"

Wegen dieser Äußerungen hat die Steuerberaterkammer Köln dem Antragsteller unter dem 14. Juni 2010 eine Rüge erteilt (BA-R-12/10), da er gegen das Gebot der sachlichen Informationswerbung (§§ 57 Abs. 1, 57a StBerG, §§ 10 ff. BOStB [a.F.]) verstoßen und die Verpflichtung, selbst über die Höhe der Gebühr zu entscheiden (§§ 57 Abs. 1, 57a, 64 Abs. 1 StBerG, § 11 StBGebV) missachtet habe. Den hiergegen gerichteten Einspruch hat die Steuerberaterkammer mit Bescheid vom 25. Januar 2011 zurückgewiesen. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 17. Februar 2011, eingegangen bei Gericht am 19. Februar 2011, hat der Antragsteller eine gerichtliche Entscheidung beantragt und unter anderem ausgeführt, er verwende die Formulierung "Unsere Garantien. Betreuung auf höchstem Niveau" seit mehr als einem halben Jahr nicht mehr. Unter dem 3. Mai 2011 hat die Steuerberaterkammer eine Gegenerklärung abgegeben.




II.

1. Der statthafte, fristgerechte und auch im Übrigen zulässige Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat der Vorstand der Steuerberaterkammer Köln den Antragsteller wegen des unter Ziffer I. wiedergegebenen Web-Auftritts gerügt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Antragsteller die maßgebliche Passage seitdem verändert hat. Auch ein bereits abgeschlossenes Verhalten kann Gegenstand einer Rüge sein; eine Berufspflichtverletzung über eine gewisse Dauer

wird nicht dadurch ungeschehen, dass sie beendet wird. 2. Die angegriffene Werbung verstößt gegen die §§ 57 Abs. 1, 64 Abs. 1 StBerG, 11 StBGebV. Nach diesen Vorschriften muss der Steuerberater Rahmengebühren im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände - vor allem Umfang, Schwierigkeit und Bedeutung der Sache, wirtschaftliche Verhältnisse des Auftraggebers, Haftungsrisiko - nach billigem Ermessen bestimmen. Nach § 64 Abs. 1 S. 1 StBerG ist er an die StBGebV gebunden, was impliziert, dass er deren Mindestgebühren nicht unterschreiten darf.

Diese Regelungen, die in die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit des Steuerberaters eingreifen, sind verfassungs- und europarechtskonform. Hierfür gelten die vom Bundesgerichtshof zu § 49b Abs. 1 BRAO angeführten Gründe (Beschl. v. 9.6.2008, AnwSt [R] 5/05, Rn. 22 ff. bei juris) entsprechend:

Das Verbot, Mindestgebühren zu unterschreiten, schützt die Steuerberater im Interesse der Funktionsfähigkeit der Steuerrechtspflege, indem es ihnen jenseits von Preiskonkurrenz den Freiraum schafft, hochwertige Arbeit zu leisten. Damit verfolgt der Gesetzgeber Gemeinwohlziele, die auf vernünftigen Erwägungen beruhen. Die Regelungen sind auch erforderlich, da es den Mandanten, zumindest soweit sie Verbraucher sind, wegen der "Asymmetrie der Information" schwer fällt, die Qualität der erbrachten Dienstleistung zu beurteilen (EuGH, Urt. v. 5.12.2006, NJW 2007, 281, Tz. 68 - Cipolla).

Indem der Antragsteller damit wirbt, unter bestimmten Voraussetzungen kostenlose Beratungsgespräche durchzuführen, Beratungsleistungen nicht in Rechnung zu stellen oder auf einen Teilbetrag des Rechnungsbetrags zu verzichten, bietet er eine verbotene Unterschreitung der Mindestgebühren an. Es kann dahinstehen, ob es dem Steuerberater im Einzelfall erlaubt ist, auf die Geltendmachung seines Honorars zu verzichten; ebenso wenig ist entscheidend, dass der Mandant bei Schlechtleistung des Steuerberaters einen Schadensersatzanspruch erwirbt, mit dem er gegen die Honorarforderung aufrechnen kann. Der Antragsteller bietet die kostenlose Beratung unabhängig vom Einzelfall jedermann und auch für ordnungsgemäße Arbeit an. Für den Gebührenverzicht soll genügen, dass der Mandant "unzufrieden" ist. Damit gibt der Antragsteller das billige Ermessen, das § 11 StBGebV ihm einräumt und zugleich auferlegt, aus der Hand und überlässt die Höhe seines Honorars dem - ungebundenen - Ermessen des Mandanten.

Der Antragsteller kann nicht mit Erfolg einwenden, das Kammergericht (Urt. v. 19.3.2010, 5 U 42/08) habe es für unbedenklich erachtet, wenn ein Rechtsanwalt damit werbe, er erledige Deckungsanfragen bei der Rechtschutzversicherung kostenlos. Zu Recht führt die Steuerberaterkammer Köln in ihrer Gegenerklärung aus, dass das Kammergericht einen Bagatellfall angenommen hat, bei dem es an einer spürbaren Wettbewerbsbeeinträchtigung (§ 3 Abs. 1 UWG) fehle. Die Werbung des Antragstellers erfasst hingegen jede Beratung, damit auch solche, die nach der StBGebV zu hohen Gebühren führt und daher die Spürbarkeitsschwelle des § 3 Abs. 1 UWG überschreitet.

3. Indem der Antragsteller mit einem Gebührenverzicht wirbt, verstößt er zugleich gegen die §§ 57 Abs. 1, 57a StBerG in Verbindung mit §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 4 UWG, wonach bei Verkaufsförderungsmaßnahmen die Bedingungen für ihre Inanspruchnahme klar und eindeutig anzugeben sind. Das Versprechen, einen Kaufpreis unter bestimmten Voraussetzungen ganz oder teilweise zu erstatten, stellt eine Verkaufsförderungsmaßnahme in Gestalt einer Garantie dar (BGH, Urt. v. 11.3.2009, I ZR 194/06 - Geldzurück-Garantie II, Rn. 21 ff. bei juris). Gleiches muss für das Versprechen gelten, eine Beratungsleistung nicht in Rechnung zu stellen oder einer Kürzung der Rechnung nicht entgegen zu treten. Der Antragsteller hat jedoch die Bedingungen hierfür nicht klar und eindeutig angegeben:




Nach dem Wortlaut der Werbung genügt jede - auch geringfügige, auch nur behauptete - Unzufriedenheit des Mandanten, damit dieser den Ausgleich einer Beratungsrechnung verweigern kann. Der Mandant könnte sich über eine geplante Unternehmensnachfolge beraten lassen, wobei verschiedene Szenarien hinsichtlich sämtlicher steuerlicher Folgen geprüft werden müssten, und sodann die Bezahlung der Rechnung unter Hinweis auf eine beliebige Kleinigkeit, die ihm angeblich missfalle, verweigern. Damit liefe der Antragsteller Gefahr, eine fehlerfreie, schwierige und umfangreiche Arbeitsleistung ohne Honorar erbracht zu haben. Der verständige Mandant wird nicht annehmen, dass die "Zufriedenheitsgarantie" solche Extremfälle abdeckt; der Antragsteller wird in einem solchen Fall nicht hinnehmen, dass sich der Mandant auf die Garantie beruft, sondern das Honorar einklagen und sich auf die §§ 133, 157 BGB (Vertragsauslegung nach Treu und Glauben) berufen. Damit stellt sich die Frage, wo die Grenze der Garantie verläuft. Diese Frage wird in der Werbung nicht beantwortet, erst recht nicht klar und eindeutig.

Entsprechendes gilt für die Auslobung, bei unterbliebenem Rückruf innerhalb von vier Stunden bleibe "das nachfolgende Beratungsgespräch" kostenlos. Dieses Gespräch kann nach dem Wortlaut der Garantie jeden beliebigen Gegenstand, Umfang und Schwierigkeitsgrad haben und damit sehr kostenträchtig sein. Für die Garantie ist nach dem Wortlaut nicht einmal Voraussetzung, dass die Bitte um Rückruf denselben Sachverhalt betrifft wie die "nachfolgende" Beratung. Dem Mandanten wäre es möglich, wegen einer Bagatelle anzurufen und, wenn der Steuerberater nicht erreichbar ist und nicht fristgerecht zurückruft, die Bezahlung einer Beratungsleistung mit hohen Gebühren zu verweigern. Auch hier liegt fern, dass dies gewollt sein könnte (§§ 133, 157 BGB), doch bleibt unklar, wo die Grenze verläuft.

Dies gilt ebenso für das Angebot, eine Kürzung der Rechnung hinzunehmen, wenn eine Terminzusage nicht eingehalten wird. Eine Kürzung auf null bei einer geringfügigen und folgenlosen Terminüberschreitung wäre nach dem Wortlaut möglich, aber bei Auslegung nach Treu und Glauben kaum gewollt.



4. Berufswidrig ist auch die Werbung mit dem Slogan "Unsere Garantien. Betreuung auf höchstem Niveau". Es handelt sich nicht etwa um eine nicht ernst zu nehmende Aussage ohne sachlichen Hintergrund (vgl. dazu Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Auflage 2011, § 5, Rn. 2.151 und 2.152), die wettbewerbsrechtlich unbedenklich wäre. Vielmehr bezieht sie sich nach dem Gesamtzusammenhang auf die im Folgenden dargestellten Garantien, die - wie oben ausgeführt - berufswidrig sind, weil sie unerlaubt niedrige Gebühren anbieten. Eine Werbung mit Leistungsmerkmalen, die unerlaubt sind, ist stets unzulässig, ohne dass es darauf ankäme, ob sie irreführend im Sinne von § 5 UWG ist, etwa weil der Superlativ eine unwahre Spitzen- oder Alleinstellungsbehauptung enthält.

5. a) Die angegriffenen Äußerungen sind indes nicht unsachlich im Sinne der §§ 57 Abs. 1, 57a StBerG sowie des § 10 BOStB in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung (zur Änderung am 1.1.2011 siehe unten b).

Die genannten Vorschriften untersagen Werbung, die über die berufliche Tätigkeit nicht sachlich unterrichtet, wobei sich die Unsachlichkeit nach dem Wortlaut des § 57a StBerG sowohl auf die Form als auf den Inhalt beziehen kann. Nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 2 BOStB a.F. musste die Unterrichtung sachlich zutreffend, objektiv nachprüfbar und nicht reklamehaft sein.

Allerdings sind die genannten Vorschriften, die die Berufsfreiheit einschränken, grundrechtsfreundlich auszulegen. Sie sind mit Art. 12 Abs. 1 GG nur dann vereinbar, wenn sie im Einzelfall durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sind sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen (BGH, Urt. v. 27.1.2005, I ZR 202/02 -Optimale Interessenvertretung, Rn. 19 bei juris; BGH, Urt. v. 29.7.2009, I ZR 77/07 - EKW-Steuerberater, Rn. 22 bei juris). Das Sachlichkeitsgebot verlangt keine auf die Mitteilung nüchterner Fakten beschränkte Werbung (BGH a.a.O.; anders, aber überholt Gehre/Koslowski, Steuerberatungsgesetz, 6. Auflage 2009, § 57a, Rn. 16). Deshalb ist das Verbot des § 10 Abs. 2 BOStB a.F. einschränkend dahin auszulegen, dass es sich allein auf die äußere Gesamtanmutung der Werbung bezieht, nicht auf den Inhalt (BGH, Urt. v. 29.7.2009, Rn. 32 bei juris), und dass selbst suggestive Aussagen ohne sachlichen Kern zulässig sind (BGH, a.a.O., Rn. 31 bei juris), womit erst recht keine objektive Nachprüfbarkeit verlangt werden kann. Diese einschränkende Auslegung erfasst naturgemäß auch den § 57a StBerG, der durch § 10 BOStB a.F. nur konkretisiert wurde.

Nach alledem kann nicht festgestellt werden, dass die Werbung mit dem Slogan "Unsere Garantien. Betreuung auf höchstem Niveau." für sich betrachtet unsachlich wäre. Über die äußere Gesamtanmutung des Web-Auftritts, in den die Werbeaussage eingebunden war, ist nichts mitgeteilt worden, so dass eine unsachliche Form nicht ersichtlich ist. Soweit die Steuerberaterkammer die Aussage inhaltlich für unsachlich hält, weil sie ein nicht nachprüfbares Werturteil abgebe, kommt es nach der oben wiedergegebenen, neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hierauf nicht an. Die Kammer hält an ihrer abweichenden Rechtsprechung (Beschl. v. 15.12.2009, 171 StL 19/08), auf die sich die Steuerberaterkammer beruft, nicht fest. b) Zum 1.1.2011 ist eine neue BOStB in Kraft getreten, in deren § 9 Abs. 1 S. 1 es (nur) heißt, berufswidrige Werbung sei insbesondere wettbewerbswidrige Werbung. Eine dem alten § 10 Abs. 2 entsprechende Regelung gibt es nicht mehr. Demnach fehlt eine Konkretisierung des Sachlichkeitsgebots des § 57a StBerG.

Es kommt nicht darauf an, ob der Meistbegünstigungsgedanke (vgl. § 2 Abs. 3 StGB) auch im Berufsrecht der Steuerberater anzuwenden ist (vgl. zur Anwendung im Heilberufsrecht: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 14.7.2010, OVG 91 HB 1.08, Rn. 20 bei juris). Denn weder nach der alten noch der neuen Norm handelt es sich um unsachliche Werbung; die Änderung der BOStB vollzieht nur die höchstrichterliche Rechtsprechung nach.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 149 Abs. 1 S. 1, 148 Abs. 1 S. 1 StBerG.

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