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BGH Beschluss vom 11.02.2021 - I ZR 241/19 - Vorabentscheidungsersuchen zu den Informationspflichten des Händlers hinsichtlich der Herstellergarantie

BGH v. 11.02.2021: Vorabentscheidungsersuchen zu den Informationspflichten des Händlers hinsichtlich der Herstellergarantie


Der BGH (Beschluss vom 11.02.2021 - I ZR 241/19) hat im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens entschieden:

Tenor:


  I.  Das Verfahren wird ausgesetzt.

  II.  Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 304 vom 22. November 2011, S. 64) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

  1.  Löst allein schon das bloße Bestehen einer Herstellergarantie die Informationspflicht nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU aus?

  2.  Für den Fall, dass Frage 1 verneint wird: Wird die Informationspflicht nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU durch die bloße Erwähnung einer Herstellergarantie im Angebot des Unternehmers ausgelöst oder wird sie ausgelöst, wenn die Erwähnung für den Verbraucher ohne weiteres erkennbar ist? Besteht eine Informationspflicht auch, wenn für den Verbraucher ohne weiteres erkennbar ist, dass der Unternehmer nur Angaben des Herstellers zu der Garantie zugänglich macht?

  3.  Muss die nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU erforderliche Information über das Bestehen und die Bedingungen einer Herstellergarantie dieselben Angaben enthalten wie eine Garantie nach Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. L 171 vom 7. Juli 1999, S. 12) oder genügen weniger Angaben?

Siehe auch
Herstellergarantie - Informationspflicht des Unternehmers
und
Garantieversprechen - Herstellergarantie


Gründe:


A.

Die Parteien stehen beim Vertrieb von Taschenmessern im Wege des Onlinehandels miteinander in Wettbewerb.

Die Beklagte bot auf der Internetplattform A. ein Taschenmesser des Schweizer Herstellers V. an. Die A. -Angebotsseite enthielt selbst keine Angaben zu einer von der Beklagten oder einem Dritten gewährten Garantie für das angebotene Messer, aber - unter der Zwischenüberschrift "Weitere technische Informationen" - einen elektronischen Verweis (Link) mit der Bezeichnung "Betriebsanleitung". Beim Anklicken dieses Links öffnete sich ein auf einem Server des Betreibers der Internetplattform A. gespeichertes Doku- ment, das ein zwei Seiten umfassendes, vom Hersteller des Messers gestaltetes und textlich formuliertes Produktinformationsblatt wiedergab. Auf dessen erster Seite fanden sich Erläuterungen zu einem in das Messer integrierten Mehrzweck-Werkzeug. Die zweite Seite enthielt Hinweise auf weitere in das Messer integrierte Werkzeuge und

zur Pflege des Messers sowie folgenden Hinweis auf die sogenannte "V. -Garantie":

   Die V. -Garantie erstreckt sich zeitlich unbeschränkt auf jeden Material- und Fabrikationsfehler (für Elektronik 2 Jahre). Schäden, die durch normalen Verschleiß oder durch unsachgemäßen Gebrauch entstehen, sind durch die Garantie nicht gedeckt.

Die Klägerin meint, die Beklagte habe damit keine ausreichenden Angaben zu der für das Messer gewährten Garantie gemacht. Sie hat die Beklagte daher auf Unterlassung in Anspruch genommen und zuletzt beantragt, die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Angebote für den Absatz von Taschenmessern an Verbraucher mit Hinweisen auf Garantien zu versehen, ohne hierbei auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers sowie darauf, dass sie durch die Garantie nicht eingeschränkt werden, hinzuweisen und ohne den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes anzugeben, wie geschehen am 13.04.2018 auf der Handelsplattform "a. " unter der ASIN B002J94KFG "V. Taschenwerkzeug Offiziersmesser Tinker rot, 1.4603" durch den Hinweis:

   [Es folgt der oben wiedergegebene Hinweis.]

Das Berufungsgericht hat der im ersten Rechtszug erfolglosen Klage stattgegeben (OLG Hamm, WRP 2020, 507). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.




B.

Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung des Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher (nachfolgend: Richtlinie 2011/83/EU) ab. Vor einer Entscheidung ist das Verfahren deshalb auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.

I.

Das Berufungsgericht hat die Klage als begründet angesehen. Dazu hat es ausgeführt:

Es könne dahinstehen, ob die Beklagte als Täterin oder Gehilfin für die Abgabe einer unvollständigen Garantieerklärung hafte und der Klägerin daher ein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 8, 3, 3a UWG in Verbindung mit § 479 Abs. 1 BGB zustehe.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch finde seine Grundlage jedenfalls in §§ 8, 3, 3a UWG in Verbindung mit § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB und Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB. Die Regelung in § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB knüpfe allein an das Vorliegen einer Garantieerklärung des Produktverkäufers oder eines Dritten an und erfordere weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Sinn und Zweck, den Verbraucher über das Für und Wider eines Vertragsschlusses möglichst umfassend zu informieren, eine besondere werbliche Hervorhebung der Garantie. Dahinstehen könne, ob § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB den Verkäufer in jedem Fall verpflichte, aktiv nach dem Bestehen von (Hersteller-)Garantien für die angebotene Ware zu forschen, um seine Kunden sodann über sie näher informieren zu können. Die Informationspflicht des Verkäufers greife nach ihrem Sinn und Zweck jedenfalls dann ein, wenn das Warenangebot - wie vorliegend - einen wie auch immer gestalteten Hinweis auf das Bestehen einer Garantie enthalte.

Zur Bestimmung der inhaltlichen Reichweite der Informationspflicht aus § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB sei zur Vermeidung von Widersprüchen und Diskrepanzen auf den Regelungsgehalt des § 479 Abs. 1 BGB zurückzugreifen. Der Gesetzgeber habe mit dieser Vorschrift deutlich gemacht, welche Informationen er im Zusammenhang mit Garantien für eine adäquate Information des Verbrauchers für erforderlich halte. Das vorliegend zu beurteilende Angebot der Beklagten enthalte keine solchen Informationen. Auch sei weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass der Verbraucher diese Informationen zu einem späteren Zeitpunkt eines etwaigen Bestellprozesses erhalte.

Der Verstoß gegen § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB sei im Übrigen spürbar im Sinne des § 3a UWG.



II.

Für den Erfolg der Revision kommt es darauf an, ob der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß §§ 8, 3, 3a UWG wegen eines Verstoßes gegen die Informationspflicht nach § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB zusteht. Das setzt voraus, dass die Beklagte eine entsprechende Informationspflicht traf (dazu B II 1) und diese Pflicht denselben Inhalt hat wie die Informationspflicht nach § 479 Abs. 1 BGB (dazu B II 2).

1. Fraglich ist zunächst, ob die Beklagte eine Informationspflicht nach § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB traf.

a) Nach § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Unternehmer bei Fernabsatzverträgen verpflichtet, den Verbraucher nach Maßgabe des Art. 246a EGBGB zu informieren. Gemäß Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB ist der Unternehmer verpflichtet, dem Verbraucher gegebenenfalls Informationen über das Bestehen und die Bedingungen von Kundendienst, Kundendienstleistungen und Garantien zur Verfügung zu stellen.

Die vorgenannten Bestimmungen dienen der Umsetzung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU und sind daher in Übereinstimmung mit dieser Vorschrift auszulegen. Nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU erteilt der Unternehmer dem Verbraucher, bevor dieser durch einen im Fernabsatz geschlossenen Vertrag oder ein entsprechendes Vertragsangebot gebunden ist, in klarer und verständlicher Weise gegebenenfalls einen Hinweis auf das Bestehen und die Bedingungen von Kundendienst, Kundendienstleistungen und gewerblichen Garantien. Bei der Auslegung der deutschen Vorschriften ist zu berücksichtigen, dass die Richtlinie 2011/83/EU nach ihrem Artikel 4 und ihrem Erwägungsgrund 7 auf eine vollständige Harmonisierung der von ihr erfassten Aspekte des Verbraucherschutzes gerichtet ist. Die Mitgliedstaaten dürfen daher in diesem Bereich weder strengere noch weniger strenge Rechtsvorschriften aufrechterhalten oder einführen (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2018 - I ZR 244/16, GRUR 2018, 950 Rn. 18 = WRP 2018, 1069 - Namensangabe; Urteil vom 24. September 2020 - I ZR 169/17, GRUR 2021, 84 Rn. 27 = WRP 2021, 192 - Verfügbare Telefonnummer).

b) Dem Senat erscheint es nicht als zweifelhaft, dass die Hinweispflicht nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU nicht nur bei einer gewerblichen Garantie besteht, die der Unternehmer selbst gewährt, sondern auch dann, wenn die Garantie vom Hersteller des Produkts stammt. Nach der Definition in Art. 2 Nr. 14 der Richtlinie 2011/83/EU ist eine "gewerbliche Garantie" jede dem Verbraucher gegenüber zusätzlich zur gesetzlichen Gewährleistung eingegangene Verpflichtung des Unternehmers oder eines Herstellers (Garantiegebers), den Kaufpreis zu erstatten oder die Waren auszutauschen oder nachzubessern oder Dienstleistungen für sie zu erbringen, falls sie nicht diejenigen Eigenschaften aufweisen oder andere als die Mängelfreiheit betreffende Anforderungen nicht erfüllen, die in der Garantieerklärung oder der einschlägigen Werbung, wie sie bei oder vor dem Abschluss des Vertrags verfügbar war, beschrieben sind. Garantiegeber kann demnach nicht nur der Unternehmer, sondern auch der Hersteller sein (vgl. OLG Celle, WRP 2020, 751, 754 [juris Rn. 64]; LG Bochum, K&R 2020, 318, 320 [juris Rn. 43]; Palandt/Grüneberg, BGB, 80. Aufl., Art. 246a § 1 EGBGB Rn. 4 in Verbindung mit Art. 246 EGBGB Rn. 9; BeckOGK.EGBGB/Busch, Stand 15. Juli 2020, Art. 246a § 1 Rn. 24 in Verbindung mit Art. 246 Rn. 39; MünchKomm.BGB/Wendehorst, 8. Aufl., § 312d Rn. 32 in Verbindung mit § 312a Rn. 29; jurisPK.Internetrecht/Paschke, 6. Aufl. [Stand 6. Juli 2020], Kap. 4.3 Rn. 371.1; Ring in Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack, BGB, 3. Aufl., Art. 246a § 1 EGBGB Rn. 3 in Verbindung mit Art. 246 EGBGB Rn. 3; Schirmbacher in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl., Art. 246a EGBGB Rn. 79; Rojahn in Flohr/Wauschkuhn, Vertriebsrecht, 2. Aufl., § 312d BGB Rn. 18 in Verbindung mit § 312a BGB Rn. 21; Buchmann/Großbach, K&R 2020, 259, 261; allein auf vom Unternehmer gewährte Garantien abstellend dagegen Staudinger/Thüsing, BGB [2019], § 312d Rn. 32 in Verbindung mit § 312a Rn. 30).

c) Fraglich erscheint jedoch, ob allein schon das bloße Bestehen einer Herstellergarantie die Informationspflicht nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU auslöst. Dies ist Gegenstand der Vorlagefrage 1.

aa) Die Beantwortung dieser Frage hängt von der Bedeutung des Wortes "gegebenenfalls" in Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU ab. Nach einer Ansicht soll die Informationspflicht nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU bereits dadurch ausgelöst werden, dass der Hersteller eine Garantie gewährt, unabhängig davon, ob der Verkäufer diese in seinem Angebot erwähnt (vgl. LG Wuppertal, Urteil vom 30. April 2019 - 13 O 21/19, nicht veröffentlicht, Umdruck S. 21; LG Bochum, K&R 2020, 318, 319 [juris Rn. 27]; jurisPK.Internetrecht/Paschke aaO Kap. 4.3 Rn. 371.1; Buchmann/Großbach, K&R 2020, 259, 261 bis 263; Buchmann, K&R 2020, 642, 647). Nach einer anderen Ansicht soll die bloße Existenz einer Herstellergarantie die Informationspflicht noch nicht auslösen (vgl. OLG Celle, WRP 2020, 751, 754 f. [juris Rn. 61 bis 84]; LG Hannover, MMR 2020, 495, 496 [juris Rn. 22 bis 36]; BeckOK.BGB/Martens, 55. Edition [Stand 1. August 2020], Art. 246a § 1 EGBGB Rn. 16 in Verbindung mit Art. 246 EGBGB Rn. 21a; BeckOGK.EGBGB/Busch aaO Art. 246a § 1 Rn. 24 in Verbindung mit Art. 246 Rn. 41; Douglas, GRUR-Prax 2020, 292).

bb) Der Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU lässt beide Auslegungen zu, da mit dem Wort "gegebenenfalls" entweder "für den Fall des Bestehens einer Garantie" oder "je nach der Gestaltung des Angebots des Unternehmers" gemeint sein könnte.

cc) Der Regelungszusammenhang könnte dafür sprechen, dass die Garantie im Angebot des Unternehmers erwähnt werden muss.



(1) Die Garantien werden in Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU im Zusammenhang mit den Kundendienstleistungen genannt. Da über Kundendienstleistungen nur zu informieren ist, wenn sie Gegenstand des Vertrags werden sollen oder jedenfalls von dem Verkäufer bei Vertragsschluss als kostenpflichtige Zusatzleistungen angeboten werden, könnte auch für Garantien gelten, dass diese im Angebot erwähnt werden müssen (vgl. OLG Celle, WRP 2020, 751, 755 [juris Rn. 73 f.]).




(2) Darüber hinaus beziehen sich die Informationspflichten des Unternehmers nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83/EU grundsätzlich nur auf unmittelbar vertragsbezogene Umstände, nicht dagegen auf Rechtsverhältnisse zwischen dem Verbraucher und Dritten. Auch Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU könnte daher einschränkend dahin auszulegen sein, dass der Unternehmer die Kundendienstleistungen und Garantien entweder selbst zumindest konkludent dadurch in einen Zusammenhang mit dem Vertrag bringen muss, dass er auf sie etwa bei den Vertragsverhandlungen hinweist oder sein Warenangebot in irgendeiner Form auf das Bestehen einer Garantie hindeutet (vgl. BeckOK.BGB/Martens aaO Art. 246a § 1 EGBGB Rn. 16 in Verbindung mit Art. 246 EGBGB Rn. 21a; BeckOGK.EGBGB/Busch aaO Art. 246a § 1 Rn. 24 in Verbindung mit Art. 246 Rn. 41).

dd) Das Regelungsziel des Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU spricht nicht eindeutig für die eine oder die andere Auslegung.

(1) Dafür, die bloße Existenz einer Herstellergarantie ausreichen zu lassen, spricht, dass die Richtlinie 2011/83/EU nach ihrem Artikel 1 im Licht ihrer Erwägungsgründe 4, 5 und 7 den Zweck verfolgt, ein hohes Verbraucherschutzniveau dadurch sicherzustellen, dass die Information und die Sicherheit der Verbraucher bei Geschäften mit Unternehmern garantiert wird. Zudem ist der Schutz der Verbraucher in der Politik der Union in Art. 169 AEUV und in Art. 38 der EU-Grundrechtecharta verankert (vgl. EuGH, Urteil vom 23. Januar 2019 - C-430/17, GRUR 2019, 296 Rn. 34 = WRP 2019, 312 - Walbusch Walter Busch; Urteil vom 10. Juli 2019 - C-649/17, GRUR 2019, 958 Rn. 39 = WRP 2019, 97 - Amazon EU). Der Verbraucher soll anhand der umfassenden Informationen - auch grenzüberschreitende - Angebote besser vergleichen und das Für und Wider des Vertrags abwägen können, um sodann eine überlegte Entscheidung zu treffen (vgl. OLG Hamm, Schaden-Praxis 2017, 496, 497 [juris Rn. 57]; LG Wuppertal, Urteil vom 30. April 2019 - 13 O 21/19, nicht veröffentlicht, Umdruck S. 21; LG Bochum, K&R 2020, 318, 321 [juris Rn. 48]; MünchKomm.BGB/Wendehorst aaO § 312d Rn. 2).

(2) Andererseits verlangt der Verbraucherschutz nicht zwingend, einen Händler zu verpflichten, auf für den Käufer möglicherweise positive Umstände hinzuweisen, die sich der Händler selbst im Wettbewerb nicht zunutze macht (vgl. Douglas, GRUR-Prax 2020, 292). Wenn Angaben zu einer Herstellergarantie fehlen, kann der Verbraucher sich darauf einstellen, dass im Zweifel keine Herstellergarantie besteht. Legt er auf eine Herstellergarantie Wert, kann er beim Verkäufer nachfragen und, wenn er damit keinen Erfolg hat, vom Kauf absehen. Schließt der Verbraucher gleichwohl einen Kaufvertrag, erleidet er keinen Nachteil, wenn der Hersteller ihm trotzdem eine Garantie gewährt, über die ihn der Verkäufer nicht informiert hat (vgl. OLG Celle, WRP 2020, 751, 755 [juris Rn. 75 f.]).

ee) Darüber hinaus ist bei der Auslegung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU zu beachten, dass die Grundrechte der Unternehmer nicht unverhältnismäßig eingeschränkt werden dürfen.

(1) Gemäß Erwägungsgrund 4 der Richtlinie 2011/83/EU ist ein ausgewogenes Verhältnis zwischen einem hohen Verbraucherschutzniveau und der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sicherzustellen und dabei die in Art. 16 der EU-Grundrechtecharta gewährleistete unternehmerische Freiheit des Unternehmers zu wahren (vgl. EuGH, GRUR 2019, 296 Rn. 41 - Walbusch Walter Busch; GRUR 2019, 958 Rn. 44 - Amazon EU; EuGH, Urteil vom 8. Oktober 2020 -C-641/19, WRP 2020, 1559 Rn. 30 - PE Digital). Die unternehmerische Freiheit darf nach Art. 52 Abs. 1 Satz 2 der EU-Grundrechtecharta unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nur eingeschränkt werden, wenn dies erforderlich ist und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entspricht.

(2) Zugunsten der Unternehmer wird insofern angenommen, dass es einem Verkäufer unbenommen bleiben müsse, eigenständig zu prüfen, ob die Garantie des Herstellers in der Kommunikation zum Kunden einen Vorteil darstelle, der den Aufwand bei der Darstellung des Angebots lohne (vgl. Douglas, GRUR-Prax 2020, 292), und die Kaufsache im Rahmen der Vertragsfreiheit gegebenenfalls ohne Hinweis auf eine bestehende Herstellergarantie anzubieten (vgl. OLG Celle, WRP 2020, 751, 755 [juris Rn. 75]).

Bejahte man eine Informationspflicht des Verkäufers demgegenüber bereits dann, wenn der Hersteller der Kaufsache eine Garantie gewähre, müsste der Verkäufer bei jedem verkauften Produkt recherchieren, ob und gegebenenfalls zu welchen Konditionen eine Herstellergarantie bestehe. Dabei müsste er auch ständig überwachen, ob der Hersteller einschlägige Werbung veröffentliche oder die Garantiebedingungen ändere, und entsprechende Änderungen umgehend in seine Verbraucherinformation einarbeiten. Häufig werde der Verkäufer zudem keine direkte Vertragsbeziehung zum Hersteller haben, sondern mit ihm nur über eine mehr oder weniger lange Lieferkette verbunden sein. In vielen Fällen komme der Garantievertrag mit dem Hersteller erst durch dessen Angebot in Form einer beigelegten Garantiekarte zustande. Wenn der Verkäufer wirklich sichergehen wolle, welche Garantiebedingungen des Herstellers aktuell gälten, müsste er jede Warenlieferung darauf durchsehen, ob und gegebenenfalls welche Garantiebedingungen beilägen. Dies bedeutete einen erheblichen Mehraufwand für den Verkäufer, der sich letztlich auch in Preiserhöhungen niederschlagen dürfte (vgl. OLG Celle, WRP 2020, 751, 754 f. [juris Rn. 68]). Überdies könnten etwa bei aus einzelnen Bestandteilen zusammengesetzten Waren oder bei Dienstleistungen sogar mehrere Herstellergarantien nebeneinander gelten (vgl. LG Hannover, MMR 2020, 495, 496 [juris Rn. 30]).

Der Verkäufer gehe, wenn seine Informationen über die Herstellergarantie nicht mehr aktuell seien, zudem ein erhebliches Haftungsrisiko ein. Das Bestehen einer Herstellergarantie stelle in der Regel ein Beschaffenheitsmerkmal der Kaufsache nach § 434 Abs. 1 BGB dar. Wenn der Verkäufer in seinem Angebot - wenn auch nur zur Erfüllung vermeintlicher Informationspflichten - eine Herstellergarantie erwähne, die tatsächlich nicht, nicht mehr oder nicht im genannten Umfang bestehe, stelle dies grundsätzlich einen Sachmangel nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Satz 3 BGB dar (vgl. OLG Celle, WRP 2020, 751, 755 [juris Rn. 69]).

(3) Dem wird entgegengehalten, der Unternehmer werde in Bezug auf die Herstellergarantie regelmäßig nur über eine weitere Garantie informieren müssen. Eine solche Informationspflicht sei daher noch praktikabel und überfordere den Unternehmer nicht unbillig. Zudem würden Hersteller, Internethandelsplattformen und verkaufende Unternehmer unter dem Eindruck lauterkeitsrechtlicher Verpflichtungen zur Information über Herstellergarantien kurzfristig Wege finden, die Verkäufern wettbewerbskonforme Onlineangebote ermöglichten (vgl. LG Bochum, K&R 2020, 318, 321 [juris Rn. 51]).

ff) Bei der Auslegung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU ist weiterhin zu beachten, dass sich die Frage der Informationspflicht des Verkäufers in Bezug auf eine Herstellergarantie in gleicher Weise bei Verbraucherkaufverträgen im stationären Handel stellt. Außer bei Geschäften des täglichen Bedarfs ist der Verbraucher nach der Regelung in § 312a Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 246 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 2 EGBGB, die der Umsetzung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. e und Abs. 3 der Richtlinie 2011/83/EU dient, auch hier über Garantien zu belehren. Im stationären Handel stellt sich erst recht die Frage, wie etwa ein Einzelhändler mit zumutbarem Aufwand über die verschiedenen Herstellergarantiebedingungen für jedes einzelne angebotene Produkt informieren soll (vgl. OLG Celle, WRP 2020, 751, 755 [juris Rn. 72]).

gg) Vor diesem Hintergrund neigt der Senat dazu, Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU dahin auszulegen, dass nicht allein schon das bloße Bestehen einer Herstellergarantie die Informationspflicht auslöst.

d) Für den Fall, dass die Vorlagefrage 1 zu verneinen ist, stellt sich die Frage, ob schon die bloße Erwähnung einer Herstellergarantie im Angebot des Unternehmers die Informationspflicht nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU auslöst oder diese Pflicht ausgelöst wird, wenn die Erwähnung für den Verbraucher ohne weiteres erkennbar ist. Auch ist fraglich, ob eine Informationspflicht auch dann besteht, wenn für den Verbraucher ohne weiteres erkennbar ist, dass der Unternehmer nur Angaben des Herstellers zu der Garantie zugänglich macht. Dies ist Gegenstand der Vorlagefrage 2.

aa) In der Rechtsprechung der Instanzgerichte besteht ebenso wie im Schrifttum kein Streit darüber, dass den Unternehmer gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU eine Informationspflicht trifft, wenn er mit einer Herstellergarantie wirbt (vgl. OLG Hamm, Schaden-Praxis 2017, 496, 497 [juris Rn. 56]; OLG Nürnberg, WRP 2020, 928, 929 [juris Rn. 14 f.]; LG Bochum, K&R 2020, 318, 320 [juris Rn. 30]; BeckOGK.EGBGB/Busch aaO Art. 246a § 1 Rn. 24 in Verbindung mit Art. 246 Rn. 41; Härting, Internetrecht, 6. Aufl., Rn. 1216; Buchmann/Großbach, K&R 2020, 259; Büttel, jurisPR-ITR 14/2020 Anm. 6).

bb) Fraglich ist dagegen, ob den Unternehmer nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU eine Informationspflicht auch dann trifft, wenn er die Herstellergarantie nicht werblich hervorhebt. Dies lässt sich nicht derart eindeutig beantworten, dass für vernünftige Zweifel keinerlei Raum bliebe (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 16 = NJW 1983, 1257 - Cilfit u.a.; Urteil vom 1. Oktober 2015 - C-452/14, GRUR Int. 2015, 1152 Rn. 43 - Doc Generici, mwN). Ebenso wenig wie sich dem Wortlaut, dem Regelungszusammenhang und dem Regelungsziel des Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU zweifelsfrei entnehmen lässt, ob die Informationspflicht überhaupt davon abhängt, dass die Herstellergarantie in dem Angebot des Unternehmers erwähnt wird (vgl. dazu Rn. 16 bis 31), lässt sich dieser Vorschrift eindeutig entnehmen, in welcher Form und in welchem Umfang eine etwa erforderliche Erwähnung dieser Garantie zu erfolgen hat, um die Informationspflicht auszulösen.

(1) Im Streitfall enthielt die A. -Angebotsseite der Beklagten nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen keinerlei Angaben zu der Herstellergarantie. Die Beklagte hielt lediglich im Rahmen ihrer technischen Informationen unter dem Link "Betriebsanleitung" ein von der Herstellerin stammendes Produktinformationsblatt vor, in dem sich ein Hinweis auf die Herstellergarantie befand.

(2) Einerseits könnte mit dem Berufungsgericht davon auszugehen sein, dass die bloße Erwähnung des Bestehens einer Herstellergarantie im Warenangebot ohne werbliche Hervorhebung und in welcher Form auch immer genügt, um die Pflicht zum Hinweis auf die Bedingungen dieser Garantie zu begründen.

(3) Andererseits könnte die Begründung einer Informationspflicht voraussetzen, dass das Bestehen einer Herstellergarantie in einer für den Verbraucher ohne weiteres erkennbaren Weise erwähnt wird.

In diesem Zusammenhang weist die Revision darauf hin, dass erfahrungsgemäß nur wenige Kaufinteressenten einem Link unter der Bezeichnung "Betriebsanleitung" folgten, da man sich der Betriebsanleitung - zumal bei einem Taschenmesser - gewöhnlich erst nach dem Kauf zuwende. Unabhängig davon werde der Kaufinteressent jedenfalls nicht unter einem solchen Link nach einer eventuellen Garantieerklärung suchen, die zudem auch nach Anklicken des Links nicht sofort sichtbar geworden sei, da sie sich erst auf der zweiten Seite des Dokuments befunden habe.

Sollte es für das Bestehen einer Pflicht zum Hinweis auf die Bedingungen einer Garantie darauf ankommen, ob der Hinweis auf das Bestehen einer Garantie für den Verbraucher erkennbar ist, wird das Berufungsgericht hierzu Feststellungen zu treffen haben.



(4) Fraglich ist zudem, ob eine Informationspflicht des Unternehmers besteht, wenn für den Verbraucher ersichtlich ist, dass die Angabe zum Bestehen einer Herstellergarantie nicht vom Unternehmer, sondern vom Hersteller stammt.

Nach Auffassung der Revision schuldet der Händler in einem solchen Fall keine weitergehenden Informationen. Dem Verbraucher sei die Unterscheidung zwischen Informationen und Werbeangaben, die vom Hersteller einerseits und vom Händler andererseits stammten, ohne weiteres geläufig, und er erwarte vom Händler keine weitergehende Aufklärung zu Informationen des Herstellers.

Auch zu diesem Verbraucherverständnis hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen, weil es darauf von seinem Standpunkt aus nicht ankam. Ob dieser Standpunkt zutrifft, lässt sich jedoch nicht zweifelsfrei beantworten.

2. Sofern eine Informationspflicht nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU besteht, stellt sich schließlich die Frage, welchen Inhalt die Information haben muss. Dies ist Gegenstand der Vorlagefrage 3.

a) Nach einer Ansicht, der auch das Berufungsgericht gefolgt ist, kann zur Bestimmung der inhaltlichen Reichweite der Informationspflicht auf den Regelungsgehalt des § 479 Abs. 1 BGB zurückgegriffen werden (vgl. LG Bochum, K&R 2020, 318, 320 f. [juris Rn. 44]; BeckOK.BGB/Martens aaO Art. 246a § 1 EGBGB Rn. 16 in Verbindung mit Art. 246 EGBGB Rn. 21; MünchKomm.BGB/Wendehorst aaO § 312d Rn. 32 in Verbindung mit § 312a Rn. 29; Staudinger/Thüsing aaO § 312d Rn. 32 in Verbindung mit § 312a Rn. 30).

Nach § 479 Abs. 1 Satz 2 BGB muss eine Garantieerklärung den Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers sowie darauf, dass die Garantie diese Rechte nicht einschränkt, und den Inhalt der Garantie sowie alle wesentlichen Angaben enthalten, die für die Geltendmachung der Garantie erforderlich sind, insbesondere die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes sowie Namen und Anschrift des Garantiegebers. Diese Regelung dient der Umsetzung von Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 1999/44/EG zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantie für Verbrauchsgüter.

b) Nach einer anderen Ansicht soll die vorvertragliche Information nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU nicht alle Angaben umfassen müssen, die nach Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 1999/44/EG in der Garantieerklärung selbst enthalten sein müssen. Die Frage, welche Angaben stattdessen erforderlich sind, wird dabei unterschiedlich beurteilt (vgl. BeckOGK.EGBGB/Busch aaO Art. 246a § 1 Rn. 24 in Verbindung mit Art. 246 Rn. 39; Schirmbacher in Spindler/Schuster aaO Art. 246a EGBGB Rn. 80).

3. Die drei Vorlagefragen sind entscheidungserheblich. Im Falle der Verletzung der Informationspflicht nach § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB handelte es sich um einen spürbaren Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht unabhängig von einem Verstoß gegen diese Informationspflicht als richtig dar (§ 561 ZPO).

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